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Almosen im Mittelalter<br />
Das Verhältnis von Arbeit und Armut war durch die Vorstellungen des Christentums<br />
geprägt. „Selig sind die Armen.“ (Lukas 6,20) Arm war, wer schutzlos, machtlos und<br />
dem Zugriff der Mächtigen ausgesetzt war. Dem christlichen Auftrag der Nächstenliebe<br />
verpflichtet, waren Kirchen, Landesherren, wohlhabende Privatleute und Klöster. Die<br />
Klöster verteilten im christlichen Auftrag Essen an Bettler, versorgten Kranke und<br />
beherbergten Reisende. Privatleute und die von ihnen gegründeten privaten Stiftungen,<br />
Gilden, Zünfte und Bruderschaften leisteten Hilfe nach dem Prinzip<br />
genossenschaftlicher Selbsthilfe. Die mittelalterliche Armenfürsorge war keine<br />
systematische Strategie zur Beseitigung sozialer Notlagen. Armut wurde auch nicht als<br />
soziales Problem angesehen.<br />
Sozialdisziplinierung – europäischer Kapitalismus<br />
Im 13. Jahrhundert folgt die Auflösung der mittelalterlichen Stände- und<br />
Gesellschaftsordnung. Durch die Kreuzzüge und die Eroberung des Ostens entsteht ein<br />
enormer Aufschwung des Fernhandels, ein gewaltiger Binnenmarkt entsteht und die<br />
Naturalwirtschaft wird durch die Geldwirtschaft abgelöst.<br />
Der Geldadel etabliert sich mit dem Ziel der Profitmaximierung. Der Gegensatz und das<br />
Verhältnis zwischen Arm und Reich verschärft sich. Armut ist kein unveränderbar,<br />
gottgewollter Zustand mehr, sondern individuell verschuldet. Die veränderte Bewertung<br />
von Arbeit und Bettel und die Gesetzmäßigkeiten des Marktes (Kapitalismus) erfordern<br />
neue Werte. Armut wir zur ökonomischen Kategorie und die Bedürftigkeit eines<br />
Menschen entlang der Arbeitsfähigkeit gemessen. Neben der primären Zuständigkeit<br />
der Kommunen, Armut und Bettel zu regulieren, fühlen sich weiterhin Kirchen, private<br />
Spender und Stiftungen verantwortlich. Grundsätzlich setzt jedoch eine Säkularisierung<br />
der Armenfürsorge ein. Die unsystematische Almosenverteilung ist kein geeignetes<br />
Mittel mehr, um die Masse der Bedürftigen zu erreichen. Das Instrument sozialer<br />
Hilfeleistungen ist nun die Sozialdisziplinierung, das heißt die Pflicht und der Zwang<br />
zur Arbeit, die der Anpassung an die Markterfordernisse dient. Die Armenfürsorge wird<br />
zum Instrument der Arbeitserziehung. Armut als soziales Problem tritt in das<br />
Bewusstsein und erfordert ein systematisches Vorgehen. Daraus entwickeln sich erste<br />
Ansätze einer planvollen Sozialpolitik (Bürokratisierung) (vgl. Sagebiel 2009).<br />
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