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Topics Geo Jahresrückblick Naturkatastrophen 2005

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Edition Wissen<br />

<strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong><br />

Jahresrückblick <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

<strong>2005</strong><br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

Große <strong>Naturkatastrophen</strong> seit 1950<br />

Hurrikansaison – Zeit zum Umdenken<br />

Das Kaschmir-Beben<br />

Die Klimakonferenz in Montreal<br />

Klimarückblick <strong>2005</strong><br />

1


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

2<br />

6<br />

8<br />

10<br />

14<br />

18<br />

30<br />

34<br />

38<br />

41<br />

45<br />

48<br />

51<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

Rückblick – Ausblick<br />

Bilder des Jahres<br />

Statistik<br />

Große <strong>Naturkatastrophen</strong> 1950–<strong>2005</strong><br />

NatCatSERVICE-Info<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> werden immer stärker und teurer –<br />

ein Trend<br />

Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Erdbeben Pakistan<br />

Überschwemmungen und Unwetter<br />

Sommer <strong>2005</strong> in Mitteleuropa: Alpentäler unter Wasser<br />

Überschwemmungen in Mumbai<br />

<strong>Geo</strong>graphical Underwriting –<br />

Zentraler Bestandteil des Risikomanagements<br />

Münchener Rück Stiftung – Vom Wissen zum Handeln<br />

Risikobewusstsein ist der Schlüssel<br />

Ergebnisse der UN-Klimakonferenz in Montreal<br />

Klimarückblick <strong>2005</strong><br />

Titel:<br />

<strong>2005</strong> war die aktivste Hurrikansaison seit<br />

Beginn der Aufzeichnungen und die bis heute<br />

teuerste für die Versicherungswirtschaft. Das<br />

Bild zeigt das überflutete Zentrum von New<br />

Orleans Ende August nach Hurrikan Katrina.<br />

Im Superdome fanden über 20 000 Obdachlose<br />

Unterkunft. Eine weitere Evakuierung<br />

war jedoch zwingend notwendig, da das Dach<br />

des Superdomes vom Sturm beschädigt war<br />

und auch die Versorgung in der überfluteten<br />

Stadt problematisch wurde.<br />

Einlegeblätter<br />

Weltkarte der <strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

MRNatCatPOSTER <strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

Innentitel:<br />

Die ersten Evakuierten von New Orleans<br />

trafen am 31. August in Houston ein. Im Astrodome<br />

konnten über 24 000 obdachlose Menschen<br />

aufgenommen und mit allem Notwendigen<br />

versorgt werden – er ist zur größten<br />

Notunterkunft in der Geschichte des Amerikanischen<br />

Roten Kreuzes geworden.<br />

1


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

Rückblick – Ausblick<br />

<strong>2005</strong>, das Jahr der Rekorde<br />

Wetterkatastrophen prägten das Jahr <strong>2005</strong>. Rund die<br />

Hälfte der erfassten Schadenereignisse waren Stürme.<br />

Die Kosten, die sie den Volkswirtschaften verursachten,<br />

beliefen sich auf über 185 Milliarden US$. Die folgenschwerste<br />

humanitäre Katastrophe löste ein Erdbeben<br />

aus, das im Oktober im Grenzgebiet zwischen Pakistan<br />

und Indien 88 000 Todesopfer forderte und zu den fünf<br />

schwersten der letzten 100 Jahre zählt.<br />

Schadenbilanz<br />

Gesamtschäden von über 210 Milliarden US$ stellten einen<br />

neuen Rekord auf (bisher teuerstes Jahr: 1995 mit 175 Milliarden<br />

US$), obwohl die Zahl der <strong>Naturkatastrophen</strong> mit<br />

etwa 650 dokumentierten Schadenereignissen im Mittel<br />

der letzten 10 Jahre lag. Mehr als 100 000 Menschen kamen<br />

durch <strong>Naturkatastrophen</strong> ums Leben. So viele Todesopfer<br />

wurden in den letzten 25 Jahren nur noch zweimal verzeichnet:<br />

1991 nach einer Sturmflut in Bangladesch und<br />

2004 nach dem Tsunami in Südasien.<br />

Folglich ist es nicht verwunderlich, dass auch die versicherten<br />

Schäden eine noch nie da gewesene Dimension erreichten:<br />

94 Milliarden US$, so die Bilanz für die Versicherungswirtschaft;<br />

die bisherige Rekordbelastung von 2004<br />

verdoppelte sich.<br />

Stürme<br />

Wie in den vergangenen Jahren dominierten Stürme die<br />

Schadenbilanz der Versicherer. Im Januar zog Wintersturm<br />

Erwin mit bis zu 120 km/h über Schottland und<br />

Südskandinavien bis nach Russland. In Norwegen war er<br />

der stärkste Sturm seit mehr als 10 Jahren, in Schweden<br />

seit mehr als 30 Jahren. Erwin ist für die europäische Versicherungswirtschaft<br />

der fünftteuerste Sturm der letzten<br />

50 Jahre.<br />

Über 83 Milliarden US$ versicherte Werte zerstörten allein<br />

die Hurrikane in den USA, der Karibik und Mexiko. Im<br />

Atlantik brachen 27 tropische Stürme und Hurrikane alle<br />

meteorologischen und monetären Rekorde. Erstmals reichte<br />

die seit 1953 geführte offizielle Liste der 21 Vornamen<br />

nicht aus und musste um die ersten sechs Buchstaben<br />

des griechischen Alphabets erweitert werden.<br />

Katrina war der sechststärkste Hurrikan seit Beginn der<br />

Aufzeichnungen 1851 – und mit 60 Milliarden US$ (private<br />

Assekuranz: 45 Milliarden US$, National Flood Insurance<br />

Program: 15 Milliarden US$) die bis dato teuerste versicherte<br />

Naturkatastrophe. Rita, der viertstärkste jemals gemessene<br />

Hurrikan, wies mittlere Windgeschwindigkeiten<br />

von bis zu 280 km/h auf. Hurrikan Stan zog relativ langsam,<br />

jedoch mit enormen Regenmengen über Zentralamerika.<br />

Er löste tausende Erdrutsche aus, die über 800<br />

Menschen unter sich begruben. Wilma war der stärkste<br />

Hurrikan, der bisher im Atlantik registriert wurde; seine<br />

Gesamtschäden beliefen sich auf rund 18 Milliarden US$.<br />

Ende November traf mit Delta erstmals, seit es Aufzeichnungen<br />

gibt, ein tropischer Wirbelsturm auf die Kanarischen<br />

Inseln. Eine umfassende Beschreibung der Hurrikansaison<br />

<strong>2005</strong> finden Sie ab Seite 18.<br />

Darüber hinaus hat die Münchener Rück das Sonderheft<br />

„Hurrikane – stärker, häufiger, teurer“ veröffentlicht; es<br />

beschreibt, wie sich die Stürme auf die Versicherungswirtschaft<br />

auswirken, und fasst zusammen, welche Schlüsse<br />

daraus zu ziehen sind.<br />

<strong>Geo</strong>logische Ereignisse<br />

Im vergangenen Jahr wurden weltweit 70 Schadenbeben<br />

und 13 Vulkanausbrüche registriert. Die Gesamtschäden<br />

betrugen rund 6 Milliarden US$.<br />

Ein Erdbeben der Stärke 6,5 ereignete sich im Februar<br />

<strong>2005</strong> im Iran. Es traf eine nur schwach besiedelte Region,<br />

dennoch kamen über 600 Menschen ums Leben. Im vergangenen<br />

März bebte vor der Küste Sumatras die Erde<br />

(Magnitude 8,7); auf der Insel Nias wurden tausende Häuser<br />

dem Erdboden gleichgemacht, 1 700 Bewohner starben.<br />

Das Erdbeben, das im Oktober <strong>2005</strong> die Grenzregion<br />

zwischen Pakistan und Indien erschütterte, verursachte<br />

eine der schwersten humanitären Katastrophen der letzten<br />

100 Jahre. Es dauerte nur 50 Sekunden, trotzdem wurden<br />

weit über 2 000 Siedlungen nahezu vollständig zerstört<br />

und 88 000 Menschen in den Tod gerissen. Tausende<br />

Erdrutsche verschütteten die Zufahrtswege in die am<br />

schwersten verwüsteten Gebiete und verhinderten einen<br />

schnellen und effektiven Einsatz der internationalen Hilfsorganisationen.<br />

Weitere Details können Sie ab Seite 30<br />

nachlesen.<br />

2


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong> – Rückblick – Ausblick<br />

Überschwemmungen<br />

Ergiebige Niederschläge führten im August <strong>2005</strong> zu Überschwemmungen<br />

in fast allen Alpenländern. Mehr über<br />

das Schadenereignis – das größte für den schweizerischen<br />

Elementarschadenpool in seinem 30-jährigen Bestehen –<br />

finden Sie im Beitrag auf Seite 34. Mumbai, die Megastadt<br />

mit über 15 Millionen Einwohnern an der Westküste Indiens,<br />

erlebte im Juli <strong>2005</strong> extreme Regefälle: Innerhalb<br />

von 24 Stunden gingen 944 mm nieder, fast so viel wie<br />

sonst durchschnittlich im Jahr. Diese für die Assekuranz<br />

bisher teuerste Naturkatastrophe Indiens schildern wir ab<br />

Seite 38.<br />

Waldbrände, Hitzewellen und Dürren<br />

Während im August Überschwemmungen und Sturzfluten<br />

das Bild im Alpenraum prägten, dominierten in Südeuropa<br />

Waldbrände und Dürren. Portugal erlebte eine der<br />

ex-tremsten Trockenperioden der vergangenen 100 Jahre,<br />

in Spanien und Frankreich musste Wasser rationiert werden,<br />

die Landwirtschaft hatte Ernteausfälle zu verzeichnen.<br />

Der Gesamtschaden wird auf über 3 Milliarden US$ geschätzt.<br />

Im Amazonasbecken in Brasilien herrschte die schlimmste<br />

Dürre seit über 60 Jahren. Viele Flussläufe waren streckenweise<br />

ausgetrocknet. Schäden entstanden der Schifffahrt,<br />

der Landwirtschaft und der Fischerei. Wie die Trockenheit<br />

im Norden Brasiliens und die außergewöhnliche Hurrikansaison<br />

im Atlantik zusammenhingen, wird im Klimarückblick<br />

auf Seite 51 erläutert.<br />

Katastrophenvorsorge – Risikobewusstsein ist der<br />

Schlüssel<br />

Die Serie dramatischer <strong>Naturkatastrophen</strong> reißt nicht ab:<br />

Das Erdbeben von Bam/Iran 2003, der Tsunami in Südasien<br />

2004, die Überschwemmung von New Orleans und<br />

das Kaschmirbeben <strong>2005</strong> sind nur einige Beispiele.<br />

Die Münchener Rück Stiftung „Vom Wissen zum Handeln“<br />

hat im April <strong>2005</strong> ihre Arbeit aufgenommen. Ihr Ziel:<br />

Menschen im Risiko zu unterstützen und ihre Lebenssituation<br />

zu verbessern. Langfristig können die Auswirkungen<br />

von <strong>Naturkatastrophen</strong> nur reduziert werden, wenn die<br />

Menschen über die Folgen von Erdbeben, Wirbelstürmen<br />

und Überflutungen aufgeklärt sind und wissen, wie sie<br />

sich schützen können. Auf dem internationalen Symposium<br />

„Weltweite Katastrophenvorsorge – Risikobewusstsein<br />

ist der Schlüssel“, das die Münchener Rück Stiftung<br />

im November organisierte, wurden die zehn größten<br />

Herausforderungen der Zukunft im Bereich Katastrophenvorsorge<br />

formuliert. Der Beitrag ab Seite 45 informiert<br />

Sie über die Arbeitspakete der Hohenkammer-Charta, die<br />

von 100 Experten verabschiedet wurde.<br />

Ausblick<br />

Im Jahr <strong>2005</strong> wurden alle Schadenrekorde gebrochen –<br />

das führte schließlich zu einer neuen Qualität der Diskussion<br />

um den Klimawandel. Bereits auf dem Klimagipfel im<br />

Dezember in Montreal war diese Wende zu spüren. Mehr<br />

zu den Ergebnissen von Kanada lesen Sie ab Seite 48.<br />

Die Münchener Rück weist seit langem darauf hin, dass<br />

sich bei zunehmender globaler Erwärmung außerordentliche<br />

Wetterkatastrophen häufen werden und warum mit<br />

größeren Schadenpotenzialen zu rechnen ist. Ihre Befürchtungen<br />

haben sich <strong>2005</strong> bestätigt.<br />

Die internationale Assekuranz hat zwar die Rekordschäden<br />

von <strong>2005</strong> bewältigt. Entscheidend für die zukünftige<br />

Absicherung von Naturgefahren wird jedoch sein, adäquate<br />

Versicherungslösungen für bisher undenkbare Katastrophenszenarien<br />

zu entwickeln.<br />

Angelika Wirtz<br />

3


Hurrikan Katrina traf am 29. August etwa 30 km östlich von<br />

New Orleans auf Land. Stunden nach dem Durchzug des<br />

Sturmwirbels brachen die Schutzdeiche – die Stadt wurde<br />

zu weiten Teilen überflutet. Da die Gebiete unterhalb des<br />

Meeresspiegels liegen, war die Trockenlegung nur über<br />

Pumpen und die natürliche Verdunstung möglich. Erst drei<br />

Monate später war New Orleans wieder voll zugänglich.<br />

4


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Bilder des Jahres<br />

7.–9. Januar<br />

Wintersturm Erwin: Skandinavien, Baltikum<br />

Gesamtschaden: 5 800 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 2 500 Mio. US$<br />

18 Todesopfer<br />

22. Februar<br />

Erdbeben: Iran<br />

Gesamtschaden: 80 Mio. US$<br />

612 Todesopfer<br />

28. März<br />

Erdbeben: Indonesien<br />

1 700 Todesopfer<br />

April–August<br />

Überschwemmungen: Rumänien<br />

Gesamtschaden: 1 600 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 10 Mio. US$<br />

67 Todesopfer<br />

24.–25. Mai<br />

Unwetter: Brasilien<br />

Gesamtschaden: 100 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 14 Mio. US$<br />

5 Todesopfer<br />

Sommer <strong>2005</strong><br />

Dürre, Waldbrände:<br />

Südeuropa, bes. Portugal, Spanien<br />

Gesamtschaden: 3 650 Mio. US$<br />

58 Todesopfer<br />

6


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Bilder des Jahres<br />

17.–20. Juli<br />

Taifun Haitang: China, Taiwan<br />

Gesamtschaden: 1 100 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 100 Mio. US$<br />

17 Todesopfer<br />

25.–30. August<br />

Hurrikan Katrina: USA<br />

Gesamtschaden: 125 000 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 60 000 Mio. US$<br />

1 322 Todesopfer<br />

20.–24. September<br />

Hurrikan Rita: USA<br />

Gesamtschaden: 16 000 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 11 000 Mio. US$<br />

10 Todesopfer<br />

8. Oktober<br />

Erdbeben: Pakistan, Indien<br />

Gesamtschaden: 5 200 Mio. US$<br />

88 000 Todesopfer<br />

25.–27. November<br />

Wintersturm Thorsten: Deutschland<br />

Gesamtschaden: 300 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 150 Mio. US$<br />

30. Dezember <strong>2005</strong>–3. Januar 2006<br />

Wintersturm, Überschwemmungen: USA<br />

Gesamtschaden: 200 Mio. US$<br />

Versicherter Schaden: 100 Mio. US$<br />

Todesopfer 8<br />

7


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Statistik der <strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

Schadenereignisse und Todesopfer<br />

<strong>2005</strong> wurden rund 650 Elementarschadenereignisse analysiert und in die NatCatSERVICE-<br />

Datenbank aufgenommen. Wie auch in den vergangenen Jahren dominierten bei der Anzahl der<br />

Ereignisse die Wetterkatastrophen. Die meisten Todesopfer forderte das Kaschmir-Erdbeben<br />

im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Indien: Über 88 000 Menschen kamen ums Leben, über<br />

3 Millionen verloren ihr Zuhause.<br />

Anzahl der Schadenereignisse: 648<br />

18 %<br />

14 %<br />

Afrika: 45<br />

Amerika: 180<br />

Asien: 246<br />

Australien/Ozeanien: 46<br />

Europa: 131<br />

26 %<br />

Prozentuale Verteilung<br />

weltweit<br />

42 %<br />

Anzahl der Todesopfer: 100 995<br />

Afrika: 348<br />

Amerika: 3 212<br />

90 375 Todesopfer<br />

Australien/Ozeanien: 2<br />

Europa: 336<br />

Asien: 97 074<br />

5% 4% 1%<br />

Prozentuale Verteilung<br />

weltweit<br />

90 %<br />

Verteilung nach Ereignisart<br />

Ereignisse<br />

300<br />

90 442<br />

Todesopfer<br />

3 210 Todesopfer 4 240 Todesopfer<br />

Todesopfer<br />

3 000<br />

250<br />

2 500<br />

200<br />

150<br />

Anzahl der Ereignisse<br />

Todesopfer<br />

2 000<br />

1 500<br />

100<br />

1 000<br />

50<br />

500<br />

0<br />

0<br />

Erdbeben,<br />

Tsunami<br />

Tropischer<br />

Sturm<br />

Wintersturm,<br />

Blizzard<br />

Unwetter<br />

Tornado<br />

Hagelsturm<br />

Lokale Stürme<br />

Vulkanausbruch<br />

Überschwemmung<br />

Sturzflut<br />

Hitzewelle,<br />

Dürre<br />

Waldbrand<br />

Erdrutsch<br />

Lawine<br />

Winterschaden,<br />

Frost<br />

8


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Statistik der <strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong><br />

Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch<br />

Sturm<br />

Überschwemmung<br />

Temperaturextreme und Massenbewegung (z. B. Dürre, Frost, Lawine)<br />

Gesamtschäden und versicherte Schäden<br />

<strong>2005</strong> war ein Rekordjahr: das bisher teuerste <strong>Naturkatastrophen</strong>jahr der Versicherungsgeschichte<br />

sowie für die weltweiten Volkswirtschaften. Allein die Hurrikanschäden in Nord- und Zentralamerika<br />

sowie in der Karibik verursachten rund 80 % der Gesamtschäden und 88 % der versicherten<br />

Schäden.<br />

Gesamtschäden: 212 127 Mio. US$<br />

7% 3% 3%<br />

87 %<br />

Afrika: 31<br />

Asien: 21,717<br />

Australien/Ozeanien: 647<br />

Europa: 16 002<br />

Amerika: 173 730<br />

Prozentuale Verteilung<br />

weltweit<br />

Versicherte Schäden: 94 379 Mio. US$<br />

Afrika: 10<br />

Asien: 1 060<br />

Australien/Ozeanien: 372<br />

Europa: 4 875<br />

Amerika: 88 062<br />

4%<br />

Prozentuale Verteilung<br />

weltweit<br />

96%<br />

Verteilung nach Ereignisart<br />

Mrd. US$<br />

173/83 Mrd. US$ 16 Mrd. US$<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Gesamtschäden in<br />

Mrd. US$<br />

Versicherte Schäden in<br />

Mrd. US$<br />

Erdbeben,<br />

Tsunami<br />

Tropischer<br />

Sturm<br />

Wintersturm,<br />

Blizzard<br />

Unwetter<br />

Tornado<br />

Hagelsturm<br />

Lokale Stürme<br />

Vulkanausbruch<br />

Überschwemmung<br />

Sturzflut<br />

Hitzewelle, Dürre<br />

Waldbrand<br />

Erdrutsch<br />

Lawine<br />

Winterschaden,<br />

Frost<br />

9


10<br />

Trotz der völligen Zerstörung ganzer Städte und zehntausender<br />

Todesopfer muss das Leben weitergehen. Einige<br />

Wochen nach der Erdbebenkatastrophe vom 8. Oktober im<br />

Grenzgebiet zwischen Pakistan und Indien öffneten die<br />

ersten Händler wieder ihre Geschäfte inmitten der Trümmer<br />

– ungeachtet der Gefahren möglicher Nachbeben, die<br />

jederzeit die Ruinen zusammenbrechen lassen könnten.


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Große <strong>Naturkatastrophen</strong> 1950–<strong>2005</strong><br />

Die Großkatastrophen erreichten <strong>2005</strong> wie schon im Vorjahr<br />

Rekordwerte – der Trend zu immer höheren Schäden setzte<br />

sich fort.<br />

<strong>2005</strong> traten weltweit etwa 650 Schadenereignisse auf, die<br />

in der <strong>Geo</strong>RisikoForschung analysiert und in der <strong>Naturkatastrophen</strong>datenbank<br />

der Münchener Rück, dem<br />

NatCatSERVICE ® , dokumentiert wurden. Die Zahl der<br />

erfassten Ereignisse entsprach dem Durchschnitt der<br />

letzten 10 Jahre. Die monetären und humanitären Auswirkungen<br />

waren jedoch dramatisch: <strong>2005</strong> war das bisher<br />

teuerste <strong>Naturkatastrophen</strong>jahr für die Versicherungswirtschaft<br />

und zählt zu den drei tödlichsten Jahren des letzten<br />

Vierteljahrhunderts.<br />

Definition<br />

„Große <strong>Naturkatastrophen</strong>“<br />

Als „groß“ werden <strong>Naturkatastrophen</strong> in Anlehnung an<br />

Definitionen der Vereinten Nationen bezeichnet, wenn<br />

die Selbsthilfefähigkeit der betroffenen Regionen deutlich<br />

überschritten wird und überregionale oder internationale<br />

Hilfe erforderlich ist. Dies ist in der Regel dann der<br />

Fall, wenn die Zahl der Todesopfer in die Tausende, die<br />

Zahl der Obdachlosen in die Hunderttausende geht;<br />

oder wenn die Gesamtschäden – je nach den wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen des betroffenen Landes – bzw. die<br />

versicherten Schäden außergewöhnliche Größenordnungen<br />

erreichen.<br />

<strong>2005</strong> zählten sechs Elementarschadenereignisse zu den<br />

„Großen <strong>Naturkatastrophen</strong>“. Dabei kamen über 91 000<br />

Menschen ums Leben (insgesamt 100 000); Gesamtschäden<br />

von 170 Milliarden US$ (insgesamt 212 Milliarden US$)<br />

und versicherte Schäden von 82 Milliarden US$<br />

(insgesamt 94 Milliarden US$) entstanden.<br />

– Überschwemmungen, Indien (August)<br />

– Hurrikan Katrina, USA (August)<br />

– Hurrikan Rita, USA (September)<br />

– Hurrikan Stan, Mittelamerika (Oktober)<br />

– Erdbeben, Pakistan, Indien (Oktober)<br />

– Hurrikan Wilma, Mexiko, USA, Karibik (Oktober)<br />

(Schadenausmaß der sechs Großkatastrophen siehe<br />

Einlegeblatt „Weltkarte der <strong>Naturkatastrophen</strong> <strong>2005</strong>“)<br />

Dekadenvergleich 1950–<strong>2005</strong><br />

In den Tabellen sind die Zahlen der vergangenen Jahrzehnte<br />

aufsummiert und ins Verhältnis gesetzt. Vergleicht<br />

man die letzten 10 Jahre mit denen der 1960er-Jahre, so<br />

wird der Anstieg der <strong>Naturkatastrophen</strong> deutlich. Das<br />

gilt sowohl für die Anzahl der Ereignisse als auch für das<br />

Schadenausmaß.<br />

Dekade 1950–1959 1960–1969 1970–1979 1980–1989 1990–1999 letzte 10 Jahre<br />

Anzahl der 21 27 47 63 91 57<br />

Ereignisse<br />

Gesamtschäden 48,1 87,5 151,7 247,0 728,8 575,2<br />

Versicherte Schäden 1,6 7,1 14,6 29,9 137,7 176,0<br />

Vergleich<br />

der letzten<br />

10 Jahre mit<br />

1960ern zeigt<br />

dramatischen<br />

Anstieg<br />

letzte 10:60er<br />

2,1<br />

6,6<br />

24,8<br />

Schäden in Mrd. US$ (in Werten von <strong>2005</strong>)<br />

12


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Große <strong>Naturkatastrophen</strong> 1950–<strong>2005</strong><br />

Anzahl der Ereignisse<br />

Das Diagramm zeigt für jedes Jahr die Anzahl der Großkatastrophen, unterteilt nach Ereignistypen.<br />

Anzahl<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 <strong>2005</strong><br />

Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch<br />

Sturm<br />

Überschwemmung<br />

Temperaturextreme (z. B. Hitzewelle, Dürre, Waldbrand)<br />

Gesamtschäden und versicherte Schäden – absolute Werte und Langfristtrends<br />

Das Diagramm gibt die – auf heutige Werte hochgerechneten – Gesamtschäden und versicherten<br />

Schäden an. Die Trendkurven dokumentieren die Zunahme der Katastrophenschäden ab 1950.<br />

Mrd. US$<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 <strong>2005</strong><br />

Gesamtschäden (in Werten von <strong>2005</strong>)<br />

Davon versicherte Schäden (in Werten von <strong>2005</strong>)<br />

Dekadenmittelwerte der Gesamtschäden<br />

Trend Gesamtschäden<br />

Trend versicherte Schäden<br />

13


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

NatCatSERVICE-Info<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> werden immer stärker<br />

und teurer – ein Trend<br />

<strong>2005</strong> brach alle Negativrekorde: Noch nie waren <strong>Naturkatastrophen</strong> für die<br />

Volkswirtschaften sowie für die Assekuranz so teuer. Zudem zählt es in den<br />

letzten Jahrzehnten zu den Jahren mit den meisten Todesopfern.<br />

Auch im vergangenen Jahr haben<br />

wir uns damit beschäftigt, wie sich<br />

Trends bei Naturgefahren noch besser<br />

bestimmen lassen. Dafür wurden<br />

zunächst die Informationen der Münchener-Rück-Datenbank<br />

der <strong>Naturkatastrophen</strong>,<br />

dem NatCatSERVICE ® ,<br />

so aufbereitet, dass sie systematischer<br />

analysiert werden können. Die<br />

Ergebnisse veröffentlichen wir in<br />

dieser Ausgabe erstmals. Insbesondere<br />

beschäftigt sich diese NatCat-<br />

SERVICE ® -Info mit der Frage, ob ein<br />

Trend zu immer größeren <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

besteht, in welchen Gebieten<br />

der Erde er sich abzeichnet und<br />

wie er aussieht.<br />

Datenquellen, Datenaufbereitung,<br />

Klassifizierung<br />

Grundsätzlich unterliegt die Einschätzung<br />

volkswirtschaftlicher Schäden<br />

enormen Unsicherheiten und Schwankungen.<br />

Über diese Problematik<br />

berichteten wir ausführlich in topics –<br />

Jahresrückblick <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

2000.<br />

Um Trends zu untersuchen, haben<br />

wir die <strong>Naturkatastrophen</strong>klassen der<br />

Münchener Rück als Basis genommen<br />

(Abb. 1). Die siebenstufige Skala –<br />

von 0 Naturereignis bis 6 große Naturkatastrophe<br />

– ermöglicht es, ein Ereignis<br />

einer bestimmen Größenordnung<br />

zuzuordnen, auch wenn der<br />

exakte volkswirtschaftliche Schaden<br />

nicht bekannt ist bzw. nicht ermittelt<br />

werden kann.<br />

Analysiert wurden rund 16 000 <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

aus dem Zeitraum<br />

1980–<strong>2005</strong>. Nur für gut ein Viertel der<br />

Ereignisse lagen seriöse, gut belegbare<br />

volkswirtschaftliche Schadendaten<br />

von offiziellen Stellen vor. Seit<br />

Mitte der 1990er-Jahre nimmt die<br />

Qualität der Berichterstattung über<br />

die Gesamtschäden erkennbar zu<br />

(Abb. 3).<br />

Die Schäden der verbleibenden<br />

ca. 12 000 Ereignisse schätzten die<br />

Münchener-Rück-Experten auf der<br />

Grundlage von Schadenmeldungen<br />

und weltweiten Vergleichen mit<br />

ähnlichen Ereignissen; dabei berücksichtigten<br />

sie jeweils die betroffene<br />

Volkswirtschaft.<br />

Zwei Beispiele für die Vorgehensweise:<br />

Beispiel 1<br />

– Abschätzung des Gesamtschadens<br />

bei bekannten versicherten Schäden<br />

anhand der Versicherungsdichte,<br />

eine Größe, die für alle Märkte und<br />

für die verschiedenen Ereignistypen<br />

vorhanden ist. Hier wird einkalkuliert,<br />

um welche Naturgefahr es sich<br />

handelt, welche Region eines Landes<br />

betroffen war (Stadt, ländliches<br />

Gebiet, Bevölkerungsdichte, Gebäudequalität)<br />

und welche Geschäftszweige<br />

Schäden zu verzeichnen hatten.<br />

Aufgrund dieser Informationen<br />

wird der Schaden realitätsnah geschätzt<br />

(Abb. 2).<br />

Abb. 1 <strong>Naturkatastrophen</strong> – Aufteilung in 7 Katastrophenklassen<br />

0 Naturereignis Keine Schäden (z. B. Waldbrand ohne Gebäudeschäden)<br />

1 Kleinstschadenereignis 1–9 Tote und/oder kaum Schäden<br />

2 Mittleres Schadenereignis 10–19 Tote und/oder Gebäude- und sonstige Schäden<br />

2000–<strong>2005</strong> 1990er 1980er<br />

3 Mittelschwere Katastrophe Ab 20 Tote Gesamtschaden > 50 Mio. > 40 Mio. > 25 Mio. US$<br />

4 Schwere Katastrophe Ab 100 Tote Gesamtschaden > 200 Mio. > 160 Mio. > 85 Mio. US$<br />

5 Verheerende Katastrophe Ab 500 Tote Gesamtschaden > 500 Mio. > 400 Mio. > 275 Mio. US$<br />

Jährlich werden zwischen 700 und<br />

900 Ereignisse in die <strong>Naturkatastrophen</strong>datenbank<br />

NatCatSERVICE ®<br />

der Münchener Rück aufgenommen.<br />

Je nach ihren monetären oder<br />

humanitären Auswirkungen stufen<br />

wir die Ereignisse in sieben Klassen<br />

ein – vom reinen Naturereignis mit<br />

sehr geringen volkswirtschaftlichen<br />

Auswirkungen bis hin zur großen<br />

Naturkatastrophe. Für unsere<br />

Auswertungen und Statistiken<br />

bleiben die reinen Naturereignisse<br />

(Kat-Klasse 0) unberücksichtigt.<br />

6 Große Naturkatastrophe Tausende Tote, Volkswirtschaft schwer betroffen, extreme versicherte<br />

Schäden (Definition der Vereinten Nationen)<br />

14


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

NatCatSERVICE-Info<br />

Beispiel 2<br />

– Sind keine versicherten Schäden<br />

bekannt (wie häufig in Entwicklungsländern),<br />

stützt sich die Schadenschätzung<br />

der Münchener Rück auf<br />

folgende Parameter: Art und Dauer<br />

der Naturkatastrophe, betroffene<br />

Region (Stadt, ländliches Gebiet,<br />

Bevölkerungsdichte, Wohlstandsgefüge),<br />

beschädigte Sachwerte,<br />

Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen<br />

sowie Zahl der involvierten<br />

Menschen und Todesopfer.<br />

Ausgehend von diesen Angaben<br />

werden mit einem Näherungsverfahren<br />

alle vergleichbaren Katastrophen<br />

in der Region gesucht, für<br />

die detaillierte und gut referenzierte<br />

Informationen über die Gesamtschäden<br />

vorliegen. Die Ereignisse<br />

clustert man und leitet so realistische<br />

Werte für einzelne Einheiten<br />

ab (z. B. mittlerer Wert eines Wohngebäudes<br />

in einem ländlichen Gebiet).<br />

Auf diese Weise kann man<br />

das Ereignis in eine Schadengrößenordnung<br />

einreihen.<br />

Um die Ausmaße des Schadens zu<br />

bestimmen, wurden alle Ereignisse<br />

auf 7 <strong>Naturkatastrophen</strong>klassen verteilt.<br />

Nicht berücksichtigt haben wir<br />

bei unserer Analyse die Kat-Klasse 0,<br />

da sie Naturereignisse ohne oder mit<br />

sehr geringen volkswirtschaftlichen<br />

Auswirkungen erfasst. Die restlichen<br />

Ereignisse wurden in drei Hauptklassen<br />

aufgeteilt:<br />

– Kleinstschaden und mittlere Schadenereignisse<br />

(Kat-Klassen 1 und 2)<br />

– mittelschwere und schwere<br />

Katastrophen (Kat-Klassen 3 und 4)<br />

– verheerende und große <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

(Kat-Klassen 5 und 6)<br />

Abb. 2 Beispiel einer Schadenschätzung:<br />

Hurrikan Ivan, USA 2004<br />

Versicherter Schaden Geschätzter direkter<br />

in Mio. US$<br />

Gesamtschaden in Mio. US$<br />

Versicherter Sachschaden<br />

– USA (Durchschnittsschaden 11 500 US$, 7 110 10 000 *<br />

v. a. betroffen Florida und Alabama,<br />

ca. 500 000 Schadenmeldungen)<br />

– an Offshore-Einrichtungen 3 000 3 000 **<br />

– unter National Flood Insurance 1 000 2 000 ***<br />

Program<br />

Infrastrukturschäden, Schäden an<br />

Versorgungseinrichtungen 3 000<br />

ca. 12 000 ca. 18 000<br />

* ca. 70 % Versicherungsdurchdringung.<br />

** 100 % versichert, keine weiteren Auswirkung auf den Gesamtschaden.<br />

*** 50–60 % Versicherungsdurchdringung.<br />

In der Regel werden direkte<br />

volkswirtschaftliche Schäden in<br />

die NatCatSERVICE ® -Datenbank<br />

aufgenommen. Dies sind die<br />

sofort sichtbaren und zählbaren<br />

Schäden, z. B. an Wohngebäuden<br />

und Fahrzeugen. Veranschlagt<br />

werden die Wiederbeschaffungskosten<br />

inklusive der Schadenbeseitigungskosten.<br />

Abb. 3 <strong>Naturkatastrophen</strong> mit sehr gut dokumentierten volkswirtschaftlichen<br />

Schäden, Anteil pro Jahr in Prozent, 1980–<strong>2005</strong><br />

Prozent<br />

35<br />

30<br />

25<br />

Genaue Schadenanalysen und<br />

-berichte erstellen Regierungen<br />

und sonstige offizielle Institutionen<br />

nur nach besonders großen<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong>. Seit Mitte der<br />

1990er-Jahre hat die Qualität der<br />

Berichterstattung erkennbar zugenommen.<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

1980 1985 1990 1995 2000 <strong>2005</strong><br />

15


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

NatCatSERVICE-Info<br />

Die Analyse<br />

– Ein Vergleich der prozentualen Verteilung<br />

der Ereignisarten zeigt, dass<br />

in den drei Hauptklassen kaum Unterschiede<br />

erkennbar sind. Eine<br />

Ausnahme bilden Erdbeben und<br />

Vulkanausbrüche. Die Sturmereignisse<br />

verteilen sich sogar absolut<br />

gleichmäßig auf die drei Hauptgruppen.<br />

Insgesamt dominieren<br />

wetterbedingte <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

mit einem Anteil von über 85 % in<br />

allen Kat-Klassen (Abb. 4).<br />

– Betrachtet man die Zahl der Ereignisse<br />

von 1980 bis heute unterteilt<br />

nach den sechs Katastrophenklassen,<br />

zeigt sich, dass der Anteil der Katastrophen<br />

in Klasse 1 kleiner wird;<br />

hingegen ist ein deutlicher Anstieg in<br />

Klasse 2 und 3 festzustellen (Abb. 5).<br />

– Die Aufteilung nach Kontinenten<br />

verdeutlicht, dass bei der Zahl der<br />

Ereignisse Asien – der bevölkerungsreichste<br />

Kontinent mit den meisten<br />

Städten und Ballungsgebieten –<br />

dominiert. Hier wurden 4 500 Ereignisse<br />

registriert, 70 % davon waren<br />

Kleinschadenereignisse. Allerdings<br />

verzeichnete der asiatische Kontinent<br />

auch die meisten verheerenden<br />

und großen <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

(225).<br />

– Auch bei der Zahl der Opfer ist<br />

Asien mit mehr als 800 000 Toten<br />

am schwersten betroffen; die Ereignisse<br />

der Kat-Klassen 5 und 6<br />

forderten fast 90 % der Todesopfer<br />

(verheerende und große <strong>Naturkatastrophen</strong>).<br />

– Beim Vergleich Europa und Nordamerika<br />

(USA und Kanada) fällt auf,<br />

dass auf beiden Kontinenten etwa<br />

gleich viele <strong>Naturkatastrophen</strong> geschahen<br />

(Abb. 6). In Europa überwogen<br />

eher Kleinschadenereignisse,<br />

während Nordamerika einen höheren<br />

Anteil an mittelschweren und<br />

großen <strong>Naturkatastrophen</strong> (Kat-<br />

Klassen 3 bis 6) verzeichnete. Diese<br />

Tendenz machte sich auch bei den<br />

Schäden bemerkbar: Nordamerika<br />

musste dreimal so hohe Gesamtschäden<br />

verkraften wie Europa und<br />

viermal so viele versicherte Schäden.<br />

Absolut betrachtet kamen in Europa<br />

mehr Menschen ums Leben – dafür<br />

war jedoch ein einziges Ereignis<br />

verantwortlich, die Hitzewelle 2003,<br />

die ganz Europa erfasste. Traurige<br />

Bilanz: mehr als 35 000 Todesopfer.<br />

Abb. 4 Prozentuale Verteilung der Ereignisse (1980–<strong>2005</strong>)<br />

nach Katastrophenklassen und Naturereignissen<br />

Kleinstschadenereignisse<br />

Kat-Klasse 1 + 2<br />

14 %<br />

16 %<br />

Mittelschwere und<br />

schwere Katastrophen<br />

Kat-Klasse 3 + 4<br />

17 %<br />

7%<br />

Verheerende und<br />

große <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

Kat-Klasse 5 + 6<br />

18 %<br />

12 %<br />

Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch<br />

Sturm<br />

Überschwemmung<br />

Temperaturextreme (z. B. Hitzewelle,<br />

Waldbrand), Massenbewegung<br />

(z. B. Lawine, Erdrutsch)<br />

28 %<br />

42 %<br />

34 %<br />

42 %<br />

28 %<br />

42 %<br />

Abb. 5 Anzahl der Ereignisse pro Jahr (1980–<strong>2005</strong>), aufgeteilt nach<br />

Katastrophenklassen<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

Die Aufteilung der Elementarschadenereignisse<br />

nach Katastrophenklassen<br />

zeigt eine Zunahme<br />

der mittleren Schadenereignisse<br />

(Kat-Klasse 2) und Mittelschweren<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> (Kat-Klasse 3).<br />

Ein Abnahmetrend ist bei den<br />

Kleinstschadenereignissen zu<br />

erkennen.<br />

Klassen 1–6<br />

Kleinstschadenereignisse<br />

Mittlere Schadenereignisse<br />

Mittelschwere Katastrophen<br />

Schwere Katastrophen<br />

Verheerende Katastrophen<br />

Große <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

100<br />

0<br />

1980 1985 1990 1995 2000 <strong>2005</strong><br />

16


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

NatCatSERVICE-Info<br />

Ergebnisse<br />

Für die Weiterentwicklung der Trendanalyse<br />

war es ein wichtiger Schritt,<br />

die Elementarschadenereignisse in<br />

eine siebenstufige Katastrophenskala<br />

einzuteilen. Indem man Ereignisse<br />

bestimmten Größenklassen zuordnet,<br />

kann man Trends genauer untersuchen.<br />

Fest steht: Die verheerenden und<br />

großen Katastrophen der Kat-Klassen<br />

5 und 6 sind für das Gros der Schäden<br />

und Todesopfer verantwortlich. Sie<br />

forderten 86 % aller Menschenleben<br />

und verursachten 86 % der Gesamtschäden<br />

sowie 80 % der versicherten<br />

Schäden. Allerdings fallen in diese<br />

Kategorie nur 3 % aller Ereignisse.<br />

Noch dominieren weltweit Kleinschadenereignisse,<br />

allerdings zeichnet<br />

sich ein Trend zu immer schwereren<br />

und teureren <strong>Naturkatastrophen</strong> ab.<br />

Positiv entwickelte sich die Qualität<br />

der Berichterstattung offizieller<br />

Institutionen über die volkswirtschaftlichen<br />

Auswirkungen. Dies ist erfreulich,<br />

denn nur wenn Entscheidungsträger<br />

das tatsächliche Ausmaß von<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> kennen, können<br />

richtige und effiziente Maßnahmen<br />

eingeleitet werden, um diese zu<br />

bekämpfen, zu mildern oder ihnen<br />

vorzubeugen.<br />

Fazit<br />

Um die Folgen des ungebremsten<br />

Trends zu immer größeren und katastrophaleren<br />

Naturereignissen abzu-<br />

schwächen, sind weltweit zahlreiche<br />

Maßnahmen erforderlich. So muss<br />

Wissen geschaffen und das Bewusstsein<br />

sensibilisiert werden. Für die<br />

Menschen im Risiko ist es wichtig zu<br />

wissen, wie sie vor drohenden Ereignissen<br />

oder während einer Katastrophe<br />

reagieren sollen, um ihr Leben zu<br />

retten. Die beste materielle Vorsorgemaßnahme<br />

bleibt der Versicherungsschutz.<br />

Auch Menschen in ärmeren<br />

Regionen könnten durch so genannte<br />

Microinsurance-Lösungen finanziell<br />

abgesichert werden. Die Münchener<br />

Rück, die Weltbank sowie lokale Erstversicherer<br />

bieten bereits in einigen<br />

Ländern der Welt die Möglichkeit zur<br />

erschwinglichen Basisversicherung –<br />

mit großem Nutzen für die Betroffenen.<br />

Angelika Wirtz<br />

Abb. 6 <strong>Naturkatastrophen</strong> 1980–<strong>2005</strong> nach Katastrophen-Klassen –<br />

Europa und Nordamerika im Vergleich<br />

Anzahl der Ereignisse<br />

Europa<br />

Nordamerika<br />

Kleinstschaden- und<br />

mittlere Schadenereignisse<br />

(Kat-Klasse 1+2)<br />

Mittelschwere und schwere<br />

Katastrophen (Kat-Klasse 3+4)<br />

Verheerende und<br />

große <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

(Kat-Klasse 5+6)<br />

0 1 000 2 000 3 000 4 000 5 000<br />

Todesopfer<br />

Europa<br />

Nordamerika<br />

0 20000 40000 60000 80000 100000<br />

Gesamtschäden (in Mrd. US$)<br />

Europa<br />

Nordamerika<br />

0 180 360 540 720 900<br />

Versicherte Schäden (in Mrd. US$)<br />

Europa<br />

Nordamerika<br />

0 80 160 240 320 400<br />

17


18<br />

Die Hurrikansaison <strong>2005</strong> brach alle Rekorde – 27 tropische<br />

Wirbelstürme entwickelten sich im Atlantik: Wilma war der<br />

bisher stärkste gemessene Hurrikan, Katrina der teuerste<br />

Sturm aller Zeiten. Auf dem Bild sind die Überreste eines<br />

Souvenireinkaufszentrums in Biloxi zu sehen. Katrina zerstörte<br />

diese Touristenattraktion mit ihren Skulpturen an der Hausfassade<br />

nahezu vollständig.


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Hurrikansaison <strong>2005</strong>:<br />

Zeit zum Umdenken<br />

2004 galt mit 30 Milliarden US$ versicherten Schäden aus tropischen<br />

Wirbelstürmen als Ausnahmejahr. Doch schon <strong>2005</strong> wurde dieser<br />

Rekord gebrochen: Die aktivste Wirbelsturmsaison seit Beginn der<br />

Aufzeichnungen im Jahr 1851 kostet die Versicherungswirtschaft<br />

mehr als 80 Milliarden US$.<br />

Neue meteorologische Rekorde und ungewöhnliche<br />

Zugbahnen<br />

Die Chronik der Hurrikansaison <strong>2005</strong> gleicht einer Aufzählung<br />

außergewöhnlicher und zum Teil noch nie beobachteter<br />

Ereignisse – zumindest seit das Wettergeschehen im<br />

Atlantik systematisch aufgezeichnet wird:<br />

– Hochaktiver Saisonauftakt<br />

· Sieben tropische Wirbelstürme entstehen im Juni und<br />

Juli.<br />

· Bisher wurden bis Ende Juli maximal fünf Stürme beobachtet<br />

(1887, 1933, 1936, 1959, 1966, 1995, 1997).<br />

– Spitzenwerte der Intensität<br />

· Drei der zehn stärksten registrierten Hurrikane entwickelten<br />

sich im Jahr <strong>2005</strong>.<br />

· Hurrikan Wilma erreichte mit 882 hPa den bisher tiefsten<br />

Kerndruck im Atlantik und damit wahrscheinlich die<br />

höchsten Windgeschwindigkeiten (Abb. 3).<br />

– Rekordanzahl tropischer Wirbelstürme<br />

· Die 27 benannten tropischen Wirbelstürme des Jahres<br />

<strong>2005</strong> (davon 15 mit Hurrikanstärke) schlugen die bisherigen<br />

Rekorde: 21 Tropenstürme 1933 und 12 Hurrikane<br />

1969.<br />

· Erstmals reichte die Liste von 21 Namen, welche die<br />

World Meteorological Organization (WMO) aufstellt,<br />

nicht aus. Die letzten sechs Wirbelstürme benannte<br />

man deshalb nach den Anfangsbuchstaben des griechischen<br />

Alphabets: Alpha, Beta, Gamma, Delta, Epsilon<br />

und Zeta.<br />

– Neue Gebiete betroffen: Europa und Afrika<br />

· Anfang Oktober bildete sich mit Hurrikan Vince der<br />

bisher östlichste und nördlichste tropische Wirbelsturm<br />

im Atlantik nahe der Insel Madeira. Seine Zugbahn<br />

verlief nordostwärts auf das europäische Festland zu.<br />

Vince schwächte sich ab und erreichte als tropisches<br />

Tiefdruckgebiet am 11. Oktober die Küste Spaniens bei<br />

Huelva.<br />

Abb. 1 Zugbahnen aller tropischer Wirbelstürme <strong>2005</strong><br />

im Nordatlantik<br />

Abb. 2 Tropische Wirbelstürme im Golf von Mexiko<br />

und der Karibik<br />

Arlene<br />

New York<br />

New York<br />

New Orleans<br />

Miami<br />

Mexiko-Stadt<br />

Lissabon<br />

Rita<br />

Cindy<br />

Gert<br />

Bret<br />

Tammy<br />

New Orleans<br />

Katrina<br />

Miami<br />

Wilma<br />

Alpha<br />

Mexiko-Stadt<br />

Stan<br />

Gamma<br />

Emily<br />

Dennis<br />

Beta<br />

Quelle: NOAA, NHC, Miami<br />

Windgeschwindigkeit in km/h<br />

(SS: Saffir-Simpson-Hurrikanskala)<br />

Quelle: NOAA, NHC, Miami<br />

Tropischer Sturm<br />

(


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

· Ende November überquerte der Tropensturm Delta die<br />

Kanarischen Inseln und zog weiter zur marokkanischen<br />

Küste. Nie zuvor war ein tropischer Wirbelsturm in<br />

diesen Gebieten aufgetreten.<br />

– Letzter Hurrikan der Saison im Dezember<br />

· Laut dem US National Hurricane Center dauert die<br />

atlantische Hurrikansaison von Anfang Juni bis Ende<br />

November; dennoch verstärkte sich Epsilon danach<br />

noch zu einem SS1-Hurrikan.<br />

· Seit 1851 gab es nur vier Jahre, in denen sich im<br />

Dezember ein tropischer Wirbelsturm zum Hurrikan<br />

verstärkte: 1887, 1925, 1954, 1984.<br />

Die bedeutendsten Ereignisse der Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Katrina – Der teuerste Sturm aller Zeiten<br />

Am 23. August <strong>2005</strong> entwickelte sich Hurrikan Katrina aus<br />

einem Tiefdruckwirbel über den Bahamas als elfter tropischer<br />

Wirbelsturm der Saison und traf am Abend des<br />

25. Augusts mit SS1-Intensität bei Miami auf Land. Seine<br />

Bilanz in Südflorida: rund 1 Milliarde US$ versicherte<br />

Schäden.<br />

Katrina zog in den Folgetagen über den östlichen Teil des<br />

Golfs von Mexiko und verstärkte sich rasch. Am 28. August<br />

erreichte er über Gebieten, deren Wassertemperaturen im<br />

langjährigen Vergleich um ein bis drei Grad höher lagen,<br />

SS5-Intensität mit Spitzenwindgeschwindigkeiten in Böen<br />

von bis zu 340 km/h. Mit dieser Stärke überquerte Katrina<br />

die Ölfördergebiete vor der Küste der Bundesstaaten<br />

Louisiana und Mississippi; kurz bevor er am 29. August<br />

<strong>2005</strong> rund 50 km östlich von New Orleans auf das amerikanische<br />

Festland traf, schwächte sich der Sturm auf<br />

SS3-Intensität ab.<br />

Die Wind- und Sturmflutschäden waren verheerend: Teile<br />

von New Orleans wurden überschwemmt, weil die Schutzdeiche<br />

am Lake Pontchartrain und den künstlichen Auslasskanälen<br />

versagten; zahlreiche Offshoreanlagen im Golf<br />

von Mexiko wurden zerstört; mehr als 1 300 Menschen<br />

starben. Die gesamten direkten Schäden belaufen sich auf<br />

mindestens 125 Milliarden US$. Die private Assekuranz<br />

dürfte voraussichtlich mit rund 45 Milliarden US$ (Stand:<br />

Februar 2006) belastet werden – der absolut teuerste Schaden<br />

aus einem einzelnen Ereignis. Dazu kommen versicherte<br />

Überschwemmungsschäden aus dem staatlichen<br />

National Flood Insurance Program (NFIP), die man momentan<br />

auf einen knapp zweistelligen Milliarden-Dollar-Betrag<br />

schätzt.<br />

Anfang 2006 war das gesamte Schadenausmaß noch<br />

nicht abzusehen. Die Dimension der versicherten Schäden<br />

und die Erfahrungen der Jahre 2004 und <strong>2005</strong> lassen jedoch<br />

vermuten, dass derartige Ereignisse keine meteorologischen<br />

Ausnahmeerscheinungen mehr sind. Deshalb<br />

denkt die Versicherungswirtschaft intensiv darüber nach,<br />

wie die Hurrikangefährdung in Zukunft bewertet werden<br />

muss. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion<br />

stehen die Auswirkungen der natürlichen Klimaoszillation<br />

im Nordatlantik und die Folgen der globalen Erwärmung<br />

für die Frequenz und Intensität tropischer Wirbelstürme.<br />

Abb. 3 Übersicht über die 10 Hurrikane mit den<br />

niedrigsten Kerndrucken<br />

Jahr Name Tiefster Seegebiet<br />

Luftdruck (in HPa)<br />

<strong>2005</strong> Wilma 882 Karibik<br />

1988 Gilbert 888 Karibik<br />

1935 Labor-Day-Hurrikan 892 Florida-Keys<br />

<strong>2005</strong> Rita 897 Golf von Mexiko<br />

1980 Allen 899 Karibik<br />

<strong>2005</strong> Katrina 902 Golf von Mexiko<br />

1998 Mitch 905 vor Honduras<br />

1969 Camille 905 Golf von Mexiko<br />

2004 Ivan 910 Karibik<br />

1955 Janet 914 Karibik<br />

Abb. 4 Tropische Wirbelstürme und Hurrikane<br />

im Atlantik <strong>2005</strong><br />

Anzahl<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.<br />

21


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Darüber hinaus muss man untersuchen, ob Katrina auch<br />

Erkenntnisse lieferte, die zudem eine Neuanalyse der<br />

Kumulschadenhöhen anderer Gefahren (z. B. Erdbeben)<br />

und anderer Regionen/Länder erforderlich machen.<br />

Dabei handelt es sich um folgende Gesichtspunkte:<br />

– Dimension der Sturmflut<br />

Die Sturmflut, die Katrina auslöste, traf die Küstengebiete<br />

der US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi und<br />

Alabama auf über 150 km. Je nach Geländetopografie<br />

drang die teilweise bis zu 10 m hohe Flutwelle mehrere<br />

hundert Meter in das Landesinnere vor, an einigen Stellen<br />

sogar bis zu einem Kilometer. In Gebieten, in denen<br />

natürliche Wasserläufe (Bayous) das Hinterland wie ein<br />

Adernetz durchziehen, gelangte die durch den Windschub<br />

ausgelöste Sturmflut sogar mehrere Kilometer<br />

weit.<br />

Dabei wurden Bereiche überflutet, die in der Überschwemmungsgefährdungskarte<br />

der US-amerikanischen<br />

Federal Emergency Management Agency (FEMA)<br />

außerhalb der 500-Jahres-Zone liegen (Gebiete, die im<br />

langjährigen Mittel seltener als einmal in 500 Jahren<br />

überflutet werden). An den meisten Gebäuden dieser<br />

Region entstanden Totalschäden. Zu erwarten ist, dass<br />

sich bei Risiken mit Betriebsunterbrechungsdeckung<br />

die Wiederherstellung sehr lange hinziehen wird, da die<br />

Infrastruktur (Straßen, Brücken, Versorgungsleitungen)<br />

ebenfalls beschädigt oder zerstört wurde.<br />

– Teilweise Überflutung von New Orleans nach<br />

Deichbrüchen<br />

Die Assekuranz sollte künftig nicht nur Bautechnik und<br />

Auslegungskriterien für die Deichschutzvorrichtungen<br />

am Lake Pontchartrain überdenken, sondern auch die<br />

Kumulbewertung anderer bekannter Schadenszenarien.<br />

Denn trotz der Hinweise von Wissenschaftlern und<br />

Katastrophenmanagementorganisationen unterschätzte<br />

die Versicherungswirtschaft die Gefährdung von New<br />

Orleans durch Sturmfluten und Überschwemmungen.<br />

– Überproportionaler Anstieg versicherter Schäden durch<br />

makroökonomische Einflüsse<br />

Nach den Hurrikanen in Florida 2004 versuchte man, die<br />

vielfach unterschätzten Schäden mit Effekten wie Nachfrage-<br />

bzw. Großkatastrophenzuschlägen zu erklären.<br />

Auch bei Katrina stellten viele Versicherer fest, dass die<br />

prognostizierten Belastungen häufig weit geringer waren<br />

als die endgültig abgerechneten Schäden. Der Grund:<br />

Bei einer Großkatastrophe verstärken Ressourcenknappheit<br />

(Baumaterial und Arbeitskräfte, die zum Wiederaufbau<br />

benötigt werden) und nur beschränkt nutzbare<br />

Infrastruktureinrichtungen das Ausmaß der Katastrophe<br />

zusätzlich. Damit stellen sich grundsätzliche Fragen:<br />

Müssen die bisherigen Verfahren zur Analyse von Kumulschadenpotenzialen<br />

um entsprechende Komponenten<br />

ergänzt werden Können historische Erfahrungen<br />

weiterhin quasilinear auf künftige Megakatastrophen<br />

übertragen werden oder sind auch hier neue Ansätze<br />

notwendig<br />

Abb. 5 Zugbahn Hurrikan Katrina<br />

Abb. 6 Windfeld Hurrikan Katrina<br />

Mississippi<br />

New York<br />

Alabama<br />

St. Louis<br />

Washington<br />

Texas<br />

Hattiesburg<br />

Louisiana<br />

Mobile<br />

Biloxi<br />

Dallas<br />

Houston<br />

New Orleans<br />

Houston<br />

New Orleans<br />

Miami<br />

Windgeschwindigkeit in km/h<br />

(SS: Saffir-Simpson-Hurrikanskala)<br />

Quelle: NOAA, NHC, Miami<br />

Tropischer Sturm<br />

(


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

– Abgrenzung von Wind- und Wasserschäden in Sturmpolicen<br />

Die US-amerikanischen Standardpolicen für die Gefahr<br />

Sturm schließen Überschwemmungsschäden an Wohngebäuden<br />

und Mobiliar grundsätzlich aus; das Gleiche<br />

gilt für kleingewerbliche Risiken. In den USA können<br />

Gebäudebesitzer (Wohngebäude und Kleingewerbe) ihr<br />

Eigentum zusätzlich gegen Überschwemmungen und<br />

sonstige wasserbedingte Schadenursachen, welche die<br />

Privatwirtschaft nicht deckt, über das staatliche National<br />

Flood Insurance Program (NFIP) absichern. Dementsprechend<br />

sind Überschwemmungsschäden klar dem<br />

Deckungsumfang des NFIP zugeordnet, was bei der<br />

Schadenregulierung bisher auch so anerkannt wurde.<br />

Gebäudebesitzer ohne NFIP-Zusatzpolice trugen das<br />

Überschwemmungsrisiko selbst. Katrina hat in Justiz<br />

und Politik eine intensive Diskussion über diese Vorgehensweise<br />

ausgelöst. Ihr Ausgang wird zeigen, ob die<br />

Versicherer, die bisher keine Prämie für Überschwemmungsschäden<br />

in ihre Policen eingerechnet hatten,<br />

sich darauf verlassen können, dass die Abgrenzung von<br />

Wind- und Wasserdeckungen bestehen bleibt, oder ob<br />

sich die Rechtslage ändert.<br />

– Hohe Opferzahlen aus wetterbedingten <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

auch in Industrieländern<br />

In den vergangenen Jahrzehnten forderten Sturm- und<br />

Überschwemmungsereignisse immer weniger Todesopfer<br />

in Industrieländern; besonders in den USA waren<br />

verbesserte Frühwarnsysteme und konsequente Evakuierungsmaßnahmen<br />

erfolgreich: Seit der bis dato<br />

schwersten Naturkatastrophe – dem Hurrikan von Galveston<br />

im Jahr 1 900 mit mehr als 8 000 Todesopfern –<br />

sank die Zahl der bei Hurrikanen ums Leben gekommenen<br />

Personen kontinuierlich. Mit Hurrikan Katrina wurde<br />

zum ersten Mal seit 1928 die Schwelle von 1 000 Toten<br />

überschritten (Abb. 7).<br />

Abb. 7 Tropische Wirbelstürme in den USA<br />

mit mehr als 100 Todesopfern<br />

Jahr Region Anzahl<br />

Todesopfer<br />

1856 LA, Last Island 400<br />

1875 TX 176<br />

1881 GA, SC 700<br />

1886 TX, Indianola 150<br />

1893 LA, Cheniere Caminada 1 250<br />

1893 GA, SC 1 500<br />

1896 FL, GA, SC 130<br />

1898 GA, SC, NC 179<br />

1900 TX, Galveston 8 000<br />

1906 FL (Südosten) 164<br />

1906 134<br />

1909 LA, Grand Isle 350<br />

1915 LA, New Orleans 275<br />

1915 TX, Galveston 275<br />

1919 FL, Keys, TX (Süden) 287<br />

1926 FL, Miami, MS, AL, Pensacola 372<br />

1928 FL, Lake Okeechobee 2 500<br />

1935 FL, Keys 408<br />

1938 Nordostküste 600<br />

1955 Hurrikan Diane, Ostküste 184<br />

1957 Hurrikan Audrey, LA (Südwesten), TX (Norden) 400<br />

1969 Hurrikan Camille, MS, FL, TN, LA, VA 256<br />

1972 Hurrikan Agnes, FL, Nordostküste 122<br />

<strong>2005</strong> Hurrikan Katrina, AL, FL, LA, MS 1 322<br />

Auch wenn die hohen Opferzahlen von Katrina nicht ohne<br />

weiteres auf zukünftige Ereignisse schließen lassen,<br />

zeigte sich dennoch, dass auch im 21. Jahrhundert Wetterkatastrophen<br />

in Industrienationen schwere humanitäre<br />

Folgen haben können, wenn ungünstige Faktoren zusammentreffen.<br />

Für die Versicherungswirtschaft bedeutet dies<br />

vor allem in den Sparten Leben, Unfall und Arbeiterunfall<br />

zusätzliche Belastungen und der Gesamtkumul aus Nichtlebens-<br />

und Lebenspolicen steigt.<br />

23


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Hurrikan Rita – mit glimpflichem Ausgang für Houston,<br />

Texas<br />

Nur rund einen Monat nach Katrina entwickelte sich im<br />

südlichen Teil der Bahamas mit Rita der zweite SS5-Hurrikan<br />

der Saison. Er erreichte mit 897 hPa einen der tiefsten<br />

Kerndrucke eines Hurrikans im Nordatlantik (Abb. 3). Zeitweise<br />

prognostizierten verschiedene Vorhersagemodelle<br />

des National Hurricane Center in Miami (Florida), dass<br />

Rita bei Galveston/Houston (Texas) mit einer Stärke von<br />

SS4 bis SS5 anlanden würde. Dieses Szenario hätte für<br />

die Assekuranz einen noch gravierenderen Kumulfall bedeutet;<br />

die versicherten Schäden hätten die von Katrina<br />

weit übertroffen, weil in Galveston/Houston die versicherten<br />

Werte (Wohngebäude, Inhalte sowie Gewerbe- und<br />

Industrierisiken) rund doppelt so hoch sind wie in der von<br />

Katrina betroffenen Region (einschließlich New Orleans).<br />

Zudem wäre die Schadenanfälligkeit von Gebäuden und<br />

Inhaltswerten bei einem Landfall mit SS5-Intensität nochmals<br />

deutlich höher gewesen, da sie mit der Windgeschwindigkeit<br />

exponentiell ansteigt.<br />

Tatsächlich ist Rita am 24. September als SS3-Hurrikan<br />

mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von 250 km/h (in<br />

Böen) bei Sabine Pass im Grenzgebiet von Texas und<br />

Louisiana an Land gegangen. Dieser Beinahe-Volltreffer<br />

hat vielen Versicherern schlagartig bewusst gemacht,<br />

dass sie das Schadenpotenzial im Golf von Mexiko bisher<br />

erheblich unterschätzten. Dies gilt für die Schäden eines<br />

Einzelereignisses ebenso wie für den Kumul aus mehreren<br />

mittelschweren bis schweren Hurrikanen, die innerhalb<br />

eines Jahres Küstengebiete mit hohen Wertekonzentrationen<br />

treffen.<br />

Der versicherte Schaden aus Rita wird mit rund 5 Milliarden<br />

US$ aus Wohngebäude-, Gewerbe- und Industrierisiken<br />

in den USA und weiteren bis zu 6 Milliarden US$<br />

aus Offshore-Energy-Anlagen im Golf von Mexiko veranschlagt<br />

(Stand: Februar 2006). Außerdem erhöhte auch<br />

bei Rita eine Sturmflut im Grenzgebiet der US-Bundesstaaten<br />

Texas und Louisiana den Gesamtschaden.<br />

Hurrikan Stan – Vermutlich mehr als 1 500 Tote in<br />

Mittelamerika<br />

Stan löste <strong>2005</strong> eine der schwersten humanitären Katastrophen<br />

Mittelamerikas aus. Der Sturm bildete sich am<br />

1. Oktober rund 200 km östlich der mexikanischen Halbinsel<br />

Yukatan, überquerte diese am Folgetag als Tropensturm<br />

und verstärkte sich über der Bucht von Campeche<br />

zu einem SS1-Hurrikan. Bei Veracruz erreichte Stan zum<br />

zweiten Mal das mexikanische Festland und zog in südwestlicher<br />

Richtung über weitere Teile des Landes, wobei<br />

er sich abschwächte. Wenngleich die Zugbahn von Stan<br />

nur über Mexiko führte, waren die Auswirkungen in anderen<br />

mittelamerikanischen Ländern ungleich größer, da<br />

dort sintflutartige Niederschläge fielen. Mehr als 840 Menschen<br />

kamen in El Salvador, Guatemala, Nicaragua und<br />

Mexiko durch Überschwemmungen und Erdrutsche ums<br />

Leben, in Guatemala gelten 800 von einem Erdrutsch<br />

verschütte Menschen noch als vermisst.<br />

Abb. 8 Zugbahn Hurrikan Rita<br />

Abb. 9 Windfeld Hurrikan Rita<br />

New York<br />

St. Louis<br />

Washington<br />

Houston<br />

New Orleans<br />

Dallas<br />

Houston<br />

New Orleans<br />

Miami<br />

Miami<br />

Mexiko-Stadt<br />

Santo Domingo<br />

Windgeschwindigkeit in km/h<br />

(SS: Saffir-Simpson-Hurrikanskala)<br />

Quelle: NOAA, NHC, Miami<br />

Tropischer Sturm<br />

(


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Hurrikan Wilma – Tiefster gemessener Kerndruck seit 1851<br />

Der 21. tropische Wirbelsturm und 13. Hurrikan im Nordatlantik<br />

war gekennzeichnet durch meteorologische Superlative,<br />

Rekordschäden in Mexiko und hohe versicherte<br />

Schäden in Florida. Wilma wies am 19. Oktober über dem<br />

warmen Wasser der Karibik mit 882 hPa den tiefsten jemals<br />

gemessenen Kerndruck eines Hurrikans auf. Mit einem<br />

Druckabfall von 88 hPa in 15 Stunden (davon 53 hPa in<br />

nur 4 Stunden) zählt dieser Sturm aufgrund seiner<br />

explosionsartigen Intensivierung zu den „meteorologischen<br />

Bomben“.<br />

Cape Romano. Wilma zog schnell vorwärts und gelangte<br />

nach weniger als fünf Stunden nördlich von Palm Beach<br />

mit SS2-Intensität wieder auf den offenen Atlantik.<br />

In Florida werden die versicherten Marktschäden aus<br />

Wilma derzeit auf 8,5 Milliarden US$ geschätzt; sie erreichen<br />

damit eine ähnliche Höhe wie die Belastungen der<br />

Hurrikane Charley bzw. Ivan 2004.<br />

Erstmals seit Hurrikan Gilbert 1988 wurden die Touristenzentren<br />

der mexikanischen Halbinsel Yukatan und die vorgelagerte<br />

Insel Cozumel von einem schweren Hurrikan<br />

getroffen. Wilma hatte bei seinem Landfall in Mexiko am<br />

21. Oktober SS4-Intensität und wies mittlere Windgeschwindigkeiten<br />

um 225 km/h auf. Da die Infrastruktur in<br />

dieser Region in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut<br />

worden war, konzentrierten sich Sachwerte in<br />

unmittelbarer Küstennähe (viele davon mit Betriebsunterbrechungsdeckungen).<br />

So entstand ein versicherter Schaden<br />

von etwa 2 Milliarden US$ (Stand: Februar 2006), die<br />

bisher höchste Belastung der Assekuranz aus einem<br />

Einzelereignis in Mexiko.<br />

Nach einem mehrstündigen, nahezu stationären Verweilen<br />

des Tiefdruckwirbels über Yukatan und einer Phase der<br />

Abschwächung verlagerte sich Wilma am 23. Oktober<br />

auf einer nordöstlich gerichteten Zugbahn langsam nach<br />

Florida. Der Hurrikan überquerte am 24. Oktober mit<br />

SS3-Intensität die Westküste Floridas in der Nähe von<br />

Abb. 10 Zugbahnen der Hurrikane Stan und Wilma<br />

St. Louis<br />

New York<br />

Washington<br />

Wilma<br />

Dallas<br />

Houston<br />

New Orleans<br />

Miami<br />

Stan<br />

Mexiko-Stadt<br />

Santo Domingo<br />

Guatemala-Stadt<br />

Windgeschwindigkeit in km/h<br />

(SS: Saffir-Simpson-Hurrikanskala)<br />

Quelle: NOAA, NHC, Miami<br />

Tropischer Sturm<br />

(


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Die Sturmflutwelle und hohe<br />

Windgeschwindigkeiten von<br />

Hurrikan Katrina rissen die<br />

schwimmenden Spielkasinos<br />

an der Golfküste von<br />

Mississippi aus ihren Verankerungen<br />

und schoben sie mehrere<br />

hundert Meter weit ins Landesinnere.<br />

Hurrikanaktivität – klimatische Rahmenbedingungen<br />

Neuere Ergebnisse der Klimaforschung belegen: Die<br />

Wirbelsturmgefahr im Nordatlantik hat sich seit Mitte der<br />

1990er-Jahre spürbar verschärft. Die Wirbelstürme wurden<br />

intensiver und erreichten über immer längere Zeit<br />

sehr hohe Windgeschwindigkeiten.<br />

Die zunehmende Intensität geht einher mit einem weltweiten<br />

Zunahmetrend bei den Meeresoberflächentemperaturen;<br />

seit 1970 beträgt er in allen tropischen Ozeanregionen<br />

in der Sommersaison im Mittel etwa 0,5 °C. Der<br />

Vergleich der gemessenen Erwärmung mit Computersimulationen<br />

zeigt, dass diese Trends nur mit dem anthropogenen<br />

Klimawandel erklärt werden können. Weltweit<br />

hat sich die Anzahl starker Stürme (Saffir-Simpson-Kategorien<br />

4 und 5) mehr als verdoppelt: von rund 8 pro Jahr<br />

zu Beginn der 1970er-Jahre auf 18 pro Jahr im Zeitraum<br />

2000–2004. Weltweit entstehen im Mittel etwa 80 Wirbelstürme.<br />

Im Nordatlantik steigt neben der Intensität auch die Häufigkeit.<br />

Ausschlaggebend dafür ist der natürliche Zyklus<br />

der Meeresoberflächentemperatur. So fällt der Rekord der<br />

Wirbelsturmsaison <strong>2005</strong> zusammen mit der nach gegenwärtigem<br />

Datenstand höchsten Jahresmitteltemperatur<br />

im Nordatlantik, die seit Beginn der Aufzeichnungen 1880<br />

ermittelt wurde.<br />

Dabei überlagern sich zwei Prozesse, welche die Meerestemperaturen<br />

und die Hurrikanaktivität steuern: die natürliche<br />

Klimaoszillation und der lineare Erwärmungsprozess<br />

durch die anthropogene globale Erwärmung.<br />

Die natürlichen Klimaschwankungen sind gekennzeichnet<br />

durch Phasen mit ungewöhnlich warmer bzw. ungewöhnlich<br />

kühler Meeresoberflächentemperatur, die jeweils<br />

mehrere Jahrzehnte andauern. Die Variationsbreite beträgt<br />

dabei etwa 0,5 °C, die Schwingungsperiode im<br />

20. Jahrhundert rund 65 Jahre. Diese Oszillation wird von<br />

großskaligen Ozeanströmungen getrieben. Warmphasen<br />

bewirken deutlich mehr Hurrikane und eine höhere Intensität,<br />

Kaltphasen das Gegenteil. Seit Mitte der 1990er-<br />

Jahre befinden wir uns in einer Warmphase, die noch<br />

mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte anhalten wird. In<br />

dieser Phase gab es im Mittel bereits 4,1 schwere Hurrikane<br />

(SS 3–5) pro Jahr, in der Kaltphase davor waren es<br />

dagegen nur 1,5 – eine Steigerung von rund 170 %. Ein<br />

endgültiger Wert für das mittlere Aktivitätsniveau kann<br />

erst ermittelt werden, wenn die derzeitige Warmphase zu<br />

Ende ist.<br />

26


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Name Datum Maximale Maximale Betroffene Todes- Geschätzte Geschätzte<br />

Saffir- Wind- Gebiete opfer Gesamt- versicherte<br />

Simpson- geschwindig- schäden Schäden<br />

Kategorie keiten (Mio. US$) (Mio. US$)<br />

Tropischer Sturm Arlene 8.–13. Juni 110 km/h USA: FL 1<br />

Tropischer Sturm Bret 28.–29. Juni 65 km/h Mexiko 2 10<br />

Hurrikan Cindy 3.–7. Juli 1 120 km/h Mexiko. 3 250 160<br />

USA: AL, LA, MS, GA<br />

Hurrikan Dennis 5.–13. Juli 4 240 km/h Jamaika. Haiti. Kuba.<br />

USA: FL, AL, GA, MS 76 3 100 1 200<br />

Hurrikan Emily 11.–21. Juli 4 245 km/h Karibik. Mexiko 13 400 250<br />

Tropischer Sturm Franklin 21.–29. Juli 110 km/h Bahamas<br />

Tropischer Sturm Gert 23.–25. Juli 75 km/h Mexiko<br />

Tropischer Sturm Harvey 2.–8. Aug. 105 km/h Bermuda<br />

Hurrikan Irene 4.–18. Aug. 2 175 km/h<br />

Tropischer Sturm Jose 22.–23. Aug. 80 km/h Mexiko 6<br />

Hurrikan Katrina 23.–31. Aug. 5 280 km/h USA: AL, FL, LA, MS 1 322 125 000 60 000<br />

Tropischer Sturm Lee 28. Aug.– 2. Sept. 65 km/h<br />

Hurrikan Maria 1.–10. Sept. 3 185 km/h<br />

Hurrikan Nate 5.–10. Sept. 1 145 km/h Bermuda<br />

Hurrikan Ophelia 6.–18. Sept. 1 140 km/h USA: NC, SC 1 50 35<br />

Hurrikan Philippe 17.–24. Sept. 1 130 km/h<br />

Hurrikan Rita 18.–26. Sept. 5 280 km/h USA: FL, LA, TX, MS 10 16 000 11 000<br />

Hurrikan Stan 1.–5. Okt. 1 130 km/h Mexiko. Guatemala > 840 3 000 100<br />

Tropischer Sturm Tammy 5.–6. Okt. 80 km/h USA: FL, GA<br />

Hurrikan Vince 9.–11. Okt. 1 120 km/h Portugal. Spanien<br />

Hurrikan Wilma 15.–25. Okt. 5 280 km/h Mexiko. USA: FL 38 18 000 10 500<br />

Tropischer Sturm Alpha 22.–24. Okt. 80 km/h Dom. Republik. Haiti 28<br />

Hurrikan Beta 27.–31. Okt. 3 185 km/h Nikaragua. Kolumbien.<br />

Honduras 10<br />

Tropischer Sturm Gamma 18.–21. Nov. 80 km/h Honduras. Belize 37<br />

Tropischer Sturm Delta 23.–28. Nov. 110 km/h Spanien: Kanarische Inseln.<br />

Marokko 20 375<br />

Hurrikan Epsilon 29. Nov.–8. Dez. 1 140 km/h<br />

Tropischer Sturm Zeta 30. Dez. <strong>2005</strong><br />

–6. Jan. 2006 100 km/h<br />

Quelle: NHC und MRNatCatSERVICE ®<br />

27


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong> Hurrikansaison <strong>2005</strong><br />

Die natürliche Schwankung zwischen diesen Phasen wird<br />

gleichzeitig durch einen langfristigen Erwärmungsprozess<br />

verstärkt, sodass Meeresoberflächentemperatur und<br />

Hurrikanaktivität von Warmphase zu Warmphase zunehmen.<br />

Der Anstieg der jährlichen Anzahl schwerer Hurrikane<br />

von 2,6 auf 4,1 von der letzten zur aktuellen Warmphase<br />

entspricht einer Steigerung um rund 60 %. Viel<br />

spricht dafür, dass der Klimawandel für die langfristige<br />

Erwärmung verantwortlich ist.<br />

Die Aktivitätsschwankung beeinflusst auch die Landfalls<br />

und damit die Schäden: Bei schweren Hurrikanen nahm<br />

die mittlere jährliche Anzahl von Landfalls in USA seit der<br />

letzten Kaltphase (ca. 1971–1994) um rund 230 % zu (von<br />

0,3 auf 1,0), seit der letzten Warmphase (ca. 1926–1970)<br />

um rund 70 % (von 0,6 auf 1,0).<br />

Welche Konsequenzen kann die Assekuranz aus diesen<br />

Beobachtungen ziehen In der jetzigen Warmphase müssen<br />

wir von einer anderen Schadenverteilung ausgehen<br />

als in den Jahren davor. Da die Schadenverteilung der<br />

Modelle bis jetzt meist auf allen Schadenereignissen seit<br />

1900 beruht und diese Modelle die Phasen nicht differenzieren,<br />

ist eine Unterschätzung des aktuellen Schadenniveaus<br />

unvermeidlich. Denn die Schadenverteilung der<br />

aktuellen Warmphase dürfte sich von der aller Jahre seit<br />

1900 signifikant unterscheiden. Darauf weist auch ein<br />

Vergleich der Verteilung der Intensitäten des gesamten<br />

Zeitraums 1900–<strong>2005</strong> und der aktuellen Warmphase<br />

(1995–<strong>2005</strong>) hin. Hurrikane der Kategorien 4 machen seit<br />

1900 14 %, der Kategorie 5 6 % aus, in der aktuellen Warmphasenverteilung<br />

steigt ihr Anteil auf 21 bzw. 10 %. Dagegen<br />

waren schwächere Hurrikane (Kategorien 1 und 2) in<br />

der aktuellen Phase etwas seltener. Die Auswertungen<br />

der Münchener Rück zeigen: Der jährliche Schadenerwartungswert<br />

steigt deutlich, wenn man von der aktuellen<br />

Warmphasen-Schadenverteilung ausgeht und nicht von<br />

einer Verteilung, welche die Phasen nicht berücksichtigt.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die höheren Frequenzen<br />

und Intensitäten der Hurrikane im Nordatlantik<br />

sind sehr wahrscheinlich das gemeinsame Resultat einer<br />

ungünstigen natürlichen Klimaphase und der vom Menschen<br />

verursachten globalen Erwärmung. Unsere Analysen<br />

besagen, dass die natürliche Klimaschwankung für<br />

ca. zwei Drittel und die globale Erwärmung für rund ein<br />

Drittel des Gesamteffekts verantwortlich ist. Der Effekt der<br />

natürlichen Klimaschwankung wird sich in einigen Jahren<br />

bis Jahrzehnten abschwächen und dann sogar umkehren,<br />

bei der globalen Erwärmung ist hingegen mit einer Beschleunigung<br />

zu rechnen.<br />

Anpassungsbedarf bei der Modellierung<br />

Die außergewöhnlich aktiven Sturmjahre 2004 und <strong>2005</strong>,<br />

tropische Wirbelstürme in Regionen, die bis heute als frei<br />

von derartigen Ereignissen galten, sowie neue wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse über die natürlichen Klimaschwankungen<br />

und die Auswirkung der Klimaänderung<br />

auf die Hurrikangefährdung erfordern zwingend, die<br />

Hurrikansimulationsmodelle anzupassen.<br />

Im Zentrum stehen die Konsequenzen des Änderungsrisikos<br />

für die Risikobemessung (z. B. Kumulexponierung<br />

und Preisermittlung). Denn so viel steht fest: Kurzfristige<br />

Lösungen dürften bereits in einigen Jahren der neuen<br />

Gefährdungssituation nicht mehr gerecht werden. Realistisch<br />

scheint vielmehr, dass sich Wissenschaft und Versicherungswirtschaft<br />

gemeinsam in einem längerfristigen<br />

Prozess mit den veränderten Rahmenbedingungen auseinander<br />

setzen und adäquate Lösungen dafür finden<br />

müssen.<br />

Die Münchener Rück hat ihre Verfahren und Modelle bereits<br />

in der Vergangenheit dem aktuellen wissenschaftlichen<br />

Kenntnisstand angepasst. Katrina und die übrigen<br />

schweren Hurrikanereignisse hatten jedoch weitere Adjustierungen<br />

bei den Annahmen über Häufigkeiten und Intensitäten<br />

zur Folge. Darüber hinaus wurden schadenverstärkende<br />

Effekte bei komplexen Groß- und Größtschäden<br />

in der Risikoanalyse berücksichtigt. Daher veränderten<br />

sich die Schadenverteilungen, mit denen das Hurrikanrisiko<br />

bewertet wird, maßgeblich.<br />

Diese neuen Verteilungen wirken sich auf viele Prozesse<br />

aus – auf die Risikopreisermittlung, die Berechnung des<br />

erforderlichen Risikokapitals ebenso wie auf die ertragsorientierte<br />

Portefeuillesteuerung. Der Anpassungsbedarf<br />

wird bei jedem Versicherer anders ausfallen – bei allen<br />

wird er jedoch erheblich sein.<br />

Dr. Eberhard Faust, Ernst Rauch<br />

28


Die dem Wind zugewandte<br />

Fassade dieses Hochhauses<br />

in Fort Lauderdale, Florida,<br />

wurde während Hurrikan Wilma<br />

stark beschädigt.<br />

29


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Erdbebenbericht<br />

Kaschmir-Beben fordert 88 000 Todesopfer<br />

Nur 50 Sekunden bebte die Erde am Morgen des 8. Oktobers <strong>2005</strong>.<br />

Doch das Kaschmir-Beben brachte hunderte Schulen zum Einsturz<br />

und löschte in vielen Orten eine gesamte Generation aus.<br />

Das Erdbeben der Magnitude 7,6 verwüstete am 8. Oktober<br />

<strong>2005</strong> um 8.52 Uhr Ortszeit Kaschmir und Teile Nordpakistans.<br />

Die etwa 50 Sekunden dauernden Erschütterungen<br />

ließen rund 200 000 Häusern einstürzen und machten<br />

ganze Ortschaften und Städte dem Erdboden gleich. Mit<br />

88 000 Toten, ca. 200 000 Verletzten und mehr als drei<br />

Millionen Obdachlosen ist das Kaschmir-Beben nach dem<br />

Tsunami vom Dezember 2004 die schlimmste Naturkatastrophe<br />

der letzten Jahrzehnte. Beim Einsturz hunderter<br />

Schulen kam nahezu eine gesamte Generation junger<br />

Menschen ums Leben.<br />

Inadäquate Bauweise hat verheerende Folgen<br />

In der betroffenen Region leben mehrere Millionen Menschen<br />

– teilweise in Großstädten wie Muzaffarabad und<br />

Balakot, aber auch in unzähligen kleinen Bergdörfern und<br />

Häusern an den steilen Talflanken. Die Landbevölkerung<br />

wohnt in einfachen Behausungen aus unregelmäßigen<br />

Steinen und schlechtem Mörtel. Während des Bebens<br />

stürzten die Steinwände ein und begruben die Bewohner<br />

unter schweren Dächern. Hunderte Erdrutsche zerstörten<br />

große Teile der Infrastruktur. Schweres Räum- und Bergungsgerät<br />

konnte nur mit Transporthubschraubern in die<br />

zerstörten Ortschaften geflogen werden. Viele Gebiete<br />

waren wochenlang unzugänglich und nur aus der Luft zu<br />

versorgen.<br />

In 25 km Entfernung zum Epizentrum wurden über 50 %<br />

der Häuser stark beschädigt. In Islamabad hingegen entstanden<br />

– abgesehen vom Einsturz eines Appartementkomplexes<br />

– kaum nennenswerte Schäden.<br />

Weitere Beben im Himalaja zu erwarten<br />

Das Epizentrum des Bebens lag knapp 100 km nördlich<br />

von Islamabad in der pakistanischen Region des Kaschmir-Gebirges.<br />

Die Bruchfläche erstreckt sich über 90 km<br />

bis in den indischen Teil Kaschmirs. Die gesamte Region<br />

wurde bereits vor Jahren als hoch erdbebengefährdet<br />

eingestuft. Der Bebenherd befand sich am westlichen<br />

Ende eines knapp 2 000 km langen Verwerfungssystems<br />

entlang des Himalaja. An dieser Bruchstelle, die durch<br />

die Kollision des nordwärts driftenden indischen Subkontinents<br />

mit Eurasien entstand, kommt es immer wieder<br />

zu extremen Beben mit Magnituden von über 8. Im Nordwesten<br />

Indiens und in der Region Kaschmir fand das<br />

letzte Großbeben im Jahr 1555 statt. Seither hat sich eine<br />

enorme seismische Energie aufgebaut, von der nur 10 bis<br />

20 % beim jüngsten Beben freigesetzt wurden. Seismologen<br />

rechnen in Zukunft mit noch zerstörerischeren Erdbeben<br />

entlang des Himalaja-Südrands.<br />

Trotz enormer Anstrengungen der lokalen Behörden, des<br />

Militärs und der internationalen Hilfsorganisationen<br />

mussten sich die Bemühungen in den ersten Tagen auf<br />

die größeren Städte konzentrieren. Auch hier entsprach<br />

die Bauweise nicht der Gefährdungslage. In vielen Stadtvierteln<br />

bot sich das gleiche Bild: Die wenigen Häuser, die<br />

nicht einstürzten, wurden auf Dauer unbewohnbar. Bei<br />

den meisten öffentlichen Gebäuden (Schulen, Krankenhäuser,<br />

Behörden) handelte es sich zwar um mit Stahl verstärkte<br />

Betonrahmenkonstruktionen, doch sowohl das<br />

Material als auch die Bauausführung waren inadäquat.<br />

Viele Betonpfeiler knickten ein, die schweren Betondecken<br />

stürzten herab.<br />

Die mühsamen Aufräumarbeiten<br />

kommen nur langsam voran. Bis<br />

in der Krisenregion wieder normale<br />

Lebensbedingungen herrschen,<br />

werden viele Jahre vergehen.<br />

31


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Erdbebenbericht<br />

Mikroversicherungen können helfen<br />

Nur auf den ersten Blick ein Antagonismus: Eine der größten<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> der letzten Jahrzehnte war für die<br />

Versicherungsindustrie praktisch ein Nicht-Ereignis. In<br />

Pakistan sind fast ausschließlich größere Industrieanlagen<br />

gegen Erdbeben versichert. Da die betroffene Region stark<br />

ländlich geprägt ist, blieb der versicherte Schaden gering.<br />

Wie schon bei den Erdbeben 2001 in Indien (20 000 Tote),<br />

2003 im Iran (26 000) und nach dem Tsunami 2004 (mehr<br />

als 200 000) waren die meisten Todesopfer in der armen<br />

Bevölkerungsschicht zu beklagen. Wer das Beben überlebt<br />

hat, steht vor dem Nichts: Hunderttausende Menschen<br />

müssen den strengen Winter in Zelten überstehen, die auf<br />

oder unmittelbar neben den Trümmern ihrer eingestürzten<br />

Häuser errichtet wurden. Obwohl bei einer internationalen<br />

Geberkonferenz rund 5 Milliarden € zur Verfügung gestellt<br />

wurden, bleibt abzuwarten, ob Zeitdruck und widrige geographische<br />

Gegebenheiten einen erdbebensicheren Wiederaufbau<br />

erlauben.<br />

sowie in der Lebens- und Krankenversicherung gibt es<br />

bereits erste erfolgreiche Ansätze. Möglich ist, diese Konzepte<br />

auf Naturgefahrendeckungen auszuweiten. Ein besserer<br />

Versicherungsschutz kann – z. B. in Zusammenarbeit<br />

mit Entwicklungsbanken – erreicht werden, indem man<br />

Versicherungspools für Wohngebäude gründet; das geschah<br />

beispielsweise nach dem Erdbeben in der Türkei im<br />

Jahr 1999. Dies führt, flankiert von Baurichtlinien und Bildungsmaßnahmen,<br />

zur dringend notwendigen Risikominderung.<br />

Alexander Allmann<br />

Den Menschen in den ärmeren Regionen der Welt muss<br />

frühzeitig geholfen werden, also nicht erst nach einer<br />

Katastrophe. Die Assekuranz kann sich an diesem Prozess<br />

beteiligen und finanzierbare Versicherungslösungen bereitstellen.<br />

Der Mikroversicherungssektor spielt eine wichtige<br />

Rolle bei der Armutsbekämpfung. Im Agrarbereich<br />

Seismische Gefährdungskarte von Pakistan und Nordindien<br />

und Lage des Epizentrums<br />

Indien/Pakistan<br />

Islamabad<br />

★<br />

Indien/Pakistan<br />

Muzaffarabad<br />

Wahrscheinliche Maximalintensität<br />

(MM: modifizierte<br />

Mercali-Scala) mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />

von 10 % in 50 Jahren (entspricht<br />

„Wiederkehrperiode“<br />

von 475 Jahren) bei mittleren<br />

Untergrundbedingungen.<br />

Pakistan<br />

Muzaffarabad<br />

★<br />

Lahore<br />

Faisalabad<br />

Erdbeben<br />

MM ≤ V<br />

MM VI<br />

MM VII<br />

Islamabad<br />

0 25 50 100 km<br />

Pakistan<br />

Indien<br />

★<br />

MM VIII<br />

MM ≥ IX<br />

Epizentrum<br />

Nachbeben<br />

Hyderabad<br />

Karachi<br />

08.10.<strong>2005</strong><br />

10.10.<strong>2005</strong><br />

12.10.<strong>2005</strong><br />

14.10.<strong>2005</strong><br />

16.10.<strong>2005</strong><br />

0 125 250 500 km<br />

Quelle: Münchener Rück, Weltkarte der Naturgefahren<br />

32


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Erdbebenbericht<br />

Hunderttausende Obdachlose<br />

müssen den strengen Winter<br />

in überfüllten Zeltlagern in den<br />

Tälern verbringen. Obwohl dort<br />

die Versorgung mit sauberem<br />

Wasser und Lebensmitteln großteils<br />

gewährleistet ist, breiten<br />

sich insbesondere Erkältungskrankheiten<br />

stark aus. Viele Zelte<br />

sind nicht winterfest und warme<br />

Winterkleidung ist Mangelware.<br />

Die Trümmer der eingestürzten<br />

Häuser türmen sich überall. Um<br />

Baumaterial aus den Schutthaufen<br />

zu gewinnen, wird vielerorts mit<br />

Vorschlaghämmern oder bloßer<br />

Hand gearbeitet. Die Aufräumarbeiten<br />

kommen im Winter nur<br />

schleppend voran, an Wiederaufbau<br />

ist bisher kaum zu denken.<br />

Viele Stadtviertel bieten ein Bild<br />

völliger Zerstörung, jedes Haus<br />

ist dort eingestürzt. Kleine Hügel<br />

wie hier im Hintergrund waren<br />

scheinbar besonders stark betroffen;<br />

dort kam es wahrscheinlich<br />

durch topographische Fokussierungseffekte<br />

zu verstärkten Erschütterungen<br />

während des Bebens.<br />

Oft rutschten die Häuser ab,<br />

da die einfachen Fundamente den<br />

Bodenbewegungen nicht standhalten<br />

konnten.<br />

33


Nicht nur an der US-Golfküste, auch in Mittelamerika,<br />

China, Indien, Rumänien sowie im nördlichen Alpengebiet<br />

kam es <strong>2005</strong> zu außergewöhnlichen Überschwemmungen.<br />

Das Bild zeigt eine überflutete Tankstelle in der<br />

schweizerischen Hauptstadt Bern während der teuersten<br />

Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes.<br />

34


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Sommer <strong>2005</strong> in Mitteleuropa:<br />

Alpentäler unter Wasser<br />

Während Südeuropa unter immenser Trockenheit litt, hatten die<br />

Menschen im Alpenraum Wasser im Überfluss: Das gesamte nördliche<br />

Alpengebiet war von extremem Hochwasser betroffen.<br />

Das Wettergeschehen<br />

Am 20. August bildete sich in Südfrankreich das Tief Norbert.<br />

Es zog über den Golf von Genua langsam Richtung<br />

Osten und tankte auf seiner Südseite große Mengen Feuchtigkeit.<br />

Da Tiefdruckwirbel auf der Nordhalbkugel stets im<br />

Gegenuhrzeigersinn rotieren, strömte die feuchte Luft<br />

zunächst gegen die östlichen Südalpen; später trafen die<br />

Luftmassen von Norden auf das Gebirge. Durch die erzwungene<br />

Hebung und damit Abkühlung der Luft kam es<br />

im gesamten Raum nördlich des Alpenhauptkamms zu<br />

ausgiebigen Niederschlägen: Teilweise fielen über 200 mm<br />

in 24 Stunden und über 300 mm in 72 Stunden – Werte,<br />

die an vielen Orten in diesem Gebiet noch nie zuvor gemessen<br />

wurden.<br />

Gefährliches Gefälle<br />

Starkniederschläge wirken sich in den Bergen dramatischer<br />

aus als im Flachland. Das Gefälle lässt Wasser schnell<br />

bergab fließen, Abhänge und Gerinne erodieren. Infiltrierendes<br />

Wasser kann Hangrutschungen auslösen, die<br />

wiederum in den Flusstälern leicht erodierbares Material<br />

bereitstellen. So entstehen gefährliche und zerstörerische<br />

Muren – Mischungen aus Wasser und Feststoffen. Ein<br />

Bergbach kann sich binnen weniger Minuten vom plätschernden<br />

Rinnsal in einen reißenden Strom verwandeln;<br />

für akute Schutzmaßnahmen bleibt wenig bis gar keine<br />

Zeit. Eine präzise Regenvorhersage ist daher entscheidend<br />

– sie ist aber in den Bergen besonders schwierig<br />

und mit hohen Unsicherheiten behaftet.<br />

Die Schäden<br />

Schweiz<br />

Die Überschwemmungen im Sommer <strong>2005</strong> übertrafen<br />

in der Schweiz alles bisher Erlebte – insbesondere was die<br />

Größe des Gebiets angeht. Kaum ein Gewässer, ob Wildbach,<br />

Fluss oder See, blieb in der Zentralschweiz in seinem<br />

Bett. Verbreitet traten Abflussjährlichkeiten von weit über<br />

100 Jahren auf. Am schlimmsten traf es die Einzugsgebiete<br />

der Aare oberhalb des Bieler Sees sowie der Emme<br />

und der Reuss. Mehrere Seen erreichten nicht nur Höchstwasserstände,<br />

sondern überstiegen die bisherigen Rekordmarken<br />

von 1999 um bis zu einem Meter.<br />

Tausende Personen wurden evakuiert, zehntausende waren<br />

ohne Strom und Trinkwasser, sechs Menschen starben.<br />

Allein um die Hauptstadt Bern wurden etwa 5 000 Gebäude<br />

beschädigt. Auch in anderen Regionen überflutete das<br />

Wasser tausende Gebäude und füllte sie häufig mit<br />

Schlamm, Sand oder Kies. Verkehrswege waren unterbrochen,<br />

Kraftfahrzeuge wurden fortgeschwemmt; die<br />

Betriebsunterbrechungsschäden nahmen ein immenses<br />

Ausmaß an. Für die Schweiz war es die teuerste Naturkatastrophe<br />

aller Zeiten. Der bisherige volkswirtschaftliche<br />

und versicherte Höchstschaden – Wintersturm Lothar im<br />

Jahr 1999 – wurde um rund 50 % übertroffen. Bemerkenswert<br />

sind die relativ hohen Durchschnittsschäden bei Gebäuden<br />

von ca. 30 000 sfr (1 sfr = 0,80 US$). Gegenüber<br />

dem Hochwasser von 1999 haben sie sich nahezu verdoppelt,<br />

was die Intensität des Ereignisses verdeutlicht. In<br />

manchen Gebieten kletterte der Durchschnittswert sogar<br />

auf über 100 000 sfr.<br />

Deutschland (Bayern)<br />

Das hydrologische Ereignis <strong>2005</strong> ist mit dem Pfingsthochwasser<br />

vom Mai 1999 zu vergleichen. Damals wurden<br />

höhere Niederschlagsmengen gemessen, die Intensitätsspitzen<br />

waren jedoch weniger ausgeprägt. Die Gesamtschäden<br />

blieben <strong>2005</strong> vergleichsweise gering: Sie belaufen<br />

sich auf rund 220 Millionen US$, die versicherten blieben<br />

unter 50 Millionen; das ist trotz der inzwischen gestiegenen<br />

Werte nur etwa die Hälfte von 1999.<br />

Österreich<br />

Die intensiven Überschwemmungen beschränkten sich<br />

im Wesentlichen auf die westlichen Bundesländer Vorarlberg<br />

und Tirol. Im Gegensatz dazu hatten die zwei kurz<br />

aufeinander folgenden Hochwasser des Jahres 2002 fast<br />

Überschwemmungen im Alpenraum<br />

im Sommer <strong>2005</strong><br />

Land Gesamtschäden versicherte Schäden<br />

(in Mio. US$)<br />

(in Mio. US$)<br />

Schweiz 2 100 1 250<br />

Deutschland 220 50<br />

Österreich 700 150<br />

36


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Überschwemmungen und Unwetter<br />

22.8.<strong>2005</strong><br />

Bei einer Vb-Zugbahn wandert<br />

ein Tief vom Golf von Genua östlich<br />

um den Alpenbogen herum und<br />

transportiert feuchte Luft nach Mitteleuropa,<br />

die dort enorme Niederschlagsmengen<br />

produzieren kann.<br />

Die zerstörerische Kraft eines<br />

Gebirgshochwassers mussten viele<br />

Orte in der Schweiz, in Südbayern,<br />

Vorarlberg und Tirol erfahren.<br />

das ganze nördliche Bundesgebiet betroffen und Schäden<br />

von 3 000 Millionen US$ verursacht – davon waren<br />

400 Millionen versichert. <strong>2005</strong> lag die absolute Schadenhöhe<br />

bei etwa einem Drittel dieser Summe. Der relative,<br />

auf die Flächeneinheit bezogene Wert ist jedoch höher als<br />

drei Jahre zuvor.<br />

Partnerschaft zur Risikovorsorge<br />

In allen drei Ländern funktionierte das Hochwassermanagement<br />

überwiegend gut. In Bayern traf das Hochwasser<br />

<strong>2005</strong> vielfach die gleichen Gemeinden wie im Jahr<br />

1999. Alle Beteiligten, Behörden und Bevölkerung, hatten<br />

aus dem nur sechs Jahre zurückliegenden Ereignis gelernt:<br />

Technische Schutzmaßnahmen waren verbessert<br />

und Voraussetzungen für ein effizienteres Katastrophenmanagement<br />

geschaffen worden. Problematisch ist jedoch,<br />

dass diese positiven Erfahrungen, verbunden mit<br />

der politischen Zusage, den lokalen Hochwasserschutz an<br />

weiteren Stellen zu verbessern, eine trügerische Sicherheit<br />

suggerieren. Zur Erhaltung des Risikobewusstseins<br />

ist dies kontraproduktiv.<br />

Die Schweiz ist auf die finanzielle Bewältigung einer<br />

Hochwasserkatastrophe gut vorbereitet: Ein Großteil der<br />

Kantone hat sich zu einer Risikogemeinschaft zusammengeschlossen.<br />

Gemeinsam kommt man für Kosten auf<br />

und nimmt wesentlichen Einfluss auf die Siedlungspolitik<br />

und die gebäudebezogene bauliche Hochwasservorsorge.<br />

Auch in Deutschland wurde im Mai <strong>2005</strong> ein Gesetz verabschiedet,<br />

das die Bebauung von Überschwemmungsgebieten<br />

einschränkt. Ob es in Zukunft die Zunahme der<br />

Schadenpotenziale tatsächlich signifikant dämpft bleibt<br />

abzuwarten.<br />

Das deutsche Zonierungssystem zur Einschätzung der<br />

Überschwemmungsgefährdung ZÜRS hat sich mittlerweile<br />

bewährt und etabliert; es wird in naher Zukunft ergänzt<br />

durch ein neues Kumulschadenmodell, das die<br />

Münchener Rück mit entwickelt hat. ZÜRS teilt die Überschwemmungsgefährdung<br />

landesweit in vier Klassen<br />

mit abgestufter statistischer Wiederkehrperiode ein (0–10,<br />

10–50, 50–200, >200 Jahre). Das Kumulmodell basiert<br />

auf der stochastischen Simulation von 10 000 künstlich<br />

generierten Überschwemmungsereignissen. Ab Mitte<br />

2006 wird für Österreich ein ähnliches System (HORA)<br />

verfügbar sein.<br />

Ausblick<br />

Es gibt deutliche Anzeichen, dass nicht nur die Westwetterlagen,<br />

verantwortlich für Winterhochwasser im westlichen<br />

Mitteleuropa, sondern auch die so genannten Vb-<br />

Wetterlagen zugenommen haben. Diese verursachten in<br />

den vergangenen Jahren die Hochwasserkatastrophen an<br />

Oder (1997), Elbe und Donau (2002) sowie im Nordalpengebiet<br />

(1999, <strong>2005</strong>). Neu war <strong>2005</strong>, dass drei Vb-Lagen innerhalb<br />

von nur sechs Wochen aufeinander folgten; ein<br />

Zeichen, dass sich die Klimaänderung auch in Mitteleuropa<br />

bereits manifestiert – nicht nur mit häufigeren und<br />

schwereren Ereignissen, sondern auch mit höheren<br />

Schäden. Gesellschaft sowie Versicherungswirtschaft werden<br />

sich künftig auf diese Entwicklung einstellen müssen.<br />

Dr.-Ing. Wolfgang Kron<br />

37


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Überschwemmungen in Mumbai<br />

Schwere Monsunniederschläge an der Westküste Indiens verursachten<br />

im vergangenen Sommer hohe Schäden und forderten viele Todesopfer.<br />

Am schlimmsten traf es die beiden Bundesstaaten Gujarat Ende Juni<br />

und Maharashtra Ende Juli.<br />

Meteorologische Hintergründe<br />

Die Niederschlagsverhältnisse in Indien werden maßgeblich<br />

vom Monsun beeinflusst. Von Juni bis Oktober führt<br />

der Südwest- oder Sommermonsun, der vom Meer ins<br />

Landesinnere weht, in den meisten Landesteilen zu ergiebigen<br />

Niederschlägen. Die höchste Regenmenge wird an<br />

der Westküste, in den Western Ghats, an den Hängen des<br />

Himalaja und in Nordostindien (Cherrapunji: 11 000 mm/<br />

Jahr) erreicht. Der Sommermonsun sorgt im Großteil des<br />

Landes für 80–90 % des Jahresniederschlags. Infolge der<br />

lang anhaltenden, ergiebigen Regenfälle kommt es regelmäßig<br />

zu großflächigen Überschwemmungen, oft begleitet<br />

von Erdrutschen; dabei sterben jedes Jahr hunderte Menschen.<br />

Besonders betroffen sind die Täler von Jumma,<br />

Ganges und Brahmaputra.<br />

Die ersten starken Monsunniederschläge vom 25. Juni<br />

bis 4. Juli <strong>2005</strong> forderten im Bundesstaat Gujarat bereits<br />

200 Todesopfer. 400 000 Menschen mussten evakuiert<br />

werden, die versicherten Schäden lagen bei ca. 50 Millionen<br />

US$. Am 26. und 27. Juli gingen im Bundesstaat<br />

Maharashtra mit der Finanz- und Handelsmetropole Mumbai<br />

die schwersten Regenfälle seit Beginn der indischen<br />

Aufzeichnungen nieder. Innerhalb von 24 Stunden regnete<br />

es 944 mm – mehr als der bisherige Tageshöchstwert in<br />

Indien (Cherrapunji, 1910). 94 % dieser Niederschläge<br />

(885 mm) fielen in nur 12 Stunden (zwischen 11.30 und<br />

23.30 Uhr am 26. Juli). Begleitet wurden sie von schweren<br />

Gewittern und Sturmböen. Die meteorologischen Ursachen<br />

dieses Ereignisses sind noch unklar. Bereits vor dem<br />

26. Juli <strong>2005</strong> regnete es stark in Goa und an der Küste<br />

von Karnataka, was auf eine verstärkte Konvektion über<br />

dem östlichen Arabischen Meer hinweist. Generell erreicht<br />

die Niederschlagstätigkeit in der Region um Mumbai in<br />

den letzten beiden Juliwochen ihre höchste Intensität. Die<br />

Regenfälle waren jedoch örtlich sehr begrenzt: Während<br />

die meteorologische Station Santacruz im Norden Mumbais<br />

eben diese 944 mm registrierte, wurden im Süden der<br />

Stadt (Colaba) lediglich 73 mm gemessen.<br />

Das gesamte System dehnte sich lediglich 20–30 km aus;<br />

die vertikale Erstreckung der Wolkentürme bestimmten<br />

Radarmessungen auf 15 km.<br />

Niederschlagsverteilung Maharashtra 25.–27. Juli <strong>2005</strong><br />

Schematische Darstellung einer Offshore Vortex<br />

3 6 9<br />

Inches<br />

75 150 225<br />

mm<br />

3<br />

Gujarat<br />

2<br />

Mumbai<br />

Pune<br />

Maharashtra<br />

Mumbai<br />

1<br />

Normale<br />

Windrichtung<br />

Rajapur<br />

Goa<br />

Starkniederschläge<br />

vor dem 26.7.<br />

Quelle: http://earthobservatory.nasa.gov<br />

Quelle: IE Graphics/B.K. Sharma,<br />

Indian Express Newspapers, Mumbai<br />

Arabische<br />

See<br />

38<br />

1 Starkwinde<br />

vom Arabischen<br />

Meer<br />

2 Umbiegen der<br />

Winde nach Norden,<br />

Trog- und schließlich<br />

Wirbelbildung<br />

3 Bildung von tiefem<br />

Druck, schneller Aufstieg<br />

der Luftmassen,<br />

Starkniederschläge


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Überschwemmungen und Unwetter<br />

Mehrere Faktoren spielten eine Rolle<br />

Ein derartiges Wolkensystem kann aus einem „Offshore<br />

Vortex“ entstehen. Dabei strömen starke Winde mit hohem<br />

Wasserdampfgehalt von der Arabischen See gegen die<br />

Westküste Indiens und stoßen an den Gebirgszug der<br />

Western Ghats. Da sie dieses Hindernis nicht überwinden<br />

können, biegen die Winde um und strömen entlang des<br />

Gebirges nordwärts. Schließlich entsteht ein Wirbel, der<br />

die Luftmassen entgegen dem Uhrzeigersinn spiralförmig<br />

anhebt, was zu starkem Abregnen führt. Im Gegensatz zu<br />

einem normalen Wolkenbruch, dessen Regenmengen aus<br />

der mitgeführten Feuchtigkeit stammen und der deshalb<br />

von kurzer Dauer ist, wurde dieses Wolkensystem über<br />

einen längeren Zeitraum mit feuchten Luftmassen aus dem<br />

Arabischen Meer gespeist. Unklar ist derzeit noch, warum<br />

der eigentlich kurzlebige Wirbel so lange Zeit stationär<br />

über Mumbai blieb. Daher ist die Theorie des „Offshore<br />

Vortex“ als Ursache für den Starkregen in Mumbai<br />

umstritten. Am wahrscheinlichsten ist, dass verschiedene<br />

Faktoren zusammenwirkten. So befand sich beispielsweise<br />

die Innertropische Konvergenzzone, die zu starken Konvektionsvorgängen<br />

in der Atmosphäre (und damit zu hohen<br />

Regenmengen) führt, während des Niederschlagsereignisses<br />

unmittelbar auf der Höhe von Mumbai.<br />

Die Überschwemmung in Mumbai<br />

Die sintflutartigen Regenfälle übersschwemmten zahlreiche<br />

Stadtteile bis zu 3 m. Schulen, Banken, die Börse und<br />

der Flughafen mussten geschlossen werden. Der Straßenverkehr<br />

kam zum Erliegen, der Betrieb der Vorortzüge<br />

und Überlandverbindungen wurde unterbrochen.<br />

150 000 Menschen saßen in Bahnhöfen fest. Besonders<br />

betroffen war die Region um Bhiwandi im Nordosten der<br />

Stadt, wo große Warenlager schwer beschädigt wurden.<br />

Bhiwandi gilt als wichtiger Umschlagplatz für Güter und<br />

Waren, die für Mumbai sowie die westlichen Bundesstaaten<br />

bestimmt sind.<br />

Östlich von Mumbai verschlimmerte sich die Situation,<br />

als die flussaufwärts gelegenen Dämme geöffnet wurden;<br />

das ließ den Flusspegel innerhalb einer Stunde um ca. 2 m<br />

steigen. In den Slums der Metropole, in denen rund 70 %<br />

der Einwohner leben, war die Lage katastrophal: Aufgrund<br />

der unzureichend stabilen Bauweise stürzten unzählige<br />

Hütten ein, die Bewohner verloren ihr gesamtes Hab und<br />

Gut. Die Regenmengen lösten auch viele Erdrutsche aus.<br />

Zahlreiche Menschen wurden durch Stromschläge getötet,<br />

von einstürzenden Wänden erschlagen oder ertranken in<br />

überfluteten Fahrzeugen. Insgesamt waren in Maharashtra<br />

etwa 1 100 Todesopfer zu beklagen. Hunderte Fälle von<br />

Magen-Darm-Erkrankungen wie Cholera und Ruhr wurden<br />

infolge der Kontamination des Wassers registriert. Da die<br />

Lagerhäuser in Bhiwandi beschädigt waren, konnte die<br />

Bevölkerung nur sehr mangelhaft mit Medikamenten versorgt<br />

werden.<br />

Die starken Monsunniederschläge<br />

setzten im Bundesstaat<br />

Maharashtra ganze Landstriche<br />

unter Wasser und verursachten<br />

schwere Schäden in der Landwirtschaft<br />

und an den Straßen und<br />

Bahngleisen.<br />

39


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Überschwemmungen und Unwetter<br />

Im Fluss Mithi, der durch Mumbai fließt, wurden gesundheitsgefährdende<br />

Chemikalien wie Zyanid, Blei, Zink und<br />

Sulfate nachgewiesen, die hauptsächlich aus illegalen Industriebetrieben<br />

in der Region stammten und durch die<br />

Regenfälle in das Gewässernetz gelangten.<br />

Schadenbilanz und Folgen für die<br />

Versicherungswirtschaft<br />

Ab Mitte Juni <strong>2005</strong> kam es in Indien zu<br />

den ersten schweren Monsunniederschlägen<br />

des Jahres. Das Bild zeigt Ahmadabad im<br />

Bundesstaat Gujarat am 2. Juli.<br />

Die Überschwemmungen in Mumbai waren nicht nur ein<br />

humanitäres Desaster, sondern auch die teuerste Naturkatastrophe<br />

aller Zeiten für den indischen Versicherungsmarkt;<br />

die Münchener Rück schätzt den Gesamtschaden<br />

auf 770 Millionen US$. Hauptgrund ist die hohe Sachversicherungsdichte,<br />

die nirgendwo sonst im Land erreicht<br />

wird. So generiert der größte Erstversicherer Indiens<br />

ca. 20–22 % seines Prämienaufkommens in der Region<br />

Mumbai. Die durchschnittliche Versicherungsprämie pro<br />

Person liegt in Indien bei etwa 4 US$, in Maharashtra bei<br />

12 US$.<br />

Die Finanz- und Handelsmetropole Mumbai<br />

erlebte Ende Juli Rekordniederschläge.<br />

Das öffentliche Leben kam weitgehend zum<br />

Erliegen, in vielen Bezirken gab es weder<br />

Strom noch Trinkwasser.<br />

Für die indische Versicherungswirtschaft<br />

waren die Überschwemmungen in Mumbai<br />

mit 770 Millionen US$ die teuerste Naturkatastrophe<br />

aller Zeiten. Ein Schadengutachter<br />

zeigt hier den Wasserstand in der<br />

Lagerhalle eines pharmazeutischen Unternehmens.<br />

Obwohl die meisten Schadenmeldungen in der Auto-Kasko-<br />

Versicherung registriert wurden, dominieren Belastungen<br />

aus der Feuerversicherung den Gesamtschaden. Der<br />

Grund: Die indische Standardfeuerpolice schließt Überschwemmungsschäden<br />

automatisch ein. Innerhalb dieses<br />

Sektors entfällt der Großteil auf Lagerhallen und Warenhäuser<br />

für pharmazeutische Produkte, Elektrohaushaltsgeräte,<br />

elektronische Ausrüstung sowie Textilien. Der mit<br />

18 Millionen US$ größte Einzelschaden entstand durch<br />

die Überflutung einer Raffinerie.<br />

Die indische Versicherungswirtschaft nahm die Überschwemmung<br />

in Mumbai als einschneidendes Ereignis<br />

wahr – in einem Jahr, das ohnehin wesentlich durch <strong>Naturkatastrophen</strong><br />

gekennzeichnet war. Direkte Auswirkungen<br />

ergaben sich für die Erstversicherer aber nur begrenzt,<br />

da der nationale und internationale Rückversicherungsmarkt<br />

die Hauptlast des Schadens trug.<br />

Mit höherem Risikobewusstsein ist kurzfristig allenfalls im<br />

Industriesektor der indischen Wirtschaft zu rechnen, kaum<br />

in der Bevölkerung. Versicherungsgesellschaften und Behörden<br />

nahmen jedoch die Diskussion über die Versicherbarkeit<br />

derartiger Kumulschäden und die mögliche Einrichtung<br />

eines Naturgefahren-Rückversicherungspools in<br />

Indien wieder auf. Gleichgültig, ob Naturgefahren künftig<br />

über einen Pool oder wie bisher über den Rückversicherungsmarkt<br />

rückgedeckt werden, die zentralen Themen,<br />

die sich der indischen Versicherungswirtschaft nach der<br />

Mumbai-Überschwemmung stellen, sind vor allem eine<br />

bessere Haftungstransparenz und risikoadäquate Prämien.<br />

Tobias Ellenrieder<br />

40


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Geo</strong>graphical Underwriting – zentraler<br />

Bestandteil des Risikomanagements<br />

Seit mehr als 10 Jahren beschäftigt sich die Münchener Rück mit <strong>Geo</strong>informatik.<br />

War es zu Beginn noch visionäres Denken, entwickelten sich im<br />

Lauf der letzten Jahre Anwendungen, die aus dem Risikomanagement<br />

nicht mehr wegzudenken sind.<br />

Noch Mitte der 1990er-Jahre wurden <strong>Geo</strong>graphische<br />

Informationssysteme (GIS) allenfalls als „Insellösungen“<br />

herangezogen, um die <strong>Geo</strong>experten zu unterstützen. Heute<br />

nutzen viele Underwriter komplexe GIS-Anwendungen im<br />

Tagesgeschäft, da sie als zentraler Bestandteil in die IT des<br />

Unternehmens integriert sind. Die Einsatzmöglichkeiten<br />

umfassen mittlerweile praktisch den gesamten Underwritingprozess.<br />

Sie erstrecken sich von der Datenerfassung<br />

und dem <strong>Geo</strong>kodieren versicherter Risiken über die Risikoanalyse<br />

(Kumulfragen sowie Identifizierung von Wertekonzentrationen<br />

und Mustern) bis hin zur Risikomodellierung<br />

und der Visualisierung der Ergebnisse. Durch<br />

Portefeuille- und Schadenanalysen profitieren auch unsere<br />

Kunden von diesem Angebot.<br />

Erfolgreiche <strong>Geo</strong>kodierung von Risiken auf Adressbasis<br />

Nur eine hochwertige <strong>Geo</strong>kodierung der Portefeuille- und<br />

Schadendaten ermöglicht die kontrollierte Steuerung und<br />

Optimierung des Naturgefahrengeschäfts sowie der von<br />

Menschen verursachten Risiken, etwa Terrorismus. Bisher<br />

wurden bereits mehr als 10 Millionen Adressen für 18<br />

europäische Kernmärkte sowie den US-Markt straßen- bzw.<br />

adressgenau geokodiert – ein wichtiger Schritt zu mehr<br />

Risikotransparenz im Underwriting (Abb. 4).<br />

Innovative Webtechnologien der Münchener Rück gewähren<br />

den Underwritern Zugang zum <strong>Geo</strong>-Daten-Service<br />

(GDS) und damit zur adressgenauen <strong>Geo</strong>kodierung der<br />

Risiken. Portefeuille- und Schadendaten können so in<br />

unbeschränkter Anzahl georeferenziert und für detaillierte<br />

Modellierungen und Auswertungen genutzt werden.<br />

Dank der hervorragenden Performance kann man nun<br />

auch große Vertragsportefeuilles mit über 1 Million Risikoadressen<br />

verarbeiten. Liegen in Ländern noch keine<br />

adressgenauen Daten vor, wird eine gröbere <strong>Geo</strong>kodierung<br />

auf der Basis der bekannten CRESTA-Zonen und einer<br />

globalen Städtedatenbank durchgeführt.<br />

Lake Pontchartrain<br />

Abb. 1 Identifizierung betroffener<br />

Risiken im Stadtzentrum von<br />

New Orleans nach dem Durchzug<br />

von Hurrikan Katrina am<br />

29. August <strong>2005</strong>.<br />

Überschwemmte Gebiete<br />

schwer betroffen<br />

mäßig betroffen<br />

Risiken im betroffenen Gebiet<br />

hoher Schaden<br />

leichter Schaden<br />

kein Schaden<br />

Superdome<br />

Stadtzentrum<br />

New Orleans<br />

Quellen:<br />

Google Earth.com, fema.gov,<br />

digitalglobe.com<br />

41


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Geo</strong>graphical Underwriting<br />

Darüber hinaus nutzen unsere Produkte NATHAN und der<br />

CatLossEstimation-Service diese Funktionen. Letzterer<br />

läuft im Probebetrieb und basiert auf Haftungsdaten; in<br />

Verbindung mit aktuellen Sturm- und Unwetterinformationen<br />

schätzt dieser Dienst schnell die erwarteten Schäden<br />

und ihre Schwerpunktgebiete. Ziel ist die mittelfristige<br />

Optimierung des Schadenmanagements.<br />

Da viele Erstversicherer adressgenaue geokodierte Bestandsdaten<br />

bislang wenig nutzen, bietet die Münchener<br />

Rück ihren Kunden den Service MRGAP (<strong>Geo</strong>graphical<br />

Analysis of Portfolios) auf der Grundlage anonymisierter<br />

Bestands- bzw. Schadendaten an. Ergebnis der räumlichen<br />

Analysen von Sachversicherungsbeständen: Auch unbekannte<br />

Kumulsituationen (hot spots) oder das Problem<br />

von Sammelpolicen können frühzeitig identifiziert werden.<br />

Außer für klassische gefahrenbezogene Auswertungen<br />

setzen Erstversicherer diese Informationen immer<br />

stärker bei der Steuerung des Außendiensts und der<br />

Kundenakquisition ein.<br />

Feuerprobe nach Hurrikan Katrina<br />

Nach dem Hurrikan Katrina hat ein Team der Münchener<br />

Rück zum ersten Mal mithilfe einer mobilen GIS-Einheit<br />

die Schadeninspektion geplant und durchgeführt (Abb. 2).<br />

Mobile <strong>Geo</strong>systeme erlauben eine zeitnahe Interaktion<br />

zwischen den Schäden vor Ort und den Haftungsdaten im<br />

Unternehmen. Normalerweise besteht ein solches System<br />

aus einem robusten PDA (Personal Digital Assistant) und<br />

einem leistungsstarken GPS-Empfänger. Die Geräte sind<br />

je nach Einsatz mit <strong>Geo</strong>daten und spezifischen Programmen<br />

ausgestattet. Für die Schadeninspektion im August<br />

<strong>2005</strong> wurde bereits vor der Reise der Portefeuilleausschnitt<br />

für die Schadenregion auf hinterlegte Karten- und<br />

Satellitenbilder projiziert. Auf der Basis von Straßendaten<br />

war eine optimale Routenplanung möglich, Risiken<br />

wurden rasch identifiziert. Durch die Einbindung erster<br />

Schadenkartierungen, die von der FEMA (Federal Emergency<br />

Management Agency) bereitgestellt wurden, konnten<br />

bedeutende Einzelschäden schnell identifiziert und<br />

bewertet werden. Zahlreiche Einzeleindrücke und die unterschiedliche<br />

Schadenanfälligkeit von Privat-, Gewerbeund<br />

Industrierisiken ermöglichen es, ein erstes Bild über<br />

das Schadenausmaß zu gewinnen (Abb. 1).<br />

Mississippi<br />

Alabama<br />

Louisiana<br />

Baton Rouge<br />

New Orleans<br />

Abb. 2 <strong>Geo</strong>experte der<br />

Münchener Rück bei der Schadeninspektion<br />

wenige Tage nach<br />

Hurrikan Katrina.<br />

42<br />

Abb. 3 Verteilung des Offshore-<br />

Geschäfts im Golf von Mexiko.<br />

Durch Überlagerung mit den<br />

Windgeschwindigkeiten der Hurrikane<br />

lassen sich die am stärksten<br />

betroffenen Explorationsfelder<br />

und Plattformen sowie die erwarteten<br />

Schäden bestimmen.<br />

Windgeschwindigkeit in km/h<br />

(SS: Saffir-Simpson-Hurrikanskala)<br />

SS1 (118–153 km/h)<br />

SS2 (154–177 km/h)<br />

SS3 (178–209 km/h)<br />

SS4 (210–249 km/h)<br />

SS5 (≥ 250 km/h)<br />

Offshore-Anlage


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Geo</strong>graphical Underwriting<br />

Auch für die Ölplattformen im Golf von Mexiko wurden<br />

im letzten Jahr <strong>Geo</strong>datenbanken aufgebaut. Nach den<br />

Hurrikanen <strong>2005</strong> ließen sich die Schäden in Abhängigkeit<br />

von den Windgeschwindigkeiten sehr gut schätzen.<br />

Dafür mussten zunächst allen Plattformen Haftungswerte<br />

und Deckungsumfang zugewiesen werden. Auf dieser<br />

Grundlage können zum einen historische Ereignisse nachgestellt<br />

werden, was für die Eichung des Verfahrens erforderlich<br />

ist. Zum anderen kann man heranziehende Stürme<br />

auf ihr Schadenpotenzial für das Offshore-Geschäft untersuchen<br />

(Abb. 3).<br />

Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft<br />

Die Beispiele zeigen Methoden, die heute bereits eingesetzt<br />

werden. Sie sind aber nur ein kleiner Ausschnitt der<br />

gesamten Anwendungspalette. Internetbasierte Tools wie<br />

Google Earth (http://earth.google.com/) zeigen eindrucksvoll,<br />

wie <strong>Geo</strong>informationstechnologie auch neuen Zielgruppen<br />

zugänglich gemacht werden kann. Denn: Kann<br />

jeder Punkt auf der Erde mit wenigen Mausklicks über Satellitenbilder<br />

angesteuert werden, können Risikomanager<br />

und Underwriter diese Technik gezielt und effizient für<br />

ihre Arbeit nutzen. Zudem können beliebige kartographische<br />

Informationen, beispielsweise Risikostandorte, in die<br />

Bilder eingeblendet werden (Abb. 5). Gelingt es in den<br />

nächsten Jahren, diese Techniken in die operativen Prozesse<br />

zu integrieren, ist eine neue Dimension von Risikotransparenz<br />

erreicht.<br />

Abb. 4 Länderabdeckung, für die<br />

eine straßen- bzw. adressgenaue<br />

<strong>Geo</strong>kodierung in der Münchener Rück<br />

möglich ist (Stand 01/2006).<br />

Europa<br />

Belgien<br />

Dänemark<br />

Deutschland<br />

Finnland<br />

Frankreich<br />

Großbritannien<br />

Irland<br />

Italien<br />

Luxemburg<br />

Niederlande<br />

Norwegen<br />

Österreich<br />

Polen<br />

Portugal<br />

Schweden<br />

Schweiz<br />

Spanien<br />

Tschechische Republik<br />

Nordamerika<br />

USA<br />

Dr. Jürgen Schimetschek, Andreas Siebert<br />

Abb. 5 Ausschnitt aus Google<br />

Earth. Die faszinierende Verknüpfung<br />

von Satellitenbild und Fachinformation<br />

wird künftig auch das<br />

Risikomanagement beeinflussen.<br />

straßen- bzw. adressgenau<br />

geokodierte Standorte<br />

gewerblicher Risiken in<br />

New Orleans.<br />

Quellen:<br />

Google Earth, image©2006,<br />

Sanborn, Detailausschnitt<br />

New Orleans<br />

43


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Geo</strong>graphical Underwriting<br />

NATHAN<br />

Weltweite Risikoeinschätzung von Naturgefahren –<br />

NATHAN (NATural Hazards Assessment Network)<br />

NATHAN basiert auf der seit 2000 ständig weiterentwickelten<br />

CD-ROM „Welt der Naturgefahren“, die mit<br />

über 100 000 Exemplaren die auflagenstärkste Publikation<br />

in der 125-jährigen Geschichte der Münchener<br />

Rück ist.<br />

Wir wollen unser Wissen mit der Öffentlichkeit teilen.<br />

Eine kostenlose NATHAN-Version kann im Internet<br />

abgerufen werden:<br />

>> http://mrnathan.munichre.com<br />

NATHAN – Startseite<br />

Diese Vorteile bietet Ihnen NATHAN<br />

NATHAN besteht aus drei Modulen:<br />

In den „Natural Hazard Maps“ können Sie interaktiv<br />

mit dem „Hazard Pointer“ jeden beliebigen Punkt der<br />

Erde ansteuern und erhalten sofort eine qualitative<br />

Einschätzung seiner Naturgefahrensituation.<br />

Das Modul „Major Disasters“ informiert Sie über<br />

Sach- und Personenschäden aktueller und historischer<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong> weltweit.<br />

Natural Hazard Maps<br />

Die „Country Profiles“ geben einen Überblick über<br />

<strong>Geo</strong>graphie, Bevölkerung sowie Wirtschaft und zeigen<br />

die landesweite Naturgefahrensituation.<br />

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Major Disasters<br />

Country Profiles<br />

44


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Münchener Rück Stiftung – Vom Wissen zum Handeln<br />

Risikobewusstsein ist der Schlüssel<br />

Die Serie dramatischer Naturereignisse reißt nicht ab. Das Jahr <strong>2005</strong><br />

hat uns wiederum vor Augen geführt, dass derartige Katastrophen<br />

unvermeidbar sind. Voraussetzung dafür, dass Katastrophenvorsorge<br />

funktioniert, sind Investitionen in ein besseres Risikobewusstsein.<br />

Jahr für Jahr werden neue Rekorde verzeichnet. Die Fülle<br />

der Ereignisse, die auch dieses <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> widerspiegelt,<br />

lässt beinahe in Vergessenheit geraten, dass der große<br />

Tsunami im Indischen Ozean, der über 200 000 Menschenleben<br />

kostete, erst gut 12 Monate zurückliegt.<br />

Keine Entwarnung<br />

Ein Blick zurück: Die Vereinten Nationen riefen die 1990er-<br />

Jahre zur „Internationalen Dekade zur Vorbeugung gegen<br />

<strong>Naturkatastrophen</strong>“ (IDNDR) aus, nachdem sich schon in<br />

den 1980er-Jahren besorgniserregende Trends abgezeichnet<br />

hatten. Später wurden zahlreiche nationale und internationale<br />

Initiativen gegründet (z. B. UN-ISDR), die sich<br />

bis heute dafür einsetzen, die Katastrophenvorsorge zu<br />

optimieren. Obwohl sich für die Katastrophenopfer in einigen<br />

Ländern positive Effekte zeigen, gibt es keinen Grund<br />

zur Entwarnung. In Bangladesch, das 1970 (300 000 Todesopfer)<br />

und 1991 (140 000 Todesopfer) von schweren Zyklonen<br />

und verheerenden Sturmfluten getroffen worden war,<br />

gelang es, ein Schutzprogramm aufzubauen, das die Opferzahlen<br />

deutlich reduziert. Heute können sich bedrohte<br />

Menschen in Schutzbauten flüchten – ein Warnsystem<br />

ruft rechtzeitig dazu auf.<br />

Dennoch sind in zahlreichen Ländern Jahr für Jahr unzählige<br />

Opfer von <strong>Naturkatastrophen</strong> zu beklagen. Das Erdbeben<br />

von Bam, Iran, mit 26 000 Toten, die Tsunamiwelle<br />

in Asien und das Erdbeben in Pakistan sind traurige Meilensteine.<br />

Und bereits heute weisen viele Faktoren darauf<br />

hin: Das Ausmaß von Katastrophen wird weltweit weiter<br />

zunehmen. Zu den Gründen zählen die Bevölkerungszunahme,<br />

die Konzentration von Menschen und Sachwerten<br />

aufgrund der Verstädterung, die Besiedlung und Industrialisierung<br />

exponierter Landstriche wie Küsten und<br />

Flussniederungen, die höhere Anfälligkeit moderner Gesellschaften<br />

und Technologien und – besonders risikoverschärfend<br />

– die Veränderung von Umweltbedingungen<br />

und der Klimawandel.<br />

Frühwarnung und die „letzte Meile“<br />

Im Januar <strong>2005</strong> fand im japanischen Kobe die zweite Weltkonferenz<br />

zur Katastrophenprävention (WCDR) nach 1995<br />

statt. Mehr als 3000 Delegierte aus 120 Ländern diskutierten,<br />

wie der Katastrophenschutz weltweit verbessert werden<br />

kann. Die Konferenz war geprägt von der Tsunamitragödie<br />

am Indischen Ozean.<br />

In den Diskussionen um ein verbessertes Frühwarnsystem<br />

in Kobe wurde der Ausdruck „letzte Meile“ geprägt. Im<br />

Mittelpunkt stand die Frage, wie ein technisch verbessertes<br />

Warnsystem – Satelliten, Messbojen, Meldeströme<br />

etc. – Menschen im Risiko besser erreichen kann: Man sei<br />

in der Lage, ein Frühwarnsystem zu entwickeln, das viele<br />

Minuten vor dem Eintreffen eines Tsunami warnen könne.<br />

Man müsse nur dafür sorgen, dass diese Meldungen bei<br />

den Menschen, dem Fischer auf Sri Lanka oder dem<br />

Touristen in Thailand, ankämen, so die Kernaussagen.<br />

Zweifellos sind effektive Frühwarnsysteme wichtig. Gleichzeitig<br />

liegt in der Debatte schon der erste Systemfehler:<br />

Muss Katastrophenvorsorge nicht bei den Menschen im<br />

Risiko und ihren unmittelbaren Bedürfnissen ansetzen<br />

Verstehen die Entscheider in den Geberländern wirklich<br />

gut genug, was ein Korbflechter in Vietnam oder ein Küstenfischer<br />

in Indonesien braucht Sollte der Schutzgedanke<br />

nicht von den regional sehr verschiedenen Bedürfnissen<br />

der Menschen ausgehen und daraus ein adäquates<br />

Schutzsystem entwickeln Ein System, das berücksichtigt,<br />

dass bedrohte Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen<br />

und mit mannigfaltigen Ausbildungen und Wünschen<br />

verschieden auf Naturgefahren reagieren. Wenn wir<br />

die Menschen als Menschen „auf der letzten Meile“ sehen,<br />

dann werden sich uns auf der ersten Meile weiterhin verheerende<br />

Bilder und Tragödien bieten.<br />

45


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Münchener Rück Stiftung – Vom Wissen zum Handeln<br />

Persönlichkeiten wie die Schirmherrin<br />

der Tagung, Irmgard Schwaetzer<br />

(DKKV), Bernd Eisenblätter (GTZ),<br />

Sálvano Briceño (UN-ISDR) und<br />

Johan Schaar (IFRC) betonten die Bedeutung<br />

der Partnerschaft zwischen<br />

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und<br />

Betroffenen. Sie soll zentrale Fragen<br />

der Risikoprävention beantworten.<br />

Wie kann man Katastrophenvorsorge<br />

bei Menschen im Risiko verbessern<br />

Diese Frage sollte das Symposium<br />

klären. Vertreter der Philippinen,<br />

Mosambiks und Kenias machten ihren<br />

Bedarf deutlich.<br />

Am Ende der Tagung einigten sich<br />

die Experten auf die gemeinsam<br />

erarbeitete Hohenkammer-Charta,<br />

welche die 10 größten Herausforderungen<br />

der Zukunft enthält.<br />

46


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Münchener Rück Stiftung – Vom Wissen zum Handeln<br />

Der letzte Mikrometer<br />

Die USA verfügen über gute Warnsysteme. Bereits heute<br />

kann man einen Hurrikan live im Fernsehen beobachten.<br />

In Echtzeit wird über Sturmausdehnung, -stärke, -zugrichtung,<br />

Landfallgebiet und voraussichtlich betroffene Menschen<br />

berichtet. Hurrikan Katrina, der im August <strong>2005</strong><br />

über 1 300 Menschenleben in einem der reichsten Länder<br />

der Welt forderte, führte uns deutlich vor Augen: Selbst<br />

das beste, technologisch ausgefeilteste Warnsystem ist<br />

wertlos, wenn die Meldungen nicht bei den Menschen im<br />

Risiko ankommen oder wenn das Bewusstsein für risikogerechtes<br />

Handeln fehlt. In New Orleans hatten zahlreiche<br />

Faktoren dazu geführt, dass Menschen Evakuierungsaufrufen<br />

nicht nachkamen – fast alle hatten mit Armut zu tun.<br />

Nur wenn Bedrohte über die Folgen von Erdbeben, Wirbelstürmen<br />

und Überflutungen aufgeklärt sind und wissen,<br />

was zu tun ist und wie sie sich schützen können, besteht<br />

die Chance, langfristig fatale Auswirkungen zu reduzieren.<br />

Es geht also nicht um die letzte oder erste Meile, es geht<br />

um den letzten Mikrometer, jenen Schalter im Kopf, der<br />

ein adäquates individuelles Handeln auslöst. Risikobewusstsein<br />

ist der Schlüssel. Hätten die Menschen rund um<br />

den Indischen Ozean mehr über seismische Flutwellen<br />

und Überschwemmungsrisiken gewusst, hätten tausende<br />

Leben gerettet werden können.<br />

Was zu tun ist<br />

Im November <strong>2005</strong> trafen sich 100 Teilnehmer aus 30 Ländern,<br />

darunter führende Vertreter internationaler Regierungs-<br />

und Nichtregierungsorganisationen, Finanzexperten<br />

und Praktiker, in Hohenkammer bei München zu einer Veranstaltung<br />

der Münchener Rück Stiftung. Experten des<br />

Internationalen Roten Kreuzes, der GTZ (Deutsche Gesellschaft<br />

für Technische Zusammenarbeit), der Vereinten<br />

Nationen und der Weltbank sowie Versicherungsexperten<br />

diskutierten auf dem Symposium zum Thema „Weltweite<br />

Katastrophenvorsorge – Risikobewusstsein ist der<br />

Schlüssel“. Sie beschäftigten sich mit den dringlichsten<br />

Aufgaben bei der Optimierung der Katastrophenvorsorge.<br />

Persönlichkeiten wie Irmgard Schwaetzer (DKKV), Bernd<br />

Eisenblätter (GTZ), Sálvano Briceño (UN-ISDR) und Johan<br />

Schaar (IFRC) betonten, wie wichtig die Partnerschaft von<br />

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und den Betroffenen ist,<br />

um die zentralen Fragen der Risikoprävention zu lösen.<br />

Am Ende der Tagung verabschiedeten die Fachleute die<br />

Hohenkammer-Charta – sie formuliert die 10 größten<br />

Herausforderungen der Zukunft im Bereich Katastrophenvorsorge.<br />

Thomas Loster<br />

Hohenkammer-Charta<br />

Die 10 größten Herausforderungen für<br />

optimierte Risikoprävention<br />

Armut<br />

Menschen, die in Armut leben, sind besonders verletzlich.<br />

Armutsbekämpfung ist deshalb ein Schlüsselelement.<br />

Menschen<br />

Bemühungen der Katastrophenvorsorge müssen bei den<br />

Menschen in den Risikogebieten ansetzen.<br />

Entscheidungsträger<br />

Engagement der Entscheidungsträger auf Gemeinde- bis<br />

Regierungsebene ist die Grundvoraussetzung dafür,<br />

funktionierende Vorsorgemaßnahmen rasch umzusetzen.<br />

Dialog<br />

Der Meinungsaustausch zwischen den Beteiligten muss<br />

vorangetrieben werden, um ein gleiches Verständnis für<br />

Probleme und Lösungen zu entwickeln.<br />

Partnerschaften<br />

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Betroffene müssen<br />

mehr und besser zusammenarbeiten: Bündnisse – Public-<br />

Private Partnerships – müssen mit Leben gefüllt werden.<br />

Entwicklungspolitik<br />

Risikoprävention muss als zentraler Maßnahmenbestandteil<br />

in der Entwicklungszusammenarbeit und nationalen<br />

Programmen ausgewiesen und in diese implementiert<br />

werden.<br />

Verbreitung<br />

Viel versprechende Ansätze des risikogerechten Vorbeugens<br />

auf Gemeindeebene, die heute bereits existieren,<br />

müssen rund um den Globus übernommen und verbreitet<br />

werden.<br />

Anreize<br />

Politische, rechtliche und wirtschaftliche Anreize sind notwendig,<br />

um Investitionen in Katastrophenprävention zu<br />

fördern und die Prozesse zu beschleunigen.<br />

Versicherung<br />

Risikotransfer wie Versicherungen und Solidargemeinschaften<br />

hilft, die Verletzlichkeit von Regierungen und<br />

Menschen in Risikosituationen zu reduzieren.<br />

Bewusstseinsbildung<br />

Risikobewusstsein ist der Schlüssel für adäquate Maßnahmen,<br />

bevor sich Katastrophen ereignen.<br />

47


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Respektabler Verhandlungserfolg:<br />

Ergebnisse der UN-Klimakonferenz in Montreal<br />

stabilisieren die emissionsbezogenen Kohlenstoffmärkte<br />

Bei den internationalen Klimaverhandlungen in Montreal erzielte man eine<br />

Einigung über das weitere Vorgehen im Kampf gegen die globale Erwärmung.<br />

Die Regierungsdelegationen verständigten sich vor allem darauf, das<br />

Kioto-Protokoll fortzuschreiben.<br />

Montreal war mit rund 10 000 Teilnehmern die bislang<br />

größte UN-Klimakonferenz und die erste, nachdem das<br />

Kioto-Abkommen im Februar <strong>2005</strong> in Kraft trat. Zwei<br />

wesentliche Ziele wurden erreicht:<br />

Das 2001 in Bonn und Marrakesch ausgehandelte Regelwerk<br />

zum Kioto-Abkommen wurde angenommen. Erst<br />

dadurch können der Emissionshandel sowie weitere so<br />

genannte flexible Kioto-Mechanismen in vollem Umfang<br />

umgesetzt werden. Zudem rief man ein Organ zur Erfolgskontrolle<br />

(Compliance Committee) ins Leben, das für alle<br />

Kioto-Vertragsstaaten verbindlich regelt, wie die flexiblen<br />

Mechanismen – dazu gehören Emissionshandel, Clean-<br />

Development-Mechanism, Joint Implementation – angewendet<br />

werden. Mögliche Sanktionen sollen garantieren,<br />

dass alle die Reduktionsziele erfüllen. Wenn ein Staat die<br />

Emissionsziele nicht erreicht, ist vorgesehen, ihm verschärfte<br />

Reduktionsverpflichtungen für die Zeit nach 2012<br />

aufzuerlegen oder ihn vom Emissionshandel auszuschließen;<br />

Letzteres führt zu wirtschaftlichen Nachteilen. Nach<br />

dem Ende der Kioto-Verpflichtungsperiode im Jahr 2012<br />

wird es weiterhin verbindliche Reduktionsverpflichtungen<br />

geben. Bereits ab Mai 2006 beginnt eine Arbeitsgruppe<br />

damit, neue und strengere Emissionsverpflichtungen für<br />

Industrieländer (Annex-I-Staaten) für die Zeit nach 2012<br />

vorzuschlagen. Auch auf andere Arten wird diese Zeit vorbereitet:<br />

Unter der Klimarahmenkonvention verhandeln<br />

die Staaten in einem nicht bindenden Dialog mit Beteiligung<br />

der USA unter anderem über die Themen Anpassung<br />

an den Klimawandel sowie technologische und<br />

marktbasierte Möglichkeiten der Reaktion. Schließlich will<br />

man bei der grundsätzlichen Überprüfung des Vertragswerks<br />

auch klären, welche Verpflichtungen die Entwicklungsländer<br />

nach 2012 übernehmen sollen.<br />

Mit der vollen Umsetzung des Kioto-Abkommens und mit<br />

dem Weg, der für die Zeit nach 2012 eingeschlagen wird<br />

und der zu weiteren Emissionsverpflichtungen führt,<br />

wurde das heute Mögliche getan, um eine Lücke zwischen<br />

den Verpflichtungsperioden zu vermeiden. Damit gibt es<br />

für die Politik sowie für die Wirtschaft, die auf emissionsbezogene<br />

Kohlenstoffmärkte und die Kiotomechanismen<br />

setzt, eine langfristige Perspektive über 2012 hinaus. Auf<br />

dieser Grundlage können z. B. Versicherungsprodukte entwickelt<br />

werden, die sich auf den Emissionshandel oder<br />

die Absicherung von CDM-Projekten (Carbon Delivery<br />

Guarantee) beziehen.<br />

Münchner Akzente<br />

Bereits seit dem 1. Klimagipfel 1995 in Berlin unterstützt<br />

die Münchener Rück aktiv die Bemühungen, den Klimawandel<br />

einzudämmen:<br />

In Montreal vorgestellt wurde die im April <strong>2005</strong> von der<br />

Münchener Rück gegründete „Munich Climate Insurance<br />

Initiative“ (MCII), zu deren Mitgliedern die Weltbank, das<br />

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, IIASA und<br />

Germanwatch gehören. Ihr Ziel: Versicherungslösungen<br />

entwickeln, die es Menschen in Entwicklungsländern<br />

ermöglichen, sich besser als heute gegen die Folgen des<br />

Klimawandels zu schützen.<br />

Die „Climate Change Working Group“ der UNEP-Finanzinitiative,<br />

bei der die Münchener Rück mitarbeitet, präsentierte<br />

in Montreal eine Studie über die Erwartungen des<br />

Finanzsektors an die Klimapolitik nach 2012. Dies sind<br />

ihre zentralen Forderungen: Formulierung eines langfristigen<br />

Ziels für die zukünftige Klimapolitik; Bestimmung<br />

eines klaren Ziels für den Ausbau der erneuerbaren Energien;<br />

Steigerung der Energieeffizienz.<br />

48


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Klimagipfel in Montreal<br />

Im April <strong>2005</strong> gründete die Münchener<br />

Rück die „Munich Climate Insurance<br />

Initiative“. Ihr Ziel: Versicherungslösungen<br />

konzipieren, mit denen sich<br />

Menschen in Entwicklungsländern<br />

besser als heute gegen die Folgen des<br />

Klimawandels schützen können. Auf<br />

der UN-Klimakonferenz in Montreal<br />

wurde die Initiative vorgestellt und<br />

diskutiert.<br />

Der US-amerikanische Ex-Präsident<br />

Bill Clinton hielt am Ende der Klimakonferenz<br />

eine engagierte Rede für<br />

den Klimaschutz und seine Chancen<br />

für die Wirtschaft.<br />

49


Im Amazonasbecken herrschte die schlimmste Dürre<br />

seit 60 Jahren. Viele Flussläufe waren streckenweise<br />

ausgetrocknet, hunderte Dörfer von der Außenwelt<br />

abgeschnitten. Landwirtschaft und Fischerei verzeichneten<br />

große Verluste, der Gesamtschaden wird auf<br />

über 1,6 Milliarden US$ geschätzt.<br />

50


Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />

Klimarückblick <strong>2005</strong><br />

Der Klimawandel schreitet voran – die Forschungsergebnisse<br />

des Jahres <strong>2005</strong> zeigen das sehr deutlich: <strong>2005</strong><br />

dürfte als das zweitwärmste Jahr in die Geschichte der<br />

Klimaaufzeichnungen eingehen.<br />

Vorläufigen Berechnungen der Weltmeteorologieorganisation<br />

(WMO) zufolge weicht die globale Mitteltemperatur<br />

des Jahres <strong>2005</strong> um +0,47°C vom Mittelwert der Vergleichsperiode<br />

1961–1990 ab. Damit gehört es zu den wärmsten<br />

Jahren seit Beginn der Beobachtungen 1861 und gilt derzeit<br />

als das weltweit zweitwärmste Jahr; die endgültige<br />

Einordnung veröffentlicht die WMO im Februar 2006. Die<br />

neun wärmsten Jahre liegen zwischen 1995 und <strong>2005</strong> –<br />

nichts veranschaulicht die kontinuierliche Aufheizung unseres<br />

Planeten eindrucksvoller. In der Nordhemisphäre<br />

wird <strong>2005</strong> mit einer Abweichung von +0,65 °C wahrscheinlich<br />

sogar das wärmste Jahr werden, das je gemessen<br />

wurde.<br />

Im September <strong>2005</strong> bedeckte das Meereis im Norden<br />

erstmals seit Beginn der Satellitenüberwachung in den<br />

1970er-Jahren weniger als sechs Millionen Quadratkilometer.<br />

Typischerweise erreicht es in diesem Monat sein<br />

Minimum; über die letzten 25 Jahre ging die Ende<br />

September registrierte Meereisbedeckung um rund<br />

8 % zurück.<br />

Einen wesentlichen Anteil an der Wärmeentwicklung<br />

hatte der Nordatlantik, dessen Oberflächentemperatur<br />

<strong>2005</strong> nach derzeitigem Datenstand den wärmsten jemals<br />

registrierten Jahresmittelwert aufwies (Abb. 1).<br />

Besonders auffällig waren die ungewöhnlich hohen<br />

Abweichungen in einem Band um 50° Nord sowie die<br />

Rekordwerte in der Karibik und im tropischen Atlantik.<br />

Eine Folge war die extreme Dürre im Amazonasgebiet;<br />

die Ursache lag in verstärkter Verdunstung und Niederschlagsbildung<br />

über den warmen Meeresoberflächen,<br />

während in der benachbarten Region (Nordbrasilien)<br />

absinkende Luftbewegung und Wolkenauflösung vorherrschten.<br />

Eine Studie des Scripps-Institut für Ozeanographie zeigte<br />

erstmals, dass die anthropogene Erwärmung ausschlaggebend<br />

dafür ist, dass die Temperaturen in den obersten<br />

Schichten aller Ozeane steigen. Dieser Einfluss überwiegt<br />

bei weitem die Effekte natürlicher Klimavariabilität und<br />

externer Antriebe wie Veränderungen bei der Sonneneinstrahlung<br />

oder beim Vulkanismus.<br />

Jahresmittel der Meeresoberflächentemperatur<br />

im Nordatlantik<br />

Abweichung (°C) von 1961–1990<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0,0<br />

–0,2<br />

–0,4<br />

–0,6<br />

1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000<br />

Quelle: The Met Office and the University of East<br />

Anglia. Daten von HadISST1, Global sea ice and<br />

sea surface temperature, Hadley Centre.<br />

Abb. 1 Abweichungen der Jahresmittel<br />

der Meeresoberflächentemperatur im<br />

Nordatlantik gegenüber dem Mittel<br />

über die Jahre 1961–1990. Schwarze<br />

Säule: Mittel über Januar–November<br />

<strong>2005</strong>. Grau: geglättete Kurve.<br />

Jahr<br />

Beispiele für extreme Witterungsabläufe im Jahr <strong>2005</strong>:<br />

– Zwischen Oktober 2004 und Juni <strong>2005</strong> betrug die<br />

Niederschlagssumme in Westfrankreich, Spanien, Portugal<br />

und Großbritannien nur die Hälfte des langfristigen<br />

Mittels. Die Folge: In Spanien und Portugal herrschte<br />

die schlimmste Dürre seit den 1940er-Jahren, die viele<br />

Waldbrände hervorrief. Und das nur zwei Jahre nach<br />

dem Jahrhundertsommer 2003.<br />

– In Australien war <strong>2005</strong> mit einer Abweichung von<br />

+1,75 °C über die ersten 5 Monate das heißeste Jahr<br />

seit Beginn der Aufzeichnungen 1910.<br />

– In Brasilien blieben die Niederschläge aus, was im<br />

Süden (Rio Grande do Sul) und im Amazonasgebiet<br />

extreme Trockenheit verursachte; die schlimmste Dürre<br />

seit 60 Jahren war die Folge.<br />

– Mumbai verzeichnete hingegen im Juli die höchste<br />

Niederschlagsmenge, die jemals in Indien innerhalb<br />

von 24 Stunden gemessen wurde.<br />

Dr. Eberhard Faust<br />

51


Bildnachweis<br />

Deckblatt Außenseite: Reuters, Berlin<br />

Deckblatt Innenseite: Reuters, Berlin<br />

S. 4/5: Reuters, Berlin<br />

S. 6 links oben, rechts oben, links Mitte,<br />

rechts Mitte, links unten:<br />

Accociated Press, Frankfurt am Main<br />

S. 6 rechts unten: Reuters, Berlin<br />

S. 7 links oben:<br />

Accociated Press, Frankfurt am Main<br />

S. 7 rechts oben:<br />

Jürgen Schimetschek, München<br />

S. 7 links Mitte, rechts, Mitte, links unten,<br />

rechts unten: Reuters Berlin<br />

S. 10/11: Alexander Allmann, München<br />

S. 18/19: Jürgen Schimetschek, München<br />

S. 25: Josef Probst, München<br />

S. 26: Jürgen Schimetschek, München<br />

S. 29: Marc Bove, Princeton, USA<br />

S. 30: Alexander Allmann, München<br />

S. 31: Alexander Allmann, München<br />

S. 33 oben, Mitte, unten:<br />

Alexander Allmann, München<br />

S. 34/35: Reuters, Berlin<br />

S. 37 links oben:<br />

Deutscher Wetterdienst, Offenbach<br />

S. 37 rechts, oben:<br />

Andreas Walker, Hallwil, Schweiz<br />

S. 39: Reuters, Berlin<br />

S. 40 oben:<br />

Associated Press, Frankfurt am Main<br />

S. 40 Mitte: Reuters, Berlin<br />

S. 40 unten: Andreas Langer, München<br />

S. 41: Google Earth, image©2006,<br />

Sanborn, USA<br />

S. 42: Jürgen Schimetschek, München<br />

S. 43: Google Earth, image©2006,<br />

Sanborn, USA<br />

S. 46 oben, Mitte, unten:<br />

Thomas Loster, München<br />

S. 49 oben:<br />

Thomas Loster, München<br />

S. 49 unten:<br />

Eberhard Faust, München<br />

S. 50: Greenpeace, São Paulo, Brasilien<br />

MRNatCatPOSTER<br />

1, 3, 4 Associated Press, Frankfurt am Main<br />

2 Reuters, Berlin<br />

Grafiken, Karten, Tabellen<br />

(wenn nicht anders erwähnt):<br />

© <strong>Geo</strong>RisikoForschung, Münchener Rück<br />

52


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Dr.rer.nat. Jürgen Schimetschek,<br />

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