Wie der frühe Film zum Erzählkino wurde - Filmportal.de
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Somit stellt sich die Frage, ob das Kino überhaupt Produkte anbietet o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur Pakete von<br />
Dienstleistungen. Denn <strong><strong>de</strong>r</strong> Kinobesitzer bestreitet immer noch sein Einkommen aus<br />
Popcorn, <strong>de</strong>m Eis-am-Stil o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Cola, nur muß es ihm jetzt gleichgültig sein, was für<br />
ein <strong>Film</strong> es ist, bei <strong>de</strong>m Leben in die Bu<strong>de</strong> kommt, d.h. die Schlange an <strong>de</strong>n Kassen <strong>de</strong>s<br />
Cineplex steht. Die Mo<strong>de</strong>, die Musikindustrie und die Werbung brauchen dagegen <strong>de</strong>n<br />
<strong>Film</strong>. Das wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um ist wichtig für sein Publikum, welches darauf bauen möchte, daß das<br />
Kino – sei es nun das Kunstkino um die Ecke o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> große Multiplex in <strong><strong>de</strong>r</strong> Innenstadt<br />
– die notwendige Qualitätskontrolle ausübt, <strong>de</strong>nn man will ja im voraus wissen, daß man<br />
es mit Spitzenware zu tun hat. Es ist also nicht das <strong>Erzählkino</strong> an sich, das Hollywood so<br />
erfolgreich und quasi unschlagbar gemacht hat, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Normierung und<br />
Standardisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ware '<strong>Film</strong>-Erlebnis', auf die sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Konsument verlassen kann,<br />
<strong>de</strong>nn Hollywood liefert ihm das (technische) Gütesiegel 'state of the art' und die<br />
Qualitätskontrolle, sei es nun im Genre suspense, romance o<strong><strong>de</strong>r</strong> special effects.<br />
Daneben hat es das New Hollywood seit <strong>de</strong>n achtziger Jahren geschafft, die vertikale<br />
Integration wie<strong><strong>de</strong>r</strong> herzustellen, die es nach <strong>de</strong>m Krieg im sogenannten Paramount-<br />
Prozeß von 1947 anscheinend verloren hatte. Heute kontrollieren die <strong>Film</strong>firmen – wie<br />
auch die Großfirmen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft – bis ins letzte, wer ihre bran<strong>de</strong>d goods<br />
(Markenartikel) auf <strong>de</strong>n Markt bringen darf und wie: alles wird mitgeliefert, inklusive die<br />
Rezensionen für die Tageszeitungen (was übrigens schon seit <strong>de</strong>n zwanziger Jahren<br />
auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> UFA üblich war). Kein Au-torenfilmer hätte sich je eine solche Kontrolle über<br />
sein Produkt träumen lassen, wie es Warner Brothers o<strong><strong>de</strong>r</strong> Disney heute über <strong>de</strong>ssen<br />
Auswertung haben.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s <strong>frühe</strong>n Kinos geht es also um letztlich etwas sehr<br />
Grundsätzliches, nämlich wie das Kino-Erlebnis konkret zur Ware wird. Charles Musser<br />
hat es auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht, als er beweisen konnte, daß es die Auswertungsformen<br />
waren, die die Entwicklung hin zur <strong>Film</strong>-Rolle als Standardware forcierten, während <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Produktionsmodus (<strong><strong>de</strong>r</strong> Herstellungsprozeß) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Repräsentationsmodus (also die<br />
<strong>Film</strong>-Form) erst einmal hinterherhinkten: "Das <strong>Film</strong>emachen blieb eine Manufaktur,<br />
während sich die Auswertung zu einer Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Massenproduktion entwickelte." 41 <strong>Wie</strong><br />
man weiß, ist Konsum ten<strong>de</strong>nziell eine individualisieren<strong>de</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung. Der<br />
individuelle Zuschauer taucht also somit genau an <strong>de</strong>m Punkt auf, als die Produktion <strong>de</strong>n<br />
Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierungsstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Auswertung erreicht hatte, d.h. die Ausformung <strong>de</strong>s<br />
Erlebnisses zur Ware, womit das <strong>Erzählkino</strong> so etwas wäre wie das Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Synchronisierung dieser bei<strong>de</strong>n Teile <strong>de</strong>s <strong>Film</strong>geschäfts bzw. <strong>de</strong>s letztendlichen Sieges<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Produktion/Distribution über die Auswertung. Das Konzept <strong>de</strong>s Blockbuster-Movie mit<br />
seinen koordinierten Uraufführungsdaten und intensiven Auswertungsperio<strong>de</strong>n ist<br />
<strong>de</strong>shalb eine logische Konsequenz dieses seit <strong>de</strong>n 70er Jahren in eine neue, heiße<br />
Phase getretenen Kriegs, in <strong>de</strong>m man wahrscheinlich nicht mit <strong>de</strong>m 'an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Film</strong>',<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur mit verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Strukturen und einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kräfteverhältnis zwischen<br />
Produktion und Abspielbasis antreten kann. Deshalb wäre tatsächlich das sich heute im<br />
Kino als Kollektiv formieren<strong>de</strong> Publikum als Zeichen einer neuen Zeit zu sehen und<br />
könnte fast schon wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>zum</strong> Optimismus verleiten: 'Zuschauer aller Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, vereinigt<br />
euch - ihr habt nichts zu verlieren außer eurer Sammlung und Aufmerksamkeit!'<br />
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