Steiermark Report November 2010 - BH Liezen
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Vatikanische Heiratsvermittlung am Grazer Hof<br />
Rüdeger Frizberg<br />
Im 16. und 17. Jahrhundert waren<br />
die Herrschaft der Habsburger und<br />
der Bestand des Christentums von<br />
den Türken bedroht. Gleichzeitig<br />
galt es, die Reformationsbestrebungen<br />
abzuwehren und die Einheit<br />
des Christentums zu bewahren.<br />
Der innerösterreichische Hof in<br />
Graz (1564–1619) war die politische<br />
Drehscheibe dieser Zeit.<br />
Bei der Abwehr der Türken<br />
war der innerösterreichische<br />
Erzherzog Karl II. (1540–1590)<br />
auf die steirischen Landstände angewiesen.<br />
Diese forderten im Gegenzug<br />
allerdings die Freiheit in der Ausübung<br />
ihres protestantischen Glaubens. Mit<br />
teilweisen Zugeständnissen gelang es<br />
ihm und seinem Nachfolger Ferdinand<br />
II. (1578–1637) die Landstände bei<br />
der Stange zu halten und zugleich eine<br />
Rekatholisierung einzuleiten. Wichtige<br />
Stützen dabei waren die Damen seiner<br />
Verwandtschaft und der Vatikan, der<br />
sich bei deren Verheiratung mit den<br />
wichtigen Herrschern Europas emsig<br />
als Ehevermittler betätigte. Mit diesen<br />
Vermählungen konnte nämlich die<br />
Stellung der innerösterreichischen<br />
Herrscher gegenüber den Landständen<br />
gestärkt und damit eine finanzielle<br />
Unabhängigkeit von ihnen bezüglich<br />
der Türkenabwehr erreicht werden,<br />
was natürlich auch im Interesse des<br />
Vatikans lag.<br />
Die Verheiratung von Ferdinands damals<br />
14-jähriger Schwester Margarethe<br />
mit dem spanischen König Philipp III.<br />
(1578–1621) bedeutete für den Grazer<br />
Hof eine strategische und finanzielle<br />
Stärkung. Nicht nur der päpstliche<br />
Nuntius (Botschafter), sondern auch<br />
Papst Klemens VIII. (1536–1605)<br />
waren an dieser Eheschließung „organisatorisch“<br />
beteiligt. Vorsichtshalber<br />
nahm man es mit der etwas zu nahen<br />
verwandtschaftlichen Beziehung zwischen<br />
Margarethe und Philipp nicht zu<br />
genau und erteilte sowohl für Margarethe<br />
als auch für deren Schwester<br />
Eleonora einen kirchlichen Dispens für<br />
die Hochzeit mit Philipp. Da Eleonora<br />
laut Meinung ihres Vaters allerdings<br />
„weder gesund noch sehr intelligent“<br />
war, fiel die Wahl auf Margarethe.<br />
Danach begannen über den Nuntius in<br />
Madrid mehrmonatige Verhandlungen<br />
mit dem spanischen Hof, in denen<br />
man sich auf eine Vermählung durch<br />
Papst Klemens in Ferrara einigte. Diese<br />
Trauung im Jahr 1598 hatte aber eher<br />
den Charakter einer Kriegshochzeit:<br />
Der Bräutigam war nicht zugegen, er<br />
ließ sich durch Erzherzog Albrecht<br />
(1559–1621) vertreten – sehr zum<br />
Missfallen von Margarethe, denn dieser<br />
sah laut Margarethe von allen Söhnen<br />
Maximilians II. (1527–1576) am „unvorteilhaftesten“<br />
aus.<br />
Der Vatikan war bereits vorher an<br />
einer „internationalen“ Verbindung des<br />
Grazer Hofes beteiligt: Im Jahr 1581<br />
initiierte der päpstliche Sondernuntius<br />
die Hochzeit der damals achtjährigen<br />
(!) Erzherzogin Anna mit Sigismund<br />
III. (1566–1632), dem König<br />
von Polen und Schweden. Nach deren<br />
frühen Tod wurde diese dynastische<br />
Verbindung über die Vermählung ihrer<br />
Schwester Constantia (1588–1631) mit<br />
Sigismund erneuert.<br />
Diese Verbindungen wurden vom Grazer<br />
Hof und der Kirche ohne Rücksicht<br />
auf die betroffenen Heiratskandidaten<br />
eingefädelt. Die strategischen<br />
Notwendigkeiten zur Türkenabwehr<br />
veranlassten Papst Klemens VIII. aber<br />
zu einem weiteren Heiratsprojekt mit<br />
dem Grazer Hof, dass dieser weniger<br />
goutierte: Bei der Türkenabwehr war<br />
dem Fürstentum Siebenbürgen (im<br />
heutigen Staatsgebiet von Rumänien)<br />
unter seinem Herrscher Sigismund<br />
Bathory (1572–1613) eine besondere<br />
militärische Bedeutung zugekommen.<br />
Er forderte für seine Unterstützung<br />
allerdings die Heirat mit einer<br />
österreichischen Prinzessin. Mangels<br />
anderer heiratsfähiger Töchter kam<br />
nur die Erzherzogin Maria Christierna<br />
(1574–1621) in Frage. Sigismund<br />
erschien dem Grazer Hof allerdings<br />
nicht standesgemäß, sodass Klemens<br />
mit dem Hinweis, nicht jede Prinzessin<br />
könne einen König heiraten, bei<br />
den Hochzeitsverhandlungen etwas<br />
nachhelfen musste. Dass Sigismund<br />
über ein Heer von 40.000 Pferden zur<br />
Abwehr der Türken verfügte war ein<br />
zusätzliches Argument. Die Bedenken<br />
der Habsburger gegen Sigismund<br />
sollten sich als richtig erweisen: Sigismund<br />
war hauptsächlich an seinem<br />
Heer und strategischen Überlegungen<br />
interessiert. Seine 1595 mit Christierna<br />
geschlossene Ehe war darin nur<br />
ein Mosaikstein. Sie wurde nach zwei<br />
Jahren annulliert und Christierna trat<br />
in das Damenstift in Hall in Tirol ein.<br />
Mit der Übersiedlung Ferdinands II.<br />
als deutscher Kaiser nach Wien ging<br />
im Jahr 1619 auch die Auflösung<br />
Innerösterreichs und des Grazer<br />
Hofes einher. In seiner neuen Stellung<br />
gelang es Ferdinand II., die <strong>Steiermark</strong><br />
weitgehend zu rekatholisieren, indem<br />
er jene Adeligen, die sich weigerten,<br />
den katholischen Glauben anzunehmen,<br />
auswies und den verbliebenen<br />
Adelsstand eng an das Herrscherhaus<br />
band. Damit stellte er auch die erforderlichen<br />
Geldmittel für die Abwehr<br />
der Türken sicher.<br />
Peter Wiesflecker hat die habsburgische Heiratspolitik<br />
unter dem Titel „Auf päpstlichen<br />
Spuren in der <strong>Steiermark</strong>“ in der Zeitschrift<br />
des Historischen Vereins für <strong>Steiermark</strong><br />
99/2008 beschrieben.<br />
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