Frankfurt in Takt Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/2<br />
Landkarte der Klänge zu füllen. Neu ist der komponierte Kontext,<br />
der selbst das Vertraute <strong>in</strong> e<strong>in</strong> unvertrautes Licht rückt. Der Begriff<br />
des Neuen provoziert heute nicht mehr so wie früher. Wo er mit<br />
<strong>in</strong>strumentaler Verfremdung gleichgesetzt wird, höre ich immer<br />
wieder den Vorwurf, die Musik<strong>in</strong>strumente würden dabei misshan-<br />
delt. Aber auch dieses Missverständnis ließ sich <strong>in</strong>zwischen,<br />
zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Musik, weitgehend aufklären. Manchmal sage<br />
ich: Das Instrument hat sich richtig gefreut, mal anders angepackt<br />
zu werden. Inzwischen hat sich die Kommunikation zwischen<br />
Komponisten und Orchester weitgehend versachlicht. Ich glaube,<br />
ich kann von diesem beidseitigen Lernprozess der letzten 50 Jahre<br />
e<strong>in</strong> Lied s<strong>in</strong>gen.<br />
Engelbrecht Welche Vorschläge haben Sie für die aktuelle<br />
Hochschulausbildung?<br />
Lachenmann Für jedes Instrumentalfach sollte es e<strong>in</strong> mehrsemestri-<br />
ges Sem<strong>in</strong>ar geben: „Praktische Literaturkunde Neue Musik“ – so,<br />
wie wir das zu me<strong>in</strong>er Zeit <strong>in</strong> Stuttgart, für die Cellisten dort zum<br />
Beispiel mit Werner Taube, gemacht haben. Dort sollte jeder<br />
Cellostudent sich e<strong>in</strong>mal die Cellostücke op. 11 von Anton Webern<br />
vornehmen und/oder wahlweise Werke wie zum Beispiel die<br />
„Chaconne“ von He<strong>in</strong>z Holliger, die Cellostudien und die „Sonate“<br />
von Bernd Alois Zimmermann, Nicolaus A. Hubers „der Ausrufer<br />
steigt <strong>in</strong>s Innere“, das Cello/Klavierstück von Earle Brown, me<strong>in</strong>e<br />
„Pression“ usw. Jeder Studierende sollte se<strong>in</strong> Instrument zum<strong>in</strong>dest<br />
mit e<strong>in</strong>em dieser Stücke e<strong>in</strong>mal angefasst haben. Ich habe<br />
se<strong>in</strong>erzeit analysiert, auch über den stilistischen Kontext gespro-<br />
chen, Taube hat praktisch demonstriert und die E<strong>in</strong>studierungen,<br />
wie ansatzweise auch immer, geleitet. Im Senat gab es aller-<br />
d<strong>in</strong>gs Bedenken. „Unsere Studenten müssen sich auf Orchesterauf-<br />
gaben und aufs Probespiel vorbereiten“, hieß es, „und sich dort<br />
gegen die Konkurrenz durchsetzen können.“<br />
Persönliches<br />
Cloot Dabei wird ja häufig verkannt, dass e<strong>in</strong> Überangebot <strong>in</strong> der<br />
Musikerausbildung herrscht und bei weitem nicht alle Studierenden<br />
Orchesterstellen bekommen. Viele arbeiten <strong>in</strong> freien Projekten oder<br />
Ensembles, und dafür müssen sie Erfahrungen mit Neuer und Alter<br />
Musik gesammelt haben.<br />
Lachenmann Richtig. Wenn e<strong>in</strong> Orchestermusiker, der Stockhausen<br />
spielen soll, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Noten schaut wie die Katze <strong>in</strong>s Bilderbuch,<br />
dann hat man ihn unvollständig ausgebildet.<br />
Engelbrecht S<strong>in</strong>d die Studierenden vielleicht weiter als ihre ausbil-<br />
denden Institutionen, weil sie den heutigen Musikmarkt vielfältiger<br />
wahrnehmen? Wenn wir als Beispiel unseren Masterstudiengang<br />
Internationale Ensemble Modern Akademie nehmen: Wir arbeiten<br />
mit ihnen an e<strong>in</strong>er Art Kanon der Neuen Musik, so wie Sie das<br />
eben vorgeschlagen haben. Bei der Gründung der IEMA fragten<br />
sich die Mitglieder des Ensemble Modern: Gibt der Markt jedes<br />
Jahr überhaupt so viele junge Leute her? Inzwischen bewerben sich<br />
weltweit jedes Jahr 130 bis 140 MusikerInnen. Und die meisten<br />
von ihnen streben ke<strong>in</strong>e feste Orchesteranstellung an.<br />
Lachenmann Es hat sich schon e<strong>in</strong>iges getan <strong>in</strong> den Hochschulen.<br />
Natürlich lassen sich Studierende über das h<strong>in</strong>aus motivieren, was<br />
Statement<br />
Udo Samel,<br />
Honorarprofessor für Schauspiel,<br />
45<br />
zur Frage „Interdiszipl<strong>in</strong>arität – Pflicht oder Kür?“<br />
Das Wort ist gruselig und ord<strong>in</strong>är. Wenn mit „Diszipl<strong>in</strong>en“ die<br />
Fächer geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> sollen, dann gehört für mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
künstlerisch ausbildende Hochschule unbed<strong>in</strong>gt das geme<strong>in</strong>same<br />
Konzert aller Diszipl<strong>in</strong>en. Also Musiker, Schauspieler,<br />
Sänger und Tänzer sollten sich geme<strong>in</strong>sam die zeitgenössische<br />
Kunst anschauen und geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong>s Museum gehen.<br />
E<strong>in</strong> fächerübergreifendes Konzert ist die e<strong>in</strong>zige Chance, dem<br />
immer mehr um sich greifenden Profitdenken entgegenzutreten.