Download - KAROLA - Internationaler Treffpunkt für Frauen und ...
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„Im Endeffekt haben<br />
wir in der Markt-<br />
straße mit einem<br />
Tisch angefangen.“<br />
Gespräch mit Christine Solano<br />
Christine, wie bist du in Kontakt zu Roma-Familien gekommen?<br />
Durch meine Arbeit auf dem Bauspielplatz. Der Baui liegt mitten in St.Pauli <strong>und</strong> es gab dort<br />
eine Menge Roma-Kinder. Über die Arbeit mit den Kindern bin ich auch mit den Eltern in<br />
Kontakt gekommen. Ich hatte dann aber immer keine Zeit da<strong>für</strong>, wenn die Eltern mit ihren<br />
Papieren kamen <strong>und</strong> Hilfe brauchten. Und irgendwann habe ich gesagt, dass ich mich mit einem<br />
Tisch in die Marktstraße stelle, so dass dann jeder kommen kann. Im Endeffekt haben<br />
wir also mit <strong>KAROLA</strong> in der Marktstraße mit einem Tisch angefangen. Die Leute kamen dann<br />
mit ihrer Telefonrechnung <strong>und</strong> ihren anderen Papieren. Daraus ist das alles gewachsen. Und<br />
die Unterstützung war auch dringend notwendig. Stell dir mal vor, wenn du deine Post nicht<br />
lesen kannst, dann bist du ausgeliefert.<br />
Was waren so die ersten Kontakte, an die du dich erinnerst?<br />
Mit Ljubinka ist es losgegangen. Als sie aus ihrer Wohnung rausflog, weil sie die Miete<br />
nicht zahlen konnte. Ich habe ihr geholfen, das zu regeln. Irgendwie haben wir es damals<br />
geschafft, dass sie sofort eine neue Wohnung bekommen hat. Sie war die Erste, der ich das<br />
„Handtaschenbüro“ leergeräumt habe.<br />
Was ist ein Handtaschenbüro?<br />
Na ja, mach mal so eine Handtasche<br />
auf ! Was meinst du, was<br />
da alles drin ist: alte Rechnungen<br />
<strong>und</strong> ich weiß nicht was.<br />
Dann haben wir angefangen<br />
zu sortieren, zu gucken, alle<br />
Leute anzurufen <strong>und</strong> zu verhandeln.<br />
Ich erinnere mich auch an<br />
Elisabetha Asanovic. Sie ist<br />
schon lange tot, sie kam immer<br />
vorbei....<br />
Dann hat sich das angefangen alles zu vermischen. Familien von hier aus dem Karoviertel<br />
sind auch zum Baui gekommen <strong>und</strong> andersrum. Ganz viele sind ja verwandt <strong>und</strong> verschwägert.<br />
Dadurch haben mich dann viele gekannt <strong>und</strong> auch ich habe viele gekannt. So kam es,<br />
dass wir in den 90ern die Spielaktion gemacht haben, als so viele Flüchtlinge hier angekommen<br />
sind.<br />
Was war die Spielaktion?<br />
Durch die Jugoslawienkriege sind ganz viele Roma hierher geflüchtet. Und plötzlich waren<br />
bis zu 15 Leuten in einer Wohnung. Oftmals wurden sie umverteilt <strong>und</strong> kamen in den Osten<br />
Deutschlands. Da hat es dann die Geschichte in Wismar gegeben. Daraufhin sind viele Leute<br />
wieder zurückgekommen <strong>und</strong> waren dann „illegal“ hier, weil sie ja eigentlich umverteilt<br />
waren. Viele wohnten hier auf ganz engem Raum. Die Kinder gingen nicht zur Schule <strong>und</strong> so<br />
weiter. Es hat sich dann vieles auf die Straße verlagert. Und weil die Flüchtlinge hier nicht<br />
gemeldet waren, hatten sie auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Also, ich rede hier<br />
von den abgesenkten Asylbewerberleistungen. Aber auch das stand ihnen nicht zu. Und<br />
womit sollten sie Geld verdienen? Ohne Arbeitserlaubnis. Das war dann die Hochzeit des<br />
Marihuana-, aber auch des Heroinhandels. Am Leichtesten kriegst du nun einmal die dazu,<br />
sich in diese Geschäft einzulassen, die nichts haben. Innerhalb kürzester Zeit sind viele<br />
Familien in diese Drogengeschäfte verwickelt gewesen. Das hat viel Gewalt ins Viertel gebracht.<br />
Plötzlich gab es im Karoviertel eine unheimliche Übermacht „dunkler“ Männer. Dann<br />
kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Roma-Familien <strong>und</strong> der anderen Bevölkerung.<br />
Soweit sogar, dass sie sich bewaffnen wollten, dass <strong>Frauen</strong> angegriffen wurden <strong>und</strong> solche<br />
Geschichten.<br />
Es war keiner da, der mit der Gruppe kommunizieren konnte. Dann habe ich mich halt auf<br />
den Platz gesetzt <strong>und</strong> habe angefangen mit den Leuten zu reden. Und dann kamen andere<br />
Leute dazu. Wir haben den Kontakt zu Schulen aufgebaut, damit die Kinder in die Schule<br />
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