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WELTBLICK! Die besten Wege ins Ausland Amelie Lux: Windsurfing ...

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Christoph Bock ist ein Zimmermann auf der Walz<br />

Der Zufall ist immer dabei<br />

„Manchmal weiß ich abends um zehn<br />

noch nicht, wo ich schlafen werde“, sagt<br />

Christoph Bock. Er hat in einem Heuschober,<br />

aber auch schon in einem Vier-<br />

Sterne-Hotel in Bielefeld übernachtet.<br />

Der 22-Jährige erklärt mit gesundem<br />

Selbstvertrauen: „Irgendwas hat sich bisher<br />

immer ergeben.“<br />

Christoph – ein echter Naturbursche mit<br />

festem Händedruck - hat nach Realschulabschluss<br />

und Ausbildung als Zimmerer den<br />

Entschluss gefasst, auf Wanderschaft zu<br />

gehen. Seine Motivation: „Ich will viel von<br />

der Welt und meinem Beruf sehen, Kulturen<br />

und Menschen kennen lernen.“ Christophs<br />

Eltern waren anfangs skeptisch, sie wollten<br />

ihm die Tippelei – so heißen die drei<br />

Wanderjahre der Zimmermänner - sogar<br />

ausreden. „Aber die positiven Erfahrungsberichte<br />

anderer Gesellen haben meine Eltern<br />

letztlich überzeugt“, erklärt Christoph.<br />

Seit rund fünf Monaten ist er auf der Walz.<br />

Immer unterwegs und auf der Suche nach<br />

Arbeit. Heute hier und in zwei, drei Monaten<br />

da. Eher zufällig ist er in Hennef<br />

gelandet, einer Kle<strong>ins</strong>tadt zwischen Köln<br />

und Bonn. Christoph hat bei Zimmerer-<br />

Meister Nikolai Koch für zwei Monate Arbeit<br />

und Unterkunft gefunden. Nikolai Koch war<br />

früher selbst auf der Walz, hat anschließend<br />

seinen Meister gemacht und ist seit einigen<br />

Jahren selbstständig.<br />

Handy ist verboten, öffentliche<br />

Verkehrsmittel verpönt<br />

Mindestens drei Jahre und einen Tag lang<br />

wird Christoph mit schwarzer Melone,<br />

weißem Hemd und schwarzer Cordhose<br />

unterwegs sein. Er kommt aus Espestoft,<br />

einem 250-Einwohner-Dörfchen bei Flensburg.<br />

Dem darf er – so sagen es die traditionellen<br />

Regeln der Reisenden Gesellen –<br />

nicht näher als 50 Kilometer kommen. Das<br />

hat er aber auch gar nicht vor. Nach<br />

Rottweil am Bodensee will er als nächstes<br />

ziehen. Wie? Zu Fuß oder per Anhalter. Ein<br />

Handy hat er nicht bei sich, das ist verboten<br />

– die einzige Möglichkeit, ihn zu erreichen,<br />

ist über E-Mail.<br />

Das zünftige Reisen<br />

... von Handwerkern hat eine uralte, bis in<br />

das späte Mittelalter zurückreichende<br />

Tradition, die nur im Bauhandwerk bei den<br />

Maurer- und Zimmergesellen überlebt hat.<br />

Wenn in einem Ort eine Überfüllung mit<br />

Arbeitskräften eingetreten war, suchte man<br />

eben woanders nach Arbeit. <strong>Die</strong> Reisedauer<br />

beträgt wie eh und je drei Jahre und einen<br />

Tag. Während dieser Zeit darf der reisende<br />

Geselle seinem Heimatort nicht näher als<br />

fünfzig Kilometer kommen - außer bei<br />

Krankheit oder Tod eines Familienangehörigen.<br />

<strong>Die</strong> Herberge<br />

... ist das Zuhause des Reisenden Gesellen.<br />

Dort hat er eine Nacht Schlafen frei. In den<br />

Wintermonaten wird er zusätzlich noch<br />

einen Tag kostenlos verpflegt. Außerdem<br />

übernachtet der Geselle bei Meistern, in<br />

Jugendherbergen oder im Heuschober beim<br />

Bauern.<br />

<strong>Die</strong> Tippelei<br />

... ist anstrengend. Denn nach Möglichkeit<br />

tippelt der Geselle zu Fuß oder per<br />

Anhalter. Öffentliche Verkehrsmittel über<br />

längere Strecken sind verpönt, aber nicht<br />

verboten.<br />

<strong>Die</strong> Kluft<br />

... besteht aus dem schwarzen Schlapphut,<br />

der Staude, einem kragenlosen weißen<br />

Hemd, der Samt- oder Manchesterweste mit<br />

schwarzen Biesen und den schwarzen<br />

Stiefeln. Ferner trägt der Geselle einen<br />

Ohrring mit Handwerkswappen und eine<br />

Zunftuhrkette mit den Wappen der Städte,<br />

in denen er gearbeitet hat.<br />

Der Charlottenburger<br />

... ist ein buntes, etwa achtzig mal achtzig<br />

Zentimeter großes Tuch, das in Form einer<br />

etwa dreißig Zentimeter dicken und siebzig<br />

Zentimeter langen Wurst getragen wird und<br />

das notwendigste Werkzeug, Unterwäsche<br />

und Hemden sowie Wasch- und Schuhputzzeug<br />

beinhaltet.<br />

Der Stenz<br />

... ist der Wanderstab des Reisenden<br />

Gesellen. Es ist ein in der Natur gewachsener<br />

Stock, um den schlangenförmig<br />

Schlingpflanzen eingewachsen sind.<br />

Das Wanderbuch<br />

... ist in vier Sprachen verfasst und hat den<br />

Charakter eines Reisepasses. Im Wanderbuch<br />

werden täglich Eintragungen gemacht,<br />

wodurch es einen historischen Erinnerungswert<br />

erlangt.<br />

<strong>Die</strong> Rechtschaffenen Fremden Gesellen<br />

... sind eine Vereinigung von Bauhandwerkern<br />

und die älteste noch existierende<br />

deutsche Zunft. Wer Mitglied werden will,<br />

muss einen <strong>ins</strong> Baufach fallenden Beruf mit<br />

einer Gesellen- oder Facharbeiterprüfung<br />

abgeschlossen haben. Er oder sie darf nicht<br />

verheiratet sein.<br />

09

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