Band 47 • Heft 3 • August 2009 - DO-G
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218 K. Hüppop & O. Hüppop: Atlas zur Vogelberingung auf Helgoland – Teil 5<br />
licher Erweiterung des Zeitraums, aber unter Ausschluss<br />
des ersten Tages vergleichbar den Berechnungen Ellegrens<br />
(1993), bleiben die mittleren Wegzuggeschwindigkeiten<br />
nahezu gleich. Dagegen ergeben sich bei Einschluss<br />
der z. T. extrem schnellen Funde der ersten Tage, wie bei<br />
Hildén & Saurola (1982) und Hall-Karlsson & Fransson<br />
(2008), deutlich höhere Zuggeschwindigkeiten. Nur wenige<br />
aber dafür z. T. extrem hohe Zuggeschwindigkeiten<br />
innerhalb der ersten Tage nach der Beringung beeinflussen<br />
die Mittelwerte offensichtlich beträchtlich.<br />
Die mittleren Zuggeschwindigkeiten aller Arten zusammen<br />
auf Helgoland beringter Vögel unterschieden<br />
sich nicht zwischen Heimzug und Wegzug. Auch Raess<br />
(2008) beobachtete keinen Unterschied zwischen Heimzug-<br />
und Wegzuggeschwindigkeit beim Sibirischen<br />
Schwarzkehlchen Saxicola torquata maurus in Zentral-<br />
und Nord-Asien. Nach herkömmlicher Meinung soll<br />
dagegen der Heimzug in Europa schneller als der Wegzug<br />
vonstatten gehen (Fransson 1995; Yohannes 2004;<br />
Hall-Karlsson & Fransson 2008).<br />
Die mittlere Wegzuggeschwindigkeit der auf Helgoland<br />
erfassten LZ war nicht nur signifikant höher als<br />
ihre mittlere Heimzuggeschwindigkeit, sondern auch,<br />
wie schon von Ellegren (1993) beobachtet, signifikant<br />
höher als die mittlere Wegzuggeschwindigkeit der KMZ.<br />
Unsere über den gleichen Zeitraum wie von Ellegren<br />
ermittelten Werte von 57 km/d bzw. 60 km/d für LZ<br />
gegenüber 38 km/d bzw. 41 km/d für KMZ passen gut<br />
zu seinen Werten von 60 km/d für LZ, 45 km/d für Mittelstreckenzieher<br />
und 28 km/d für Kurzstreckenzieher.<br />
Auch in den norwegischen und schwedischen Ringfundauswertungen<br />
werden für LZ durchweg höhere<br />
Wegzuggeschwindigkeiten als für Mittelstreckenzieher<br />
und erst recht als für Teilzieher und Invasionsvögel dokumentiert<br />
(Bakken et al. 2006; Fransson & Pettersson<br />
2001; Fransson et al. 2008; Hall-Karlsson & Fransson<br />
2008). Tatsächlich sind Zuggeschwindigkeit und Zugzeit<br />
miteinander korreliert, d. h. je später im Herbst eine<br />
Vogelart zieht desto geringer ist ihre mittlere Zuggeschwindigkeit<br />
(Alerstam & Lindström 1990). Vermutlich<br />
haben LZ so hohe Wegzuggeschwindigkeiten, da<br />
sie, im Gegensatz zu den KMZ, auf dem Wegzug unter<br />
dem Druck stehen, so früh wie möglich vor der Trockenzeit<br />
die Sahara nach Süden zu überqueren bzw.<br />
rechtzeitig zur kurzen Regenzeit am Südrand der Sahara<br />
einzutreffen (Alerstam & Lindström 1990; Gatter<br />
1992; Jenni & Kéry 2003). Unter diesem Druck stehen<br />
die KMZ nicht, ferner können bei Großvögeln Aufenthalte<br />
in Mausergebieten zwischen geschaltet sein. Generell<br />
ist die Zuggeschwindigkeit ein limitierender<br />
Faktor für die gesamte Zugdistanz, die ein Vogel im<br />
Laufe eines Jahres abzüglich Brut und Mauser zurück<br />
legen kann (Alerstam 2003).<br />
Unter der Annahme einer mittleren Heimzuggeschwindigkeit<br />
von 41 km/d sind Vögel etwa 10 bis 49<br />
Tage bis in die 400 bis 2.000 km entfernten skandinavischen<br />
Brutgebiete unterwegs. Auf dem Wegzug be-<br />
nötigen LZ mit angenommenen mittleren 57 km/d für<br />
den Flug in ca. 5.000 km entfernte Überwinterungsgebiete<br />
südlich der Sahara etwa 88 Tage. KMZ, mit einer<br />
angenommenen Flugleistung auf dem Wegzug von im<br />
Mittel 38 km/d, sind bis zu ihren Überwinterungsgebieten<br />
im Mittelmeerraum in 1.000 bis 2.500 km Entfernung<br />
schätzungsweise 26 bis 66 Tage unterwegs. Da<br />
Singvögel nach Bruderer & Boldt (2001) Fluggeschwindigkeiten<br />
von 20 km/h bis 60 km/h haben, fliegen die<br />
Vögel vermutlich entweder nur wenige Stunden pro Tag<br />
bzw. Nacht oder legen, wenn sie bei günstigen Bedingungen<br />
viele Stunden an einem Tag zugaktiv sein konnten,<br />
längere Pausen von mehreren Rasttagen ein. Die<br />
Angaben zur mittleren Dauer von Rastphasen während<br />
des Zugs variieren von vier bis fünf Tagen (Åkesson et<br />
al 1995) bis zu acht bis neun Tagen (Schaub & Jenni<br />
2001). Wikelski et al. (2003) beobachteten, dass individuell<br />
besenderte Zwerg- und Einsiedeldrosseln (Catharus<br />
ustulatus und guttatus) auf ihrer Wanderung von<br />
Panama nach Kanada nur an 18 von 42 Tagen nachts<br />
zogen, während die anderen Tage Rasttage waren. Allerdings<br />
nimmt Hedenström (2003) an, dass Vögel über<br />
günstigen Gebieten eher kurze Strecken mit kurzen<br />
Rastunterbrechungen zurück legen, um nicht mit zu<br />
viel „Treibstoff “ belastet zu sein (vgl. auch Dierschke &<br />
Bindrich 2001; Zehnder et al. 2001; Bolshakov et al.<br />
2003b; Hall-Karlsson & Fransson 2008).<br />
2.3.5 Fundraten<br />
Die absolute Zahl der Funde einer Art ist, neben der<br />
Fundwahrscheinlichkeit, natürlich abhängig von der<br />
Zahl der vorausgegangenen Beringungen. Gefunden<br />
werden kann nur, was auch beringt wurde. Auf Helgoland<br />
wurde in erster Linie im Fanggarten auf dem Oberland<br />
beringt, wo überwiegend Singvögel (sowie Sperber<br />
und Waldschnepfe) gefangen werden (Hüppop & Hüppop<br />
2004, 2007), außerhalb des Fanggartens waren in<br />
nennenswerter Zahl (jeweils > 1.000) nur Alpenstrandläufer,<br />
Sandregenpfeifer, Silbermöwen, Trottellummen,<br />
Wiesenpieper Anthus pratensis und Steinschmätzer der<br />
Beringung zugänglich. Die beiden am häufigsten auf<br />
Helgoland beringten Arten Singdrossel und Amsel erbrachten<br />
daher auch die meisten Funde abseits von<br />
Helgoland. Dabei lagen ihre Fundraten mit 0,81 % bzw.<br />
1,08 % aber nur im durchschnittlichen Bereich.<br />
Nur rund 5 % der auf Helgoland beringten Vögel<br />
waren Nonpasseres, diese haben aber etwa 30 % der<br />
Funde erbracht, während im Gegenzug die Passeres<br />
mit rund 95 % aller beringten Vögel nur etwa 70 %<br />
aller Funde stellten. Daher ist die mittlere Fundrate<br />
der auf Helgoland beringten Nonpasseres deutlich<br />
höher als die der Passeres. Die im Vergleich zu den<br />
übrigen Passeres sig nifikant höhere Fundrate der Drosseln<br />
beruht sicherlich auf dem großen Jagddruck, dem<br />
diese Arten ausgesetzt waren bzw. in Südeuropa noch<br />
immer sind (vgl. Hüppop & Hüppop 2002). Die verglichen<br />
mit den Jahrzehnten davor leicht geringeren