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Kurzanleitung Tumorschmerz

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<strong>Kurzanleitung</strong> zur <strong>Tumorschmerz</strong>therapie<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung<br />

2. Grundlegende Prinzipien<br />

3. WHO-Stufenschema<br />

4. Nicht-Opioide<br />

5. Opioide<br />

6. Koanalgetika / Adjunvantien<br />

7. Versorgung mit Betäubungsmitteln / Aspekte der BtMVV<br />

8. Symptomkontrolle<br />

9. Invasive und weiterführende Verfahren<br />

10. Antineoplastische und interventionell-supportive Therapie zur Schmerzlinderung<br />

11. Palliativmedizin und Hospiz<br />

12. Psychoonkologie<br />

13. Weiterführende Informationsangebote<br />

14. „Auf einen Blick“: Schemata und Tabellen<br />

Redaktion und Mitwirkende: S. Wirz, M. Schenk, W. Diemer, M. Dreyhaupt, G. Itting, G.<br />

Hanekop, G. Hege-Scheuing, J. Jage, B. Schlisio, H.C. Wartenberg, M. Zimmermann<br />

http://dgss.org/neu/aktumorschmerz.asp


1. Einleitung<br />

Erarbeitet im Arbeitskreis <strong>Tumorschmerz</strong>therapie der Deutschen Gesellschaft zum<br />

Studium des Schmerzes.<br />

Adressaten: Ärzte, die Patienten mit einer Tumorerkrankung behandeln und eine kurze<br />

Orientierung zur Behandlung von Schmerzen suchen.<br />

Hinweis:<br />

Diese kurze Anleitung ersetzt nicht die Lektüre und den Gebrauch von Leitlinien zur<br />

Behandlung von Schmerzen bei Tumorerkrankungen.<br />

Die Orientierung an nationalen und internationalen Leitlinien zur Schmerztherapie bei<br />

Tumorerkrankungen wird ausdrücklich empfohlen.<br />

Stand der <strong>Kurzanleitung</strong>: Januar 2006


2. Grundlegende Behandlungsprinzipien<br />

Evaluation / Assessment<br />

• Angemessen ausführliche Schmerzanamnese<br />

• symptombezogene körperliche Untersuchung<br />

• regelmäßige Verwendung von Analogskalen zur Schmerzstärkemessung<br />

• in regelmäßigen Zeitintervallen Überprüfung der Schmerzen / auslösender<br />

Ursachen, des Behandlungsergebnisses und behandlungsbedingter<br />

Nebenwirkungen (Re-Evaluation)<br />

Abklärung der Schmerzursachen<br />

• Tumorbedingte Schmerzen, z. B. ossäre Metastasen, pathologische Fraktur,<br />

Nerven-, Viszeral- oder Weichteilinfiltration<br />

• Therapiebedingte Schmerzen, z. B. Mukositis, Neuralgie, Polyneuropathie<br />

• Tumorassoziierte Schmerzen, z. B. Lymphödem<br />

• Tumor- und therapieunabhängige Schmerzen<br />

Neurophysiologisches Korrelat<br />

• Nozizeptiver Schmerz (somatisch – viszeral)<br />

• Neuropathischer Schmerzen (zentral – peripher)<br />

• Somatoforme Mitbeteiligung (reaktive Depression – psychosoziale Konflikte)<br />

Therapiemöglichkeiten<br />

• Antineoplastische Therapie, z.B. durch Bestrahlung, Chemo- und Hormontherapie,<br />

Operation (s.a.: Abschnitt 10)<br />

• Multimodales Vorgehen<br />

• Medikamentöse Therapie nach dem WHO-Stufenschema<br />

• Therapie weiterer Symptome (z.B. Erbrechen, Inappetenz, Schlaflosigkeit oder<br />

Angst)<br />

• Minimalinvasive Techniken - Eingriffe in die Schmerzleitung (s.a.: Abschnitt 8)<br />

(Nervenblockaden, chemische Neurolysen, Kathetertechniken)<br />

• Psychoonkologische Betreuung von Patient und Angehörigen (s.a.: Abschnitt 12)<br />

Einsatz von Entspannungsverfahren<br />

• Physiotherapie - Hilfsmittel (Krankengymnastik, Lymphdrainage, Massage etc.)<br />

(z.B. Stützkorsett, Rollstuhl, Prothese)


Regeln der medikamentösen Therapie<br />

• Orale Applikation bevorzugen<br />

• Bei Dauerschmerzen grundsätzlich langwirkende Retardpräparate benutzen<br />

• Parenterale oder transdermale Gabe bei Unmöglichkeit der oralen Aufnahme (z. B.<br />

bei Dysphagie, Stomatitis, Bewußtseinstrübung, Erbrechen, stärkste<br />

Schmerzattacken)<br />

• Regelmäßige Analgetikagabe nach 24-h Zeitschema: Retardtbl./-kps. alle 12 Stdn.<br />

geben, Pflastersysteme alle 72 Stdn. wechseln, evtl. können die Zeitabstände um<br />

33% verkürzt werden, häufigere Gaben der retadierten Opioide sind nicht sinnvoll<br />

• Schnell freisetzende analgetische Zusatzmedikation (oral, buccal, s. l. oder rect.) beim<br />

Auftreten von Schmerzspitzen mit verordnen. Als "Rescue" ist ein nichtretardiertes<br />

Opioid gleicher Wirkstufe und Rezeptoraffinität wie das Retardpräparat geeignet. In<br />

der Regel werden 1/10 bis 1/6 der Tagesdosis des retardierten Opioids als Rescue-<br />

Dosis empfohlen; oral-mukosaler Fentanyl-Lutscher: immer mit der kleinste Dosierung<br />

beginnen (s. Fachinformation)<br />

• Individuelle Dosierung der Opioidanalgetika. Gegen den Schmerz titrieren, bis<br />

ausreichende Schmerzreduktion erreicht ist. Bei unzureichendem analgetischen Effekt<br />

Steigerung der Tagesdosis um jeweils 25-50% (keine Angst vor hohen Dosen!),<br />

Transdermale Systeme frühestens nach 48 Stunden erhöhen! Bei starkwirksamen<br />

Opioiden (außer Buprenorphin) existiert keine Maximaldosierung, alleine die<br />

Schmerzursache/das pathophysioligische Korrelat sowie der Therapieeffekt und die<br />

Nebenwirkung ergeben die angemessene Dosierung sowie die Kombination mit Ko-<br />

Analgetika und Adjuvanzien<br />

• Bei Dosiseskalation oder nicht beherrschbaren Nebenwirkungen einen Wechsel des<br />

Opioids erwägen!<br />

• Art und Wirkung einer Vormedikation beachten (Umrechnungstabelle). Bei<br />

Therapieumstellung Orientierung an Äquipotenztabelle (cave: individuelle<br />

Dosistitration erforderlich!). Besondere Vorsicht bei Umstellung auf L-Methadon oder<br />

bei Änderung des Applikationsweges (z. B. Buprenorphin-Pflaster auf orales Opioid).<br />

Im Zweifel erfahrenen Schmerztherapeuten konsultieren.<br />

• Prophylaxe von Nebenwirkungen (s.a.: Abschnitt 6)<br />

• immer Schriftliche Einnahmeanleitung für Patient und Angehörige mitgeben<br />

• An den Einsatz von anderen Therapieverfahren denken!


3. WHO-Stufenschema der Analgetikatherapie<br />

Durch ein international zusammengesetztes Expertengremium wurden unter der Regie<br />

der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Behandlungsleitlinien für die Schmerztherapie<br />

bei Tumorerkrankten erarbeitet. Nach Validierung durch begleitende Studien wurden<br />

diese 1986 von der WHO veröffentlicht. Sie gelten heute weltweit als Standard in der<br />

<strong>Tumorschmerz</strong>therapie. Kernpunkte sind eine differenzierte Schmerzdiagnostik, eine<br />

möglichst orale Applikation („by the mouth“), die regelmäßige, nach einem festen<br />

zeitlichen Schema festgelegte Einnahme („by the clock“) und schließlich die Auswahl der<br />

Schmerzmittel nach einem Stufenplan („by the ladder“). Dieser letzte Punkt ist das WHO-<br />

Stufenschema der <strong>Tumorschmerz</strong>therapie.<br />

Stufe 1<br />

Nicht-Opioide<br />

+ Ko-Analgetika und Adjuvanzien<br />

(z.B. Benzodiazepine, Cortikosteroide, Antidepressiva,<br />

Antiepileptika, Calcitonin, Bisphosphonate, Laxantien,<br />

Antiemetika)<br />

Stufe 2<br />

Schwach wirksame Opioide<br />

+ Nicht-Opioide<br />

+ Ko-Analgetika und Adjuvanzien<br />

Stufe 3<br />

Stark wirksame Opioide<br />

+ Nicht-Opioide<br />

+ Ko-Analgetika und Adjuvanzien


4. Nichtopioidanalgetika<br />

Trotz WHO-Stufenschema und guter Wirksamkeit besteht laut Beipackzettel oftmals keine<br />

offizielle Indikation von Nichtopioidanalgetika zur Therapie von <strong>Tumorschmerz</strong>en.<br />

Saure nichtsteroidale Antiphlogistika – Coxibe<br />

Indikation: Nozizeptiver somatischer Schmerz, Weichteil- und Knocheninfiltration,<br />

entzündliche Komponente.<br />

Nichtselektive Cyclooxygenasehemmer (Auswahl)<br />

Ibuprofen (z.B. Ibuhexal®)<br />

Einmaldosis: 200 - 800 mg (TMD 2400 mg)<br />

Dosierungsintervall: 6 Stunden<br />

Schwächere analgetische Potenz als Diclofenac, aber auch geringeres gastrointestinales<br />

Risiko<br />

Naproxen (z.B. Proxen®)<br />

Einmaldosis: 250 - 500 mg (TMD 750 mg)<br />

Dosierungsintervall: 8 - 12 Stunden<br />

Diclofenac (z.B. Voltaren®)<br />

Einmaldosis: 50 - 100 mg (TMD 200 mg)<br />

Dosierungsintervall: 6 - 8 Stunden<br />

Dosierungsbeispiel: 1Tbl./Drg.=25/50 mg,1 Retardtbl.=100 mg, 1 Supp.= 12,5/25/50/100<br />

mg.


Selektive Cyclooxygenase-II-Hemmer (Auswahl)<br />

Celecoxib (z.B. Celebrex®)<br />

Einmaldosis: 100 mg (TMD 200 mg)<br />

Dosierungsintervall: 8 – 12 Stunden<br />

Etoricoxib (Arcoxia®)<br />

Einmaldosis: 60 - 120 mg (TMD 120 mg)<br />

Dosierungsintervall: 24 Stunden<br />

Kombinationen sind möglich zwischen nichtsauren Analgetika und sauren Antiphlogistika<br />

bzw. Coxiben. Kombinationen von Coxiben mit sauren Antiphlogistika sind obsolet.<br />

Die Zulassungen von Rofecoxib und Valdecoxib ruhen in mehreren Ländern.


Kardiovaskuläres Risiko:<br />

Laut Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bestehen Einschränkungen bei<br />

der Anwendung aller Cyclooxygenasehemmer wegen der Gefahr kardiovaskulärer<br />

Ereignisse (Blutdruckerhöhung, Myokardinfarkte, Apoplex).<br />

• Kontraindikation bei allen kardiovaskulären Risikopatienten<br />

• strenge Indikationsstellung bei Patienten über 65 Jahren<br />

• Anwendung nur so lange wie nötig: intermittierend drei bis maximal sechs Monate<br />

Quelle: Arzneimittelkommission: Dtsch Arzttebl 2004; 1001: A3365 (Heft 49); Mukherjee<br />

D, Nissen SE, Topol EJ: Risk of Cardiovascular Events Associated With Selective COX-2<br />

Inhibitors. JAMA. 2001;286:954-959<br />

Gastrointestinales Risiko:<br />

Grundsätzlich gilt: für folgende Patientengruppen ein erhöhtes Risiko gastrointestinaler<br />

Nebenwirkungen (Erosionen, Ulcus im gesamten Magen-Darm-Trakt). Coxibe reduzieren<br />

zwar die Inzidenz dieser Nebenwirkung, stellen aber besonders bei gefährdeten<br />

Patientengruppen einen Risikofaktor dar, so dass auch die Indikation genau geprüft<br />

werden muss. Ein Schutz mit Protonenpumpenhemmern ist beim Einsatz von<br />

nichtselektiven Cyclooxygenaseinhibitoren unbedingt notwendig, bei gefährdeten<br />

Patienten gilt dies auch für selektive Cyclooxygenase-II-Hemmer.<br />

• „Ältere Patienten“<br />

• Ulkus oder GI-Blutung in der Anamnese<br />

• Co-Medikation mit Steroiden, ASS, Antikoagulantien<br />

Quelle: Scheiman: Gastroenterol Clin North Am; 1996; 25: 279-298<br />

Renales Risiko<br />

Sowohl bei selektiven und nichtselektiven Cyclooxygenasehemmern besteht<br />

insbesondere bei einer Langzeitanwendung die Gefahr einer Niereninsuffizienz. Daher<br />

sollte bei Dauergabe regelmäßig die Kreatinin-Clearance kontrolliert werden<br />

(aussagekräftiger als der Kreatininwert).


Nichtsaure Antiphlogistika<br />

Metamizol, Novaminsulfon (z.B. Novalgin®)<br />

Indikation: Nozizeptiver Schmerz, spasmolytisch, daher gut geeignet bei nozizeptivviszeralen<br />

Schmerzen<br />

Einmaldosis: 500-1000 mg (TMD 6 g)<br />

Dosierungsintervall: 4 Stunden<br />

1ml Trpf. Lsg. = 500 mg, 1 Kps. = 500 mg, 1 Supp. = 1000 mg.<br />

Nebenwirkungen bei oraler Applikation: häufig Schwitzen (cave: transdermale Systeme,<br />

gelegentlich allergische Hautreaktionen, sehr selten Agranulozytose (1 : 10 6<br />

Anwendungen).<br />

Paracetamol (z.B.Ben-U-Ron®)<br />

Indikation: Nozizeptiver Schmerz, schwaches Analgetikum<br />

Einmaldosis: 500-1000 mg (TMD 4 g bei Erwachsenen)<br />

hepatotoxisch in höherer Dosierung bzw. in Kombination mit Flupirtin, bei malnutritierten<br />

und geriatrischen Patienten Dosisreduktion (z.B. 2 g/d), eher als Reservesubstanz bei<br />

Allergie gegen andere Analgetika einzusetzen.<br />

Dosierungsintervall: 6 Stunden<br />

Nichtklassifizierte Analgetika<br />

Flupirtin (z.B. Katadolon®)<br />

Einmaldosis: 100 mg (TMD 600 mg)<br />

Dosierungsintervall: 4 – 6 Stunden<br />

Zentraler Wirkmechanismus, muskelrelaxierend, daher gut bei Wirbelsäulenschmerz<br />

(Metastase, schmerzhafte sekundäre Muskelverspannungen).<br />

Häufig Sedationseffekte, Kontraindikation: Leberfunktionsstörungen, keine gleichzeitige<br />

Gabe von Paracetamol.


5. Opioidanalgetika<br />

5.1 Grundlegendes<br />

Opioide mit retardierter Freisetzung<br />

Synonyme: SR = „sustained release“; „modifiziert“ freisetzende Präparate<br />

Indikation: Basistherapie bei andauerndem Schmerz<br />

Besonderheiten: Schlechte „Steuerbarkeit“ wegen langsamer „Anschlagszeit“ (langsamer<br />

Wirkbeginn), dadurch nicht geeignet zur Therapie des Durchbruchsschmerzes.<br />

Merke: Jede Dauertherapie mit einem retardiert freisetzenden Opioid sollte von<br />

einer Bedarfsmedikation begleitet sein. Die Therapie eines andauernden<br />

<strong>Tumorschmerz</strong>es erfolgt durch kontinuierliche Therapie mit retardierten oder<br />

transdermalen Opioiden nach festem Zeitschema!<br />

Opioide mit schneller Freisetzung<br />

Synonyme: nicht retardierte Opioide, „normal“ freisetzende Präparate<br />

Indikationen: Behandlung des Durchbruchsschmerzes, Dosis-Titration<br />

Diese Präparate haben einen deutlich schnelleren klinischen Wirkbeginn und eine kürzere<br />

Wirkdauer als retardierte Präparate. Sie lassen sich in der Regel besonders gut titrieren<br />

(v.a. die Tropfenform).<br />

Cave: Durch schnelle Anflutung ist das Suchtpotential gegenüber retardierten oder<br />

transdermalen Applikationsformen erhöht.<br />

Durchbruchsschmerz<br />

1. Duchbruchsschmerz („breakthrough pain“, „end of dose failure“):<br />

- Unter effizienter Analgesie mit Basismedikation spontan, ohne äußerlich erkennbaren<br />

Anlass, auftretende Schmerzattacken. Meist durch Progression der Grundkrankheit<br />

erklärbar.<br />

- Schmerz mit Beginn vor der nächsten geplanten Dosis. Verursacht durch zu kurzes<br />

Dosierungsintervall oder zu geringe Dosis.<br />

2. Bewegungsabhängiger Schmerz („incident pain“). Dieser Schmerz wird entweder<br />

vom Patienten durch spezifische Aktivitäten wie Schlucken, Husten, Bewegung<br />

verursacht, oder aber auch vom Pflegepersonal (z.B. durch Lagerungsmanöver). Die


Therapie des „incident pain“ kann auch „präemptiv“, z.B. vor Lagerungsmanövern oder<br />

bestimmten Belastungssituationen, erfolgen.<br />

Merke: Die Therapie des Durchbruchsschmerzes erfolgt als Bedarfsmedikation<br />

durch Opioide mit schneller Freisetzung/ schnellem Wirkbeginn und sicherem<br />

Applikation - Ort.<br />

Die Einzeldosis der schnell freisetzenden Opioide orientiert sich an der Dosis der<br />

Dauermedikation und beträgt in der Regel 1/6 bis 1/10 der Tagesdosis. Das<br />

Dosisintervall der Bedarfsmedikation kann zwischen 1 Stunde und mehreren<br />

Stunden betragen.<br />

Kombinationen von Opioiden untereinander<br />

Die Kombination von schwachen oder mittelstarken (WHO Stufe ll) Opioiden mit starken<br />

(WHO Stufe lll) Opioiden wird nicht empfohlen.<br />

Die Kombination von µ-Agonisten mit µ-Partial-Agonisten sollte vermieden werden.<br />

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)<br />

Häufig auftretend: Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit<br />

Selten auftretend: Pruritus, Schwitzen, Myoklonien, Halluzinationen, Albträume<br />

Atemdepression.<br />

Merke: Viele der UAW lassen sich durch prophylaktische Therapie reduzieren, bzw.<br />

vermeiden (siehe: „6. adjuvante Therapie“).<br />

TTS: Transdermale Therapie-Systeme<br />

TTS sind nicht sinnvoll zur Einstellung des (starken) <strong>Tumorschmerz</strong>es, bei rascher<br />

Schmerz-Progredienz oder bei hohen erforderlichen Dosen.<br />

Sinnvoll bei stabilem Dauerschmerz und/ oder enteralen Aufnahmestörungen.


5.2 Zubereitungen<br />

WHO Stufe ll: Schwach wirksame Opioide (Auswahl)<br />

Indikation: leichte bis mittelstarke Schmerzen<br />

Tramadol<br />

Dauermedikation: Retardierte Präparate (z. B. Tramal long ® , Tramundin ® , o.a.)<br />

Einzeldosis: 50mg, 100mg, 150mg, 200mg Tabletten<br />

Dosisintervall: alle (8-) 12 Stunden<br />

Tageshöchstdosis: 600mg<br />

Mögliche Initialdosis (Beispiel): Tramadol 100mg 1 – 1 – 1<br />

o ~ Äquivalenzdosis von Morphin SR 30mg<br />

Bedarfsmedikation: Unretardierte Präparate (z.B. Tramundin Tropfen ® , o.a. )<br />

Tramadol Tropfen<br />

20 Tropfen = 50mg Tramadol<br />

Dosierung: Nach Bedarf<br />

Tilidin/ Naloxon<br />

Dauermedikation: Retardierte Präparate (z. B. Valoron N retard ® , o.a.)<br />

Einzeldosis: 50/4mg, 100/8mg, 150/12mg, 200/16mg Retard-Tabletten<br />

Dosisintervall: alle (8-) 12 Stunden<br />

Tageshöchstdosis: 600mg<br />

Mögliche Initialdosis (Beispiel): Tilidin/ Naloxon 50/4mg 1 – 1 – 1<br />

o ~ Äqivalenzdosis von Morphin SR 30 - 60mg<br />

Bedarfsmedikation: Unretardierte Präparate (z.B. Valoron N Tropfen ® , o.a.)<br />

Tilidin/ Naloxon Tropfen<br />

20 Tropfen = 50/4mg Tilidin/ Naloxon.<br />

Dosierung: Nach Bedarf<br />

<br />

Cave: Tilidin-Naloxon-Tropfen haben ein sehr hohes suchterzeugendes Potential.<br />

Besonderheit: Kombination aus µ-Agonisten mit µ-Antagonisten, keine<br />

Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz erforderlich.


WHO Stufe lll: Stark wirksame Opioide<br />

Indikation: starke bis stärkste Schmerzen<br />

Morphin<br />

Dauermedikation: Retardierte Präparate (z. B. MST ® , M long ® , o.a.)<br />

Einzeldosis:10/30/60/100/200mg Retard-Tabletten<br />

Einzeldosis: 20/30/60/100/200mg Retard-Granulat (Beutel)<br />

Dosisintervall: alle (8-) 12 Stunden<br />

Mögliche Initialdosis: Morphin SR 30 - 60mg/ Tag<br />

Bedarfsmedikation: Unretardierte Präparate (z.B. Sevredol ® )<br />

Einzeldosis: 10/ 20mg Tabletten<br />

Morphin-Tropfen: Morphin-Lösung 0,1% - 4% 1ml= 1 - 40mg<br />

Dosisintervall: Nach Bedarf<br />

Besonderheit: „Goldstandard“, aber: Kumulation bei Niereninsuffizienz (relative bis<br />

absolute Kontraindikation)<br />

Buprenorphin<br />

Dauermedikation: Transdermales Therapeutisches System (TTS) (z.B. Transtec PRO ® )<br />

Dosierungseinheiten: 35µg/ Std. (Beladung: 20mg), 52,5 (Beladung: 30mg), 70 µg/<br />

Std. (Beladung: 40mg)<br />

Dosierungsintervall (Pflasterwechsel): alle 3,5 Tage<br />

Mögliche Initialdosis: Buprenorphin-TTS 35 µg/h<br />

o ~ Äquivalenzdosis von Morphin SR 60mg/ Tag<br />

Bedarfsmedikation: Sublingualtabletten (z.B. Temgesic ® , o.a.)<br />

• Einzeldosis: Buprenorphin Sublingualtabletten: 0,2mg/ 0,4mg<br />

• Dosierungsintervall: alle 6 - 8 Std.<br />

• 1 Sublingualtbl. = 0,2/0,4 mg<br />

Besonderheit: Sicher bei Niereninsuffizienz, keine Dosisreduktion erforderlich.<br />

Fentanyl


Dauermedikation: Transdermales Therapeutisches System (TTS) (z.B. Durogesic SMAT ® )<br />

Dosierungseinheiten: 12,5µg/ Std. (Beladung: 2,1mg), 25µg/ Std. (Beladung:<br />

4,2mg), 50µg/Std. (Beladung: 8,4mg), 75µg/ Std. (Beladung: 12,6mg),100µg/ Std.<br />

(Beladung: 16,8mg)<br />

Dosierungsintervall (Pflasterwechsel): alle (2-) 3 Tage<br />

Mögliche Initialdosis: FentanyI-TTS 25 µg/h<br />

o ~ Äquivalenzdosis von Morphin SR 60mg/ Tag<br />

Bedarfsmedikation: Transdermales Orales Therapeutisches System (O-TTS) (z.B. Actiq ® )<br />

Einzeldosis: 200, 400, 600, 800, 1000µg<br />

Dosisintervall: Nach Bedarf<br />

Besonderheit: Gleich schneller Wirkbeginn wie Morphin i.v.<br />

Hydromorphon<br />

Dauermedikation: Retardierte Hydromorphon-Kapseln (z.B. Palladon Retard-Kapseln ® )<br />

Einzeldosis: 4 /8 /16 /24 mg Retard-Kapseln<br />

Dosierungsintervall: alle 12 Stunden<br />

Tageshöchstdosis: Nach Bedarf<br />

Mögliche Initialdosis: Hydromorphon Retardkapseln 4mg 1 – 0 – 1<br />

o ~ Äquivalenzdosis von Morphin 40 - 60mg/ Tag<br />

Bedarfsmedikation: Unretardierte Hydromorphon-Kapseln (z.B. Palladon-Kapseln ® )<br />

Einzeldosis: Hydromorphon-Kapseln á 1,3 oder 2,6mg<br />

Dosierungsintervall: Nach Bedarf, alle 1 - 2 - 4 Stunden (Bedarfszeitraum<br />

angeben!)<br />

Besonderheit: Keine aktiven Metaboliten, keine Kumulation bei Niereninsuffizienz,<br />

wegen besonders geringer Plasma-Eiweißbindung geringe Interaktion mit anderen<br />

Pharmaka.<br />

Die Retard-Kapseln können geöffnet werden, die Granula sind retardiert und PEGgängig.<br />

Levomethadon<br />

Dauermedikation: Levomethadon-Lösung (z.B. L-Polamidon ® )


Dosisintervall: alle 6 - 8 Stunden<br />

Mögliche Initialdosis: 2,5 mg/ (6)-8 Stunden<br />

20 Trpf. = 1 mI Tropflösung = 5 mg.<br />

Cave: Während der Titration sorgfältige Überwachung der Vigilanz des Patienten<br />

wegen Kumulation erforderlich. Bei Somnolenz sofortige Dosisreduktion.<br />

Oxycodon (z.B. Oxygesic ® )<br />

Dauermedikation: Retardierte Oxycodon Tabletten (Oxygesic Retard-Tabletten ® )<br />

Einzeldosis: 5mg, 10mg, 20mg, 40mg Retardtabletten<br />

Dosisintervall: alle (8)- 12 Std.<br />

• Mögliche Initialdosis: Oxycodon Retardtabletten 5mg 1 – 1 – 1<br />

o ~ Äquivalenzdosis von Morphin 30mg/ Tag


6. Koanalgetika / Adjuvantien<br />

6.1 Therapie des neuropathischen Schmerzes<br />

Vor allem bei brennenden, kontinuierlichen Schmerzen<br />

1.Wahl: trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin (Saroten®) 10 - 25 - 75 mg/d,<br />

einschleichende Dosierung, Gabe zur Nacht,<br />

Cave: anticholinerge Nebenwirkungen (NW), Müdigkeit, Mundtrockenheit,<br />

Evidence-based Level (EBL): 1 (s.u.)<br />

2.Wahl: Noradrenalin/Serotonin Wiederaufnahmehemmer (z.B. Venlaflaxin (Trevilor®<br />

2 x 37,5 mg), oder noradrenerge -/ spezifisch serotonerge Antidepressiva<br />

(z.B. Mirtazepin (Remergil®) 15 mg zur Nacht , EBL :4 - 5 (s.u.)<br />

dtl. weniger anticholinerge NW, aber Wirkung nicht gut belegt, nicht<br />

evidence-based<br />

Vor allem bei einschießenden Paroxysmen<br />

Gabapentin<br />

Gabapentin (Neurontin ® ) bis maximal 3600 mg/d, vorsichtig aufdosieren<br />

UAW: Schwindel, Müdigkeit, Ataxie, Ödeme (dosisabhängig),<br />

Cave: Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz (Kumulation möglich – aber: keine<br />

Nephrotoxizität)<br />

Pregabalin<br />

Pregabalin (Lyrica ® ) bis maximal 600 mg/d, vorsichtig aufdosieren<br />

UAW: Schwindel, Müdigkeit, Ataxie, Ödeme (dosisabhängig),<br />

Cave: Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz (Kumulation möglich – aber: keine<br />

Nephrotoxizität)<br />

Carbamazepin<br />

Carbamazepin ret. (z.B. Tegretal ret. ® ) 200 - 1200 mg/die, vorsichtig aufdosieren<br />

UAW: Schwindel, Müdigkeit, Ataxie, Ödeme (dosisabhängig), Exantheme,<br />

Blutbildveränderungen, Anstieg von Leberenzymen<br />

EBL: 1 (s.u.)


Allgemein : Patient über zu erwartene UAW, Art der Medikation (Antidepressivum bzw.<br />

Antikonvulsivum) und verzögerten Wirkeintritt (Tage bis Woche(n)) aufklären.<br />

6.2 Gastroprotektiva<br />

Als Prophylaxe medikamenteninduzierter (speziell NSAID) gastrointestinaler Läsionen ist<br />

ausschließlich die Wirksamkeit von Prostaglandinanaloga oder Protonenpumpenhemmer<br />

belegt. H2-Blocker (z.B. Ranitidin) sind in der Prophylaxe unterlegen.<br />

Auswahl<br />

Misoprostol 400 – 800 µg/24h (Cytotec ® 200) 1 Tbl. = 200 µg.<br />

UAW: Bauchschmerz, Diarrhoe, Nausea, Vertigo, deshalb häufig niedrige<br />

Patientenakzeptanz.<br />

Pantoprazol 40 mg/24 h (Pantozol ® oder andereGenerika) 1Tbl. = 20/40 mg.<br />

Nebenwirkungen: Diarrhoe, Nausea, Bauchschmerzen, Hautveränderungen.


7. Versorgung mit Betäubungsmitteln / Aspekte der BtMVV<br />

(Stand: 1. Febr. 1998)<br />

Verschreibungs-Höchstmengen von Betäubungsmitteln (BtM)<br />

(Beispiele für häufig in der <strong>Tumorschmerz</strong>therapie eingesetzte BtM)<br />

Buprenorphin 150 mg,<br />

Fentanyl 1 000 mg,<br />

Hydromorphon 5 000 mg,<br />

Morphin 20 000 mg,<br />

Oxycodon 15 000 mg,<br />

Tilidin 18 000 mg<br />

Außerdem: Dronabinol 500 mg<br />

Verordnung von bis zu zwei BtM innerhalb von 30 Tagen unter Einhaltung der jeweiligen<br />

Höchstmenge. Verschiedene Darreichungsformen eines Wirkstoffs gelten als ein BtM.<br />

Ausnahmeregelungen<br />

Bei medizinischer Indikation für Patienten in Dauerbehandlung:<br />

Überschreitung<br />

• der Anzahl der verordneten BtM<br />

• der festgesetzten Höchstmengen<br />

Erforderlich<br />

• Kennzeichnung des BtM-Rezeptes mit "A“.<br />

• (Meldung an Aufsichtsbehörde entfällt!)<br />

Notfall-Verschreibung<br />

In Notfällen können BtM auf Normalrezept verordnet werden. Die Verordnung ist mit dem<br />

Wort „Notfall-Verschreibung“ zu kennzeichnen. Der Arzt muss unverzüglich ein BtM-<br />

Rezept nachreichen, das mit dem Buchstaben „N“ gekennzeichnet ist.


Ausstellen von BtM-Rezepten<br />

BtM-Rezepte einschließlich des Verordnungsteils können komplett maschinell ausgestellt<br />

werden. Die Unterschrift und ggf. der Zusatz „i.V“ sind handschriftlich zu leisten.<br />

Änderungen der Verschreibung muss der Arzt handschriftlich vornehmen und durch<br />

Unterschrift bestätigen.<br />

Erforderliche Angaben:<br />

• Name, Vorname und Anschrift des Patienten<br />

• Ausstellungsdatum (Gültigkeit der Verordnung: 7 Tage)<br />

• Bezeichnung des Medikamentes; falls dadurch nicht eindeutig bestimmt, zusätzlich<br />

Darreichungsform sowie Bezeichnung und Gewichtsmenge des enthaltenen BtM<br />

• Menge des verordneten Arzneimittels in Ziffern (Stückzahl oder Menge in Gramm<br />

bzw. Milliliter)<br />

• Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder Vermerk „Gemäß<br />

schriftlicher Anweisung“, wenn der Patient eine schriftliche Einnahmeanweisung<br />

erhalten hat<br />

• Ggf. Zusatz „A“ (Verordnung nach Ausnahmeregel) oder „N“ (Notfall-Verschreibung)<br />

• Name, Berufsbezeichnung und Anschrift einschließlich Telefonnummer des<br />

verschreibenden Arztes (Unterschrift, ggf. Vermerk „i.V.“)<br />

Abgabe von BtM durch den Apotheker<br />

Der Apotheker darf nach Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt fehlende Angaben<br />

auf dem BtM-Rezept ergänzen und nicht korrekt ausgefüllte Rezepte ändern. Falls eine<br />

Rücksprache nicht möglich ist, dürfen fehlerhafte BtM-Rezepte vom Apotheker beliefert<br />

werden, wenn ein dringender medizinischer Bedarf vorliegt.


8. Symptomkontrolle<br />

Das Auftreten von Symptomen stellt für Patienten mit einer inkurablen Tumorererkrankung<br />

regelmäßig eine gravierende Einschränkung ihrer Lebensqualität dar. Symptome treten<br />

erkrankungsbedingt oder therapiebedingt auf. Nach Literaturangaben treten bei bis zu 60<br />

% der <strong>Tumorschmerz</strong>patienten Anorexie und Schwäche, gastrointestinale, pulmonale,<br />

zentrale bzw. neuropsychiatrische und dermatologische Symptome auf, deren Kontrolle<br />

problematischer sein kann als die der Schmerzen. Ein häufiges Problem der<br />

<strong>Tumorschmerz</strong>therapie und Symptomkontrolle ist die Abwägung des Ausmaßes<br />

therapeutischer Maßnahmen, des zu erwartenden Erfolges, der Lebensqualität und der<br />

Wünsche des Patienten und der Angehörigen.<br />

Anorexie, Appetitlosigkeit<br />

Häufige Ursachen sind unzureichend behandelte Schmerzen, gastrointestinale Ursachen<br />

(Obstipation, Dysphagie, Nausea therapieunabhängig oder bei Radiatio, Chemotherapie,<br />

Opioidtherapie), Mundtrockenheit oder Störungen der Geschmacksempfindung. Eine<br />

ursachenorientierte Therapie kann in einer Opioidrotation oder dem Einsatz von<br />

Antiemetika bestehen. Geeignete Nahrung anzubieten ist oft schwierig, weshalb ein<br />

medikamentöses Vorgehen notwendig werden kann (Kortikosteroide, Megesterol 600 –<br />

1000 mg/d, Cannabinoide, z.B. Dronabinol 1 – 2,5 g/d).<br />

Schwäche, Fatigue<br />

Anorexie, Anämie, Depression, therapeutische Interventionen (Chemotherapie, Radiatio,<br />

postoperativ) und unerwünschte Medikamentenwirkung (Opioide) führen regelmäßig zum<br />

Fatigue-Syndrom. Die Therapie umfasst die Anhebung des Hämoglobinwertes<br />

(Einmalkonserven, Erythropoetin), Mobilisationsversuche, stützende Psychotherapie,<br />

Dosisneueinstellung oder Rotation von Opioiden, Antidepressiva, weiteren Sedativa. Ein<br />

Versuch mit Modafinil 50 – 100 mg/d (off-label) oder Methylphenidat 5 – 20 mg/d (offlabel)<br />

kann unternommen werden.<br />

Obstipation


Eine Obstipation tritt regelhaft auf z.B. bei Immobilität, Schwäche, Dehydratation,<br />

Hypokaliämie, Hyperkalziämie, Parkinsonoid, Obstruktion, Aszites, Hämorrhoiden,<br />

Fissuren, medikamentöser Therapie mit Chemetherapeutika (Vincristin, Vinblastin,<br />

Bleomycin), Opioiden, Antidepressiva, Neuroleptika, 5-HT3-Antagonisten,<br />

Butylscopolamin und Calciumantagonisten. Ein Problem ist die objektive Erfassung nach<br />

den Rom-Kriterien (stuhlfreies Intervall länger als drei Tage, harter Stuhl, langes Pressen,<br />

Gefühl der unvollständigen Entleerung), das voreilige Absetzen von Opioiden und die<br />

fehlende konsequente Anwendung einer Prophylaxe mit Laxanzien. Eine<br />

Laxanzienprophylaxe ist bei Opioiden, Antidepressiva, Neuroleptika obligat und sollte<br />

osmotisch wirksamen Laxanzien beinhalten (Macrogol Elektrolyte 3350, Lactulose).<br />

Soweit möglich sollte eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Mobilisation gewährleistet<br />

werden. Die Therapie einer aufgetretenen Obstipation erfolgt gemäß einem<br />

Stufenschema, mit 1.) dem Einsatz bzw. einer Dosissteigerung eines osmotischen Laxanz<br />

(z.B. Macrogol Elektrolyte 3350: 1 – 7 ! Beutel/d), 2.) einer Kombination mit einem<br />

antiabsorptiv/sekretagogen Laxanz (Na-Picosulfat, Bisacodyl), 3.) einer Revision der<br />

Diagnose bzw. erneute Diagnostik (Ileusausschluss), dem Einsatz von Bisacodyl oder<br />

Glycerin als Suppositorium, 4.) Senna-Alkaloiden, 5.) Amidotrizoeessigsäure und<br />

Prokinetika (Metoclopramid, Prostigmin, Ceruletid). Quellstoffe sind bei Dehydratation<br />

problematisch!<br />

Diarrhoe<br />

Zu einer Diarrhoe führen verschiedene Ursachen wie Infektion, Radiatio, Antibiotika,<br />

Zytostatika, Cyclooxygenasehemmer, Kurzdarmsyndrom, chronisch-entzündliche<br />

Darmerkrankungen, Pankreasinsuffizienz mit Malabsorption, „Überlaufdiarrhö“ bei<br />

Obstipation, Stuhlimpaktion oder paraneoplastisch. Symptomatische Maßnahmen<br />

bestehen in Rehydrierung, Elektrolytsubstitution, dem Einsatz von Pektinen,<br />

Aluminiumhydroxid, Ballaststoffen, Kohlekompretten, Loperamid, anderen Opioiden,<br />

Butylscopolamin (bis 100 mg/d, cave: Tachycardie), Octreotid (bis 300 µg/d). Kausal bzw.<br />

ursachenorientiert erfolgt bei Pancreasinsuffizienz eine Therapie mit einer<br />

Enzymsubstitution, bei entzündlich bedingten Diarrhoen mit Sulfasalazin, Mesalazin, evtl.<br />

mit Indomethazin, beim Kurzdarmsyndrom mit Cholestyramin und beim Karzinoid mit<br />

Octreotid (100 – 200 µg / d, s.c.).<br />

Nausea, Emesis


Ursachen sind u. a. Schmerzen, Medikamente (Chemotherapie, Opioide), Radiatio,<br />

Tumore, Obstipation, Ileus, Ikterus, Urämie, Hyperkalzämie, Hirndruck und<br />

neuropsychiatrische Ursachen. Eine parenterale Rehydrierung kann notwendig werden.<br />

Bei einer kausalen Therapie stehen die Behandlung einer gastrointestinalen Obstruktion,<br />

von Hirndruck, metabolischen Entgleisungen oder nicht-tumorbedingten Ursachen<br />

(Migräne) im Vordergrund, während symptomatisch folgender Stufenplan ausgeführt wird.<br />

Medikamentös können 1.) Metoclopramid (bis zu 120 mg/d) oder Domperidon (bis zu 30<br />

mg/d), 2.) zusätzlich Dimenhydrinat (bis zu 300 mg/d), Scopolamin (bis zu 1,5 mg/d), 3.)<br />

zusätzlich Neuroleptika (Haloperidol bis zu 6 mg/d, Promethazin bis zu 75 mg/d) 4.) 5HT3-<br />

Antagonisten (Ondansetron, Granisetron) 5.) Cannabinoide (Dronabinol bis zu 5 g/d),<br />

Kortikosteroide (Dexamethason, bis zu 20 mg/d) eingesetzt werden. Bei chemo- oder<br />

radioatiobedingter Nausea oder Emesis empfiehlt sich ein frühzeitiger Beginn mit 5HT3-<br />

Antagonisten. Der Sonderfall einer nicht kurativ behandelbaren gastrointestinalen<br />

Obstruktion kann die Gabe von Octreotid, Scopolamin oder Butylscopolamin,<br />

Kortikosteroiden, ggf. eine palliativ-chirurgische Entlastungsoperation oder die Anlage<br />

einer PEG erforderlich machen.<br />

Dyspnoe<br />

Das subjektive Gefühl der Atemnot, oftmals verbunden mit erhöhter Atemarbeit, ist einer<br />

der häufigsten Symptome in der Terminalphase. Verschiedenartige Ursachen wie z.B.<br />

Infektion, Obstruktion, Tumor, Metastasen, Pleuraerguss, Sekretverhalt,<br />

kardiozirkulatorische Gründe, Perfusionsstörung (Embolie), Bronchospasmus, COPD,<br />

Azidose, neuromuskuläre Ursachen (Muskelatrophie) oder Angst führen zu einer<br />

Dyspnoe. Die Abwägung kurativer versus palliativer Maßnahmen (Sauerstoffgabe,<br />

Intubation und Beatmung) kann für die Behandler problematisch sein. Zu<br />

symptomatischen TherapieMaßnahmen zählen Beruhigung, der Einsatz eines<br />

Handventilators (subjektiv als lindernd angesehen), Physiotherapie, Opioide (Morphin, 5 –<br />

20 mg p.o., s.c.), Sedierung (Lorazepam, bis zu 5 mg/d), ggf. parenterale Applikation.<br />

Ursachenorientiert kann beim Pleuraerguss eine Pleurapunktion oder eine Pleurodese,<br />

bei einer Bronchospastik der Einsatz von Theophyllin, ß2-Mimetika, Anticholinergika,<br />

Kortikosteroiden, - oral, parenteral, per inhalationem - , indiziert sein.<br />

Rasselatmung in der Finalphase


Sekretverhalt und Ödemneigung können in der Finalphase zu dem für Außenstehende<br />

subjektiv belastenden Symptom der Rasselatmung führen, das häufig einen<br />

schädigenden Aktionismus bewirkt (Absaugen, Flüssigkeitstherapie). Medikamentös<br />

können Anticholinergika (Scopolamin, Butylscopolamin, Atropin, Glycopyrrolat), Opioide<br />

(Dosissteigerung bei Opioiddauertherapie) und Benzoediazepine (s.o.) eingesetzt werden.<br />

Eine terminale Sedierung kann notwendig sein.<br />

Neuropsychiatrische Symptome, zentrale Symptome<br />

Unterschiedliche neuropsychiatrische oder zentrale Symptome wie Sedierung Agitation,<br />

Halluzinationen, Angst, Depression haben oft multifaktorielle Ursachen (z.B. erkrankungs-,<br />

therapiebedingt, medikamentös, Organinsuffizienz, Kachexie, Infektion, Hypoxie, reaktiv,<br />

Entzug, metabolisch, Hirndruck bei Metastasen, Hydrocephalus). Myoklonien treten häufig<br />

bei Kumulation von Opioidmetaboliten, insbesondere bei Niereninsuffizienz auf. Nach<br />

Ausschluss anderer therapierbarer Ursachen (z.B. erhöhter Hirndruck, Hyperkalziämie)<br />

sollten medikamentöse Ursachen (Opioide, Benzoediazepine, Antidepressiva,<br />

Neuroleptika, Anticholinergika) ausgeschlossen werden. Dies kann eine<br />

Medikamentenrotation (Opioiderotation ) oder eine Dosisanpassung bei Organinsuffizienz<br />

notwendig machen. Gemäß dem neuropsychiatrischen Bild ist der Einsatz von<br />

stimulierenden Substanzen (s. Abschnitt: Schwäche, Fatigue), Sedativa und Neuroleptika<br />

indiziert. Bei Singultus kann ein Versuch mit vorsichtiger Pharynxstimulation (weiche<br />

Sonde, kaltes Wasser), Antiepileptika (gaba-Pentin), Neuroleptika, Baclofen oder<br />

Nifedipin unternommen werden.<br />

Juckreiz<br />

Neben primär dermatologischen oder allergologischen Ursachen kann Juckreiz auch bei<br />

einer Cholestase oder dem Einsatz von Opioiden oder Chemotherapeutika auftreten.<br />

Symptomatisch kommen Antihistaminika (z.B. Clemastin, bis 12 mg / d, Cetirizin bis 10<br />

mg / d) und niederpotente Neuroleptika (Promethazin, bis 100 mg / d) zur Anwendung.<br />

Probatorisch kann Naloxon (Opioidanatgonist) oder Paroxetin (selektiver Serotonin-<br />

Wiederaufnahmehemmer, Antidepressivum, bis 20 mg / d) versucht werden.


9. Invasive und weiterführende Verfahren<br />

Indikationen für invasive Schmerztherapie<br />

Invasive Schmerztherapie ist nicht ultima ratio, sondern von Anfang an gleichwertige<br />

Therapieoption,<br />

- weil invasive Methoden zusätzlich zu konservativen Methoden eine frühe<br />

Chronifizierung verhindern (z.B. Ganglion Stellatum-Blockaden bei<br />

sympathisch unterhaltenen Schmerzen)<br />

- weil invasive Methoden in Einzelfällen konservativen Methoden überlegen<br />

sind (z.B. Katheteranalgesie bei Tumorinfiltration in den Plexus Brachialis)<br />

- weil eine medikamentöse Schmerztherapie wegen unerwünschter<br />

Wirkungen bei manchen Patienten nicht durchgeführt werden kann (z.B. bei<br />

multimorbiden oder sehr reduzierten Patienten).<br />

Deshalb: Denken Sie bereits frühzeitig an invasive Methoden der <strong>Tumorschmerz</strong>therapie.<br />

Stellen Sie Ihre Tumorpatienten ggf. in einer Spezialeinrichtung vor (auch telefonisch).<br />

Grundsätzlich sind invasiven Verfahren aber auch in der <strong>Tumorschmerz</strong>therapie nur eine<br />

therapeutische Möglichkeit innerhalb eines multimodalen Behandlungskonzeptes.<br />

Voraussetzungen zur invasiven Schmerztherapie<br />

Invasive Eingriffe dürfen nur dann vorgenommen werden,<br />

- wenn eine eingehende Aufklärung über Vorgehen, Nutzen und Risiken<br />

stattgefunden hat, und eine schriftliche Einverständniserklärung des<br />

Patienten vorliegt,<br />

- wenn ein ausreichendes Monitoring zur Verfügung steht (EKG, Blutdruck,<br />

Pulsoxymetrie),<br />

- wenn im Notfall Maßnahmen ergriffen werden können (intravenöser Zugang<br />

liegt, Notfallausrüstung und Notfallmedikamente stehen bereit, Personal hat<br />

eine Notfallausbildung).<br />

Die folgende Aufstellung stellt nur eine Auswahl der möglichen spezifischen<br />

schmerztherapeutischen Maßnahmen dar.


Invasive Diagnostik<br />

Die Erfahrung, dass morphologische Befunde nicht immer mit der Symptomatik<br />

korrelieren und Schmerzen auch ohne morphologisches Korrelat vorzufinden sind<br />

(Beispiel Rückenschmerz), gilt auch für <strong>Tumorschmerz</strong>syndrome. Trotzdem ist der<br />

Versuch, die schmerzauslösenden Faktoren weitestgehend einzugrenzen, erstrebenswert,<br />

um die Schmerzen gezielt zu therapieren und konservative Therapieformen mit nicht<br />

unerheblichen systemischen Nebenwirkungen schonend einzusetzen oder zu vermeiden.<br />

Parenterale Pharmakotherapie<br />

Indikation ist eine Behinderung der oralen Applikation. Zur kontinuierlichen intravenösen<br />

oder subkutanen Medikamentengabe stehen transportable Pumpen zur Verfügung. Bei<br />

vielen Pumpen kann man neben der kontinuierlichen Gabe auch einen Bedarfsbolus<br />

einstellen. Zeitlimits und Mengenbegrenzungen verhindern Überdosierungen. Bei jedem<br />

Patienten muss der analgetische Bedarf individuell ermittelt werden. Durch die Einführung<br />

transdermaler Applikationssysteme ist die parenterale Pharmakotherapie heute seltener<br />

geworden.<br />

Rückenmarknahe/intraventrikuläre Opioidanalgesie<br />

Hierbei werden Opioide (oder anderer Medikamente) über epidurale, intrathekale oder<br />

intraventrikuläre Katheter appliziert. Dieses erfolgt entweder über einen Port (im<br />

allgemeinen kurzfristige, zeitliche Überbrückung) oder durch ein vollständig<br />

implantierbares Pumpensystem. Da hierbei Opioide in deutlich niedrigeren Dosierungen<br />

appliziert werden und zudem nur zu einem kleinen Teil systemisch wirksam werden, ergibt<br />

sich folgende Indikation: nicht tolerierbare unerwünschte Wirkungen, die bei guter<br />

analgetischer Wirkung einen Einsatz von Opioiden auf anderen Wegen unmöglich<br />

machen. In der Regel werden hierdurch nur gleichbleibende Dauerschmerzen therapiert.<br />

Bei modernen, ferngesteuerten und programmierbaren Systemen kann man Tagesprofile<br />

und Boli eingeben, die somit besser an einen wechselnden Analgetikabedarf angepasst<br />

sind. Häufigste Komplikationen sind Katheterverlagerungen.


Neurolyse des Ggl. Coeliacum<br />

Gezielte Unterbrechung aller viszeralen Afferenzen und sympathischen Efferenzen aus<br />

dem Oberbauch, entweder durch Einbringen eines Neurolytikums (z.B. 50 - 100%iger<br />

Alkohol, 5 - 10%iges Phenol ist wegen der hohen Gewebetoxizität nicht mehr indiziert),<br />

oder durch Kryo- und Thermokoagulation. Indikationen sind Schmerzen bei malignen<br />

Tumoren im Oberbauch (insbesondere Pankreas, Leber, Galle). Besonders hier ist die<br />

Indikation frühzeitig zu stellen.<br />

Neurolyse des lumbalen Grenzstrangs (perkutane Sympathektomie)<br />

Kryo- oder Thermokoagulation oder Injektion eines Neurolytikums (siehe chemische<br />

Neurolyse des Ggl.coeliacum) am lumbalen Sympathikus. Dieses Verfahren ist nur unter<br />

zu Hilfenahme bildgebender Verfahren durchzuführen. Indikation ist z.B. eine<br />

Schmerzreduktion bei malignen Tumoren im Becken-Beinbereich.<br />

Neurolyse peripherer Nerven<br />

Nur in wenigen Fällen erfolgversprechend (Nn. Occipitales, Nn. Intercostales). Eine<br />

Indikation besteht daher nur in ausgesuchten Fällen, z.B. bei segmentalen Schmerzen im<br />

Bereich eines Intercostalnerven (Rippenmetastasen).<br />

Intrathekale Neurolyse<br />

Wird heute nur noch selten in Form der Chordotomie durchgeführt. Dabei wird die<br />

Nervenleitung im Tractus spinothalamicus des Rückenmarks unterbrochen. (Nur einseitige<br />

Ausführung; Lebenserwartung


wegen unnötiger bürokratischer Hindernisse durch die Kostenträger sind invasive<br />

schmerztherapeutische Eingriffe in Deutschland deutlich seltener als im benachbarten<br />

europäischen Ausland. Aber: Invasive Methoden müssen bei differenzialtherapeutischen<br />

Überlegungen berücksichtigt werden um Tumorpatienten schnell eine wirkungsvolle<br />

Analgesie zu ermöglichen.


10. Antineoplastische und interventionell-supportive Therapie<br />

zur Schmerzlinderung<br />

Stets sorgfältige Abwägung von Nutzen, Nebenwirkungen und Lebensqualität.<br />

Die Auswahl der Tumorbehandlung hängt von folgenden Kriterien ab:<br />

• Klinischer Status des Patienten<br />

• Zytostatische oder strahlentherapeutische Vorbehandlung<br />

• Spezifische Eigenschafen des Tumors<br />

• Wirksamkeit der verfügbaren Medikamente<br />

• Nebenwirkung der Therapie<br />

Chemo- oder Hormontherapie<br />

Chemo- oder hormonsensible Tumoren sind insbesondere: maligne Lymphome,<br />

Plasmozytome, Mamma-, Ovarial- Prostata- und kleinzelliges Bronchialkarziom.<br />

Therapie mit Bisphosphonaten<br />

Osteoklastenbildung wird vermindert<br />

Verminderung der osteoklastenbedingten Knochenresorption<br />

Osteolysen werden vermindert<br />

Strahlentherapie<br />

• Perkutan, intrakavität, interstitiell<br />

• Intraoperativ (insbesondere Knochen-, ZNS-, Augen-, Weichteil-, Hautmetastasen,<br />

Rezidivtumoren)<br />

• Radionuklide (Schilddrüsenkarzinom, Knochenmetastasen)<br />

• Notfallindikationen, therapeutische Intervention in weniger als 8 - 12 Stunden<br />

erforderlich:<br />

• drohende Querschnittslähmung (Chemo- und /oder Strahlentherapie bzw. operative<br />

Dekompression)<br />

• obere Einflussstauung (Chemo- und/oder Strahlentherapie)<br />

Interventionelle radiologische Maßnahmen<br />

• Regionale Zytostatikaperfusion, Embolisation (z.B. Leber Metastasen)<br />

• Tubus- und Stent-Implantation (z.B. Bronchial Ca)


Interventionelle orthopädische Maßnahmen<br />

• Vertebroplastie bei Knochenschmerzen durch ossäre Metastasen der Wirbelsäule<br />

• Kyphoplastie bei schmerzhafter Wirbelkörper Infiltration<br />

Operative Maßnahmen<br />

• Tumorresektion, Dekompression<br />

• Laser-, Elektro-, Kryoresektion<br />

• Stabilisierung (frakturgefährdeter) ossärer Prozesse<br />

• Umgehungsanastomosen<br />

• Drainage gestauter Hohlorgane (z.B. Überlaufsonde MDT, Aszites Drainage)<br />

• Plastische Deckung


11. Palliativmedizin und Hospiz<br />

Palliativmedizin ist die aktive, ganzheitliche Behandlung von Pat. mit nicht heilbarer,<br />

progredienter und weit fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung. Die<br />

WHO definiert „Palliative Care als Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität von<br />

Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, die mit einer<br />

lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, durch Vorbeugen und Lindern von Leiden,<br />

durch frühzeitiges Erkennen, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen<br />

sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“<br />

(WHO 2002). Sie kann in verschiedenen Organisationsstrukturen umgesetzt werden.<br />

Ambulanter Palliativdienst (APD): Dienste, die sich ausschließlich auf die palliative<br />

ärztliche und pflegerische Betreuung spezialisiert haben. Die hauptamtlichen Pflegekräfte<br />

des APD verfügen über Palliative Care-Weiterbildung und sind beratend (Pflegeanleitung)<br />

und in der Versorgung tätig. Die Betreuung wird rund um die Uhr gewährleistet. Eine<br />

solche Einrichtung kann auch als Ambulantes Hospiz- und Palliativzentrum (AHPZ)<br />

(DGP & BAG Hospiz 2006) direkt an einen ambulanten Hospizdienst (s. u.)<br />

angeschlossen sein.<br />

Palliativstation: Palliativpatienten werden bei akuten palliativmedizinischem Problemen<br />

auf einer Palliativstation aufgenommen (Bedarf 50 Betten/Mio. EW, lt. BMG). Viele<br />

Palliativstationen leisten einen Palliativmedizinischen Konsiliardienst im eigenen<br />

Krankenhaus.<br />

Ambulante Hospizinitiative: Gruppe Interessierter, meist als e. V. organisiert, setzt sich<br />

für die Belange Sterbender und deren Angehöriger ein. Dazu werden ehrenamtliche<br />

Hospizhelfer ausgebildet, die psychosoziale Begleitung von Betroffenen anbieten, sowie<br />

Angebote für die Trauerbegleitung. (Wesentliches Element: ehrenamtliche Mitarbeit).<br />

Ambulanter Hospizdienst (AHD): Weiterentwicklung einer Hospizinitiative, verfügt über<br />

qualifizierte Hospizhelfer (ab 15 geschulte Ehrenamtliche wird 1/2 Stelle für eine<br />

hauptamtliche, qualifizierte KoordinatorIn nach § 39a SGB V kassenfinanziert).<br />

Hospizhelfer erhalten Ausbildung, Begleitung (z. B. Supervision) und regelm.<br />

Fortbildungen. AHD bietet feste Erreichbarkeit an. Weitere Ausbaustufen: Ambulante<br />

Hospizdienste mit palliativpflegerischer Beratung (durch weitergebildete Pflegekraft -<br />

bei Förderung nach § 39a verpflichtend), Ambulante Hospizdienste mit (eigenem)<br />

Palliativ-Pflegedienst.


stationäres Hospiz: vom Krankenhaus oder Pflegeheim unabhängige Pflegeeinrichtung,<br />

die Schwerkranke mit absehbarem Lebensende betreut, wenn sie zu Hause nicht gepflegt<br />

werden können und Behandlung im Krankenhaus (z. B. auf einer Palliativstation) nicht<br />

benötigen. Stationäres Hospiz bietet Geborgenheit und kompetente Betreuung (gem.<br />

Rahmenvereinbarung über Art und Umfang sowie zur Sicherung der Qualität der<br />

stationären Hospizversorgung vom 13.3.1998).


12. Psychonkologie<br />

Psychoonkologische Angebote:<br />

Patientenzentrierte Gesprächstherapie entsprechend dem Krankheitsstadium<br />

- Bei der Erstdiagnose Krebs<br />

- Bei einem Rezidiv<br />

- In Remission<br />

- Beim sterbenden Patienten<br />

Einzeltherapiegespräche –<br />

- Information, Beratung, Edukation – Medizinische Aufklärung, ergänzende<br />

medizinische Behandlungmöglichkeiten<br />

- Krisenintervention – Gesprächstherapie, Trauerarbeit<br />

- Schulung, Verhaltenstraining – Progressive Muskelrelaxation, Autogenes<br />

Training, Yoga, Raucherentwöhnung, Kommunikationstraining<br />

Stützende Gespräche mit Patient oder Angehörigen<br />

- Annahme der Erkrankung im lebensgeschichtlichen Kontext<br />

- Aktivierung des Individuums<br />

- Neuorientierung<br />

- Stabilisierung des Individuums<br />

Familien- bzw. Partnergespräche<br />

Verhaltenstherapeutische Schmerzbewältigungstechniken<br />

- Verfahren der Aufmerksamkeitslenkung<br />

- Entspannung, Imagination, Suggestion<br />

- Selbstmanagement Methoden<br />

Krisenintervention<br />

Hilfe bei Complianceproblemen<br />

Angehörigenbetreuung


13. Weiterführende Informationsangebote<br />

Deutschland<br />

http://www.dgss.org<br />

http://www.dgpalliativmedizin.de<br />

http://www.uni-greifswald.de/~krebsin<br />

http://www.hospiz.net<br />

Österreich<br />

http://www.palliativ.at<br />

http://www.hospiz.at<br />

Schweiz<br />

http://www.palliative.ch<br />

Großbritannien<br />

http://www.palliative-medicine.org<br />

http://www.hospice-spc-council.org.uk<br />

http://www.rcn.org.uk<br />

http://www.hospiceinformation.co.uk<br />

USA<br />

http://www.aahpm.org<br />

http://www.nhpco.org<br />

http://www.hospicecare.com<br />

Kanada<br />

http://www.cpca.net/<br />

Literatur<br />

Aulbert, E., Zech D. (2000): Lehrbuch der Palliativmedizin, Schattauer<br />

Doyle, D., Hanks, G (2003): Oxford Textbook of Palliative Medicine, 3. A. Oxford<br />

University Press<br />

Husebo, S., Klaschik E. (2003): Palliativmedizin - Praktische Einführung in<br />

Schmerztherapie, Ethik und Kommunikation. Springer<br />

MacDonald, N. (1998): Palliative Medicine - A case-based manual, Oxford University<br />

Press<br />

Zenz M., Donner B. (2002): Schmerz bei Tumorerkrankungen. Interdisziplinäre Diagnostik<br />

und Therapie. wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart


14. „Auf einen Blick“<br />

Evaluation<br />

[ 0 ] [ 1 ] [ 2 ] [ 3 ] [ 4 ] [ 5 ] [ 6 ] [ 7 ] [ 8 ] [ 9 ] [ 10 ] Schmerzintensität,<br />

kein stärkster Lokalisation, Dauer,<br />

Schmerz vorstellbarer Schmerz Schmerzcharakter<br />

Schmerzqualität<br />

Schmerzart<br />

Nozizeptiv-visceral dumpf, drückend, ziehend Metamizol 6 g/d, Butylscopolamin<br />

bewegungsunabhängig<br />

Ibuprofen bis 2400 mg/d + Pantozol 20 mg/d<br />

Knochenschmerz scharf, stechend, drückend Diclofenac bis 150 mg/d + Pantozol 20 mg/d<br />

und belastungsabhängig Bisphosphonat z.B. Pamidronat 60 mg alle 3 Wo<br />

Dexamethason 2-4-8 mg/d<br />

Neuropathisch<br />

konstant brennend spontan<br />

Trizyklika (Amitryptilin 25 mg z.N.)<br />

einschießend, stechend Gabapentin bis 3600 mg, Pregabalin bis 600 mg<br />

Ret. Opioide<br />

Einstieg mit Tramadol ret. oder Valoron ret. 200 - 300 mg/d, zu-<br />

OOOOOOO bei allen<br />

Schmerzarten<br />

sätzlich gleiches Opioid als Tropfen gegen Durchbruchschmerz<br />

oder<br />

Einstieg mit stark wirksamen Opioid in niedrigerer Dosis<br />

vorhandenes Basisopioid steigern max. um 30-50% (oder um<br />

die Menge der Zusatzgaben des kurzwirksamen Opioids)<br />

- alle 24 Stdn. möglich bei oralen Opioiden<br />

- frühestens alle 48 Stdn. bei transdermalen Systemen<br />

Prophylaxe der Opioidnebenwirkungen:<br />

1. Antiemese Haloperidol 4 x 0,5 mg p.o.<br />

Dimenhydrinat 4 x 50 mg rect.<br />

Domperidon 3 x 20 mg p.o.<br />

2. Laxantien Macrogol 1 - 6 Beutel p.o.<br />

Na-Picosulfat 5 - 7,5 mg p.o.<br />

Mikroklist 1 Klistier rect.<br />

Klysma salinisch 125 ml rect.<br />

Reevaluation<br />

Optionen<br />

[ 0 ] [ 1 ] [ 2 ] [ 3 ] [ 4 ] [ 5 ] [ 6 ] [ 7 ] [ 8 ] [ 9 ] [ 10 ]<br />

Schmerzintensität, Lokalisation, Dauer, Schmerzcharakter<br />

Opioidrotation, Radiatio, Intrathekale (Epidurale) Therapie, Chirurgie (Debulking), Neurochir.


Äquivalenzdosen-Opioide<br />

Medikament Tagesdosis (i. d. R. nichtinvasiv und retardiert) Faktor<br />

Faktor<br />

parent.<br />

Codein* mg oral (unretardiert!) 300 Codein ist bei Dauerschmerzen zur <strong>Tumorschmerz</strong>therapie ungeeignet 0,075<br />

Tramadol ret. (oral) in mg 200 300 600 0,1<br />

Tramadol parenteral (s.c., i.v.) 100 200 400 0,1<br />

Tilidin/Naloxon ret. (oral) mg 200 300 600 0,1<br />

Dihydrocodein* ret. (oral) mg 120 240 480 720 0,15<br />

Pethidin parenteral in mg 25 75 150 225 300 Pethidin ist zur <strong>Tumorschmerz</strong>therapie ungeeignet 0,66<br />

Morphin (oral) mg 20 30 60 90 120 150 180 210 240 300 480 600 900 1 0,33-0,5<br />

Morphin parenteral (s.c., i.v.) 5 10 20 30 40 50 60 70 80 100 160 200 300 2-3 1<br />

Morphin peridural (epidural) 2 3 6 12 24 48 12,5 4<br />

Morphin spinal (intrathekal) 0,1 0,25 0,5 0,75 1 1,25 1,5 1,75 2 2,5 5 7,5 180 33<br />

Oxycodon (oral) mg 10 15 30 60 60 100 90 140 120 200 240 2<br />

Oxycodon parenteral (s.c., i.v.) 5 2<br />

L - Methadon (oral) in mg 7,5 individuelle Titration 4<br />

Hydromorphon (oral) in mg 4 8 12 16 20 24 28 32 40 64 80 120 7,5<br />

Buprenorphin (Temgesic) 0,4 0,6 0,8 1,2 1,6 2 2,4 2,8 3,2 3,2 3,6 4 75<br />

subling. In mg<br />

Buprenorphin parenteral (s.c., 0,3 0,6 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,4 3 33<br />

i.v.) mg<br />

Buprenorphin transdermal<br />

(µg/h)<br />

- - 35 52,5 70 87,5 105 122,5 140 höhere Dosierungen<br />

werden nicht empfohlen<br />

Piritramid parenteral (s.c., i.v.) 7,5 15 30 45 60 120 240 0,66<br />

in mg<br />

Fentanyl parenteral (s.c., i.v.) 0,2 0,3 0,6 1,2 2,4 4,8 100<br />

in mg<br />

Fentanyl transdermal (in µg/h) - - 25 50 75 100 125 200 250 375 100<br />

* Non-Responder kommen bei „poor metabolization“ vor


Stufentherapie der Obstipation bei Patienten der Schmerztherapie<br />

Stufe 1 (oral)<br />

Osmotisches Laxanz oder propulsives Laxanz<br />

Beispiele:<br />

Macrogol 3350/Elektrolyte, Lactulose oder Na-Picosulfat, Bisacodyl<br />

Stufe 2 (oral)<br />

Osmotisches Laxanz und propulsives Laxanz<br />

Beispiele:<br />

Macrogol 3350/Elektrolyte, Lactulose in Kombination mit Na-Picosulfat, Bisacodyl<br />

Stufe 3<br />

Osmotisches Laxanz und propulsives Laxanz und Suppositorium<br />

Beispiele:<br />

Wie oben + Suppositorium (Bisacodyl oder Glycerin)<br />

Stufe 4<br />

Medikamentöse und nichtmedikamentöse Maßnahmen<br />

Diagnostische Abklärung in Kombination mit medikamentösen Maßnahmen<br />

Stufe 3 + Sennoside, Rizinus, Amidotrizoeessigsäure, experimentelle Ansätze (Naloxon)<br />

in Kombination mit<br />

Nichtmedikamentöse Maßnahmen<br />

Physiotherapie (Colonrahmenmassage), Einläufe, manuelle Ausräumung<br />

Fuessgen I, Gruss HJ, Hardt R, Wanitschke R, Wirz S: Consense-conference: Constipation – a problem related to pain therapy ? Eur J Geriat 2004, 6; 2:102-107<br />

EbL 3


Antiemetika<br />

Entstehungsorte von<br />

Übelkeit/Erbrechen<br />

mögliche Ursachen<br />

“sinnvolle“ Therapeutika:<br />

cerebraler Cortex z.B. bei Hirnoedem Glucocorticoide<br />

Chemorezeptoren z.B. als Opiat - NW<br />

Triggerzone<br />

Brechzentrum z.B. metabolisch, Med -<br />

NW<br />

Gastro-intestinaltrakt<br />

Beispiele:<br />

- Opiat induzierte Übelkeit/Erbrechen<br />

z.B. Obstruktion oder<br />

Opiate<br />

Dopamin 2 Antagonisten<br />

(Haloperidol, Metoclopramid)<br />

oder 5HT3 Antagonisten<br />

(Ondansetron etc.)<br />

H1-Antagonisten<br />

(Dimenhydrinat, Cyclizin) oder<br />

Acetycholinantagonisten<br />

(Scopolamin, Cyclizin)<br />

Metoclopramid, Domperidon<br />

Basismedikation: prophylaktisch in der Einstellungsphase für ca. 2 Wochen:<br />

Haloperidol (Haldol®) 0,3-0,5 mg ( entsprechen 3-5 Tropfen) alle 8 Stunden und/oder:<br />

Metoclopramid (Gastrosil®) 10 mg alle 8 Stunden<br />

Weitere Optionen bei unzureichender Wirkung:<br />

Dexamethason (Fortecortin®) 4-8 mg / die, Ondansetron (Zofran®), Dimenhydrinat (Vomex®) 3x 50-100 mg, Tetrahydrocannabinol<br />

(Marinol®) 3-4 x 5 mg<br />

EBL: 8 (s.u.)<br />

- Übelkeit/Erbrechen durch Chemotherapeutika<br />

Dexamethason (Fortecortin 4-8 mg/die) + 5-HT 3 Antagonist (Ondansetron, Topisetron etc.)<br />

EBL: 1 (s.u.)<br />

EBL = Evidence base Level

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