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Geschäftsbericht 2008

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BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Inhalt


4<br />

Vorwort<br />

6<br />

Beschäftigung<br />

22<br />

Soziale Sicherung<br />

46<br />

Arbeitsrecht<br />

70<br />

Tarifpolitik<br />

92<br />

Bildung<br />

118<br />

Europa und Internationales<br />

136<br />

Gesellschaftspolitik<br />

148<br />

Volkswirtschaft<br />

162<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

170<br />

BDA-Organisation<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Inhalt


Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

nach drei Jahren des Aufschwungs und einem<br />

noch erfreulichen Jahresauftakt <strong>2008</strong> befindet sich<br />

Deutschland nun auf dem Weg in die Rezession.<br />

Die globale Finanzmarktkrise hat in wachsender<br />

Intensität und Geschwindigkeit auch die deutsche<br />

Wirtschaft erfasst. In einigen Branchen ist die Auftragslage<br />

dramatisch eingebrochen und die Auswirkungen<br />

der Finanzmarktkrise schlagen sich<br />

nachhaltig auf die gesamte Wirtschaft nieder. Die<br />

Geschäftserwartungen haben sich verschlechtert<br />

und die Prognosen für die künftige wirtschaftliche<br />

Entwicklung sind von großer Ungewissheit geprägt.<br />

Die äußerst positive Entwicklung auf dem<br />

Arbeitsmarkt wird sich nicht fortsetzen können.<br />

Deutschland ist international vergleichsweise<br />

gut aufgestellt. Der konsequente Innovationskurs<br />

und strukturelle Anpassungen in den Betrieben,<br />

eine weitgehend verantwortungsvolle Lohnpolitik<br />

und der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische<br />

Reformkurs der Agenda 2010 haben zur Verbesserung<br />

unserer Wettbewerbsfähigkeit beigetragen.<br />

Die Tarifparteien haben auch im vergangenen Jahr<br />

insbesondere mit einer differenzierten Lohnpolitik<br />

ihren Teil geleistet, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen Wirtschaft zu erhöhen und so die<br />

negativen Folgen der Finanzmarktkrise und der<br />

weltwirtschaftlichen Abschwächung zu begrenzen.<br />

Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz<br />

und dem Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der<br />

Konjunktur hat die Bundesregierung richtige Signale<br />

gesetzt. In der aktuellen ernsten Situation<br />

wird dies jedoch kaum ausreichen, um nachhaltige<br />

Wachstumsimpulse auszulösen. Die Bundesregierung<br />

darf sich nicht zu Aktionismus verleiten<br />

lassen. Sie muss überlegt, dosiert und gezielt handeln.<br />

Sinnvoll sind Maßnahmen, die kurzfristig wirken,<br />

uns aber auch langfristig helfen, das Wachstumspotenzial<br />

unserer Wirtschaft zu stärken:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Öffentliche Investitionen zum Ausbau und zur<br />

Modernisierung unserer Infrastruktur sollten –<br />

wo immer möglich – vorgezogen werden.<br />

Die Bundesregierung sollte Signale setzen für<br />

mehr Netto vom Brutto für alle. Das geht am<br />

besten durch die Senkung der Sozialabgaben.<br />

In der Rentenversicherung kann der Beitragssatz<br />

ohne Abschmelzung der Rücklagen auf<br />

19,6 % abgesenkt werden, in der Arbeitslosenversicherung<br />

ist eine Absenkung auf 2,5 %<br />

möglich, wenn endlich der verfassungswidrige<br />

Eingliederungsbeitrag abgeschafft wird.<br />

Die Bundesregierung sollte die heimlichen<br />

Steuererhöhungen der kalten Progression<br />

begrenzen und mittelfristig abschaffen. Das<br />

entlastet die Leistungsträger. Gerade für sie<br />

wäre dies ein wichtiges Zeichen für mehr<br />

Netto vom Brutto.<br />

Die große Koalition hat zwar den Beitragssatz<br />

der Arbeitslosenversicherung deutlich gesenkt, was<br />

auch und vor allem ein Erfolg der BDA ist. Sie hat<br />

aber insgesamt in den letzten Monaten zu wenig<br />

getan, um ihr eigenes Ziel der Senkung des Sozialversicherungsbeitrags<br />

konsequent zu verfolgen.<br />

In weniger als zwölf Monaten hat sie in allen vier<br />

Zweigen der Sozialversicherung Leistungsauswei-<br />

<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Vorwort


tungen beschlossen und die Ausgaben um mehr<br />

als 10 Mrd. € erhöht. Sie hat nach der richtigen Entscheidung<br />

für die „Rente mit 67“ die Chance verpasst,<br />

in den Sozialversicherungszweigen die dringend<br />

notwendigen Strukturreformen anzupacken.<br />

Die von der Bundesregierung beschlossenen<br />

Gesetzentwürfe zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz<br />

und zum Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

werden nicht, wie ursprünglich geplant, noch in<br />

diesem Jahr im Bundestag verabschiedet. Grund<br />

für die zeitliche Verzögerung der Verabschiedung<br />

ist die innerhalb der Koalition umstrittene Frage,<br />

welche der acht Branchen, die Interesse am Entsendegesetz<br />

angemeldet haben, aufgenommen<br />

werden sollen. Gegenüber den ursprünglichen<br />

Entwürfen des Bundesarbeitsministers sind zwar<br />

zwischenzeitlich einige wichtige Änderungen vorgenommen<br />

worden. Aber immer noch enthalten<br />

die Gesetze eine Ermächtigung, unter bestimmten<br />

Bedingungen Tarifverträge außer Kraft zu setzen.<br />

Diese möglichen Eingriffe in die Tarifautonomie<br />

sind gefährlich. Gesetzliche Mindestlöhne beinhalten<br />

immer die Gefahr, dass der Einstieg in Arbeit<br />

für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose<br />

unmöglich gemacht wird.<br />

unserer freiheitlichen und sozialen Ordnung darzustellen<br />

und zu vermitteln. Wir stehen am Beginn<br />

einer neuen Debatte über unser Wirtschafts- und<br />

Gesellschaftssystem. Die BDA tritt für eine Kultur<br />

der unternehmerischen Nachhaltigkeit ein, wie sie<br />

von den meisten Unternehmen in Deutschland mit<br />

hoher Verantwortung gelebt wird. Und wir drängen<br />

darauf, dass auch die Politik sich wieder auf<br />

langfristige und zukunftsorientierte Strategien besinnt.<br />

Die BDA hat nachhaltige Konzepte in allen<br />

Bereichen der Sozialpolitik vorgelegt. Wir werden<br />

uns den grundlegenden Orientierungsfragen stellen<br />

und für unsere Konzepte offensiv werben.<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Hauptgeschäftsführer der BDA<br />

Berlin, Dezember <strong>2008</strong><br />

Das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft<br />

ist in den letzten Monaten rapide gesunken. Unsere<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist jedoch<br />

zwingend auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit<br />

angewiesen, weil sie überzeugend sein muss für<br />

die Menschen, die sie tragen und prägen. Alle<br />

Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />

sind deshalb aufgerufen, die Attraktivität<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Vorwort


Agenda 2010 wirkt –<br />

Reformen fortsetzen<br />

Der Aufschwung am Arbeitsmarkt hat als Folge der<br />

konjunkturellen Eintrübung <strong>2008</strong> nachgelassen.<br />

Die Signale verdichten sich, dass er im nächsten<br />

Jahr auslaufen wird. Wenn der Arbeitsmarkt von<br />

globaler Wirtschaftsentwicklung und Finanzmarktkrise<br />

auch nicht abgekoppelt werden kann, so hat<br />

doch gerade der letzte Wirtschaftsaufschwung<br />

bewiesen, dass Strukturreformen zu mehr Beschäftigung<br />

führen. Deshalb kommt es jetzt darauf<br />

an, durch eine konsequente Fortsetzung der<br />

Strukturreformen Impulse gegen einen stärkeren<br />

Abschwung zu setzen und die Startrampe für den<br />

nächsten Aufschwung auszubauen.<br />

Die Reformen der Agenda 2010 waren nicht<br />

nur notwendig, sie haben auch gewirkt: mit mehr<br />

Arbeitsplätzen, weniger Arbeitslosen und mehr<br />

Chancen für alle. Eine derartig positive Wirkung<br />

hatte am Arbeitsmarkt noch kein Aufschwung seit<br />

den 1970er Jahren. Die Zahl der Erwerbstätigen<br />

überschritt <strong>2008</strong> zum ersten Mal nach der Wiedervereinigung<br />

im Jahresdurchschnitt die 40-Millionen-Marke.<br />

Die Arbeitslosigkeit sank insgesamt<br />

auf den niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Erstmals<br />

ist es in diesem Konjunkturaufschwung gelungen,<br />

auch die vor allem aus Langzeitarbeitslosen bestehende<br />

Sockelarbeitslosigkeit zu reduzieren.<br />

Diese Erfolge am Arbeitsmarkt sind nicht nur<br />

wichtig, weil Arbeit der beste Schlüssel gegen Armut<br />

und für mehr Wohlstand ist. Sie beweisen vor<br />

allem: Die Strategie des Förderns und Forderns<br />

mit mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt ist ohne Alternative<br />

und muss von der Politik dringend fortgesetzt<br />

werden. Nur so kann<br />

die immer noch viel zu hohe Arbeitslosigkeit<br />

weiter abgebaut,<br />

die im internationalen Vergleich weiter enorm<br />

hohe Langzeitarbeitslosigkeit spürbar reduziert<br />

und<br />

mittelfristig auch das in der Politik zu Recht<br />

wieder anerkannte und verfolgte Ziel der Vollbeschäftigung<br />

erreicht werden.<br />

Ein zentraler Hebel für mehr Wachstum und<br />

Beschäftigung ist und bleibt die Senkung der in<br />

Deutschland viel zu hohen gesetzlichen Lohnzusatzkosten.<br />

Umso bemerkenswerter und wichtiger<br />

ist die Erfolgsstory in der Arbeitslosenversicherung.<br />

Hier wird der Beitrag von noch 6,5 % im<br />

Jahr 2006 und 3,3 % in diesem Jahr nächstes Jahr<br />

zunächst auf 2,8 % gesenkt. Der Beitragssatz zur<br />

Arbeitslosenversicherung liegt damit 2009 wieder<br />

unter dem Niveau von 1976. Derartige Entlastungen<br />

bei den gesetzlichen Lohnzusatzkosten<br />

sind das beste Konjunkturprogramm überhaupt.<br />

Die Entlastung der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung<br />

wird so von 2007 bis 2010 rund<br />

84 Mrd. € betragen.<br />

Es war stets die BDA, die immer als Erste mit<br />

ihrem Präsidenten an der Spitze die nächste möglich<br />

gewordene Beitragssenkung eingefordert und<br />

ihre seriöse Umsetzbarkeit dargelegt hat. Leider<br />

ist die Entlastung in der Arbeitslosenversicherung<br />

aber durch Beitragssteigerungen in allen anderen<br />

Sozialversicherungszweigen zum größten Teil<br />

wieder zunichtegemacht worden. Umso wichtiger<br />

bleibt es, in der Arbeitslosenversicherung das gesamte<br />

Beitragssenkungspotenzial auszuschöpfen.<br />

Eine Senkung des Beitrags auf unter 2,5 %<br />

wäre hier sofort möglich, wenn die Politik die verfassungswidrige<br />

Belastung der Beitragszahler mit<br />

dem sog. Eingliederungsbeitrag beendet. Hiermit<br />

werden allein in diesem Jahr 5 Mrd. € der Beiträge<br />

zur Arbeitslosenversicherung für eine Mitfinanzierung<br />

der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II<br />

missbraucht. Da die Politik sich bisher nicht durchringen<br />

konnte, diesen inakzeptablen Zustand zu<br />

beenden, muss jetzt das Bundesverfassungsgericht<br />

entscheiden. Hier wurden mehrere Verfassungsbeschwerden<br />

von Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />

mit Unterstützung der BDA eingelegt.<br />

Vereitelt werden konnten Bestrebungen des<br />

Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS), sich selbst als „Obersteuermann“ der<br />

Bundesagentur für Arbeit (BA) zu etablieren, um so<br />

die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit<br />

der Arbeitslosenversicherung auszuhebeln. Entsprechende<br />

Pläne des BMAS waren im Zuge des<br />

„Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrumente“ offenbar geworden. Der<br />

entschiedene Einsatz der BDA hat bewirkt, dass<br />

10 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung


eine kontraproduktive Ausweitung des Einflusses<br />

des BMAS auf die Arbeitslosenversicherung, die<br />

inzwischen erfolgreich im Sinne von Arbeitslosen,<br />

Gesamtwirtschaft und Beitragszahlern operiert,<br />

verhindert werden konnte.<br />

Die Bestrebungen des BMAS, seinen Einflussbereich<br />

auszubauen, erscheinen umso widersinniger,<br />

als die größten Probleme am deutschen<br />

Arbeitsmarkt im Bereich der staatlichen Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II fortbestehen. Auch<br />

hier will sich das BMAS bei der Neuorganisation<br />

der Arbeitslosengeld-II-Verwaltung eine eigene<br />

Dominanz sichern und hat hierzu „Zentren für Arbeit<br />

und Grundsicherung“ aus Arbeitsagenturen<br />

und Kommunen vorgeschlagen. Letztlich würde<br />

damit aber die kontraproduktive Mischverwaltung<br />

der jetzigen verfassungswidrigen Arbeitsgemeinschaften<br />

fortgesetzt. Es ist mehr als zweifelhaft,<br />

ob damit die dringend notwendige Aktivierung der<br />

Langzeitarbeitslosen durch ein konzentriertes Fordern<br />

und Fördern geleistet werden kann. Kommunen,<br />

die in einem Mega-Bundessozialamt lediglich<br />

Zulieferer für die Arbeitsagenturen sind, erhalten<br />

keine ausreichenden Anreize für die unerlässliche<br />

Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Ohne die<br />

zielgerichtete Entfaltung der kommunalen Netzwerke<br />

ist bei der Langzeitarbeitslosigkeit aber kein<br />

Durchbruch zu erreichen. Deshalb haben sich die<br />

Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft BDA,<br />

BDI, DIHK und ZDH für eine kommunale Lösung<br />

ausgesprochen. Die BDA hat dazu dargelegt, wie<br />

diese mit ausreichender Transparenz und einer<br />

Steuerung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit<br />

verbunden werden kann, so dass die Erfolge in<br />

der Arbeitslosenversicherung auch in der Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II erreicht werden<br />

können.<br />

Wenn der im internationalen Vergleich viel<br />

zu hohe Anteil der Langzeitarbeitslosen drastisch<br />

reduziert werden soll, dann darf auch der Niedriglohnbereich<br />

nicht verteufelt werden. Da die Hälfte<br />

der Langzeitarbeitslosen nur gering qualifiziert<br />

ist, besitzen viele von ihnen nur die Chance, mit<br />

einfachen Arbeiten wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.<br />

Dieses Kalkül ist in den letzten Jahren<br />

erfolgreich aufgegangen. Hier haben viele aus<br />

der Langzeitarbeitslosigkeit neue Chancen zum<br />

Ein- und Aufstieg erhalten. Auf keinen Fall dürfen<br />

diese Menschen durch marktwidrige gesetzliche<br />

Mindestlöhne vom Arbeitsmarkt dauerhaft ausgesperrt<br />

werden.<br />

Warnsignale vom<br />

Arbeitsmarkt ernst nehmen<br />

Der Arbeitsmarkt hat sich <strong>2008</strong> insgesamt noch<br />

weiterhin positiv entwickelt. Die Unternehmen<br />

haben auch in diesem Jahr kräftig eingestellt<br />

und viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Erstmals<br />

in der Geschichte der Bundesrepublik waren<br />

im Jahresschnitt mehr als 40 Mio. Menschen in<br />

Deutschland erwerbstätig. Die Zahl der registrierten<br />

Arbeitslosen sank im Oktober erstmals seit<br />

16 Jahren wieder unter die Drei-Millionen-Marke.<br />

Die nach wie vor positive Entwicklung darf<br />

jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich<br />

die Signale verdichten, dass der Aufschwung am<br />

Arbeitsmarkt ausläuft. Viele Unternehmen verzeichneten<br />

in der zweiten Jahreshälfte <strong>2008</strong> zum<br />

Teil stark sinkende Auftragseingänge. Obgleich<br />

der Arbeitsmarkt mit Verzögerung auf Veränderungen<br />

bei der Auftragslage reagiert, hat der Abbau<br />

der Arbeitslosigkeit bereits im Jahresverlauf<br />

spürbar an Schwung verloren und verlief insgesamt<br />

nicht mehr so dynamisch wie im letzten Jahr:<br />

Während die Zahl der Arbeitslosen im Februar<br />

noch um 630.000 unter dem Niveau von 2007 lag,<br />

schrumpfte der Vorjahresabstand bis November<br />

auf weniger als 400.000 zusammen. Zwischen<br />

2005 und <strong>2008</strong> sind rund 1,3 Mio. neue sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsplätze aufgebaut<br />

worden. Trotzdem wurde der Höchststand an Beschäftigung<br />

aus dem Jahr 2000 im Schnitt noch<br />

um 370.000 unterschritten. Das heißt, der Verlust<br />

von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung<br />

nach 2000 ist immer noch nicht wettgemacht.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung 11


Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Aufschwung<br />

Anzahl sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

28.000.000<br />

27.800.000<br />

27.825.624 27.817.114<br />

27.600.000<br />

27.400.000<br />

27.482.584<br />

27.571.147<br />

27.451.900<br />

27.200.000<br />

27.207.804<br />

27.000.000<br />

26.800.000<br />

26.954.686<br />

26.854.566<br />

26.600.000<br />

26.400.000<br />

26.523.982<br />

26.354.336<br />

26.200.000<br />

26.000.000<br />

26.178.266<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 <strong>2008</strong><br />

Jahr<br />

Stichtag jeweils 30. Juni<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Darstellung: BDA<br />

12 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung


Auch im Jahr <strong>2008</strong> ist der Abbau der Arbeitslosigkeit<br />

bei geringer Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen,<br />

die die staatliche Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II beziehen, erneut zu langsam<br />

vorangekommen. Diese stellten im November <strong>2008</strong><br />

fast 70 % aller Arbeitslosen. Immerhin gab es hier<br />

aber erste Fortschritte: Die Zahl der arbeitslosen<br />

Hartz-IV-Empfänger lag im November um 12 % unter<br />

dem Niveau des Vorjahres. Dies ist jedoch weniger<br />

ein Erfolg der noch immer nicht hinreichend<br />

funktionierenden Aktivierung und Vermittlung durch<br />

die zuständigen Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen.<br />

Es ist vielmehr eher darauf zurückzuführen,<br />

dass im Aufschwung mehr Beschäftigungsperspektiven<br />

auch im Bereich einfacher<br />

Arbeit entstanden sind. Umso unverständlicher<br />

ist, dass im Zuge der kontraproduktiven Mindestlohndebatte<br />

die Diskussion über die Entlohnung<br />

einfacher Tätigkeiten an Schärfe zugenommen hat.<br />

Jahrelang bestand in weiten Teilen von Politik und<br />

Wissenschaft Konsens darüber, dass Deutschland<br />

einen funktionierenden Niedriglohnbereich braucht,<br />

um Beschäftigungspotenziale im Bereich einfacher<br />

Arbeit zu erschließen und gerade auch gering qualifizierten<br />

Menschen Chancen zur Arbeit zu geben.<br />

Aber auch über den Niedriglohnbereich hinaus<br />

sind <strong>2008</strong> insgesamt die Stimmen lauter geworden,<br />

den Arbeitsmarkt wieder stärker zu regulieren<br />

– und das, obwohl angesichts sich eintrübender<br />

Konjunkturaussichten das Gegenteil richtig und<br />

wichtig wäre: Schließlich haben gerade auch die<br />

mit der Agenda 2010 angestoßenen Reformen, mit<br />

denen auch flexible Beschäftigungsformen wie die<br />

Zeitarbeit teilweise von staatlicher Überregulierung<br />

befreit wurden, den anhaltenden Aufschwung am<br />

Arbeitsmarkt überhaupt erst mit möglich gemacht.<br />

Es wäre daher fatal, die gerade jetzt dringend benötigten<br />

Spielräume für eine flexible Anpassung an<br />

die schwankende Auftrags- und Wirtschaftslage<br />

durch eine Re-Regulierung wichtiger Instrumente<br />

wie der Zeitarbeit wieder zu vernichten.<br />

Vielmehr ist eine konsequente Fortsetzung<br />

des Reformkurses ohne Alternative: Jedem muss<br />

klar sein, dass sich der Arbeitsmarkt nicht von<br />

der schlechter werdenden gesamtwirtschaftlichen<br />

Entwicklung abkoppeln kann. Zwar sind verlässliche<br />

Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung<br />

2009 schwierig, die Tendenz ist gegen Jahresende<br />

aber eindeutig: Alle wichtigen Forschungsinstitute<br />

haben ihre Prognosen nach unten korrigiert. Die<br />

führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in<br />

ihrem Mitte Oktober vorgelegten Herbstgutachten<br />

davon aus, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit im<br />

nächsten Jahr zum Erliegen kommt und die Arbeitslosenzahl<br />

im Jahresdurchschnitt 2009 auf dem<br />

Niveau von <strong>2008</strong> stagniert. Aufgrund des niedrigen<br />

Niveaus der Arbeitslosigkeit Ende <strong>2008</strong> bedeutet<br />

aber selbst eine im Schnitt unveränderte Arbeitslosenzahl<br />

eine im Jahresverlauf 2009 spürbar ansteigende<br />

Arbeitslosigkeit.<br />

Es ist bedauerlich, dass die Politik den bis Mitte<br />

<strong>2008</strong> anhaltenden konjunkturellen Rückenwind<br />

nicht genutzt hat, um wichtige Reformprojekte auf<br />

den Weg zu bringen. Umso wichtiger ist es, dass<br />

sie sich den drängenden Herausforderungen jetzt<br />

stellt.<br />

BDA erfolgreich beim Beitragssatz<br />

Noch bis 2006 stand der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung<br />

über viele Jahre bei 6,5 %. Erfreulicherweise<br />

wird der Beitragssatz jetzt ab 2009<br />

erneut und damit im dritten Jahr in Folge kräftig<br />

abgesenkt: Bis Mitte 2010 erfolgt eine Absenkung<br />

auf 2,8 %, danach wird der Beitragssatz mit 3,0 %<br />

fortgesetzt. Für die Beitragszahler bedeutet dies<br />

von 2007 bis 2010 in der Arbeitslosenversicherung<br />

eine Entlastung um insgesamt rund 84 Mrd. €. Die<br />

erneute und von der BDA frühzeitig geforderte<br />

Absenkung des Beitragssatzes ist auch dringend<br />

notwendig, um wenigstens zum Teil die Erhöhung<br />

der Lohnzusatzkosten durch steigende Krankenversicherungsbeiträge<br />

zu kompensieren. Die Senkung<br />

des Beitrags könnte aber noch erheblich<br />

stärker ausfallen, wenn die Politik endlich auf die<br />

verfassungswidrige Belastung der Beitragszahler<br />

mit dem Eingliederungsbeitrag verzichten würde.<br />

5 Mrd. € oder fast ein Fünftel der Beitragseinnahmen<br />

der BA werden derzeit für die Finanzierung<br />

von Aufgaben im Fürsorgebereich Arbeitslosengeld<br />

II zweckentfremdet. Ohne den Eingliederungsbeitrag<br />

könnte der Beitragssatz auf unter 2,5 %<br />

gesenkt werden.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung 13


Ein funktionierender Niedriglohnbereich<br />

bietet Chancen auf Einstieg in Arbeit<br />

In den vergangenen Monaten ist in der öffentlichen<br />

Debatte die Entwicklung des Niedriglohnsektors<br />

kritisiert und der unrichtige Eindruck erweckt worden,<br />

dass immer mehr Menschen in Deutschland<br />

nicht von ihrer Arbeit leben könnten. Dabei ist<br />

Arbeit nach wie vor der beste Schutz vor Armut.<br />

Für viele Arbeitslose, vor allem gering Qualifizierte<br />

und Langzeitarbeitslose, bietet überhaupt nur eine<br />

Tätigkeit im Niedriglohnbereich die Chance auf<br />

Einstieg in Beschäftigung.<br />

Außerdem ist es falsch und irreführend, Arbeit im<br />

Niedriglohnbereich mit Armut gleichzusetzen. Ein<br />

Vollzeitbeschäftigter gilt bereits bei einem Monatslohn<br />

von weniger als rund 1.700 € als Geringverdiener<br />

(Zahlen für 2006, Westdeutschland, WSI-<br />

Mitteilungen 8/<strong>2008</strong>). Dies folgt allein aus einer<br />

abstrakten Definition, die jeden Lohn als Niedriglohn<br />

abstempelt, der weniger als 67 % des sog. Medianlohns<br />

(eines gewichteten Durchschnittslohns)<br />

beträgt. Dabei bleiben bei einem Alleinstehenden<br />

von einem 1.700-€-Bruttolohn netto ca. 1.140 €<br />

übrig. Im Vergleich dazu liegt das Einkommen, das<br />

die Bundesregierung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht<br />

als Grenze zur Armutsgefährdung<br />

mit 781 € definiert, fast ein Drittel niedriger. Dass<br />

Erwerbstätigkeit das beste Mittel gegen Armut ist,<br />

wird durch aktuelle Zahlen eindeutig bestätigt. Im<br />

Zuge des aktuellen Beschäftigungsaufbaus ging<br />

auch die Armutsrisikoquote von 18 % im Jahr 2006<br />

auf 16,5 % im Jahr 2007 zurück. Damit ist die Zahl<br />

der vom Armutsrisiko betroffenen Menschen um<br />

über 1 Mio. zurückgegangen (DIW-Wochenbericht<br />

38/<strong>2008</strong>). Hiervon profitieren erfreulicherweise<br />

gerade auch gering Qualifizierte, die verstärkt in<br />

Beschäftigung gekommen sind.<br />

Statt über Mindestlöhne den Arbeitsmarkt gerade<br />

auch für gering Qualifizierte wieder zuzuriegeln,<br />

müssen vielmehr weitere Beschäftigungspotenziale<br />

im Niedriglohnbereich erschlossen werden.<br />

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund eines<br />

auslaufenden Aufschwungs am Arbeitsmarkt. Nur<br />

so kann verhindert werden, dass sich gerade für<br />

geringer Qualifizierte die Chancen auf Integration<br />

in den Arbeitsmarkt wieder verschlechtern.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema die argumente<br />

„Niedriglohnbereich: Sprungbrett in Beschäftigung“<br />

veröffentlicht.<br />

14 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung


Beitrag zur Arbeitslosenversicherung<br />

sinkt auf das Niveau Ende der 1970er Jahre<br />

Prozent<br />

8<br />

7<br />

6,8<br />

6,3<br />

6,5<br />

6<br />

5<br />

4<br />

4,0<br />

4,6<br />

4,1<br />

4,0<br />

4,3<br />

4,2<br />

3,3<br />

3<br />

3,0<br />

2,8<br />

3,0<br />

2<br />

1,3<br />

1,7<br />

2,0<br />

1<br />

0<br />

1969<br />

bis<br />

1971<br />

1972<br />

bis<br />

1974<br />

1975 1976<br />

bis<br />

1981<br />

1982 1983 1985 1986 1987 1991 1992 1994 2007 <strong>2008</strong> 2009 ab<br />

bis<br />

bis<br />

bis bis<br />

Mitte<br />

1984<br />

1990<br />

1993 2006<br />

2010<br />

Jahr<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung 15


Die Politik hat leider auch in diesem Jahr<br />

nicht der Versuchung widerstehen können, zur<br />

Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben<br />

und politischer Geschenke noch tiefer in die derzeit<br />

gut gefüllte Kasse der Arbeitslosenversicherung<br />

zu greifen. Dies betrifft insbesondere:<br />

die neue und in weiten Teilen überflüssige Subventionierung<br />

von Ausbildungsplätzen durch<br />

den viel zu weit gefassten Ausbildungsbonus<br />

den von der Koalition beschlossenen Rechtsanspruch<br />

zur Finanzierung von Kursen zum<br />

Nachholen des Hauptschulabschlusses, dessen<br />

Finanzierung in dreistelliger Millionenhöhe<br />

nicht Sache der Arbeitslosenversicherung,<br />

sondern der Schulpolitik ist<br />

Mehrbelastungen infolge der nach kopflosem<br />

Hin und Her jetzt wieder gestrichenen Beiträge<br />

des Bundes für Kindererziehungszeiten<br />

in der Arbeitslosenversicherung in Höhe von<br />

rund 300 Mio. € pro Jahr<br />

die arbeitsmarktpolitisch völlig verfehlte, erneute<br />

Verlängerung des Arbeitslosengeldanspruchs<br />

auf bis zu 24 Monate für Ältere,<br />

die allein zu einer Mehrbelastung von bis zu<br />

1 Mrd. € jährlich führt<br />

Statt neue und arbeitsmarktpolitisch zum Teil<br />

sogar regelrecht kontraproduktiv wirkende Belastungen<br />

für die Arbeitslosenversicherung zu schaffen,<br />

muss die Politik zu einem konsequenten Reformkurs<br />

zurückfinden.<br />

Eingliederungsbeitrag:<br />

Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht<br />

entscheiden<br />

Mit dem <strong>2008</strong> eingeführten sog. Eingliederungsbeitrag<br />

greift der Bund den Beitragszahlern zur Finanzierung<br />

von Leistungen beim Arbeitslosengeld II<br />

noch stärker in die Tasche, als dies seit 2005 mit<br />

dem sog. Aussteuerungsbetrag schon der Fall war.<br />

Jetzt werden 5 Mrd. € jährlich und damit derzeit<br />

rund ein Fünftel aller Beitragseinnahmen zweckentfremdet<br />

mit dem Ziel, den Bundeshaushalt zu<br />

entlasten. Nachdem alle Gespräche auf politischer<br />

Ebene zur Beseitigung der verfassungswidrigen<br />

Belastungen gescheitert waren, musste juristisch<br />

gehandelt werden.<br />

Mehrere Unternehmen haben mit Unterstützung<br />

der BDA Verfassungsbeschwerden vor dem<br />

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhoben.<br />

Über die Annahme der Verfassungsbeschwerden<br />

hat das Gericht noch nicht entschieden, jedoch<br />

bereits allen Beteiligten einschließlich Bundesregierung,<br />

Bundestag, Bundesrat, Bundesländern,<br />

BA sowie DGB und BDA Gelegenheit zur Stellungnahme<br />

gegeben. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht<br />

auch das von BDA und DGB<br />

beauftragte Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit<br />

der Vorgängerregelung des Aussteuerungsbetrags<br />

angefordert. Parallel zu den Verfassungsbeschwerden<br />

unterstützt die BDA mehrere<br />

Verfahren mit dem Ziel, ein Sozialgericht zu veranlassen,<br />

die Frage der Verfassungsmäßigkeit des<br />

Eingliederungsbeitrags dem Bundesverfassungsgericht<br />

vorzulegen.<br />

Auch in der Politik werden kaum noch Zweifel<br />

daran geäußert, dass am Ende dieser Verfahren<br />

die Verfassungswidrigkeit der Zweckentfremdung<br />

von Beitragsmitteln festgestellt werden wird. Allerdings<br />

spielt die Politik anscheinend auf Zeit und<br />

versucht Gelder abzuzweigen, solange die Arbeitslosenversicherungskasse<br />

noch gut gefüllt ist.<br />

Arbeitslosenversicherung<br />

klagt gegen neue versicherungsfremde<br />

Lasten<br />

Mit einer einfachen Änderung seiner Rechtsansicht<br />

versucht das BMAS der Arbeitslosenversicherung<br />

Rentenversicherungsbeiträge für Beschäftigte in<br />

Werkstätten für behinderte Menschen aufzulasten.<br />

Auf Kosten der Beitragszahler würde damit<br />

der Bund um jährlich 120 Mio. € entlastet. Es geht<br />

dabei um einen sozialpolitisch motivierten Aufstockungsbetrag<br />

auf 80 % des Durchschnittseinkommens<br />

in der Rentenversicherung, den Beschäftigte<br />

in Werkstätten seit 1975 auch dann erhalten, wenn<br />

sie tatsächlich ein geringeres oder überhaupt kein<br />

Arbeitsentgelt erzielen. Über 30 Jahre war unbestritten,<br />

dass der Bund zu Recht die Kosten für<br />

diejenigen Rentenversicherungsbeiträge zahlt,<br />

die nicht auf einer eigenen Arbeitsleistung der<br />

behinderten Menschen beruhen. Hiervon will das<br />

16 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung


BMAS sich jetzt unter Berufung auf den Wortlaut<br />

der Erstattungsvorschrift aus dem Jahre 1992 (!)<br />

lösen, obwohl nach der Gesetzesbegründung die<br />

bis dahin bestehenden Erstattungsregeln inhaltlich<br />

ausdrücklich unverändert übernommen werden<br />

sollten. Dabei stammen sowohl der frühere<br />

Gesetzeswortlaut als auch die aktuelle Gesetzesbegründung<br />

aus der Feder des Arbeitsministeriums<br />

selbst. Es kann nicht sein, dass das BMAS<br />

den Willen des Gesetzgebers nachträglich nach<br />

eigenem Gutdünken interpretiert. Die BDA hat<br />

diese Widersprüchlichkeit und unhaltbare juristische<br />

Argumentation des BMAS aufgedeckt. Auf<br />

Beschluss des Verwaltungsrats hat die BA Klage<br />

gegen das BMAS mit dem Ziel erhoben, die<br />

Rechtswidrigkeit des Vorgehens festzustellen und<br />

die Belastung der Beitragszahler abzuwehren.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Arbeitslosenversicherung“ veröffentlicht.<br />

Rückfall in ausgabenorientierte<br />

Arbeitsmarktpolitik verhindert<br />

Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz<br />

zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrumente sollte das Versprechen der Koalition<br />

eingelöst werden, unwirksame Förderinstrumente<br />

abzuschaffen und insgesamt die Vielzahl der Förderinstrumente<br />

spürbar zu verringern. Stattdessen<br />

versuchte das federführende BMAS mit dem zunächst<br />

vorgelegten Gesetzentwurf vor allem in die<br />

erfolgreiche BA-Steuerung einzugreifen und diese<br />

mit eigenen Zielvorgaben zu versehen. Hierzu<br />

hatte das BMAS sich selbst an Stelle der Bundesregierung<br />

zum Vertragspartner von Zielvereinbarungen<br />

mit der BA im Gesetzentwurf vorgesehen.<br />

Das BMAS hätte sich damit faktisch zum „Obersteuermann“<br />

in der bisher eigenständigen Arbeitslosenversicherung<br />

berufen. Die erfolgreiche<br />

jetzige Steuerung der Arbeitsförderung nach Wirkung<br />

und Wirtschaftlichkeit wäre durch ministerialbürokratische<br />

Plan- und Zielvorgaben für das<br />

operative Geschäft weit weg vom Marktgeschehen<br />

ausgehebelt worden. Mit negativen Folgen<br />

für den Arbeitsmarkt: Von der Ministerialbürokratie<br />

nach Belieben gesetzte neue Nebenziele bergen<br />

die Gefahr, dass die BA von ihrer Kernaufgabe abgelenkt<br />

wird, Menschen zu helfen, so schnell wie<br />

möglich wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufinden.<br />

Damit hätten bei einer Umsetzung der Pläne<br />

des BMAS ein Rückfall in die alte ausgabenorientierte<br />

Arbeitsmarktpolitik und eine neue Milliardenverschwendung<br />

von Beitragsgeldern gedroht.<br />

Durch den entschiedenen Einsatz der BDA konnte<br />

erreicht werden, dass es in dem vom Bundestag<br />

letztlich beschlossenen Gesetz doch bei der Bundesregierung<br />

als Partner von Zielvereinbarungen<br />

mit der BA geblieben ist.<br />

Dieser erfreuliche Teilerfolg ändert jedoch<br />

leider nichts daran, dass die eigentlich mit dem<br />

Gesetz verfolgte Zielsetzung einer nachhaltigen<br />

Vereinfachung des Instrumentenkastens für einen<br />

effektiveren Instrumenteneinsatz durch die<br />

Arbeitsvermittler vor Ort weitgehend verfehlt wird.<br />

Fast durchgehend hält das Gesetz am Prinzip der<br />

Einzelregelung fest. Selbst bei dem richtigen Ansatz<br />

eines Vermittlungsbudgets für unterstützende<br />

Leistungen zur Beschäftigungsaufnahme hat das<br />

BMAS im Gegenzug sich noch selbst eine Verordnungsermächtigung<br />

zur Regelung kleinster Details<br />

ins Gesetz geschrieben.<br />

Arbeitslosengeld II:<br />

Erfolglose Mischverwaltung<br />

soll fortgesetzt werden<br />

Vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht<br />

die derzeitige Mischverwaltung der Arbeitsgemeinschaften<br />

aus Arbeitsagenturen und Kommunen<br />

für Arbeitslosengeld II für verfassungswidrig erklärt.<br />

Angesichts unüberbrückbarer Meinungsgegensätze<br />

zwischen Vertretern einer kommunalen<br />

und einer BA-Lösung haben sich Bund und Länder<br />

darauf verständigt, die bestehende Mischverwaltung<br />

mit einer geteilten Leistungsträgerschaft<br />

verfassungsrechtlich abzusichern. Dies trotz der<br />

Erkenntnis, dass gerade auch angesichts der<br />

massiven Aktivierungsprobleme Langzeitarbeitsloser<br />

eine „Leistung aus einer Hand“ dringend<br />

notwendig ist. Schnell klar wurde immerhin, dass<br />

der erste Schnellschuss des BMAS vom Februar<br />

<strong>2008</strong> für sog. „Kooperative Jobcenter“ von Anfang<br />

an rechtlich Unmögliches und politisch Abzulehnendes<br />

anstrebte. Ohne Verfassungs- und sogar<br />

ohne Gesetzesänderung sollten die Kommunen<br />

unter dem Dach der Arbeitsagenturen ihre Leistungen<br />

erbringen, was direkt auf ein Mega-Bundessozialamt<br />

hinausgelaufen wäre. Auch an den<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung 17


vom BMAS jetzt vorgeschlagenen „Zentren für<br />

Arbeit und Grundsicherung“ (ZAG) werden jedoch<br />

die bestehenden Probleme der Mischverwaltung<br />

fortgesetzt. Zwar wird unter dem Dach des ZAG<br />

optisch der Eindruck der „Leistung aus einer<br />

Hand“ erweckt. Tatsächlich besteht aber einerseits<br />

ein Letztentscheidungsrecht jedes Trägers<br />

über die von ihm zu erbringenden Leistungen.<br />

Andererseits müssen die arbeitsförderungsrechtlichen<br />

Instrumente der Arbeitsagenturen und die<br />

sozialintegrativen Leistungen der Kommunen optimal<br />

zusammenwirken, damit der Hilfebedürftige<br />

eine ganzheitliche Leistung und nicht zwei unzureichende<br />

und somit nicht zielführende Teilleistungen<br />

erhält. Dabei kann ein Träger sich jeweils<br />

unter Verweis auf unzureichende Leistungen des<br />

anderen Trägers seiner Verantwortung entziehen.<br />

Deshalb ist mehr als zweifelhaft, ob mit dem neuen<br />

Vorschlag für ZAG die bisherigen Aktivierungsdefizite<br />

im SGB II überwunden werden können.<br />

Weil keiner der beiden Leistungsträger alleine für<br />

die angestrebte Gesamtleistung garantieren kann,<br />

bestehen auch die verfassungsrechtlichen Bedenken<br />

einer unklaren Verantwortungszuordnung fort.<br />

Wo der Bürger keine klare Verantwortung politisch<br />

einfordern kann, droht weiterhin ein Verstoß gegen<br />

das Demokratieprinzip.<br />

Das Modell der ZAG ist nicht nur ungeeignet,<br />

die dringend notwendige Arbeitsfähigkeit der Arbeitslosengeld-II-Organisation<br />

herzustellen. Darüber<br />

hinaus versucht das BMAS weiterhin, sich<br />

selbst eine möglichst weitgehende Steuerungsmacht<br />

zu sichern. Da die Arbeitsagenturen die<br />

Federführung für die Arbeitsmarktintegration besitzen,<br />

werden die Kommunen faktisch in die Rolle<br />

eines Zulieferers gedrängt, der mit seinen sozialintegrativen<br />

Instrumenten lediglich unterstützende<br />

Funktion hat. Das ohnehin schon vorhandene<br />

Übergewicht würde noch durch die Rechts- und<br />

Fachaufsicht über die Trägerversammlung verstärkt.<br />

Auch vor den Optionskommunen machen<br />

die Steuerungsbestrebungen des BMAS nicht halt.<br />

Der Bund soll ein „inhaltliches, verfassungsrechtliches<br />

Prüfungsrecht“ sowie die „Aufsicht“ über die<br />

Optionskommunen erhalten, deren Zahl entgegen<br />

der Vorstellung vieler Länder auf die bestehenden<br />

69 festgeschrieben werden soll.<br />

Vorzuziehen bleibt deshalb weiterhin die von<br />

den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft<br />

empfohlene einheitliche Leistungsträgerschaft durch<br />

die Kommunen. Hierzu müssen vollständige Transparenz<br />

über Kosten und Wirkungen von Maßnahmen<br />

sowie ein finanzielles Eigeninteresse der<br />

Kommunen hergestellt werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Arbeitslosengeld II“ veröffentlicht.<br />

Zuwanderung – Deutschland<br />

verschenkt Wachstumspotenziale<br />

Angesichts des demografischen Wandels und in<br />

vielen Bereichen zum Teil massiven Fachkräftemangels<br />

ist eine stärkere Öffnung des deutschen<br />

Arbeitsmarktes für qualifizierte Zuwanderer<br />

dringend notwendig. Mit den Änderungen im<br />

Zuwanderungsrecht durch das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz<br />

und das Aktionsprogramm der<br />

Bundesregierung „Beitrag der Arbeitsmigration zur<br />

Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland“ sollen<br />

dazu einige weitere Schritte umgesetzt werden.<br />

Zu begrüßen sind insbesondere die geplante<br />

Absenkung der Gehaltsgrenze für Hochqualifizierte<br />

von derzeit 86.400 € auf 63.600 € und<br />

die vollständige Öffnung des Arbeitsmarktes für<br />

Akademiker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten.<br />

Allerdings bleiben die geplanten Änderungen leider<br />

noch deutlich hinter den Anforderungen des<br />

Arbeitsmarktes zurück. So ist die zukünftige Gehaltsgrenze,<br />

ab der Hochqualifizierte eine Niederlassungserlaubnis<br />

erhalten sollen, auch nach Ansicht<br />

des Bundesrats – der aus diesem Grund den<br />

Vermittlungsausschuss angerufen hat – immer<br />

noch zu hoch angesetzt. Besser wäre aus Sicht<br />

der BDA eine weitere Absenkung auf das Niveau<br />

der Niederlande (45.000 €).<br />

Es fehlt leider immer noch ein ganzheitlicher<br />

Ansatz bei der Zuwanderungssteuerung mit einem<br />

bedarfs- und qualifikationsorientierten Punktesystem,<br />

wie es die BDA seit langem fordert. In<br />

Ländern, die ihre Zuwanderung über ein an Qualifikationen<br />

ausgerichtetes Punktesystem steuern,<br />

liegt der Anteil der hochqualifizierten Zuwanderer<br />

zum Teil deutlich über der Hochqualifiziertenquote<br />

der im Inland geborenen Menschen.<br />

18 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung


BMAS-Vorschlag zur Arbeitslosengeld-II-Organisation<br />

Die BA soll wie bisher die Leistungen zum Lebensunterhalt<br />

sowie die Leistungen zur Eingliederung in<br />

den Arbeitsmarkt, die Kommunen die Leistungen<br />

für Unterkunft und Heizung sowie die sozialintegrativen<br />

Leistungen erbringen. Die Finanzierungsverteilung<br />

für die Leistungen nach dem<br />

SGB II bleibt im Grundsatz unverändert.<br />

Die „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ (ZAG)<br />

führen die Aufgaben für BA und Kommunen im eigenen<br />

Namen durch einheitliche Verwaltungsakte<br />

aus. Das ZAG ist gemeinsame Bundes- und Landesbehörde.<br />

Das bisherige Arbeitsgemeinschaftsmodell<br />

einer geteilten Leistungsträgerschaft wird<br />

so mit einer Grundgesetzänderung fortgeführt. Eine<br />

mit Vertretern der Kommunen und Arbeitsagenturen<br />

paritätisch besetzte Trägerversammlung entscheidet<br />

u. a. über organisatorische, personelle und<br />

personalvertretungsrechtliche Fragen des ZAG<br />

sowie das örtliche Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm<br />

und bestellt den Geschäftsführer. Rechtsund<br />

Fachaufsicht über die Trägerversammlung soll<br />

das BMAS erhalten.<br />

Kommunen und BA haben jeweils gegenüber<br />

dem ZAG das „Letztentscheidungsrecht“, d. h. die<br />

Rechts- und Fachaufsicht mit Weisungsrechten für<br />

die von ihnen zu erbringenden Leistungen im ZAG.<br />

BA und Kommunen sollen jedoch wiederum der<br />

Rechts- und Fachaufsicht jeweils des BMAS bzw.<br />

der zuständigen Landesbehörden unterstehen,<br />

die ihrerseits auch Weisungen erteilen können.<br />

De facto würden danach die Letztentscheidungsrechte<br />

beim BMAS und den entsprechenden Landesbehörden<br />

liegen.<br />

Nur die bestehenden 69 Optionskommunen sollen<br />

verfassungsrechtlich abgesichert werden. Der<br />

Bund erhält ein „inhaltliches, verfassungsrechtliches<br />

Prüfungsrecht“ sowie die „Aufsicht“, soweit<br />

die Optionskommune Bundesleistungen (Arbeitslosengeld<br />

II, Sozialgeld, Arbeitsförderung) erbringt.<br />

Das Personal der ZAG besteht aus Mitarbeitern<br />

der BA und der Kommunen. BA und Kommunen<br />

bleiben Dienstherren, weisen ihre Mitarbeiter aber<br />

(dauerhaft) den ZAG zu. Dennoch soll „faktisch“ ein<br />

einheitlicher Personalkörper geschaffen werden.<br />

Hierzu soll u. a. der Geschäftsführer dienst- und<br />

aufsichtsrechtliche Weisungsbefugnisse („Quasi-<br />

Dienstherreneigenschaft“) erhalten, solange nicht<br />

das Grundverhältnis berührt wird.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung 19


In Deutschland ist es umgekehrt: Die Zuwanderer<br />

sind im Durchschnitt schlechter qualifiziert<br />

als die hier geborenen Menschen. Deutschland<br />

verschenkt damit durch seine Zuwanderungspolitik<br />

Wachstumspotenziale. Denn von einer gesteuerten<br />

Zuwanderung Hochqualifizierter sind höhere<br />

Wachstumsraten, insgesamt mehr wirtschaftliche<br />

Dynamik und damit positive Beschäftigungseffekte<br />

für alle zu erwarten. Auch die Wirtschaftsministerkonferenz<br />

hat sich klar für die umgehende Einführung<br />

eines Punktesystems ausgesprochen. Der<br />

Bundesrat hat zumindest empfohlen, die Einführung<br />

eines Punktesystems zu prüfen.<br />

Zu zaghaft ist die Bundesregierung leider<br />

auch bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus<br />

den neuen EU-Mitgliedstaaten. Bis 2011 soll die<br />

Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber<br />

den 2004 der EU beigetretenen Staaten<br />

Mittel- und Osteuropas (EU-8) grundsätzlich fortgeschrieben<br />

und der Arbeitsmarkt nur für Akademiker<br />

aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geöffnet<br />

werden. Da ab 2011 für diese Staaten ohnehin<br />

eine unbegrenzte Freizügigkeit gelten wird, sollten<br />

jetzt die mit einer Öffnung des Arbeitsmarktes verbundenen<br />

Chancen gezielt genutzt werden. Die<br />

Erfahrungen anderer EU-Länder haben gezeigt,<br />

dass Ängste vor einer Öffnung des Arbeitsmarktes<br />

gegenüber diesen Staaten unbegründet sind.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Zuwanderung und Integration“ und den kompakt<br />

„Arbeitnehmerfreizügigkeit“ veröffentlicht.<br />

Noch nicht genügend erkannt hat die Politik<br />

den Nutzen für den deutschen Arbeitsmarkt, wenn<br />

international tätige deutsche Unternehmen Personal<br />

von ihren Standorten z. B. im Rahmen von kurzfristigen<br />

Projekten oder zur Weiterbildung flexibel<br />

und schnell in Deutschland einsetzen können. Für<br />

eine effiziente betriebliche Personalpolitik internationaler<br />

Unternehmen ist der flexible Einsatz ihrer<br />

Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Dies<br />

ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass der<br />

Standort Deutschland für global agierende Unternehmen<br />

attraktiv bleibt.<br />

Die BDA hat deshalb eine Initiative zur Erleichterung<br />

des internationalen Personalaustausches<br />

gestartet. Konkret sieht der Vorschlag vor – ähnlich<br />

dem US-amerikanischen Modell der „Blanket-Petition“<br />

–, das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.<br />

Eine erhebliche Verfahrensstraffung<br />

soll durch die Erteilung einer Vorabgenehmigung<br />

für die Beschäftigung aller im Rahmen des internationalen<br />

Personalaustausches beschäftigten ausländischen<br />

Mitarbeiter erreicht werden. Im Gegenzug<br />

muss das Unternehmen als „Bürge“ für seine<br />

Mitarbeiter eintreten und notfalls für Lebensunterhalt<br />

und Krankenversicherung während der Dauer<br />

des Aufenthaltes der ausländischen Arbeitnehmer<br />

und für gegebenenfalls anfallende Rückführungskosten<br />

aufkommen.<br />

20 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung


BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Beschäftigung 21


Sozialbeiträge:<br />

40 %-Ziel wegen falscher Weichenstellungen<br />

wieder verfehlt<br />

CDU/CSU und SPD werden ihr im Koalitionsvertrag<br />

vom 11. November 2005 vereinbartes Ziel,<br />

den Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 40 %<br />

zu senken, zum 1. Januar 2009 verfehlen. Im Vorjahresvergleich<br />

wird sich die Beitragsbelastung<br />

für Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Sozialversicherung<br />

von knapp 39,9 % auf über 40,2 %<br />

erhöhen. Dabei wäre vor dem Hintergrund der immer<br />

stärkeren Abschwächung der konjunkturellen<br />

Dynamik eine Ent- und keine Belastung der Betriebe<br />

und Beschäftigten ökonomisch sinnvoll und<br />

notwendig.<br />

Dass es der großen Koalition nicht gelingt,<br />

den Wiederanstieg der Beitragssätze zu verhindern,<br />

liegt an den von ihr selbst beschlossenen milliardenschweren<br />

Leistungsausweitungen in allen<br />

Sozialversicherungszweigen. In den zurückliegenden<br />

Wochen und Monaten sind insbesondere die<br />

folgenden sozialpolitischen Fehlentscheidungen<br />

getroffen worden:<br />

Mit der Begründung, die Rentner angemessen<br />

am Wirtschaftsaufschwung beteiligen zu<br />

wollen, hat die Koalition zum 1. Juli <strong>2008</strong> per<br />

Gesetz in die Rentenformel eingegriffen und<br />

damit das Vertrauen in eine regelgebundene<br />

Rentenanpassung nachhaltig erschüttert. Der<br />

Eingriff in die Rentenanpassungsformel, der<br />

die Rentner in diesem und im nächsten Jahr<br />

mit einer Sonder-Rentenerhöhung von jeweils<br />

0,6 % begünstigt, wird in den Jahren <strong>2008</strong> bis<br />

2013 zusätzliche Rentenausgaben von rund<br />

12 Mrd. € verursachen, für die überwiegend<br />

die Beitragszahler aufkommen müssen.<br />

Die Bundesregierung hat ihr ebenfalls im Koalitionsvertrag<br />

fixiertes Ziel, die Beiträge in<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung „mindestens<br />

stabil zu halten und möglichst zu<br />

senken“, meilenweit verfehlt. Lag der durchschnittliche<br />

Beitragssatz zu Beginn der Legislaturperiode<br />

noch bei 14,2 %, wird für die<br />

Absicherung des Krankheitsrisikos im kommenden<br />

Jahr der neue Rekordbeitragssatz<br />

von 15,5 % fällig. Nach Schätzungen des<br />

Bundesgesundheitsministeriums werden die<br />

Krankenkassen allein 2009 rund 11 Mrd. € an<br />

zusätzlichen Mitteln ausgeben, insbesondere<br />

für die Krankenhäuser (3,5 Mrd. €) und die<br />

niedergelassenen Ärzte (2,5 Mrd. €). Es sind<br />

vor allem diese politisch gewollten Mehrausgaben<br />

– und nicht wie teilweise fälschlich dargestellt<br />

der Gesundheitsfonds –, die für den<br />

Beitragssatzsprung um 0,6 Prozentpunkte<br />

zum 1. Januar 2009 verantwortlich sind.<br />

Mit dem „Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“,<br />

das zum 1. Juli <strong>2008</strong> in Kraft getreten ist,<br />

wurden die Leistungen ausgeweitet und es<br />

ist die Chance verpasst worden, die soziale<br />

Pflegeversicherung auf den demografischen<br />

Wandel vorzubereiten. Vor allem ist die<br />

im Koalitionsvertrag vereinbarte „Ergänzung<br />

des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte<br />

Elemente als Demografiereserve“ nicht<br />

Bestandteil der Pflegereform <strong>2008</strong> geworden.<br />

Hinzu kommt, dass die Leistungsausweitungen<br />

der sozialen Pflegeversicherung –<br />

trotz der Anhebung des Beitragssatzes um<br />

0,25 Prozentpunkte bzw. Beitragsmehreinnahmen<br />

von 2,5 Mrd. € auf Jahresbasis –<br />

nicht dauerhaft finanziert werden können.<br />

Ohne durchgreifende Strukturreformen auf<br />

der Leistungs- und Finanzierungsseite drohen<br />

bereits nach 2014 weitere Beitragssatzanhebungen.<br />

Und schließlich hat die Koalition die maximale<br />

Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für Ältere<br />

rückwirkend zum 1. Januar <strong>2008</strong> von 18 auf bis zu<br />

24 Monate verlängert. Dadurch sinken zum einen<br />

die Chancen, ältere Arbeitslose in den Arbeitsmarkt<br />

zu reintegrieren, und zum anderen wird dadurch<br />

der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit<br />

dauerhaft belastet.<br />

Die Zielsetzung der großen Koalition, den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />

unter 40 %<br />

zu senken, bleibt richtig und unverzichtbar. Der<br />

Senkung der lohnbezogenen Sozialabgaben<br />

kommt – darauf haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute<br />

in ihrem jüngsten Herbstgutachten<br />

ebenfalls hingewiesen – entscheidende<br />

Bedeutung für die Schaffung neuer Beschäftigung<br />

zu.<br />

26 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz steigt 2009 wieder über 40 %<br />

jeweils zum Stichtag 1. Januar im Bundesdurchschnitt<br />

Prozent<br />

45<br />

40<br />

35,8<br />

41,1<br />

1,70<br />

6,5<br />

42,0 42,0<br />

1,77 1,77<br />

6,5 6,5<br />

40,7<br />

1,77<br />

4,2<br />

39,9 40,2<br />

1,77 2,02<br />

3,3 2,8<br />

35<br />

30<br />

26,5<br />

32,4<br />

3,0<br />

11,4<br />

4,3<br />

12,8<br />

13,6<br />

14,2<br />

14,2<br />

14,8 14,9 15,5<br />

25<br />

1,3<br />

8,2<br />

20<br />

15<br />

17,0<br />

18,0<br />

18,7 19,3<br />

19,5 19,5 19,9 19,9 19,9<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1970 1980 1990 2000 2005 2006 2007 <strong>2008</strong> 2009<br />

Jahr<br />

Pflegeversicherung (inkl. Zuschlag für Kinderlose)<br />

Arbeitslosenversicherung<br />

Krankenversicherung (inkl. Zusatzbeitrag der Mitglieder)<br />

Rentenversicherung<br />

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit und Deutsche Rentenversicherung Bund; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 27


Zur Einhaltung des 40 %-Ziels müssen jedoch<br />

dringend weitere Schritte unternommen werden.<br />

Die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung<br />

um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar<br />

2009 für 18 Monate (ab 1. Juli 2010 nur noch um<br />

0,3 Prozentpunkte) reicht unter dem Strich nicht<br />

aus, die gleichzeitig stattfindende Erhöhung des<br />

einheitlichen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung<br />

um 0,6 Prozentpunkte sowie die<br />

bereits zur Jahresmitte <strong>2008</strong> wirksam gewordene<br />

Beitragssatzanhebung in der Pflegeversicherung<br />

um 0,25 Prozentpunkte zu kompensieren. Sowohl<br />

in der Kranken- wie in der Pflegeversicherung<br />

bedarf es grundsätzlicher struktureller Reformen.<br />

Dazu zählen in beiden Versicherungszweigen die<br />

Abkoppelung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis,<br />

ein wirksamer Wettbewerb, eine stärkere<br />

Eigenbeteiligung und insbesondere in der Pflegeversicherung<br />

der Aufbau von Kapitaldeckung. In<br />

der Rentenversicherung kann der Beitragssatz ab<br />

2009 von 19,9 auf 19,6 % reduziert werden, ohne<br />

dass dafür auf die Rentenrücklagen zurückgegriffen<br />

werden müsste.<br />

Gesetzliche Rentenversicherung:<br />

Mehrausgaben durch<br />

Sonder-Rentenerhöhung<br />

Das am 1. Juli <strong>2008</strong> in Kraft getretene „Gesetz zur<br />

Rentenanpassung <strong>2008</strong>“ sieht vor, die sog. Riester-<br />

Treppe, welche die finanziellen Belastungen der<br />

Erwerbstätigen aus der zusätzlichen privaten Altersvorsorge<br />

auf die Rentner überträgt und deshalb<br />

den Rentenanstieg pro Jahr um gut 0,6 Prozentpunkte<br />

dämpft, in diesem und im nächsten Jahr<br />

auszusetzen und erst in den Jahren 2012 und<br />

2013 nachzuholen. Dadurch stiegen die Renten<br />

zur Jahresmitte <strong>2008</strong> um 1,1 statt um 0,5 %, und<br />

auch zum 1. Juli 2009 wird der aktuelle Rentenwert<br />

nochmals außerordentlich angehoben. Damit<br />

sollen die Rentner – so die Begründung der Bundesregierung<br />

– „angemessen“ am Wirtschaftsaufschwung<br />

beteiligt werden.<br />

Der beschlossene Eingriff in die Rentenformel<br />

öffnet einer Rentenpolitik nach Wahlterminen und<br />

Kassenlage Tür und Tor. Das Abweichen von der<br />

gesetzlichen Rentenformel sendet die Botschaft,<br />

dass die Rentenhöhe weniger von klaren Regeln<br />

als von politischer Opportunität abhängt. Wer zur<br />

Finanzierung zusätzlicher Rentenanpassungen<br />

kurzfristig in die Rentenformel eingreift, darf sich<br />

nicht wundern, wenn bei künftigen Rentenanpassungen<br />

erneut eine zusätzliche Anhebung gefordert<br />

wird.<br />

Für die Kosten der geplanten zusätzlichen<br />

Rentenleistungen – rund 12 Mrd. € in den Jahren<br />

<strong>2008</strong> bis 2013 im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

– müssen vor allem die Beitragszahler<br />

aufkommen. So werden die Beitragssätze<br />

nicht wie geplant in den nächsten Jahren sinken.<br />

Die Folge sind höhere Personalzusatzkosten für<br />

die Arbeitgeber und weniger Netto für die Beschäftigten.<br />

Mit den zusätzlichen Rentenerhöhungen <strong>2008</strong><br />

und 2009 führt die Koalition ihre eigene Rentenpolitik<br />

ad absurdum: Das mit der „Rente mit 67“<br />

verfolgte Ziel, die nachhaltige Finanzierbarkeit der<br />

Rentenversicherung zu verbessern, wird durch<br />

den beschlossenen Eingriff konterkariert. Bis zum<br />

Jahr 2020 sind die aus dem Eingriff in die Rentenanpassungsformel<br />

resultierenden Belastungen<br />

größer als die Entlastungen, die mit der schrittweisen<br />

Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters<br />

verbunden sind.<br />

Die zusätzlichen Rentenleistungen in den<br />

Jahren <strong>2008</strong> bis 2013 führen zu einer einseitigen<br />

Besserstellung der heutigen Rentner zu Lasten<br />

der heutigen Beitragszahler: Sie müssen mit höheren<br />

Beiträgen dafür aufkommen, dass die heutigen<br />

Rentner zusätzliche Leistungen erhalten,<br />

werden dafür aber selber keine zusätzlichen Anwartschaften<br />

erwerben, weil das langfristige Rentenniveau<br />

durch die jetzt geplanten zwischenzeitlichen<br />

Rentenerhöhungen nicht verändert wird.<br />

Es ist schwer begreiflich, warum die Jüngeren<br />

angesichts des derzeitigen gesetzlichen Rentenniveaus<br />

von rund 50 % über mehrere Jahre hinweg<br />

höhere Rentenleistungen finanzieren sollen,<br />

obwohl bei ihrem Renteneintritt das Rentenniveau<br />

unvermeidlich deutlich niedriger liegen wird (46 %<br />

im Jahr 2020 und 43 % im Jahr 2030 nach letzten<br />

Vorausberechnungen).<br />

Der Fall zeigt erneut: Finanzielle Rücklagen<br />

verführen zu Leistungsausweitungen, denn sie<br />

ermöglichen, kurzfristig höhere Leistungen ohne<br />

28 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Rentenanpassung <strong>2008</strong> –<br />

Beitragszahler werden 2011 und 2012 zur Kasse gebeten 1)<br />

Szenario 2:<br />

Szenario 3:<br />

Jahr Szenario 1:<br />

Rentenerhöhung 2) Rentenerhöhung 3) Plan des BMAS 4)<br />

Ohne Sonder-<br />

Mit Sonder-<br />

Ursprünglicher<br />

Rücklage<br />

Rücklage<br />

Beitragssatz<br />

Beitragssatz<br />

Beitragssatz<br />

Rücklage<br />

<strong>2008</strong><br />

2009<br />

2010<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

0,88<br />

1,12<br />

1,45<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

0,83<br />

0,92<br />

1,05<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

0,8<br />

0,9<br />

1,1<br />

2011<br />

2012<br />

2013<br />

19,3<br />

19,1<br />

19,1<br />

1,52<br />

1,56<br />

1,52<br />

19,9<br />

19,5<br />

19,1<br />

1,35<br />

1,52<br />

1,50<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

1,3<br />

1,7<br />

2,1<br />

2014<br />

2015<br />

2016<br />

19,1<br />

19,1<br />

19,1<br />

1,37<br />

1,14<br />

0,82<br />

19,1<br />

19,1<br />

19,1<br />

1,40<br />

1,15<br />

0,83<br />

19,7<br />

19,3<br />

19,3<br />

2,5<br />

2,6<br />

2,5<br />

2017<br />

2018<br />

2019<br />

19,1<br />

19,6<br />

19,9<br />

0,41<br />

0,25<br />

0,21<br />

19,1<br />

19,6<br />

19,9<br />

0,43<br />

0,26<br />

0,23<br />

19,3<br />

19,3<br />

19,3<br />

2,2<br />

1,9<br />

1,5<br />

2020<br />

20,0<br />

0,21<br />

20,0<br />

0,22<br />

19,3<br />

1,0<br />

2025<br />

21,0<br />

0,25<br />

20,9<br />

0,23<br />

20,9<br />

0,5<br />

2030<br />

21,9<br />

0,25<br />

21,8<br />

0,21<br />

21,9<br />

0,5<br />

1) Beitragssatz in %, Nachhaltigkeitsrücklage in Monatsausgaben<br />

2) Szenario 1 = nach altem Recht, d. h. mit einer Rentenanpassung von 0,46 % zum 1. Juli <strong>2008</strong> in West- und Ostdeutschland<br />

3) Szenario 2 = nach dem „Gesetz zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“, d. h. mit einer Rentenanpassung von 1,10 % zum 1. Juli <strong>2008</strong><br />

in West- und Ostdeutschland<br />

4) Szenario 3 = nach der „Formulierungshilfe für ein Gesetz über die Bestimmung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli <strong>2008</strong>“, d. h.<br />

mit Sonder-Rentenerhöhung, Anhebung der Höchstnachhaltigkeitsrücklage von 1,5 auf 2,5 Monatsausgaben und Verschiebung<br />

des Anpassungsfaktors zur Nachholung unterbliebener Rentendämpfungen um zwei Jahre auf 2013<br />

Quellen: „Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“ vom 8. April <strong>2008</strong> und „Formulierungshilfe für ein Gesetz über die<br />

Bestimmung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli <strong>2008</strong>“ vom 20. März <strong>2008</strong>; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 29


höheren Beitragssatz zu finanzieren. Die zusätzlichen<br />

Rentenerhöhungen <strong>2008</strong> und 2009 wären<br />

kaum beschlossen worden, wenn die Höhe der<br />

Nachhaltigkeitsrücklage dafür nicht ausgereicht<br />

hätte und eine Beitragssatzanhebung hierfür erforderlich<br />

gewesen wäre. Für die Zukunft kann das<br />

nur heißen, die Rücklagen der Sozialversicherung<br />

zwar immer so hoch wie nötig, aber immer auch<br />

so knapp wie möglich zu halten.<br />

Verfehlt ist insbesondere, dass das „Gesetz<br />

zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“ – entgegen seinem<br />

Namen – gleich auch für das nächste Jahr eine<br />

Zusatzsteigerung vorsieht. Schließlich ist bereits<br />

auf der Grundlage des geltenden Rechts und der<br />

Annahmen der Bundesregierung davon auszugehen,<br />

dass die Renten im kommenden Jahr so<br />

stark steigen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Wenn<br />

dennoch eine zusätzliche Rentensteigerung 2009<br />

erfolgen soll, lässt sich dies nur mit kurzsichtigen<br />

wahltaktischen Überlegungen erklären.<br />

Ursprünglich wollte das BMAS die Sonder-<br />

Rentenerhöhung mit weiteren rentenpolitischen<br />

Maßnahmen verknüpfen. So war daran gedacht, die<br />

Höchstnachhaltigkeitsrücklage von 1,5 auf 2,5 Monatsausgaben<br />

anzuheben und die erstmalige Anwendung<br />

des Anpassungsfaktors zur Nachholung<br />

unterbliebener Rentendämpfungen von 2011 auf<br />

2013 zu verschieben.<br />

Die BDA konnte durch ihre umgehende Intervention<br />

erreichen, dass die Bundesregierung zumindest<br />

von diesen weiter gehenden Rentenplänen<br />

Abstand genommen hat. Allein die beabsichtigte<br />

Anhebung der Höchstnachhaltigkeitsrücklage hätte<br />

die Ansammlung zusätzlicher Beitrags- und Steuermittel<br />

in Höhe von rund 16 Mrd. € erforderlich<br />

gemacht und dadurch künftige Beitragssatzsenkungen<br />

in der Rentenversicherung stark erschwert.<br />

In Anbetracht der konjunkturell schwierigen<br />

Situation sollte der Beitragssatz zur allgemeinen<br />

Rentenversicherung zum 1. Januar 2009 auf<br />

19,6 % gesenkt werden. Damit könnten Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer im kommenden Jahr um<br />

rund 2,5 Mrd. € entlastet und das Konjunkturpaket<br />

der Bundesregierung wirkungsvoll ergänzt werden.<br />

Die moderate Beitragssatzsenkung wäre –<br />

wie der gerade veröffentlichte Rentenversicherungsbericht<br />

der Bundesregierung eindrucksvoll<br />

belegt – auch aus Sicht der Rentenversicherungsträger<br />

gut vertretbar. Selbst mit einem Beitragssatz<br />

von 19,6 % könnten die Rentenausgaben im<br />

kommenden Jahr finanziert werden, ohne auf die<br />

Rücklagen der Rentenversicherung zurückgreifen<br />

zu müssen. Die lägen auf der Grundlage der Annahmen<br />

der Bundesregierung Ende des kommenden<br />

Jahres dann immer noch bei ausreichenden<br />

16 Mrd. €. Es wäre absurd, in Zeiten der Rezession<br />

einerseits Konjunkturpakete zu schnüren und<br />

andererseits den Bürgern und Betrieben eine unnötig<br />

hohe Abgabenlast aufzubürden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Gesetzliche Rentenversicherung“ veröffentlicht.<br />

Betriebliche Altersvorsorge:<br />

weiteren Zuwachs sichern<br />

Die betriebliche Altersvorsorge (BAV) befindet sich<br />

weiter auf Wachstumskurs. Nach Angaben der<br />

Bundesregierung hatten Ende 2007 ca. 17,5 Mio.<br />

Beschäftigte einen Anspruch auf betriebliche Altersvorsorge,<br />

gegenüber 14,5 Mio. Anfang 2002.<br />

Dies entspricht einem Zuwachs von insgesamt<br />

21 %, wobei sich der Zuwachs im Jahr 2007 in Anbetracht<br />

der damals ungeklärten Frage nach der<br />

Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung<br />

über <strong>2008</strong> hinaus etwas verlangsamt hatte.<br />

Mit dem Ende 2007 verabschiedeten Gesetz zur<br />

Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge, in<br />

dem die unbefristete Beitragsfreiheit beschlossen<br />

wurde, haben die Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />

nun die notwendige Planungssicherheit. Die wichtige<br />

Rolle der betrieblichen Altersvorsorge innerhalb<br />

des deutschen Alterssicherungssystems wird<br />

auch im Sozialbudget 2007 des BMAS deutlich.<br />

Hiernach haben deutsche Unternehmen 2007 Betriebsrenten<br />

in Höhe von insgesamt 20,7 Mrd. €<br />

an die Berechtigten ausgezahlt, was seit 2000 einer<br />

Zunahme von 18,1 % entspricht. Auch diese<br />

Entwicklung zeigt, dass die betriebliche Altersvorsorge<br />

weiterhin die wichtigste Sozialleistung der<br />

deutschen Arbeitgeber bleibt.<br />

Der BDA ist es erfreulicherweise gelungen,<br />

eine zusätzliche Steuerbelastung der betrieblichen<br />

Altersvorsorge zu verhindern, die mit dem Jahressteuergesetz<br />

2009 eingeführt werden sollte.<br />

30 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Insbesondere konnten die ursprünglichen Pläne<br />

des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), die<br />

Besteuerung von Erträgen aus Streubesitzbeteiligungen<br />

(Beteiligung an Unternehmen von unter<br />

10 %) auszuweiten, vereitelt werden. Die geplante<br />

Gesetzesänderung hätte die Rentabilität der betrieblichen<br />

Altersvorsorge spürbar beeinträchtigt.<br />

Im Ergebnis wären Kapitalerträge aus Streubesitzbeteiligungen,<br />

die von den Unternehmen zur Abdeckung<br />

von Pensionszusagen gebildet wurden,<br />

zunächst in voller Höhe auf betrieblicher Ebene<br />

zu versteuern gewesen und anschließend erneut<br />

von den Betriebsrentnern im Rahmen der nachgelagerten<br />

Besteuerung. Diese Mehrbelastung, von<br />

der sowohl Arbeitgeber als auch – bei beitragsorientierten<br />

Zusagen – Arbeitnehmer direkt betroffen<br />

gewesen wären, hätte die betriebliche Altersvorsorge<br />

deutlich geschwächt.<br />

Mehrbelastung der Unternehmen<br />

durch Reform des Versorgungsausgleichs<br />

auf Mindestmaß<br />

beschränken<br />

Derzeit wird im Bundestag der Gesetzentwurf<br />

zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs<br />

behandelt, den die Bundesregierung am 21. Mai<br />

<strong>2008</strong> beschlossen hat. Diese Reform wird auch<br />

Auswirkungen auf die betriebliche Altersvorsorge<br />

und somit unmittelbare Belastungen der Arbeitgeber<br />

zur Folge haben. Zwar hat die Bundesregierung<br />

zahlreiche von der BDA im Vorfeld des<br />

Gesetzgebungsverfahrens eingebrachte Forderungen<br />

berücksichtigt. Dennoch enthält der jetzige<br />

Gesetzesvorschlag vermeidbare bürokratische<br />

Mehrbelastungen für die betriebliche Altersvorsorge.<br />

Deshalb wird sich die BDA im anstehenden<br />

Gesetzgebungsverfahren weiterhin für Nachbesserungen<br />

einsetzen.<br />

Vor allem im Hinblick auf die vorgesehene<br />

obligatorische Realteilung sieht der Vorschlag vermeidbare<br />

Belastungen vor. Die geplante zwangsweise<br />

Aufnahme von geschiedenen Ehegatten<br />

in betriebliche Versorgungssysteme würde diese<br />

zusätzlich aufblähen und zu mehr Bürokratie führen.<br />

Um dies zu vermeiden, sollten ausgleichsberechtigte<br />

Personen regelmäßig – unabhängig<br />

vom betroffenen Durchführungsweg – ohne Betragsobergrenzen<br />

abgefunden werden können.<br />

Insoweit ist zu begrüßen, dass der Gesetzentwurf<br />

bei den internen Durchführungswegen (Direktzusage,<br />

Unterstützungskasse) den Forderungen<br />

der BDA entgegenkommt. In diesem wurde die<br />

Betragsgrenze für das einseitige Abfindungsrecht<br />

der Arbeitgeber (externe Realteilung) – im Gegensatz<br />

zum Referentenentwurf – erheblich nach<br />

oben erweitert (von 5.964 € auf 63.600 €, bezogen<br />

auf das Jahr <strong>2008</strong>). Bei den externen Durchführungswegen<br />

(Pensionskassen, Pensionsfonds und<br />

Direktversicherung) muss aber noch deutlich<br />

nachgebessert werden, da hier weiterhin nur<br />

Kleinstanwartschaften (bis zu 50 € Monatsrente)<br />

einseitig abgefunden werden dürfen.<br />

Im Interesse einer Vereinfachung ist weiterhin<br />

erforderlich, dass verfallbare Betriebsrenten-Anwartschaften<br />

nicht in den Versorgungsausgleich<br />

einbezogen werden. Zudem sollten<br />

sämtliche Kosten des Versorgungsausgleichs verursachergerecht<br />

auf die Ehegatten umgelegt werden<br />

können – unabhängig davon, ob die Anrechte<br />

im Wege der internen oder externen Realteilung<br />

geteilt werden. Zu begrüßen ist, dass Vorschläge<br />

der BDA für weitere Erleichterungen, wie z. B.<br />

der Verzicht auf einen Versorgungsausgleich bei<br />

geringen Ausgleichswerten und bei einer kurzen<br />

Ehedauer, aufgegriffen wurden.<br />

Zusätzliche Pensionsgutachten<br />

durch Bilanzrechtsreform<br />

verhindern<br />

Aktuell wird im Bundestag der Gesetzentwurf zur<br />

Bilanzrechtsreform beraten, den die Bundesregierung<br />

am 21. Mai <strong>2008</strong> beschlossen hat. Durch das<br />

neue HGB-Bilanzrecht droht der betrieblichen Altersvorsorge<br />

zusätzliche Bürokratie, da die neuen<br />

handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften nicht<br />

auf das Steuerrecht übertragen werden.<br />

Positiv ist, dass in der HGB-Bilanz die tatsächlichen<br />

Belastungen der Unternehmen durch<br />

Pensionsverpflichtungen realistischer ausgewiesen<br />

werden sollen. So ist im Gesetzentwurf vorgesehen,<br />

dass Pensionsverpflichtungen mit einem<br />

marktüblichen Durchschnittszinssatz bewertet sowie<br />

künftige Inflations- und Gehaltstrends berücksichtigt<br />

werden müssen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 31


Auszahlungen von Betriebsrenten durch Arbeitgeber<br />

seit 2000 stark gestiegen<br />

Leistungen der BAV in Deutschland in Mrd. €<br />

21<br />

20,7<br />

20,4<br />

20,1<br />

20<br />

19,9<br />

19<br />

18<br />

17,5<br />

17<br />

2000 2004 2005 2006 2007 Jahr<br />

Quellen: BMAS, Sozialbudget 2007; Darstellung: BDA<br />

32 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Zu begrüßen ist auch, dass einige Hinweise<br />

der BDA zum Referentenentwurf im Gesetzentwurf<br />

berücksichtigt wurden. So wurde z. B. klargestellt,<br />

dass Unternehmen ihre Pensionsverpflichtungen<br />

auch mit einem pauschalen Zinssatz für das gesamte<br />

Unternehmen bewerten dürfen. Dadurch<br />

konnte zusätzlicher Aufwand vermieden werden,<br />

der durch die Zugrundelegung eines laufzeitadäquaten<br />

Zinssatzes für jede einzelne Betriebsrentenanwartschaft<br />

entstanden wäre.<br />

Wenn aber eine steuerrechtliche Flankierung<br />

der Bilanzreform ausbleibt, wird das zu einem Auseinanderfallen<br />

von steuer- und handelsbilanzieller<br />

Bewertung von Pensionsverpflichtungen führen, so<br />

dass die Unternehmen regelmäßig ihre Pensionsverpflichtungen<br />

zweimal gutachterlich bewerten lassen<br />

müssen. Nach derzeitigem Handelsbilanzrecht ist<br />

die Bewertung nach steuerrechtlichen Vorschriften<br />

ausreichend.<br />

Die zusätzliche bürokratische Belastung der<br />

Unternehmen wird auch im Gesetzentwurf eingeräumt,<br />

allerdings liegt die Schätzung der Mehrkosten<br />

mit ca. 50 Mio. € im Jahr deutlich zu niedrig.<br />

Realistischer sind hingegen Kostensteigerungen<br />

um das Zwei- bis Dreifache pro Jahr. Dabei vermögen<br />

die in der Vergangenheit angeführten fiskalischen<br />

Argumente, denen zufolge erhebliche<br />

Steuerausfälle zu befürchten sind, wenn auch in<br />

der Steuerbilanz eine Bewertung der Pensionsverpflichtungen<br />

nach marktüblichem Zinssatz erfolgt,<br />

nicht zu überzeugen. Zum einen würde der<br />

zusätzliche Rückstellungsbedarf nicht zu endgültigen<br />

Steuerausfällen führen, sondern lediglich zu<br />

Steuerstundungen, da die Rückstellungen bei Betriebsrentenauszahlung<br />

wieder gewinnerhöhend<br />

aufgelöst werden müssen. Zum anderen ließen<br />

sich die mittelfristigen fiskalischen Auswirkungen<br />

durch eine angemessene Übergangsregelung<br />

nahezu auf null minimieren. Die steuerliche Berücksichtigung<br />

der tatsächlichen Belastung der<br />

Unternehmen durch Pensionsverpflichtungen entspräche<br />

zudem dem Prinzip der Besteuerung<br />

nach der Leistungsfähigkeit, wonach eine erhöhte<br />

Belastung auch die Besteuerungsgrundlage vermindert.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt<br />

„Betriebliche Altersvorsorge“ veröffentlicht.<br />

Belastungen durch Solvency II<br />

vermeiden<br />

Derzeit wird zwischen dem Europäischen Parlament<br />

(EP), der EU-Kommission und den EU-Finanzministern<br />

ein Richtlinienvorschlag der EU-<br />

Kommission vom 26. Februar <strong>2008</strong> zur Aufnahme<br />

und Ausübung der Versicherungstätigkeit (Solvency<br />

II) beraten. Im Zentrum des Vorschlages<br />

stehen neue Eigenkapitalvorschriften für Versicherungsunternehmen<br />

(Solvabilitätsvorschriften)<br />

sowie Regelungen zum Risikomanagement und<br />

zu Berichtspflichten. Erfreulicherweise haben sowohl<br />

die EU-Finanzminister in ihrer Sitzung am<br />

2. Dezember <strong>2008</strong> als auch zuvor der zuständige<br />

EP-Ausschuss für Wirtschaft und Währung<br />

(ECON-Ausschuss) am 7. Oktober <strong>2008</strong> beschlossen,<br />

dass Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge<br />

vom Anwendungsbereich der geplanten<br />

Richtlinie ausgenommen werden sollen. Für diese<br />

Beschlüsse haben sich die BDA und BUSINESS-<br />

EUROPE intensiv und mit Erfolg eingesetzt.<br />

Eine Anwendung der geplanten Richtlinie auf<br />

Pensionskassen und Pensionsfonds – wie derzeit<br />

noch im Kommissionsvorschlag vorgesehen – würde<br />

der betrieblichen Altersvorsorge erheblichen<br />

Schaden zufügen. Denn im Gegensatz zum bisherigen<br />

europäischen Aufsichtsregime Solvency I<br />

soll sich die Eigenkapitalausstattung nicht nur am<br />

Volumen des Geschäfts orientieren, sondern darüber<br />

hinaus stärker am Marktrisiko. Diese Anforderung<br />

ist für Versicherungsunternehmen durchaus<br />

nachvollziehbar, nicht hingegen für Einrichtungen<br />

der betrieblichen Altersvorsorge, die aufgrund der<br />

bis zu 30 % höheren Eigenkapitalanforderungen<br />

deutlich verteuert und zudem durch umfangreiche<br />

zusätzliche Berichtspflichten belastet würden. Das<br />

zusätzliche Eigenkapital könnten diese Einrichtungen<br />

entweder nur durch Leistungskürzungen<br />

zu Lasten der Betriebsrentner oder durch höhere<br />

Beiträge der Trägerunternehmen aufbringen.<br />

Auch wenn der Beschluss des ECON-Ausschusses<br />

zu begrüßen ist, ist die Gefahr einer<br />

Anwendung von Solvency II auf Einrichtungen der<br />

betrieblichen Altersvorsorge noch nicht gebannt.<br />

Deshalb wird die BDA in den anstehenden Beratungen<br />

weiter darauf hinwirken, dass keine Verschärfungen<br />

für die betriebliche Altersvorsorge<br />

beschlossen werden.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 33


Anwendung von Solvency II würde Pensionskassen<br />

und Pensionsfonds mit zusätzlicher Bürokratie belasten<br />

Solvency II beruht auf einem 3-Säulen-Konzept, dessen 2. und 3. Säule bereits teilweise heute schon<br />

Anwendung auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (Pensionskassen und -fonds) finden:<br />

1. Eigenkapitalanforderung: strengere Anforderung an die Eigenkapitalausstattung (Solvabilität) für<br />

Versicherer, stärkere Einbeziehung von Marktrisiken der Kapitalanlagen und striktere Anforderungen<br />

an versicherungsmathematische Rückstellungen<br />

2. Aufsichtsrecht: neue Anforderungen an Risikobestimmung und -management, Verpflichtung der<br />

Versicherer zur Einrichtung von internen Steuerungs- und Kontrollsystemen und einer internen Revision<br />

3. Berichtswesen: erweiterte Veröffentlichungspflichten gegenüber der Aufsicht und der Öffentlichkeit<br />

insbesondere zum Risikomanagement und der Unternehmensstrategie<br />

Der überwiegende Teil der neuen Vorschriften (insbesondere die 1. Säule) soll bis zum 31. Oktober 2012<br />

in nationales Recht umgesetzt werden. Derzeit würde auch die 1. Säule von Solvency II aufgrund eines<br />

Verweises in der Pensionsfondsrichtlinie für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge gelten.<br />

Gesetzliche Krankenversicherung:<br />

Beitragssatzanhebung auf 15,5 %<br />

ist ein gesundheitspolitischer<br />

Offenbarungseid<br />

Die große Koalition ist zu Beginn der Legislaturperiode<br />

mit der Zusage angetreten, den Beitragssatz<br />

in der gesetzlichen Krankenversicherung „mindestens<br />

stabil zu halten und möglichst zu senken“<br />

(Koalitionsvertrag vom 11. November 2005). Passiert<br />

ist jedoch das genaue Gegenteil.<br />

Lag der durchschnittliche Beitragssatz zu<br />

Beginn der Legislaturperiode noch bei 14,2 %,<br />

wird für die Absicherung des Krankheitsrisikos ab<br />

1. Januar 2009 der Rekordbeitragssatz von 15,5 %<br />

fällig. Das ist ein gesundheitspolitischer Offenbarungseid.<br />

Allein in den Jahren 2006 und 2007 haben<br />

sich die Gesamtausgaben der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung um 10 Mrd. € erhöht, während<br />

die übrigen Sozialleistungen um 5 Mrd. € zurückgingen.<br />

Im deutschen Sozialstaat ist die gesetzliche<br />

Krankenversicherung damit inzwischen<br />

der mit Abstand größte Kostentreiber.<br />

Statt die Herausforderungen und Probleme,<br />

vor denen das deutsche Gesundheitswesen steht,<br />

endlich mittels durchgreifender Strukturreformen<br />

auf der Finanzierungs- und Leistungsseite zu lösen,<br />

hat die Bundesregierung lediglich beschlossen,<br />

im kommenden Jahr zusätzliches Geld in das<br />

Gesundheitssystem zu geben. Herausgekommen<br />

ist das teuerste sozialpolitische Paket der gesamten<br />

Legislaturperiode: Nach Schätzungen des<br />

Bundesgesundheitsministeriums werden die Kran-<br />

34 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


kenkassen 2009 rund 11 Mrd. € an zusätzlichen<br />

Mitteln ausgeben, vor allem für die Krankenhäuser<br />

(3,5 Mrd. €) und die niedergelassenen Ärzte<br />

(2,5 Mrd. €). Mit ihren Vorabzusagen zu Krankenhausfinanzierung<br />

und Ärztehonorarreform hat die<br />

Koalition die zu erwartenden Kostensteigerungen<br />

maßgeblich selbst zu verantworten.<br />

Es sind vor allem diese politisch gewollten<br />

Mehrausgaben, die den ab 1. Januar 2009 geltenden<br />

einheitlichen Beitragssatz in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung auf 15,5 % in die Höhe treiben,<br />

und nicht etwa – wie fälschlicherweise in der<br />

Öffentlichkeit immer wieder behauptet – der Gesundheitsfonds.<br />

Er löst zwar keines der großen<br />

Probleme des deutschen Gesundheitswesens und<br />

ist durch das Festhalten an der lohnbezogenen<br />

Finanzierung vor allem auch keine Antwort auf<br />

die voranschreitenden demografischen Veränderungen.<br />

Aber der Gesundheitsfonds ist auch nicht<br />

das „bürokratische Monster“ bzw. der Kostentreiber,<br />

zu dem ihn viele machen wollen.<br />

Perspektivisch bieten die Einführung des<br />

kassenindividuellen Zusatzbeitrages und die Vereinheitlichung<br />

des Beitragssatzes durchaus Chancen.<br />

Mit der Einführung von Zusatzbeiträgen wird<br />

gewährleistet, dass zumindest ein Teil der künftigen<br />

Beitragsmehrbelastung nicht zu Lasten der<br />

Arbeitgeber und damit der Personalzusatzkosten<br />

geht. Zudem wird eine spätere – auch im Rahmen<br />

des BDA-Gesundheitsprämienmodells erforderliche<br />

– Auszahlung des Arbeitgeberbeitrags in den<br />

Bruttolohn erleichtert.<br />

Die von der BDA unterbreiteten Vorschläge<br />

zur Sicherung der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung sind von der Politik<br />

größtenteils ignoriert worden. Insbesondere<br />

ist der Vorschlag, auf die Sonderregelung für das<br />

Einführungsjahr 2009, die eine 100 % - ige Ausgabendeckung<br />

vorsieht, zu verzichten, nicht aufgegriffen<br />

worden. Gleiches gilt für die Forderung,<br />

kostendeckende Beiträge des Bundes für Empfänger<br />

von Arbeitslosengeld II vorzusehen. Demgegenüber<br />

ist die Bundesregierung der BDA jedoch<br />

darin gefolgt, die Liquiditätsreserve beim Gesundheitsfonds<br />

durch eine vierjährige Ansparphase<br />

weitgehend beitragssatzneutral aufzubauen.<br />

Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen<br />

sachgerecht geregelt<br />

Das am 17. Oktober <strong>2008</strong> vom Bundestag und am<br />

7. November <strong>2008</strong> vom Bundesrat beschlossene<br />

„Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen<br />

in der gesetzlichen Krankenversicherung“<br />

(GKV-OrgWG), das mit der Herstellung der<br />

Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen eine wesentliche<br />

Voraussetzung für gleiche Wettbewerbsbedingungen<br />

unter den Krankenkassen schafft, ist<br />

zu begrüßen.<br />

Positiv zu werten ist insbesondere, dass die<br />

bisher aufgelaufenen Versorgungsverpflichtungen<br />

der Krankenkassen für den Fall einer Insolvenz<br />

einer Krankenkasse im System der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung abgesichert werden sollen<br />

und der von den Arbeitgebern finanzierte Pensions-Sicherungs-Verein<br />

VVaG (PSVaG) insoweit<br />

ausschließlich für Versorgungsverpflichtungen, die<br />

nach dem 31. Dezember 2009 entstanden sind,<br />

einstehen muss. Damit ist gewährleistet, dass die<br />

Arbeitgeber im Insolvenzfall nicht für die bis zu diesem<br />

Datum aufgelaufenen Versorgungsverpflichtungen<br />

(Altlasten) der Krankenkassen haften müssen.<br />

Eine Übernahme der Haftung für die Altlast<br />

durch den PSVaG wäre nicht gerechtfertigt gewesen:<br />

zum einen, weil die bislang nicht insolvenzfähigen<br />

Krankenkassen für die Vergangenheit keine<br />

Beiträge an den PSVaG gezahlt haben, zum anderen,<br />

weil der PSVaG mit den milliardenschweren,<br />

nicht ausfinanzierten Altlasten der Krankenkassen<br />

ein hohes Risiko übernommen hätte.<br />

Reform der Krankenhausfinanzierung<br />

enttäuschend<br />

Enttäuschend sind dagegen die Pläne der Bundesregierung<br />

zur Reform der Krankenhausfinanzierung.<br />

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden<br />

finanzielle Belastungen der Krankenkassen bewirkt<br />

und keinerlei strukturelle Änderungen in<br />

der Krankenhausfinanzierung herbeigeführt. Die<br />

Krankenkassen sollen die Tariflohnerhöhungen im<br />

Krankenhausbereich der Jahre <strong>2008</strong> und 2009,<br />

die über der Grundlohnsummensteigerung liegen,<br />

anteilig finanzieren. Für die schrittweise Neueinstellung<br />

von insgesamt 21.000 Pflegekräften in<br />

den Jahren 2009 bis 2011 wird zu Lasten der<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 35


BDA-Forderungen zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

Gesundheits- von den Arbeitskosten<br />

abkoppeln<br />

Zentraler Reformschritt muss die Entkopplung der<br />

Krankheitskostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis<br />

sein. Der beste Weg hierfür ist die Umstellung<br />

der Finanzierung auf einkommensunabhängige<br />

Gesundheitsprämien mit Auszahlung des Arbeitgeberanteils<br />

in den Bruttolohn und steuerfinanziertem<br />

Sozialausgleich für Einkommensschwache.<br />

Wettbewerb verstärken<br />

Der Ausbau von Wettbewerbselementen ist eines<br />

der wirksamsten Mittel zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung<br />

und hier insbesondere zur Vermeidung<br />

von Ineffizienzen im Leistungsgeschehen<br />

und in den Organisationsstrukturen sowie von<br />

Fehlanreizen für Versicherte und Leistungsanbieter.<br />

Erforderlich sind deshalb vorrangig mehr<br />

Vertragsfreiheiten für die Krankenkassen bei der<br />

Aushandlung von Preisen, Mengen und Qualitäten<br />

mit den Leistungsanbietern sowie größere Gestaltungsspielräume<br />

für die Krankenkassen beim<br />

Angebot unterschiedlicher Versorgungsformen an<br />

die Versicherten.<br />

Eigenverantwortung der Versicherten<br />

ausbauen<br />

Ein staatlich organisiertes und über Zwangsabgaben<br />

finanziertes Gesundheitssystem muss sich auf<br />

eine Basissicherung mit Kernleistungen beschränken,<br />

um allen Systembeteiligten genügend große<br />

Handlungsspielräume zu belassen. Selbstbeteiligung<br />

setzt zudem Anreize für ein gesundheits- sowie<br />

kostenbewusstes Verhalten der Versicherten<br />

und trägt dem Grundsatz Rechnung, dass eine<br />

Sozialversicherung entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip<br />

ausschließlich Leistungen erbringen<br />

sollte, die der Einzelne nicht selbst tragen kann.<br />

Kapitalgedeckte Risikovorsorge aufbauen<br />

Zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung ist der<br />

Aufbau einer ergänzenden kapitalgedeckten Risikovorsorge<br />

unverzichtbar. Im heutigen Umlagesystem<br />

kommt es angesichts der demografischen<br />

Entwicklung zu massiven Beitragssatzsteigerungen<br />

und damit zu gravierenden intergenerationellen<br />

Umverteilungen.<br />

36 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Krankenkassen ein krankenhausindividueller Zuschlag<br />

erhoben, der ab 2012 in das pauschalierte<br />

DRG-Vergütungssystem überführt werden soll. Die<br />

zusätzlichen Mehrkosten für diese beiden Maßnahmen<br />

belaufen sich nach dem Gesetzentwurf<br />

auf ca. 2,0 Mrd. €. Eine gesetzliche Regelung,<br />

wonach die Länder ihrer Investitionsverpflichtung<br />

nachkommen müssen, ist am Widerstand der Länder<br />

gescheitert. Damit besteht weiterhin die Gefahr,<br />

dass notwendige Investitionen unterbleiben<br />

und die Krankenkassen über die Betriebskosten<br />

dafür geradestehen müssen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Gesetzliche Krankenversicherung“ veröffentlicht.<br />

Soziale Pflegeversicherung:<br />

Finanzierungsprobleme bleiben<br />

ungelöst<br />

Das am 14. März <strong>2008</strong> vom Bundestag beschlossene<br />

„Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung<br />

der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)<br />

besteht im Wesentlichen aus<br />

Leistungsausweitungen. Das Maßnahmenpaket<br />

umfasst insbesondere die stufenweise Anhebung<br />

der ambulanten Sachleistungsbeträge und des<br />

Pflegegeldes in allen drei Pflegestufen sowie die<br />

schrittweise Erhöhung der stationären Sachleistungsbeträge<br />

in der Pflegestufe III und in Härtefällen<br />

jeweils in den Jahren <strong>2008</strong>, 2010 und<br />

2012. Die Chance, die soziale Pflegeversicherung<br />

dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar zu gestalten,<br />

wurde hingegen verpasst.<br />

Zur Finanzierung der Leistungsausweitungen<br />

wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung<br />

zum 1. Juli <strong>2008</strong> von 1,7 auf 1,95 % (bzw. für Kinderlose<br />

von 1,95 auf 2,2 %) angehoben. Dadurch<br />

werden die Versicherten und Betriebe mit rund<br />

2,5 Mrd. € auf Jahresbasis belastet. Trotz dieser<br />

Beitragserhöhung können die Leistungen der Pflegeversicherung<br />

laut Gesetzesbegründung jedoch<br />

nur bis „Ende 2014 / Anfang 2015“ finanziert werden.<br />

Dann sollen die Rücklagen der Pflegekassen<br />

gerade auf die gesetzlich definierte Mindestreserve<br />

von 1,0 Monatsausgaben abgeschmolzen sein.<br />

Wie die ab 2015 vorgesehene Dynamisierung<br />

der Pflegeleistungen finanziert werden soll, bleibt<br />

damit unklar.<br />

Wegen der umfangreichen Leistungsausweitungen<br />

wird die finanzielle Schieflage der sozialen<br />

Pflegeversicherung weiter verschärft. Denn bei<br />

einer rückläufigen Zahl potenzieller Beitragszahler<br />

werden die zu schulternden Finanzierungslasten<br />

nun nicht nur durch die steigende Zahl der Pflegefälle,<br />

sondern zusätzlich durch höhere Kosten<br />

je Pflegefall zunehmen. Gerade vor diesem Hintergrund<br />

hätte die Vermeidung einer Beitragssatzanhebung<br />

oberstes Ziel der Pflegereform sein<br />

müssen.<br />

Bestandteile einer zukunftsweisenden Reform<br />

der Pflegeversicherung müssen insbesondere<br />

die Abkopplung der Pflegekosten vom Arbeitsverhältnis,<br />

eine strukturelle beitragssatzneutrale<br />

Ausrichtung des Leistungskatalogs sowie ein wirksamer<br />

Wettbewerb sowohl zwischen den Pflegekassen<br />

als auch zwischen den Pflegekassen und<br />

Leistungserbringern sein. Außerdem sind eine<br />

stärkere Eigenbeteiligung der Versicherten ebenso<br />

wie der Aufbau von Kapitaldeckung unbedingt<br />

erforderlich.<br />

Der BDA ist es allerdings gelungen, einige<br />

Erfolge im Gesetzgebungsverfahren zu erzielen.<br />

So hätte die bundesweit verpflichtende Einführung<br />

von Pflegestützpunkten zur wohnortnahen Beratung,<br />

Versorgung und Betreuung der Versicherten<br />

die Einrichtung von bundesweit über 4.000 Pflegestützpunkten<br />

mit rund 16.000 Pflegebegleitern zur<br />

Folge gehabt. Dies konnte verhindert werden. Die<br />

Pflegestützpunkte werden nun von den Pflegeund<br />

Krankenkassen nur dann eingerichtet, wenn<br />

die zuständige oberste Landesbehörde dies bestimmt.<br />

Dabei ist auf vorhandene Beratungsstrukturen<br />

zurückzugreifen. Die Anschubfinanzierung<br />

zur Errichtung der Pflegestützpunkte ist auf eine<br />

Gesamthöhe von 60 Mio. € (im Gegensatz zur<br />

zuvor vorgesehenen Gesamthöhe von 80 Mio. €)<br />

limitiert. Zudem besteht der Anspruch auf Pflegezeit<br />

von bis zu sechs Monaten nur bei Arbeitgebern<br />

mit mehr als 15 Beschäftigten und nicht – wie<br />

ursprünglich vorgesehen – bei Arbeitgebern mit<br />

mehr als zehn Beschäftigten.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Soziale Pflegeversicherung“ veröffentlicht.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 37


Neue Leistungen in der Pflegeversicherung (ab dem 1. Juli <strong>2008</strong>)<br />

Stufenweise Anhebung der ambulanten Sachleistungsbeträge und des Pflegegeldes in allen<br />

drei Pflegestufen in den Jahren <strong>2008</strong>, 2010 und 2012<br />

Schrittweise Erhöhung der stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe III sowie in<br />

Härtefällen in den Jahren <strong>2008</strong>, 2010, 2012<br />

Anhebung des zusätzlichen Leistungsbetrages für Menschen mit erheblich eingeschränkter<br />

Alltagskompetenz (z. B. Demenzkranke)<br />

Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung in dreijährigem Rhythmus ab 2015<br />

Stärkung der ambulanten Versorgung (Pflegestützpunkte, Fallmanagement, Förderung betreuter<br />

Wohnformen)<br />

Ausbau des Anspruchs auf Tagespflege<br />

Anspruch auf bis zu sechsmonatige unbezahlte Freistellung von der Arbeit („Pflegezeit“), dabei<br />

zahlt die Pflegeversicherung für die Zeit der Freistellung Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung<br />

für die Pflegeperson und gewährt einen Beitragszuschuss in Höhe des Mindestbeitrages<br />

zur Kranken- und Pflegeversicherung, soweit keine andere Absicherung (z. B. Familienversicherung)<br />

besteht.<br />

Gesetzliche Unfallversicherung:<br />

ausgesparte Reform des Leistungsrechts<br />

umgehend nachholen<br />

Nachdem der Bundestag am 26. Juni <strong>2008</strong> das<br />

„Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung“<br />

(UVMG) beschlossen hat, ist das<br />

UVMG am 19. September <strong>2008</strong> auch vom Bundesrat<br />

gebilligt worden. Am 5. November <strong>2008</strong> ist<br />

das Gesetz grundsätzlich in Kraft getreten. Es enthält<br />

insbesondere Regelungen zur Organisation<br />

der Unfallversicherungsträger, zur Verteilung von<br />

Altlasten zwischen den Berufsgenossenschaften,<br />

zu neuen Meldepflichten der Arbeitgeber und zu<br />

rechtlichen Grundlagen der Gemeinsamen Deutschen<br />

Arbeitsschutzstrategie (GDA).<br />

Das Leistungsrecht wird – im Gegensatz zu<br />

den Festlegungen im Koalitionsvertrag – gänzlich<br />

ausgespart. Das BDA-Präsidium hat dies zuletzt<br />

im Januar <strong>2008</strong> als sehr enttäuschend kritisiert.<br />

Die Koalition verpasst damit das selbst gesteckte<br />

Ziel, die Unfallversicherung umfassend zu reformieren<br />

und ein zielgenaueres Leistungsrecht<br />

einzuführen. Nur eine Reform des Leistungsrechts<br />

ermöglicht die überfällige Beitragsentlastung der<br />

Unternehmen. Mit dem jetzt verabschiedeten Reformstückwerk<br />

wird nun jedoch sogar ein großer<br />

Teil der Wirtschaft belastet. Durch die geänderte<br />

Verteilung von Altlasten zwischen den Berufsgenossenschaften<br />

führt die Reform für viele Unternehmen<br />

zu höheren statt zu niedrigeren Beiträgen.<br />

Die ausgesparte Reform des Leistungsrechts muss<br />

daher baldmöglichst nachgeholt werden.<br />

38 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Die BDA begrüßt, dass bei der Reform der<br />

Organisation der Unfallversicherung weitgehend<br />

die Vorschläge der Selbstverwaltung der gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften aufgegriffen<br />

wurden. Das gilt vor allem für den notwendigen<br />

Fusionsprozess und das Konzept für einen Überaltlastausgleich.<br />

Anders als im Gesetz vorgesehen, sollte die<br />

Überaltlast allerdings hälftig nach Neurenten und<br />

Entgelten verteilt werden, denn die Abwägung der<br />

unterschiedlichen Argumente rechtfertigt keine<br />

Übergewichtung eines der beiden Verteilkriterien.<br />

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang jedoch,<br />

dass der Bundestag zur zeitlichen Streckung der<br />

Mehrbelastung der betroffenen Branchen durch<br />

den neuen Überaltlastausgleich – wie von der BDA<br />

gefordert – eine Verdoppelung der Übergangsfrist<br />

beschlossen hat.<br />

Die BDA begrüßt ferner, dass die von der<br />

Selbstverwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

Mitte 2007 gegründete neue Spitzenorganisation,<br />

die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung<br />

(DGUV), bestehend aus den früheren<br />

Organisationen des Hauptverbandes der gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften (HVBG) und des<br />

Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK), in<br />

ihrer privatrechtlichen Ausgestaltung weiter bestehen<br />

bleibt und nicht in eine öffentlich-rechtliche<br />

Körperschaft umgewandelt wird. Zudem ist positiv<br />

zu bewerten, dass der Bundestag – auch hier entsprechend<br />

der Forderung der BDA – den Gesetzentwurf<br />

dahingehend abgeändert hat, dass auf<br />

die Einführung von Fachaufsicht über die DGUV<br />

durch das BMAS verzichtet wird und es bei einer<br />

Rechtsaufsicht im hoheitlichen Aufgabenbereich<br />

bleibt.<br />

Es ist zu begrüßen, dass der Bundestag auf<br />

Initiative der BDA vorgesehen hat, dass die DGUV<br />

künftig auf die Verminderung von Verwaltungsund<br />

Verfahrenskosten bei den gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften hinzuwirken hat. Dies<br />

bleibt jedoch leider deutlich hinter den ursprünglichen<br />

Plänen im Arbeitsentwurf des BMAS und<br />

der Vereinbarung von Bund und Ländern in den<br />

Eckpunkten aus dem Jahre 2006 zurück. Hier war<br />

noch vorgesehen, dass die Verwaltungs- und Verfahrenskosten<br />

der Berufsgenossenschaften von<br />

2009 bis 2014 um 20 % zu senken sind.<br />

Der BDA ist es auch gelungen, die Folgen<br />

der mit dem UVMG vorgesehenen neuen Meldepflichten<br />

zumindest deutlich zu entschärfen. Kritisch<br />

war insbesondere die erst in letzter Minute<br />

durch einen Änderungsantrag in das Gesetz aufgenommene<br />

Pflicht der Arbeitgeber, künftig für<br />

jeden einzelnen Arbeitnehmer die „geleisteten Arbeitsstunden“<br />

an die Krankenkassen (Einzugsstellen)<br />

zu melden. Eine solche Meldepflicht hätte die<br />

Unternehmen vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt.<br />

Viele Unternehmen erfassen die Arbeitszeit<br />

ihrer Beschäftigten nicht durch eine Zeiterfassung<br />

und müssen dies auch nicht. Die BDA hat sich daher<br />

mit großem Einsatz gegen die Einführung einer<br />

solchen Meldung eingesetzt, zumal die Meldung<br />

der Arbeitsstunden weder aus beitragsrechtlichen<br />

noch aus statistischen Gründen notwendig ist. Sie<br />

hat sich nach der dennoch erfolgten Gesetzesverabschiedung<br />

beim BMAS und den Sozialversicherungsträgern<br />

für korrigierende Maßnahmen auf<br />

untergesetzlicher Ebene eingesetzt. Die Überzeugungsarbeit<br />

hat sich gelohnt: Inzwischen kann davon<br />

ausgegangen werden, dass die Unternehmen<br />

die Arbeitsstunden in einem verwaltungstechnisch<br />

unbürokratischen Verfahren melden können.<br />

Die BDA wird sich weiterhin für eine umfassende<br />

Reform der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

einsetzen. Eine Strukturreform muss zu einer Konzentration<br />

der Leistungen auf betriebsspezifische<br />

Risiken führen, bestehende Überversorgung abbauen<br />

sowie die Wirtschaftlichkeit verbessern.<br />

Rechtsvereinfachung bei der<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />

sicherstellen<br />

Der Bundesrat hat am 10. Oktober <strong>2008</strong> die „Verordnung<br />

zur Rechtsvereinfachung und Stärkung<br />

der arbeitsmedizinischen Vorsorge“ verabschiedet.<br />

Mit der Verordnung soll ein kohärentes Vorschriften-<br />

und Regelwerk zur arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge geschaffen werden. Wie im geltenden<br />

Recht soll eine Differenzierung nach Pflicht- und<br />

Angebotsuntersuchungen, je nach Gefährdungspotenzial<br />

des Untersuchungsanlasses, erfolgen.<br />

Zur Konkretisierung der Verordnung und zur Erarbeitung<br />

von Regeln und Erkenntnissen ist die<br />

Einrichtung eines Ausschusses für Arbeitsmedizin<br />

vorgesehen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 39


Stand der Fusionen bei den<br />

gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

Rohstoffe<br />

Bergbau-BG<br />

Chemie-BG<br />

Steinbruchs-BG<br />

Papiermacher-BG<br />

Lederindustrie-BG<br />

Zucker-BG<br />

Fusionsvertrag<br />

unterzeichnet 14.10.<strong>2008</strong><br />

Fusion zum 01.01.2010<br />

Nahrungsmittel und<br />

Gaststätten<br />

BGN<br />

Fleischerei-BG<br />

Bauwirtschaft<br />

BG Bau<br />

Metall<br />

BGMS Fusion am<br />

NMBG<br />

}<br />

30.03.2007<br />

Masch-BG<br />

HüWa-BG<br />

Handel<br />

}<br />

GroLa-BG<br />

Einzel-<br />

Fusion am<br />

handels-BG 01.01.<strong>2008</strong><br />

Verwaltungen und<br />

Dienstleistungen<br />

Verwaltungs-BG<br />

BG Glas und<br />

Keramik<br />

BG Bahnen<br />

Fusion<br />

01.01.2009<br />

01.01.2010<br />

Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

BGFE Fusion am<br />

Textil-BG<br />

}<br />

01.01.<strong>2008</strong><br />

BGDP<br />

Holz-BG<br />

BGFW<br />

Transport, Verkehr<br />

BG Farhzeughaltungen<br />

Fusion am<br />

See-BG<br />

}<br />

01.01.2010<br />

Gesundheitsdienst,<br />

Wohlfahrtspflege<br />

BGW<br />

Darstellung: BDA<br />

40 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Die BDA begrüßt grundsätzlich das mit der<br />

Verordnung verfolgte Ziel, die in unterschiedlichen<br />

Gesetzen, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften<br />

enthaltenen Regelungen zur arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge zusammenzuführen.<br />

Allerdings wird dieses Ziel nur bedingt erreicht,<br />

da Untersuchungsanlässe aus einschlägigen<br />

Rechtsbereichen (z. B. Strahlenschutz, Nachtarbeit)<br />

nicht einbezogen werden. Kritisch beurteilt<br />

die BDA zudem die Einrichtung eines weiteren<br />

staatlichen Ausschusses. Da zu den Aufgaben<br />

des Ausschusses die Erarbeitung von technischen<br />

Regeln und Erkenntnissen gehören soll, besteht<br />

die Gefahr, dass das Ziel der Rechtsvereinfachung<br />

konterkariert wird.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt<br />

„Unfallversicherung und Arbeitsschutz“ veröffentlicht.<br />

Selbstverwaltung stärken<br />

statt schwächen<br />

Das im April <strong>2008</strong> vom Bundesministerium für<br />

Arbeit und Soziales vorgelegte Gutachten zur<br />

„Geschichte und Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“<br />

enthält im Wesentlichen keine<br />

geeigneten Vorschläge zur Reform der sozialen<br />

Selbstverwaltung. Die BDA hat die darin unterbreiteten<br />

Empfehlungen weitgehend abgelehnt.<br />

Insbesondere der Vorschlag, die Mitwirkung der<br />

Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsorganen<br />

auf ein Drittel zu beschränken, ist nachdrücklich<br />

abzulehnen. Dies gilt schon deshalb, weil der als<br />

Begründung gegebene Hinweis auf einen geringeren<br />

Beitragsanteil der Arbeitgeber nicht zutreffend<br />

ist. Richtig ist vielmehr, dass die Arbeitgeber in<br />

den meisten Sozialversicherungszweigen sogar<br />

höhere Beiträge als die Versicherten zahlen.<br />

Ohnehin ist der tragende Grund für die paritätische<br />

Selbstverwaltung jedoch nicht der jeweilige<br />

Finanzierungsanteil: Andernfalls wäre<br />

z. B. eine Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern<br />

in der Selbstverwaltung der Unfallversicherung<br />

überhaupt nicht zu erklären. Vielmehr beruht die<br />

paritätische Mitwirkung vor allem darauf, dass<br />

die Beiträge zur Sozialversicherung nach wie vor<br />

ganz überwiegend über lohnbezogene Beiträge<br />

aufgebracht werden. Zudem soll mit der gleichberechtigten<br />

Einbindung der Arbeitgeber in die<br />

Selbstverwaltung der Sozialversicherung auch<br />

ihre Mitverantwortung für die Sozialversicherung<br />

zum Ausdruck gebracht und eingefordert werden.<br />

Bei einer bloßen Mitwirkung der Arbeitgeber in der<br />

Selbstverwaltung ohne tatsächliche Gestaltungsmöglichkeiten<br />

würde diese wesentliche Aufgabe<br />

und Rolle der paritätischen Selbstverwaltung<br />

durch Arbeitgeber und Versicherte hingegen aufgegeben.<br />

Kritisch zu sehen sind auch Überlegungen<br />

der Gutachter hinsichtlich einer Ausweitung des<br />

aktiven und passiven Wahlrechts auf Personen,<br />

die selbst nicht Mitglied der Sozialversicherung<br />

sind. Es darf nicht sein, dass weitere Personen in<br />

den Selbstverwaltungsorganen mitwirken, die nicht<br />

selbst mit eigenen Beiträgen an der Finanzierung<br />

der Sozialversicherung beteiligt sind und damit<br />

kein Interesse an einem möglichst wirtschaftlichen<br />

Einsatz der Beitragsmittel haben, sondern ausschließlich<br />

an höheren Leistungen. Des Weiteren<br />

fehlt im Gutachten ein überzeugender Vorschlag<br />

zur Modernisierung der Organisationsstrukturen.<br />

Im Hinblick auf das Gutachten und die aktuelle<br />

Diskussion über eine Reform der Selbstverwaltung<br />

hat die BDA im März <strong>2008</strong> das aktualisierte Positionspapier<br />

„Autonomie stärken – Organisationsstrukturen<br />

modernisieren“ mit Reformvorschlägen<br />

zur sozialen Selbstverwaltung vorgelegt. Die BDA<br />

hat sich darin klar für eine Reform der sozialen<br />

Selbstverwaltung ausgesprochen. Der in den letzten<br />

Jahren insgesamt gewachsene Staatseinfluss<br />

auf die Sozialversicherung muss gestoppt und zurückgedrängt<br />

werden. Dafür ist die Autonomie der<br />

Selbstverwaltung zu stärken, ihre Gestaltungsmöglichkeiten<br />

sind zu erweitern. Es muss sichergestellt<br />

werden, dass Versicherte und Arbeitgeber<br />

die von ihnen finanzierten Sozialversicherungen<br />

verantwortlich und aktiv mitgestalten können. Um<br />

die Effizienz der Arbeit der sozialen Selbstverwaltung<br />

zu erhöhen, sollten außerdem die historisch<br />

gewachsenen, teilweise aufgeblähten Organisationsstrukturen<br />

der Sozialversicherung durch ein<br />

einheitlich für alle Zweige der Sozialversicherung<br />

geltendes schlankes Verwaltungsratsmodell ersetzt<br />

werden. Ferner muss die paritätische Selbstverwaltung<br />

der Sozialversicherung durch Arbeitgeber<br />

und Versicherte auch dort eingeführt werden,<br />

wo sie heute noch fehlt.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 41


Entgegen der ursprünglichen Absicht des<br />

Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS) soll es in dieser Legislaturperiode – die<br />

Vorlage eines Gesetzentwurfs war für den Herbst<br />

dieses Jahres vorgesehen – doch keine gesetzlichen<br />

Änderungen im Bereich der Sozialwahlen<br />

mehr geben. Grund für den vorläufigen Verzicht<br />

auf ein Gesetzgebungsverfahren ist, dass die<br />

Vorbereitungen für die Ermöglichung von Onlinewahlen<br />

noch nicht abgeschlossen und die<br />

ansonsten geplanten Gesetzesänderungen für<br />

ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren laut<br />

BMAS nicht ausreichend sind.<br />

Die BDA wird sich weiter nachdrücklich für<br />

eine Reform der Selbstverwaltung einsetzen, die<br />

ihre Autonomie stärkt und ihre Organisationsstrukturen<br />

modernisiert.<br />

Aktiver Sozialer Dialog macht<br />

Stress-Richtlinie überflüssig<br />

Die europäischen Sozialpartner sind mit Erfolg<br />

den Richtlinienüberlegungen der EU-Kommission<br />

zum Thema „Stress“ entgegengetreten und haben<br />

sich in einer im Jahr 2004 abgeschlossenen Rahmenvereinbarung<br />

zu arbeitsbedingtem Stress zu<br />

Umsetzungsaktivitäten verpflichtet. <strong>2008</strong> endete<br />

die Umsetzungsphase dieser Vereinbarung.<br />

Die BDA hat während der Umsetzungsfrist die<br />

Fachdiskussion mit allen relevanten Präventionsverantwortlichen<br />

zum Thema „Psychische Belastung<br />

und arbeitsbedingter Stress“ in Deutschland<br />

in Symposien, Vorträgen und Druckschriften maßgeblich<br />

geprägt. Die Reihe der BDA-Symposien<br />

wurde mit der dritten Veranstaltung „Umgang mit<br />

psychischer Belastung im Unternehmen: betriebliche<br />

Konzepte und externe Unterstützung“ am<br />

5. März <strong>2008</strong> fortgesetzt. Im Mittelpunkt der<br />

Beiträge standen die Auswahl einer betriebsspezifischen<br />

Vorgehensweise sowie Unterstützungsangebote<br />

Externer. Dabei wurden vor allem die<br />

praktischen Erfahrungen der Präventionsarbeit<br />

der Kranken- und Unfallversicherung unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Einflusses psychischer<br />

Belastungen diskutiert. Daneben sind<br />

betriebsspezifische Herangehensweisen durch<br />

Beispiele zur Berücksichtigung psychischer Belastung<br />

im Rahmen von Gesundheitsprogrammen<br />

bis hin zu einem Gesundheitsmanagement behandelt<br />

worden.<br />

Aus der psychischen Belastung bei der Arbeit<br />

wird in der Öffentlichkeit fälschlicherweise die alleinige<br />

Begründung für den Anstieg der Fehlzeiten<br />

aufgrund psychischer Erkrankungen abgeleitet.<br />

Tatsächlich wird bei der insoweit postulierten Kausalbeziehung<br />

jedoch deutlich zu kurz gesprungen.<br />

Bei Berichten über den Anstieg von Fehlzeiten in<br />

diesem Bereich wird insbesondere oft außer Acht<br />

gelassen, dass der Anstieg der Arbeitsunfähigkeitszeiten<br />

wegen psychischer Störungen zu mehr<br />

als zwei Dritteln aus Krankschreibungen bei Arbeitslosen<br />

beruht (Quelle: Techniker Krankenkasse).<br />

Dies zeigt, dass insbesondere Menschen, denen<br />

sinngebende und anerkennende Arbeit fehlt,<br />

besonders anfällig für psychische Krisen sind.<br />

Außerdem ist festzustellen, dass die Fallzahlen<br />

psychischer Erkrankungen von Beschäftigten<br />

stabil bzw. nur leicht angestiegen sind.<br />

Aufgrund längerer Erkrankungsdauern bei dieser<br />

Indikation führt dies jedoch zu einem überproportionalen<br />

Anstieg bei der Zahl von Abwesenheitstagen.<br />

Unter Berücksichtigung der in den letzten<br />

Jahren stark gesunkenen Gesamtzahl bei den<br />

Abwesenheitstagen wirkt dieser Effekt statistisch<br />

gesehen noch signifikanter, d. h., bei relativ konstanter<br />

Zahl psychisch Erkrankter nimmt lediglich<br />

der Anteilswert zu.<br />

Die BDA wird dieses fachlich komplexe, gegenüber<br />

den psychischen Belastungen bei der Arbeit<br />

erweiterte Feld der psychischen Gesundheit<br />

weiter intensiv bearbeiten.<br />

ELENA-Verfahren ausbauen –<br />

Leistungsgesetze harmonisieren<br />

Derzeit berät der Bundestag den „Entwurf eines<br />

Gesetzes über das Verfahren des elektronischen<br />

Entgeltnachweises“ (ELENA-Verfahrensgesetz),<br />

den die Bundesregierung am 25. Juni <strong>2008</strong> beschlossen<br />

hat. Mit dem ELENA-Verfahren soll<br />

die Verpflichtung der Arbeitgeber zur schriftlichen<br />

Ausstellung von Entgeltbescheinigungen für ihre<br />

Arbeitnehmer (vor allem als Grundlage für die<br />

Berechnung von Sozialleistungen, z. B. Arbeitslosengeld<br />

oder Elterngeld) durch die Verpflichtung<br />

42 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


So funktioniert das ELENA-Verfahren<br />

Beispiel: Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung<br />

Arbeitgeber<br />

1<br />

zentrale<br />

Speicherstelle<br />

startet<br />

Datenabfrage<br />

3<br />

Agentur<br />

für Arbeit<br />

meldet<br />

monatlichen<br />

Datensatz<br />

4<br />

erhält Arbeitsbescheinigung<br />

2<br />

Teilnehmer<br />

gibt Datenabruf frei<br />

5<br />

erhält Leistung<br />

Zeitplan:<br />

ab 1. Januar 2009: Aufbau der zentralen Speicherstelle<br />

ab 1. Januar 2010: monatliche Entgeltmeldungen der Arbeitgeber – Aufbau des Datenpools<br />

ab 1. Januar 2012: Datenabrufe durch die leistungsgewährenden Stellen<br />

Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 43


zur monatlichen elektronischen Meldung von Entgeltdaten<br />

an eine zentrale Speicherstelle ersetzt<br />

werden.<br />

Die BDA setzt sich bereits seit Jahren für die<br />

Einführung des ELENA-Verfahrens ein, weil es die<br />

Grundlage für den Wegfall der zahlreichen von den<br />

Arbeitgebern zu erfüllenden Entgeltbescheinigungspflichten<br />

liefert. Sie hat ihre Zustimmung aber immer<br />

davon abhängig gemacht, dass die Entlastung der<br />

Arbeitgeber durch den Wegfall von Entgeltbescheinigungspflichten<br />

größer ist als der administrative<br />

Aufwand der Arbeitgeber durch die mit dem ELENA-<br />

Verfahren verbundene monatliche Meldung.<br />

Die BDA konnte erreichen, dass sich das<br />

ELENA-Verfahren nicht mehr nur auf drei Bescheinigungen<br />

der Bundesagentur für Arbeit beschränkt<br />

(Referentenentwurf), sondern nunmehr<br />

von Beginn an der Wegfall von sechs Bescheinigungspflichten<br />

der Arbeitgeber – zur Leistungsberechnung<br />

für das Arbeitslosen-, Wohn- und<br />

Elterngeld – vorgesehen ist. Das Potenzial des<br />

neuen Verfahrens wird jedoch auch mit dem vorliegendem<br />

Gesetzentwurf bei weitem nicht ausgeschöpft.<br />

Die Arbeitgeber müssen heute über 100<br />

Auskunfts-, Melde- und Bescheinigungspflichten<br />

nachkommen, darunter rund 45 Entgeltbescheinigungspflichten.<br />

Der Minderaufwand durch die<br />

entfallenden Bescheinigungspflichten übertrifft<br />

bislang allerdings nur in begrenztem Umfang den<br />

Aufwand der Arbeitgeber, der mit der Einführung<br />

des ELENA-Verfahrens verbunden ist.<br />

Die BDA setzt sich im Rahmen der parlamentarischen<br />

Beratung des Gesetzes daher weiter<br />

dafür ein, dass ein klarer Fahrplan zur zeitnahen<br />

Ersetzung aller Entgeltbescheinigungspflichten<br />

der Arbeitgeber festgelegt wird, so wie ihn zu<br />

Recht auch der Nationale Normenkontrollrat<br />

(NKR) in seinem Gutachten zum ELENA-Verfahren<br />

fordert. Ein Hinweis in der Gesetzesbegründung,<br />

weitere Bescheinigungen in das Verfahren<br />

mit einbeziehen zu wollen, reicht nicht aus. Zudem<br />

müssen auch die jeweiligen Leistungsgesetze,<br />

die die Abfrage von Entgeltdaten erfordern, besser<br />

aufeinander abgestimmt werden (einheitliche<br />

Entgeltbegriffe etc). Nur dann kann der vom Arbeitgeber<br />

monatlich für jeden Arbeitnehmer zu<br />

übermittelnde ELENA-Datensatz tatsächlich auf<br />

ein Minimum reduziert werden.<br />

Einführung einer Sofortmeldung<br />

zur Sozialversicherung: neue<br />

bürokratische Belastungen<br />

Der Gesetzentwurf eines „Zweiten Gesetzes zur<br />

Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und<br />

anderer Gesetze“ (2. SV-ÄndG) ist am 13. November<br />

<strong>2008</strong> vom Bundestag beschlossen worden. Das<br />

Gesetz soll zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.<br />

Der Gesetzentwurf sieht u. a. die Einführung<br />

einer Sofortmeldung zur Sozialversicherung zum<br />

1. Januar 2009 in neun Branchen vor, für die heute –<br />

bis auf die Fleischwirtschaft – die Mitführungspflicht<br />

für den Sozialversicherungsausweis gilt:<br />

1. Baugewerbe<br />

2. Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe<br />

3. Personenbeförderungsgewerbe<br />

4. Speditions-, Transport- und damit verbundenes<br />

Logistikgewerbe<br />

5. Schaustellergewerbe<br />

6. Unternehmen der Forstwirtschaft<br />

7. Gebäudereinigungsgewerbe<br />

8. Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau<br />

von Messen und Ausstellungen beteiligen<br />

9. Fleischwirtschaft<br />

Der Gesetzgeber ist nicht der grundsätzlichen<br />

BDA-Forderung gefolgt, angesichts der hohen<br />

Bürokratiekosten einer Sofortmeldung, diese<br />

zunächst nur in der besonders von Schwarzarbeit<br />

betroffenen Bauwirtschaft einzuführen und die<br />

hier gesammelten Erfahrungen abzuwarten. Gerade<br />

in personalintensiven Branchen wirft eine Sofortmeldung<br />

zahlreiche Probleme auf. Die oftmals<br />

notwendigen zügigen Einstellungen (z. B. Helfer<br />

bei Veranstaltungen, Bedienung in der Gastronomie)<br />

werden durch bürokratische Hemmnisse<br />

erschwert. Die Sofortmeldung wird zudem – ausweislich<br />

des Gesetzentwurfes – die Kosten jeder<br />

Neueinstellung um mindestens 7 € in die Höhe<br />

treiben.<br />

Das Gesetz geht nicht an die Ursachen von<br />

Schwarzarbeit heran – vor allen Dingen in Form<br />

von niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen sowie<br />

weniger Bürokratie und Regulierung –, sondern<br />

setzt „allein“ auf ein Bündel von Maßnahmen aus<br />

verstärkter Kontrolle und höherer Abschreckung.<br />

44 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung


Der BDA ist es im Gesetzgebungsverfahren allerdings<br />

gelungen, die für die Sofortmeldepflicht<br />

vorgesehenen Branchen von zunächst 16 auf<br />

nunmehr neun nahezu zu halbieren. Auch die<br />

noch im Referentenentwurf vorgesehene tägliche<br />

Überprüfungspflicht des Arbeitgebers bezüglich<br />

der Mitführung von Ausweispapieren durch die<br />

Arbeitnehmer konnte die BDA verhindern. Die nunmehr<br />

vorgesehene einmalige Hinweispflicht auf die<br />

Ausweismitführungsobliegenheit entspricht dem<br />

Vorschlag der BDA.<br />

Sozialversicherung wird in<br />

den Bürokratieabbauprozess<br />

einbezogen<br />

Die Initiative der Bundesregierung zum Bürokratieabbau<br />

hat bislang die von den Sozialversicherungsträgern<br />

geschaffenen Verwaltungsvorschriften, die<br />

auch Bürokratieaufwand in den Unternehmen verursachen,<br />

nicht berücksichtigt. Dies haben sowohl<br />

der Nationale Normenkontrollrat (NKR) als auch<br />

die BDA bereits im Herbst letzten Jahres kritisiert<br />

und eine Einbeziehung der Sozialversicherung in<br />

den Bürokratieabbauprozess gefordert. Der NKR<br />

schreibt in seinem Jahresbericht 2007: „Länder,<br />

Kommunen, Sozialversicherungsträger und andere<br />

öffentliche Körperschaften sind alle aufgerufen,<br />

die von ihnen verantworteten Verfahren und Abläufe<br />

auf den Prüfstand zu stellen und entsprechende<br />

Belastungen für Bürger und Wirtschaft abzubauen.<br />

In dieser Hinsicht gibt es noch viel zu tun.“<br />

Ende Februar <strong>2008</strong> fand auf Einladung der<br />

Bundesregierung und des NKR-Vorsitzenden ein<br />

Gespräch mit den hauptamtlichen Vorständen<br />

der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger<br />

und den zuständigen Staatssekretären des<br />

Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit statt. Die<br />

Teilnehmer haben einmütig die Initiative der Bundesregierung<br />

begrüßt. Das Ob der Einbeziehung<br />

der Sozialversicherung in den Bürokratieabbauprozess<br />

wurde von keinem der Eingeladenen in<br />

Frage gestellt. Es sollen nunmehr konkrete Bürokratieabbauprojekte<br />

vorangetrieben werden. Die<br />

BDA hat den im Sommer <strong>2008</strong> gebildeten Arbeitsgruppen<br />

konkrete Bürokratieabbauvorschläge<br />

unterbreitet und in den Arbeitsgruppensitzungen<br />

auf eine schnelle Umsetzung gedrungen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung 45


Arbeitsrecht beschäftigungsfördernd<br />

kodifizieren<br />

Das deutsche Arbeitsrecht gleicht einem Dschungel.<br />

Es ist unübersichtlich, teils widersprüchlich<br />

und daher häufig nur mithilfe eines Fachmanns<br />

durchschaubar. Im Jahr 2009 sind allein durch das<br />

Pflegezeitgesetz eine Vielzahl von nicht geklärten<br />

neuen Fragen aufgeworfen worden, die die Unternehmen<br />

mit großer Rechtsunsicherheit belasten,<br />

obwohl es für dieses Gesetz keine Veranlassung<br />

gegeben hat. Neben der Gesetzgebung trägt die<br />

Rechtsprechung ihren Anteil dazu bei, dass bereits<br />

im Ansatz unklare gesetzliche Regelungen weiter<br />

verkompliziert und undurchschaubarer werden.<br />

So hat es z. B. das Landesarbeitsgericht Berlin-<br />

Brandenburg als eines von 15 Obergerichten des<br />

Arbeitsrechts in Deutschland als Indizbeweis für<br />

eine Diskriminierung anerkannt, wenn in einem<br />

Unternehmen mit schlanken Führungsstrukturen<br />

von wenigen Mitarbeitern in bestimmten Positionen<br />

in erster Linie Mitarbeiter des einen Geschlechts<br />

eingesetzt werden, während in anderen<br />

Positionen Mitarbeiter des anderen Geschlechts<br />

in der Überzahl sind. Entscheiden muss nun das<br />

Bundesarbeitsgericht.<br />

Das sind nur zwei Entwicklungen aus der<br />

zweiten Jahreshälfte <strong>2008</strong>, die schlaglichtartig belegen,<br />

dass das deutsche Arbeitsrecht vor allem<br />

Rechtsunsicherheit und Unklarheit hervorruft.<br />

Diese Rechtsunsicherheit und Unklarheit führen<br />

im Ergebnis dazu, dass das Arbeitsrecht keine<br />

positiven Beschäftigungsimpulse aussendet. Arbeitsrecht<br />

sollte aber als zentraler Baustein der<br />

Gesamtwirtschaftsordnung in besonderem Maße<br />

einen Beitrag dazu leisten, dass Arbeitsplätze geschaffen<br />

werden können.<br />

Ein Weg zu mehr Rechtssicherheit und Klarheit<br />

im Arbeitsrecht kann die Kodifizierung des<br />

deutschen Arbeitsrechts, vor allem des Arbeitsvertragsrechts,<br />

in einem Gesetzbuch sein. Eine<br />

solche Kodifikation kann nur dann Beschäftigungsimpulse<br />

setzen, wenn sie klare und übersichtliche<br />

Rechtsregeln für die Arbeitsbeziehung zwischen<br />

Arbeitnehmer und Arbeitgeber schafft.<br />

Die BDA hat sich daher intensiv an dem Diskussionsprozess<br />

um den im Auftrag der Bertelsmann<br />

Stiftung erstellten Diskussionsentwurf eines<br />

Arbeitsvertragsgesetzes beteiligt. Wir sind dabei<br />

zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Diskussionsentwurf<br />

in seinem jetzigen Stadium nicht die<br />

Voraussetzungen erfüllt, das Arbeitsrecht beschäftigungsfördernd<br />

weiterzuentwickeln. Er kann in der<br />

nunmehr vorliegenden dritten Aufarbeitung noch<br />

keine Grundlage für die Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts<br />

sein.<br />

Der Entwurf enthält zahlreiche neue Regelungen,<br />

die bereits allein dadurch, dass die<br />

bestehende Systematik und die Wortwahl verändert<br />

werden, neue Rechtsfragen und Risiken für<br />

das Arbeitsrecht mit sich bringen. Ein Beispiel:<br />

Kündigungen, die während der ersten sechs<br />

Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses<br />

ausgesprochen werden, sollen auf ihre Verhältnismäßigkeit<br />

überprüft werden können. Selbst wenn<br />

die Entwurfsverfasser keine Änderungen der<br />

geltenden Rechtslage gewollt haben, haben sie<br />

eine solche aber mit der gewählten Formulierung<br />

und vor allem der neuen Systematik geschaffen.<br />

Eine solche Regelung bedeutete die Einführung<br />

eines Kündigungsschutzes während der heute<br />

noch bestehenden Wartezeit. Eine bewusste Verschlechterung<br />

bedeutet demgegenüber der Vorschlag,<br />

den Bezugspunkt für den Schwellenwert<br />

durch eine Neuregelung im Entwurf zu ändern.<br />

Der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern für<br />

die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes wird<br />

zwar beibehalten. Allerdings sieht der Entwurf vor,<br />

dass bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl auf<br />

das Unternehmen und nicht wie bisher auf den<br />

Betrieb abzustellen ist. Dies würde zu einer massiven<br />

Ausdehnung des Anwendungsbereiches<br />

des Kündigungsschutzes führen.<br />

Ein für die Arbeitsbeziehungen und die gesamte<br />

Wirtschaftsordnung zentrales Vorhaben<br />

wie die Kodifikation des Arbeitsrechts bedarf nach<br />

alldem vielfältiger, systematischer und abgewogener<br />

Vorarbeiten, um die mit seiner Umsetzung<br />

verbundene Rechtsunsicherheit so gering wie<br />

möglich zu halten und gleichzeitig stringente und<br />

in sich schlüssige Regelungen zu schaffen, die<br />

sich widerspruchsfrei in das Gesamtkonzept des<br />

Arbeitsrechts mit seinen vielfältigen auch kollektivrechtlichen<br />

Bezügen einpassen. Die Kodifikation<br />

des Arbeitsvertragsrechts darf nicht über das Knie<br />

gebrochen werden.<br />

50 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Auswirkung von Regulierung auf die Arbeitslosenzahlen<br />

Prozent<br />

12<br />

3<br />

8<br />

2<br />

4<br />

1<br />

0<br />

Österreich Dänemark Frankreich Deutschland Irland Italien Spanien<br />

0<br />

Arbeitslosenzahl (linke Zahl)<br />

Regulierungsindex (rechte Skala)<br />

Regulierungsindex von 1 (gering) bis 4 (hoch)<br />

Quelle: OECD, basierend auf der letzten Datenerhebung zum Regulierungsindex 2003; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 51


Für eine moderne Arbeitsmarktordnung<br />

Abfindungsoption für mehr Rechtssicherheit<br />

einführen<br />

Die Arbeitsvertragsparteien entscheiden<br />

selbst, ob, unter welchen Bedingungen und<br />

in welcher Höhe eine Abfindung am Ende des<br />

Arbeitsverhältnisses gezahlt werden soll. Im<br />

Vereinbarungsweg können am ehesten Lösungen<br />

gefunden werden, die den jeweiligen<br />

Bedürfnissen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

gerecht werden.<br />

Die Abfindungsoption, die zu jedem Zeitpunkt<br />

des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden<br />

kann, trägt zu einer erheblichen Stärkung<br />

der Rechtssicherheit bei. Sie ist aus diesem<br />

Grund dem klassischen Aufhebungsvertrag<br />

oder dem Abwicklungsvertrag überlegen.<br />

Je früher ein Abfindungsschutz vereinbart<br />

wird, desto eher kennen Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

die Umstände, unter denen das<br />

Rechtsverhältnis endet. Das führt zu einer erhöhten<br />

Kalkulierbarkeit und Rechtssicherheit<br />

zu einem möglichst frühen Zeitpunkt.<br />

Eine Abfindungsoption geht weiter als die in<br />

§ 1a KSchG vorgesehene zu enge Regelung,<br />

wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer<br />

lediglich für den Fall, dass der Ausspruch<br />

einer betriebsbedingten Kündigung ansteht,<br />

die Zahlung einer Abfindung für den Fall anbieten<br />

kann, dass der Arbeitnehmer auf die<br />

Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet.<br />

Diese Abfindungsregelung sieht ein<br />

Abfindungsangebot des Arbeitgebers nur für<br />

den Zeitraum im unmittelbaren Zusammenhang<br />

mit dem Ausspruch der Kündigung vor.<br />

Erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist<br />

erlangt der Arbeitgeber Rechtssicherheit<br />

über die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />

Da es der freien Verhandlung der Vertragspartner<br />

obliegt, zwischen Abfindung und Bestandsschutz<br />

zu wählen, können die Parteien<br />

auch frei darüber entscheiden, ob sie neben<br />

betriebsbedingten auch verhaltens- oder<br />

personenbedingte Kündigungen durch einen<br />

Abfindungsschutz erfassen wollen.<br />

Eine Abfindungsvereinbarung kommt auch in<br />

Fällen in Betracht, in denen der Arbeitnehmer<br />

Sonderkündigungsschutz genießt. Allerdings<br />

sollte ein Arbeitnehmer dann nicht an einer<br />

Abfindungsvereinbarung festhalten, wenn<br />

der den Sonderkündigungsschutz auslösende<br />

Sachverhalt (wie z. B. eine Schwerbehinderung)<br />

erst nach dem Abschluss der Vereinbarung<br />

eintritt. Aufgrund der regelmäßig<br />

erheblich veränderten persönlichen Situation<br />

des Arbeitnehmers, die zu seinem Sonderkündigungsschutz<br />

führt, ist es vielmehr angemessen,<br />

dem Arbeitnehmer in diesem Fall<br />

ein Wahlrecht einzuräumen. Er kann gegenüber<br />

dem Arbeitgeber erklären, ob er an der<br />

Abfindungsvereinbarung festhalten möchte<br />

oder nicht. Damit bleibt ihm offen, sich für<br />

den Sonderkündigungsschutz auf Basis der<br />

gesetzlichen Regelungen zu entscheiden.<br />

Weil die Abfindung auf einer vertraglichen<br />

Grundlage basiert, bedarf es keiner gesetzlichen<br />

Vorgaben für die Abfindungshöhe. Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer können sie vielmehr<br />

individuell aushandeln. Dadurch kann<br />

Branchenunterschieden, der Wirtschaftskraft<br />

des Unternehmens oder einer besonderen<br />

Wettbewerbssituation im Einzelfall Rechnung<br />

getragen werden. Gleichzeitig können die<br />

Parteien vereinbaren, dass eine Anrechnung<br />

der vereinbarten Abfindung auf eine eventuelle<br />

Sozialplanabfindung erfolgt.<br />

52 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Mit der Vereinbarung des Abfindungsschutzes<br />

können Prozesskosten reduziert werden, da<br />

der Arbeitnehmer im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung<br />

auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage<br />

verzichtet. Das Institut<br />

der deutschen Wirtschaft Köln hat in seiner<br />

Umfrage ermittelt, dass fast jede dritte arbeitgeberseitige<br />

Kündigung mit der Kündigungsschutzklage<br />

angegriffen wird.<br />

Bestandsschutz praxistauglich<br />

weiterentwickeln<br />

Anhebung des Schwellenwertes für die Anwendung<br />

des Kündigungsschutzgesetzes<br />

auf 20 Arbeitnehmer<br />

Moderne Arbeitsformen unterstützen<br />

Streichung des Ersteinstellungserfordernisses;<br />

eine Wartezeit von sechs Monaten zwischen<br />

zwei Arbeitsverhältnissen ist sachgerecht und<br />

genügt dem anwendbaren Europarecht.<br />

Einführung einer Befristungsmöglichkeit für<br />

den Fall der drohenden Arbeitslosigkeit unabhängig<br />

vom Alter<br />

Keine neuen Reglementierungen in der Zeitarbeit<br />

Anhebung der Wartezeit auf 24 Monate<br />

Möglichkeit eines gerichtlichen Auflösungsantrages<br />

für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses<br />

bei allen Unwirksamkeitsgründen<br />

Anpassungsfähigkeit erleichtern<br />

Nachvollziehbare Kriterien für die Kontrolle<br />

vertraglicher Gestaltungsoptionen durch eine<br />

klare Eingrenzung des AGB-Rechts<br />

Gesetzliche Fixierung von Freiwilligkeits- und<br />

Widerrufsvorbehalten, um für Krisenzeiten<br />

eine flexible Gestaltung von Arbeitsvertragsbestandteilen<br />

zu ermöglichen<br />

Reform der Änderungskündigung, damit diese<br />

ein wirksames Instrument für den Erhalt<br />

von Arbeitsplätzen werden kann<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 53


Die BDA wird sich weiter intensiv in den Diskussionsprozess<br />

um die Kodifikation des Arbeitsrechts<br />

einbringen. Forderungen nach weiterer<br />

Regulierung und damit einer massiven Einschränkung<br />

der Chance, neue Beschäftigung zu schaffen,<br />

werden wir uns entschieden entgegenstellen.<br />

Wir werden auch weiter für Regelungen werben,<br />

die neue Chancen eröffnen, die Beschäftigung stimulieren<br />

und das Arbeitsrecht zu einem Unterstützungsmotor<br />

für neue Beschäftigung machen. Es<br />

bedarf neuer Strukturen, die die Anpassungsfähigkeit<br />

des Arbeitsrechts verbessern und damit den<br />

Anforderungen an eine globalisierte, im ständigen<br />

Wettbewerb stehende Wirtschaft gerecht werden.<br />

Für eine moderne Arbeitsmarktordnung<br />

– Beschäftigungsbremse<br />

Arbeitsrecht lösen<br />

Das Präsidium der BDA hat daher im Sommer<br />

2007 die Kommission „Für eine moderne Arbeitsmarktordnung“<br />

unter dem Vorsitz von Herrn<br />

Lauer, Mitglied des Vorstands der Lufthansa und<br />

des Präsidiums der BDA sowie Vorsitzender des<br />

Arbeitsrechtsausschusses der BDA, eingesetzt.<br />

Die Kommission, an deren Arbeit Vertreter aus<br />

Unternehmen, Verbänden und der Wissenschaft<br />

als Mitglieder teilgenommen haben, hat das Arbeitsrecht<br />

und seine Folgen für das Arbeitsmarktgeschehen<br />

intensiv untersucht und dabei weitere<br />

wissenschaftliche Expertise herangezogen. Die<br />

Kommission hält grundlegende gesetzliche Regelungen<br />

zum Arbeitsvertragsrecht für zwingend.<br />

Diese müssen Klarheit und Übersichtlichkeit im<br />

Arbeitsrecht fördern. Wer Beschäftigungschancen<br />

erhalten und verbreitern will, muss das Arbeitsvertragsrecht<br />

verändern.<br />

Im Rahmen der Kommissionsarbeit wurden<br />

die Arbeitsmarktordnungen Dänemarks und<br />

Österreichs eingehend analysiert und ihre Vergleichbarkeit<br />

und Übertragbarkeit diskutiert. Die<br />

Kommission ist einvernehmlich zu dem Ergebnis<br />

gekommen, dass beide Rechtsordnungen interessante<br />

Elemente enthalten, als Gesamtrechtssystem<br />

jedoch nicht auf den deutschen Arbeitsmarkt<br />

übertragen werden können. In einer groß angelegten,<br />

in ihrem Umfang und in ihrer Datenfülle<br />

bisher einmaligen Studie zu den Auswirkungen<br />

des Kündigungsrechts hat die Kommission zahlreiche<br />

Anhaltspunkte für mögliche Reformansätze<br />

für das Arbeitsrecht erhalten.<br />

Für mehr Rechtssicherheit und Kalkulierbarkeit<br />

im Kündigungsschutz hat die Kommission das<br />

Konzept einer Abfindungsoption entwickelt. Die<br />

Option fügt sich in das bestehende System des<br />

Kündigungsschutzes ein und entwickelt es fort.<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit<br />

erhalten, von dem Prinzip des Bestandsschutzes<br />

einvernehmlich durch eine Abfindungsvereinbarung<br />

abzuweichen. Für den Fall der Kündigung wird dem<br />

Arbeitnehmer eine Abfindung zugesagt; dieser<br />

verzichtet im Gegenzug auf die Möglichkeit, Klage<br />

gegen die Kündigung zu erheben.<br />

Der Kommissionsbericht wurde vom Präsidium<br />

der BDA am 15. September <strong>2008</strong> zustimmend<br />

zur Kenntnis genommen. Er kann im Internet unter<br />

www.arbeitgeber.de in der Rubrik „Initiativen“ abgerufen<br />

werden.<br />

Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten<br />

– Flexibilität sichern<br />

Arbeitszeitkonten sind ein integraler Bestandteil<br />

der betrieblichen Personalpolitik und aus Unternehmen<br />

und Betrieben nicht wegzudenken. Dies<br />

gilt sowohl für Konten, mit denen schwankende<br />

Auftragslagen ausgeglichen werden sollen (Flexikonten),<br />

wie für Konten, mit denen langfristige<br />

Ziele, insbesondere die individuelle und betriebliche<br />

Gestaltung des Erwerbslebens, geplant werden<br />

(Lang- und Lebensarbeitszeitkonten).<br />

Ohne Flexikonten können die im internationalen<br />

Vergleich zu kurzen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer<br />

nicht ausgeglichen werden. Flexikonten<br />

sind daher unverzichtbar. Die BDA begrüßt ausdrücklich,<br />

dass sie aus dem Anwendungsbereich<br />

des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />

für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen<br />

ausgenommen sind. Das Gesetz<br />

soll am 1. Januar 2009 in Kraft treten.<br />

54 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Arbeitszeitkonten: große Unternehmen flexibler<br />

So viel Prozent der Unternehmen boten ihren Mitarbeitern im Jahr 2004<br />

folgende Formen der Arbeitszeitflexibilisierung<br />

Prozent<br />

55<br />

50<br />

50<br />

49<br />

50<br />

52<br />

45<br />

40<br />

39<br />

35<br />

30<br />

32<br />

25<br />

26<br />

20<br />

18<br />

15<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

8<br />

7<br />

5<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1– 9 10 –19 20 –199 200 – 999 1.000 und mehr Beschäftigte<br />

Jahresarbeitszeitkonten<br />

Lebensarbeitszeitkonten<br />

keine flexiblen Arbeitszeiten<br />

Befragung von mehr als 20.000 deutschen Unternehmen im Herbst 2004; Mehrfachnennungen;<br />

Rest zu 100: sonstige Flexibilisierungsformen wie etwa Telearbeit und Gleitzeit; Quelle: DIHK; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 55


Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten –<br />

BDA erreicht positive Veränderungen<br />

Der wichtigste Erfolg ist, dass Flexikonten auch weiterhin von bürokratischen Einschränkungen befreit<br />

bleiben. Dies ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber den noch im Referentenentwurf enthaltenen<br />

Vorstellungen. Die klare Unterscheidung bei der Definition von Wertguthaben muss unbedingt erhalten<br />

bleiben. Flexikonten und Langzeitkonten sind verschiedene Instrumente mit unterschiedlichen<br />

Zielsetzungen.<br />

Grundsätzlich sind Wertguthaben unter Ausschluss der Rückführung durch einen Dritten zu führen,<br />

der im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers für die Erfüllung der Ansprüche aus dem Wertguthaben<br />

für den Arbeitgeber einsteht. Als gleichwertiges Sicherungsmittel sieht das Gesetz nunmehr auch<br />

ein Versicherungsmodell oder schuldrechtlich ein Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodell mit ausreichender<br />

Sicherung gegen Kündigung an. Mit dieser Öffnung für liquiditätserhaltende Sicherungsmittel<br />

wie die Bankbürgschaft konnte die BDA einen Fortschritt gegenüber dem Referentenentwurf<br />

erzielen. So können die Unternehmen weiterhin Sicherungsmittel gegen Insolvenz wählen, die die<br />

Liquidität im Unternehmen belassen.<br />

Die BDA konnte die Einführung einer Zwangsportabilität verhindern. Der Arbeitnehmer soll sein<br />

Wertguthaben zu einem neuen Arbeitgeber mitnehmen können, wenn dieser zustimmt. Anderenfalls<br />

kann er es auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen, will er es sich nicht auszahlen<br />

lassen. Die BDA konnte so verhindern, dass ein folgender Arbeitgeber verpflichtet wird, ein bestehendes<br />

Wertguthaben seines neuen Arbeitnehmers zu übernehmen.<br />

Hat der Arbeitgeber ein nach Feststellung der Rentenversicherung nicht ausreichendes Insolvenzsicherungsmittel<br />

gewählt, hat er die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten eine ausreichende<br />

Insolvenzsicherung vorzunehmen. Die BDA konnte erreichen, dass die Frist jedenfalls von einem<br />

Monat auf zwei verlängert wurde.<br />

Es wurde an der Regelung festgehalten, dass Wertguthaben zukünftig als Arbeitsentgeltguthaben<br />

zu führen sind. Auf Drängen der BDA ist für bestehende Wertguthaben allerdings nunmehr eine Bestandsschutzregelung<br />

in § 116 Abs. 1 SGB IV enthalten. Diese sieht vor, dass Wertguthaben, die zum<br />

Zeitpunkt des Inkrafttretens als Zeitguthaben geführt werden, auch weiterhin als Zeit- oder Entgeltguthaben<br />

geführt werden können. Dies gilt auch für neu vereinbarte Wertguthabenvereinbarungen<br />

auf der Grundlage früherer Vereinbarungen.<br />

56 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Das Interesse der Arbeitnehmer an einer ausreichenden<br />

Insolvenzsicherung von Langzeitkonten<br />

ist nachvollziehbar und verständlich und wird<br />

von den Arbeitgebern ausdrücklich unterstützt.<br />

Eine Verbesserung des Insolvenzschutzes sollte<br />

aber nicht ohne Berücksichtigung der Interessen<br />

von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an einer<br />

praktikablen Führung von Wertguthaben verfolgt<br />

werden. Das vorliegende Gesetz sieht dagegen<br />

vielfältige Beschränkungen für die Führung von<br />

Wertguthaben vor. Das betrifft insbesondere die<br />

geplante Werterhaltgarantie und weit reichende<br />

Anlagebeschränkungen.<br />

Nach der Werterhaltgarantie ist der Arbeitgeber<br />

verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei einer<br />

Inanspruchnahme des Kontos das Guthaben<br />

in demselben Umfang zu garantieren, in dem<br />

es eingezahlt wurde. Das führt dazu, dass jede<br />

Inanspruchnahme des Wertguthabens die Garantiepflicht<br />

des Arbeitgebers auslöst. Durch die<br />

geplante Anlagebeschränkung, nach der das<br />

Wertguthaben zu nicht mehr als 20 % in Aktien<br />

oder Aktienfonds angelegt werden darf, werden<br />

Renditechancen von Kapitalanlagemöglichkeiten<br />

unnötig geschmälert. Gleiches gilt für den Verweis<br />

auf die Anlagevorschriften in §§ 80 ff. SGB IV.<br />

Noch gravierender schlägt zu Buche, dass<br />

es an Übergangsregelungen fehlt. Gerade auf<br />

Wunsch der Arbeitnehmer sind häufig Anlagemodelle<br />

gewählt worden, die durch die Gesetzesänderung<br />

jetzt schlagartig in Frage gestellt werden.<br />

Es droht die Gefahr, dass überstürzte Umschichtungen<br />

insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen<br />

Finanzmarktkrise zu erheblichen finanziellen<br />

Verlusten bei Wertguthaben führen. Die BDA<br />

wird sich weiter für eine handhabbare Übergangslösung<br />

einsetzen. Wir werden darauf hinwirken, in<br />

dem Anwendungsschreiben der Sozialversicherungsträger<br />

zu dem Gesetz und in dem Schreiben<br />

des Bundesministeriums der Finanzen zur steuerrechtlichen<br />

Flankierung Klarstellungen zu erreichen,<br />

die die Betriebe bei der Umstellung auf das<br />

neue System entlasten.<br />

betriebliche Altersversorgung zu übertragen. Einer<br />

solchen Beschränkung hätte es nicht bedurft.<br />

Ebenfalls abzulehnen ist, dass das Gesetz<br />

im Falle eines Arbeitgeberwechsels ausschließlich<br />

eine Übertragung des Guthabens auf die Deutsche<br />

Rentenversicherung (DRV) Bund zulässt,<br />

wenn der folgende Arbeitgeber nicht bereit ist,<br />

ein bestehendes Wertguthaben zu übernehmen.<br />

Sinnvoll wäre es gewesen, alternativ eine Übertragung<br />

an private Treuhänder vorzusehen oder zu<br />

ermöglichen, dass ein Wertguthaben beim alten<br />

Arbeitgeber verbleibt.<br />

Unpraktikabel ist schließlich, dass der Arbeitgeber<br />

einen einmal gewählten Insolvenzsicherungsweg<br />

nur mit Zustimmung jedes einzelnen<br />

Arbeitnehmers wechseln kann. Das gilt selbst<br />

dann, wenn der Arbeitgeber ein für seinen Betrieb<br />

besser geeignetes Sicherungsmodell findet, das<br />

den Arbeitnehmern den gleichen Schutz bietet<br />

und den gesetzlichen Vorgaben für eine adäquate<br />

Insolvenzsicherung entspricht. Die Zustimmung<br />

des Betriebsrats muss in einem solchen Fall ausreichend<br />

sein.<br />

AGG: Bürokratie, Kosten und<br />

Rechtsunsicherheit<br />

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)<br />

ist ein gewaltiger Kosten-, Bürokratie- und Unsicherheitsfaktor.<br />

Es fördert missbräuchliche Klagen.<br />

Durch das AGG werden die Unternehmen mit<br />

einem bürokratischen und kostenträchtigen Begründungs-<br />

und Dokumentationsaufwand belastet.<br />

Der Rechtfertigungsdruck geht so weit, dass viele<br />

Unternehmen sich genötigt sehen, sog. AGG-Policen<br />

bei Versicherungen abzuschließen, um Schadensersatzforderungen<br />

entgegenzuwirken. Diese<br />

Ausgaben und weitere Kosten für Schulungen und<br />

die übrige Gesetzesimplementierung haben dazu<br />

geführt, dass die Unternehmen alleine im ersten<br />

Jahr nach Inkrafttreten des AGG 1,73 Mrd. € zusätzlich<br />

ausgegeben haben.<br />

Darüber hinaus soll es in Zukunft nicht mehr<br />

möglich sein, Wertguthaben, die nicht mehr durch<br />

Freistellungen abgebaut werden können, unter<br />

bestimmten Voraussetzungen beitragsfrei in die<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 57


AGG: Bürokratie, Kosten und Rechtsunsicherheit<br />

1 %<br />

4 %<br />

7 %<br />

Sonstige<br />

Zusätzl. Aufwand<br />

Stammbelegschaft<br />

22 %<br />

Dokumentation<br />

Screening, Standards<br />

Schulungen<br />

Strategie<br />

31 %<br />

35 %<br />

Verteilung der Gesamtkosten nach Kostenblöcken<br />

Quelle: Empirische Erhebungen der Gesetzesfolgekosten aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft; Darstellung: BDA<br />

58 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Die am 14. August <strong>2008</strong> von der Antidiskriminierungsstelle<br />

des Bundes veröffentlichten<br />

Einschätzungen, die die Kosten infolge der Umsetzung<br />

des AGG lediglich mit einer Höhe von<br />

26 Mio. € in Ansatz bringen, haben sich als unseriöser<br />

Schnellschuss erwiesen. Mittlerweile räumt<br />

selbst Prof. Dr. Priddat, Mitglied der wissenschaftlichen<br />

Kommission der Antidiskriminierungsstelle<br />

des Bundes, ein, dass er – ohne eigene Daten zu<br />

erheben – die in der Studie der Initiative Neue Soziale<br />

Marktwirtschaft bei 501 Unternehmen ermittelten<br />

Belastungen in Höhe von 26 Mio. € nicht auf<br />

die gesamte deutsche Volkswirtschaft hochgerechnet<br />

hat. Das ist politischer Aktionismus, der unter<br />

dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit immer<br />

neue Belastungen für die Wirtschaft schafft.<br />

Die Arbeitsgerichte werden zunehmend durch<br />

Klagen wegen Verstößen gegen das AGG belastet.<br />

Der Vorsitzende des Bundes der Richterinnen<br />

und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit sagte bei<br />

der Delegiertenversammlung am 9. Oktober <strong>2008</strong><br />

in Rostock, dass dabei Klagen von sog. AGG-Hoppern,<br />

die sich hundertfach auf Stellen bewerben<br />

und dann die Firmen bei Ablehnung verklagen,<br />

auffallend seien. AGG-Hopper würden sich gezielt<br />

auf solche Annoncen bewerben, die Differenzierungen<br />

vornehmen, und dann auf Entschädigung<br />

in Höhe von drei Monatsgehältern klagen.<br />

Die Rechtsprechung sowohl auf nationaler<br />

als auch auf europäischer Ebene zeigt die Richtigkeit<br />

der allgemeinen Kritik am AGG. Allein durch<br />

einzelne Entscheidungen von Arbeitsgerichten<br />

wird deutlich, dass enorme Rechtsunsicherheit<br />

nicht nur bei den Unternehmen besteht. Sogar die<br />

Zulässigkeit der so wichtigen Bildung von Altersgruppen<br />

im Rahmen einer Sozialauswahl wird angezweifelt.<br />

Erfreulicherweise hat sich das Bundesarbeitsgericht<br />

in der Rechtssache „Karmann“ mit<br />

Urteil vom 6. November <strong>2008</strong> (2 AZR 701/07) zur<br />

Altersgruppenbildung bekannt. Die aktuelle Entscheidung<br />

des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg<br />

vom 26. November <strong>2008</strong> zeigt hingegen,<br />

mit welch weit reichenden Konsequenzen Unternehmen<br />

infolge der Beweislastumkehr rechnen<br />

müssen. Das Landesarbeitsgericht geht davon<br />

aus, dass eine Statistik über die Geschlechtsverteilung<br />

auf den einzelnen Hierarchieebenen bereits<br />

als Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung bei<br />

der Beförderung herangezogen werden kann. Als<br />

Schadensersatz hat das Landesarbeitsgericht die<br />

Vergütungsdifferenz zu derjenigen Position, und<br />

zwar auch unbegrenzt für die Zukunft, zugesprochen,<br />

in die die Klägerin nicht befördert worden<br />

war. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht<br />

der Klägerin wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />

eine Entschädigung wegen immateriellen<br />

Schadens in Höhe von 20.000 € zugesprochen.<br />

Noch deutlicher werden die möglichen<br />

Gefahren des unbegrenzten Schadensersatzes in<br />

einem Rechtsstreit gegen die R+V-Versicherung.<br />

Die Klägerin macht einen Schadensersatz in Höhe<br />

von annähernd 500.000 € geltend.<br />

Auf nationaler wie europäischer Ebene besteht<br />

daher Handlungsbedarf. Die Bundesregierung<br />

ist aufgefordert, endlich aus der derzeitigen<br />

Rechtsprechung Konsequenzen zu ziehen. Wie<br />

die aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts<br />

Berlin-Brandenburg zeigt, führt die faktische<br />

Beweislastumkehr des § 22 AGG zu abstrusen<br />

Ergebnissen. Ebenso ist die Beschränkung der<br />

Höhe des Schadensersatzes entsprechend dem<br />

Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB bis zum<br />

Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist für eine<br />

ordentliche Kündigung klarzustellen, um eine<br />

Ausweitung ins Uferlose zu verhindern, die fatale<br />

nicht kalkulierbare finanzielle Folgen für Arbeitgeber<br />

hätte.<br />

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) als<br />

oberstes Gericht der Gemeinschaft stärkt die<br />

ohnehin vorhandene Rechtsunsicherheit noch.<br />

In seinem Urteil in der Rechtssache „Feryn“ vom<br />

10. Juli <strong>2008</strong> (C-54/07) hat der EuGH entschieden,<br />

dass eine Diskriminierung auch dann vorliegen<br />

kann, wenn es gar keine Diskriminierten gibt. In<br />

diesem Fall könnten Antidiskriminierungsvereinen<br />

Schadensersatzansprüche zustehen. In der Rechtssache<br />

„Coleman“ vom 17. Juli <strong>2008</strong> (C-303/06)<br />

hat der EuGH entschieden, dass eine Diskriminierung<br />

wegen einer Behinderung auch dann<br />

vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer selbst nicht<br />

behindert ist.<br />

Die EU hat aus diesen Rechtsunsicherheit<br />

verursachenden Entscheidungen nichts gelernt<br />

und beabsichtigt sogar, die Antidiskriminierungsrichtlinien<br />

auf EU-Ebene auszuweiten, was die Anwendung<br />

des Grundsatzes der Gleichbehandlung<br />

ungeachtet der Religion oder der Weltanschau-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 59


ung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen<br />

Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes,<br />

also im allgemeinen Zivilrecht, zur Folge hätte.<br />

Die BDA lehnt eine solche Ausweitung ab. Diese<br />

steht insbesondere aufgrund der vorgesehenen<br />

faktischen Beweislastumkehr im Widerspruch zur<br />

geplanten Entbürokratisierung auf EU-Ebene. Die<br />

Bundesregierung muss daher die Verabschiedung<br />

der neuen Richtlinie unbedingt verhindern.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Antidiskriminierung“ veröffentlicht.<br />

Betriebsverfassung<br />

bleibt reformbedürftig<br />

Am 13. August <strong>2008</strong> sind Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes<br />

aufgrund des „Gesetzes<br />

zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen<br />

verbundenen Risiken“ in Kraft getreten. Zu den<br />

wirtschaftlichen Angelegenheiten, über die das<br />

Unternehmen den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig<br />

und umfassend unter Vorlage der erforderlichen<br />

Unterlagen unterrichten muss, gehört nun<br />

ausdrücklich auch die Übernahme des Unternehmens,<br />

wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden<br />

ist.<br />

Die BDA konnte im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens<br />

verhindern, dass Unternehmensübernahmen<br />

in den Katalog der Betriebsänderungstatbestände<br />

in § 111 BetrVG aufgenommen wurden.<br />

Trotzdem ist auch die nun erfolgte Neuregelung<br />

überflüssig und bringt neue Rechtsunsicherheit<br />

durch Vermischung betriebsverfassungsrechtlicher<br />

und gesellschaftsrechtlicher Vorgänge mit sich. Die<br />

Neuregelung ist überflüssig, weil entsprechende<br />

Informationspflichten – sofern unmittelbare Auswirkungen<br />

für die Arbeitnehmer bestehen – bereits<br />

heute im Betriebsverfassungsgesetz und z. B. bei<br />

Betriebsübergängen verankert sind.<br />

Statt dieser neuen Bürokratisierung wäre ein<br />

Schritt in Richtung Flexibilisierung und Verhandlungsoffenheit<br />

der betrieblichen Mitbestimmung<br />

dringend erforderlich. Diese muss schnell, flexibel<br />

und passgenau sein. Die BDA setzt sich deshalb<br />

dafür ein, dass stärker als bisher Abweichungen<br />

von gesetzlichen Betriebsratsstrukturen ermöglicht<br />

werden. Gerade die Dauer von Mitbestimmungsverfahren<br />

führt oft zu erhöhten Kosten für die Unternehmen,<br />

weil die Umsetzung dringend erforderlicher<br />

geplanter Vorhaben verzögert wird. Deswegen sollte<br />

eine allgemeine Beschleunigungsvorschrift dem<br />

Arbeitgeber vorläufige Entscheidungen ermöglichen.<br />

Auch die Einigungsstellenverfahren müssen durch<br />

die Einführung von Fristen beschleunigt werden.<br />

BDA unterstützt ihre Mitglieder<br />

Die BDA erleichtert mit zahlreichen Serviceleistungen ihren Mitgliedern<br />

den Umgang mit den Auswirkungen des AGG<br />

Die BDA hat eine Übersicht über Gerichtsentscheidungen zum AGG und EuGH-Entscheidungen<br />

zu den Antidiskriminierungsrichtlinien erstellt, die fortlaufend aktualisiert wird. Mitglieder können dadurch<br />

besser eigene Prozessrisiken einschätzen und haben einen Überblick über die Auslegung<br />

des AGG.<br />

Herausgabe einer Broschüre zum AGG<br />

Merkblätter für Mitarbeiter<br />

Vorträge bei Mitgliedern zum AGG<br />

60 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Gesellschaftsrecht an europäischen<br />

Maßstab anpassen<br />

Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungsbedarf<br />

besteht auch in der Unternehmensmitbestimmung.<br />

Sie muss vereinbarungsoffen nach<br />

dem Vorbild der europäischen Mitbestimmungsregelungen<br />

ausgestaltet werden. Positive Erfahrungen<br />

bei der Gründung einer Europäischen Gesellschaft<br />

(SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen<br />

unternehmensindividuell – z. B. zur Verkleinerung<br />

des Aufsichtsrates – genutzt werden können und<br />

zu einer besseren Positionierung im Wettbewerb<br />

führen.<br />

Die BDA begrüßt den „Gesetzentwurf zum<br />

internationalen Privatrecht der Gesellschaften,<br />

Vereine und anderen juristischen Personen“ des<br />

Bundesjustizministeriums, der die Rechtsprechung<br />

des EuGH zur Niederlassungsfreiheit umsetzen<br />

soll. In konsequenter Weise soll mit dem<br />

Gesetz der Wechsel vom Sitzlandprinzip zum<br />

Gründungslandprinzip vorgenommen werden, für<br />

die Gründung einer Gesellschaft soll grundsätzlich<br />

das Recht des Gründungslandes maßgeblich sein,<br />

unabhängig davon, ob die Gesellschaft später ihren<br />

Sitz verlegt. Es ist rechtsdogmatisch richtig<br />

und zwingend, dass mit dem Gesetz keine materiellen<br />

Sonder- und Ausnahmeregelungen, z. B.<br />

für die Unternehmensmitbestimmung, geschaffen<br />

werden sollen. Nur so kann auch der Rechtsprechung<br />

des EuGH Rechnung getragen werden.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt<br />

„Unternehmensmitbestimmung“ und den kompakt<br />

„Betriebsverfassung“ veröffentlicht.<br />

Europäische Privatgesellschaft<br />

zügig realisieren<br />

Nach jahrelangen Forderungen der Wirtschaft hat<br />

die Europäische Kommission den Vorschlag für<br />

das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft<br />

vorgelegt. Ziel der Verordnung ist, dass überall in<br />

Europa ohne großen Beratungsaufwand Gesellschaften<br />

nach denselben Regeln gegründet werden<br />

können, die das europäische Pendant z. B.<br />

zur deutschen GmbH darstellen. Das Instrument<br />

einer einheitlichen Europäischen Privatgesellschaft<br />

kann insbesondere bei der Gründung von<br />

Tochtergesellschaften in den unterschiedlichen<br />

europäischen Mitgliedsländern äußerst hilfreich<br />

sein.<br />

Im Bereich des Gesellschaftsrechts wird<br />

diese Einheitlichkeit der Rechtsform mit dem<br />

Verordnungsvorschlag weitestgehend erreicht.<br />

Umstritten sind aber noch die Regelungen zur<br />

Beteiligung der Arbeitnehmer. Der Vorschlag der<br />

Kommission sieht vor, dass bei der Gründung<br />

der Europäischen Privatgesellschaft die Mitbestimmungsrechte<br />

des Landes gelten, in dem die<br />

Europäische Privatgesellschaft eingetragen wird.<br />

Bei der Sitzverlegung soll verhandelt werden<br />

und beim Scheitern der Verhandlungen soll das<br />

Mitbestimmungssystem des Herkunftslandes<br />

mitgenommen werden. Auch dieses Modell ist im<br />

Hinblick auf die Einheitlichkeit nicht ideal. Die BDA<br />

favorisiert eine Verhandlungslösung mit einheitlicher<br />

Auffangregelung einer Fünftelbeteiligung<br />

der Arbeitnehmer, um europaweit gleiche Bedingungen<br />

für die Europäische Privatgesellschaft zu<br />

schaffen. Diesem Modell kommt der Vorschlag<br />

des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments<br />

nahe: Verhandlungsmodell, kombiniert mit<br />

Drittelbeteiligung als Auffanglösung.<br />

Wir setzen uns gegen eine Übertragung der<br />

Mitbestimmungsregelungen der Europäischen<br />

Aktiengesellschaft ein, wie sie z. B. das Bundesarbeitsministerium<br />

und der DGB fordern. Eine<br />

solche Übertragung der Auffangregelung des weitestgehenden<br />

Mitbestimmungssystems für den<br />

Fall des Scheiterns der Verhandlungen über die<br />

Mitbestimmung würde die Europäische Privatgesellschaft,<br />

die vor allem für kleine und mittelständische<br />

Unternehmen gedacht ist, vollkommen unattraktiv<br />

machen. Das Ziel der Einheitlichkeit der<br />

Rechtsform würde durch eine solche Übertragung<br />

nicht erreicht.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen<br />

scheint zurzeit der Vorschlag der Kommission<br />

die größten Realisierungschancen zu haben.<br />

Um diese Realisierung kurzfristig zu ermöglichen,<br />

ist die BDA bereit, ihre berechtigten Einwände<br />

hintanzustellen und das Modell der Kommission<br />

zu akzeptieren. Die französische Ratspräsidentschaft<br />

sollte darauf hinwirken, die Europäische<br />

Privatgesellschaft zu ermöglichen, und daher weiter<br />

gehende Änderungen an ihrer Struktur, vor<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 61


allem auch an den vorgesehenen Regelungen zur<br />

Mitbestimmung, zurückweisen.<br />

Whistleblowing –<br />

gesetzliche Regelung verfehlt<br />

Die BDA hat erste Erfolge im Kampf gegen die<br />

Einführung gesetzlicher Anzeigerechte für Arbeitnehmer<br />

erzielt. Die Regelung des Informantenschutzes<br />

im Bürgerlichen Gesetzbuch scheint<br />

nach vielfältigen Initiativen der BDA nicht mehr auf<br />

der Tagesordnung zu stehen. Es gibt aber noch<br />

Anzeichen, dass das Anzeigerecht in das Lebensmittel-,<br />

Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch<br />

(LFGB) eingeführt werden soll. Trotz der<br />

Beschränkung auf das LFGB bestehen weiterhin<br />

erhebliche Einwände gegen die gesetzliche Fixierung<br />

von Anzeigerechten.<br />

Der Anwendungsbereich einer Regelung im<br />

LFGB wäre viel zu weit gefasst. Die Definitionen<br />

von Unternehmen und Unternehmern in Artikel 3<br />

der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sollen für die<br />

unter den Anwendungsbereich fallenden Betriebe<br />

maßgeblich sein. Daher ist faktisch jedes Unternehmen,<br />

das in irgendeiner Weise mit Lebensmitteln,<br />

Bedarfsgegenständen oder Futtermitteln in<br />

Berührung kommt, von den Anzeigerechten betroffen.<br />

Folglich würde z. B. auch einem Arbeitnehmer,<br />

der im Verkauf eines Supermarktes tätig ist,<br />

ein solches Anzeigerecht zustehen, da er durch<br />

die weite Auslegung des Begriffes der Bedarfsgegenstände<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer<br />

vom LFGB erfassten Ware in Kontakt kommen<br />

wird. Die vermeintliche Einschränkung, dass es<br />

sich um einen Verstoß aus dem Regelungsbereich<br />

des Gesetzes handeln muss, schafft kein Mehr an<br />

Rechtssicherheit. Es ist durchaus wahrscheinlich,<br />

dass eingeschaltete Behörden einmal ergangene<br />

Anzeigen an Stellen weiterreichen, die für andere<br />

Sachgebiete zuständig sind. Dies ist eine überhaupt<br />

nicht akzeptable faktische Ausdehnung der<br />

Anzeigerechte, die einer Regelung im Bürgerlichen<br />

Gesetzbuch sehr nahe käme. Sie muss<br />

daher vollständig unterbleiben.<br />

Weiterhin soll die Motivation des anzeigenden<br />

Arbeitnehmers in keiner Weise berücksichtigt werden.<br />

Dieses Kriterium wird von der Rechtsprechung<br />

jedoch stets als wesentliches Abwägungskriterium<br />

mit einbezogen. Daher besteht stets die<br />

Gefahr eines persönlich motivierten Missbrauchs<br />

des Anzeigerechts.<br />

Nach wie vor soll es der subjektiven Einschätzung<br />

des Arbeitnehmers obliegen, ob der Arbeitgeber<br />

seinem Verlangen nach Abhilfe (ausreichend)<br />

nachgekommen ist. Allein von dieser Einschätzung<br />

würde abhängen, ob sich der Arbeitnehmer<br />

an zuständige Behörden wenden kann oder nicht.<br />

Die Ausnahme vom Grundsatz der Vorrangigkeit<br />

eines innerbetrieblichen Klärungsversuches wird<br />

auch im neuen Vorschlag aufgeweicht. Die Vorschrift<br />

enthält keine abschließende Aufzählung<br />

der Ausnahmetatbestände, so dass die Gefahr<br />

besteht, dass diese Tatbestände ständig erweitert<br />

werden.<br />

Darüber hinaus verwendet auch dieser Vorschlag<br />

bei den Voraussetzungen zur Ausübung<br />

des Rechts unbestimmte Rechtsbegriffe, die zu<br />

neuen Rechtsunsicherheiten im Arbeitsrecht führen<br />

werden.<br />

Datenschutz am Arbeitsplatz<br />

bedarf keines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes<br />

Die BDA lehnt von verschiedenen Seiten erhobene<br />

Forderungen ab, ein zusätzliches spezifisches<br />

Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu schaffen. Datenschutz<br />

im Arbeitsverhältnis bedarf keines Sonderrechts.<br />

Das Arbeitsverhältnis und die Parteien<br />

des Arbeitsvertrages unterliegen dem Anwendungsbereich<br />

sämtlicher datenschutzrechtlicher<br />

Vorschriften, insbesondere des Bundesdatenschutzgesetzes.<br />

Die datenschutzrechtlichen Fragestellungen<br />

innerhalb des Arbeitsverhältnisses<br />

sind dieselben wie innerhalb aller anderen Rechtsbeziehungen.<br />

Im Arbeitsrecht besteht daher kein<br />

spezifisch geringeres oder höheres Bedürfnis, die<br />

Ziele des Datenschutzes zu verwirklichen. Dort,<br />

wo Bedarf besteht, komplexe Vorschriften des<br />

Datenschutzes im Arbeitsverhältnis handhabbar<br />

zu machen, werden die unterschiedlichsten freiwilligen<br />

Regelungen und Leitlinien, z. B. für die<br />

Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz,<br />

getroffen. Solche betriebsnahen Lösungen sind<br />

besser geeignet, Datenschutzaspekte verständlich<br />

zu kommunizieren, als bürokratische Über-<br />

62 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


egulierungen. Kollektivrechtlich wird dies zudem<br />

durch die Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts<br />

flankiert. Hier ist z. B. die ausgeprägte Mitbestimmung<br />

des Betriebsrates bei der Einführung<br />

und Anwendung technischer Einrichtungen geregelt,<br />

die dazu bestimmt sind, dass Verhalten und<br />

die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.<br />

Es ist geplant, das Bundesdatenschutzgesetz<br />

dahingehend zu ändern, dass die verantwortliche<br />

Stelle dem Beauftragten für den Datenschutz<br />

ermöglichen muss, an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen<br />

teilzunehmen. Eine solche Änderung<br />

ist nicht erforderlich. Zumindest muss hier<br />

klargestellt werden, dass kein pauschaler Fortbildungsanspruch<br />

geschaffen wird, sondern dass es<br />

auf die Erforderlichkeit der Fortbildung ankommt.<br />

Das Maß der erforderlichen Fachkunde des Datenschutzbeauftragten<br />

muss sich insbesondere<br />

nach dem Umfang der Datenbearbeitung und dem<br />

Schutzbedarf der personenbezogenen Daten, die<br />

die verantwortliche Stelle erhebt oder verwendet,<br />

richten. Ein richtigerweise in den Entwurf zur<br />

Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes nicht<br />

aufgenommener Ausbau des Kündigungsschutzes<br />

des Datenschutzbeauftragten, der aber dennoch<br />

diskutiert wird, ist ebenfalls abzulehnen. Der Datenschutzbeauftragte<br />

genießt bereits einen Abberufungsschutz,<br />

der dazu führt, dass eine ordentliche<br />

Kündigung ausgeschlossen ist, die wegen der<br />

Tätigkeit des Arbeitnehmers als Datenschutzbeauftragter<br />

erfolgen soll.<br />

Vereinfachung des Arbeitnehmererfindungsrechts<br />

zügig umsetzen<br />

Das Bundeskabinett hat am 15. Oktober <strong>2008</strong> den<br />

Gesetzentwurf zur Vereinfachung und Modernisierung<br />

des Patentrechts beschlossen. Dieser<br />

Gesetzentwurf enthält auch Änderungen des<br />

Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Die Wirtschaft<br />

fordert seit langem eine grundlegende Reform des<br />

komplizierten und bürokratischen Arbeitnehmererfindungsrechts,<br />

das oft Bremsklotz innerhalb<br />

internationaler Forschungskooperation ist.<br />

Die geplanten Änderungen bleiben zwar hinter<br />

der erforderlichen Gesamtreform zurück, greifen<br />

aber unsere Anregungen und Forderungen auf.<br />

Dies gilt insbesondere für die Einführung einer Inanspruchnahmefiktion<br />

der Arbeitnehmererfindung<br />

durch den Arbeitgeber, die eine spürbare verfahrensmäßige<br />

Erleichterung bedeutet. Gemeinsam<br />

mit dem BDI und VCI haben wir in unserer Stellungnahme<br />

deshalb den Gesetzentwurf begrüßt und<br />

setzen uns für eine zügige Verabschiedung ein.<br />

Kein Platz für neue<br />

Beweisvorschriften<br />

Im Rahmen einer Reform des Zivildienstes ist<br />

geplant, das Arbeitsplatzschutzgesetz, das die<br />

Arbeitsverhältnisse von Wehr- und Ersatzdienstleistenden<br />

während ihrer Dienstzeit regelt, zu verschärfen.<br />

Das Arbeitsplatzschutzgesetz soll dahingehend<br />

geändert werden, dass der Arbeitgeber<br />

die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses<br />

oder die Übernahme in ein unbefristetes<br />

Arbeitsverhältnis nicht aus Anlass des Wehr- und<br />

Zivildienstes ablehnen darf. Dies liefe faktisch<br />

darauf hinaus, dass der Arbeitgeber beweisen<br />

muss, dass er eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses<br />

aus anderen Gründen abgelehnt<br />

hat. Die BDA verhinderte einen entsprechenden<br />

Vorstoß bereits, als eine solche Regelung in<br />

das Wehrrechtsänderungsgesetz aufgenommen<br />

werden sollte. Die BDA konnte bisher im neuen<br />

Gesetzgebungsvorhaben erreichen, dass in der<br />

Gesetzesbegründung klargestellt wurde, dass mit<br />

der Regelung keine Beweislastumkehr verbunden<br />

sein soll. Dies ist allerdings nicht ausreichend. Ein<br />

vollständiger Verzicht der Gesetzesergänzung<br />

bleibt daher notwendig.<br />

Weniger Bürokratie erhöht<br />

die Standortattraktivität<br />

Der Abbau von Bürokratie ist für die Unternehmen<br />

von großer Bedeutung. Er muss daher eine<br />

zentrale politische Aufgabe von Bundesregierung,<br />

Gesetzgebung und Politik auf nationaler und europäischer<br />

Ebene sein. In Deutschland werden<br />

zu viele Innovationen und Investitionen durch<br />

Überregulierungen gehemmt. Ein konsequenter<br />

Bürokratieabbau macht einen Standort attraktiv,<br />

beseitigt Wachstumshemmnisse und schafft die<br />

Grundlage für mehr Beschäftigung.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 63


Das Programm der Bundesregierung zum<br />

Bürokratieabbau, auf dessen Grundlage bis 2011<br />

25 % der Bürokratiekosten für die Wirtschaft abgebaut<br />

werden sollen, wird von der BDA begrüßt.<br />

Ebenso ist die Einrichtung des Nationalen Normenkontrollrats<br />

(NKR) ein Schritt in die richtige<br />

Richtung. Der NKR kann als Bürokratie-TÜV<br />

wirken und Kostenbewusstsein in den Ressorts<br />

schärfen. Seine Einrichtung verdeutlicht noch einmal,<br />

was dem Grunde nach selbstverständlich<br />

sein sollte: Alle Gesetzgebungsvorhaben und jedes<br />

Gesetz sind generell auf überflüssige Kostenbelastung<br />

für die Wirtschaft und die Bevölkerung<br />

zu überdenken.<br />

Die Messung von Informationspflichten nach<br />

dem sog. Standardkostenmodell kann dabei nur<br />

ein erster Schritt sein. Regierung, Verwaltung und<br />

Gesetzgebung dürfen keinesfalls aus den Augen<br />

verlieren, das gesamte Rechts- und Regelwerk<br />

umfassend von Bürokratie zu bereinigen. Bei<br />

einer Beschränkung der Bürokratiemessung auf<br />

Informationspflichten müssen diese vollständig<br />

und korrekt erfasst werden. Es kann nicht sein,<br />

dass Ministerien sich weigern, die in ihren Bereich<br />

fallenden Informationspflichten zu messen.<br />

So werden im Arbeitsrecht wesentliche Teile von<br />

Informationspflichten schon im ersten Zugriff<br />

ausgeklammert. Die bisher angegebene Zahl von<br />

35 Mrd. € an Bürokratielasten der Wirtschaft<br />

unterschreitet daher das wirkliche Maß der Bürokratie<br />

erheblich, selbst wenn man sich auf den<br />

engen Bürokratiebegriff der Bundesregierung im<br />

Sinne von Informationspflichten beschränkt. Auch<br />

die drei Mittelstandsentlastungsgesetze haben<br />

beim Bürokratieabbau keinen durchgreifenden<br />

Fortschritt mit sich gebracht. Die Abschaffung<br />

einzelner – häufig gar nicht mehr angewendeter –<br />

Vorschriften reicht nicht aus, um das Problem bürokratischer<br />

Überregulierung für den Mittelstand<br />

zu beseitigen. Das gilt entsprechend für das Steuerbürokratieabbaugesetz.<br />

Es gibt zur Sorge Anlass, dass der notwendige<br />

Bürokratieabbau an vielen Stellen ins Stocken<br />

geraten ist. An anderen Stellen wird bereits<br />

wieder neue Bürokratie aufgebaut. Diese Entwicklung<br />

macht deutlich: Notwendig ist ein konkretes<br />

Gesamtkonzept für den Bürokratieabbau. Die<br />

Vereinfachungsvorschläge der Wirtschaft liegen<br />

schon lange auf dem Tisch. Sie betreffen das<br />

gesamte nationale und europäische Rechts- und<br />

Regelwerk. Regierung und Gesetzgebung sind<br />

am Zuge, jetzt zügig zu handeln.<br />

Die BDA hat jedoch auch erste wichtige Fortschritte<br />

erzielt:<br />

Beschluss des Bundeskabinetts vom 25. Juni<br />

<strong>2008</strong>, das von der BDA schon lange geforderte<br />

elektronische Entgeltnachweisverfahren<br />

(ELENA-Verfahren) einzuführen<br />

Einbeziehung der Sozialversicherungsträger<br />

in den Bürokratieabbau<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Bürokratieabbau“ veröffentlicht.<br />

Mediation – behutsame Ergänzung<br />

des deutschen Rechts anstelle<br />

systemwidriger Übererfüllung<br />

Im Mai dieses Jahres trat eine EU-Richtlinie zur<br />

Mediation bei grenzüberschreitenden Sachverhalten<br />

in Kraft, die von der Bundesregierung innerhalb<br />

der nächsten drei Jahre in deutsches Recht<br />

umzusetzen ist.<br />

Mediation als freiwilliges Verfahren zur Konfliktlösung<br />

ist zu begrüßen. Die Bedeutung der<br />

Mediation liegt insbesondere darin, dass durch<br />

die Freiwilligkeit und das gemeinsame Erarbeiten<br />

einer Konfliktlösung eine weitere positive Zusammenarbeit<br />

der Konfliktparteien möglich ist. Die<br />

Mediation als Verfahren ist deshalb bei bestimmten<br />

Streitigkeiten, wie familienrechtlichen Streitigkeiten,<br />

unverzichtbar. Eine Notwendigkeit, die<br />

Mediation im Arbeitsrecht besonders zu fördern,<br />

insbesondere durch eine gerichtsnahe Mediation<br />

bei den Arbeitsgerichten, besteht hingegen nicht.<br />

Die Mediation wird in den Betrieben bereits vielfach<br />

genutzt, zumal betriebliche Beschwerdestellen<br />

häufig auf der Mediation entlehnte Methoden der<br />

Konfliktlösung zurückgreifen, um innerbetriebliche<br />

Konflikte zu befrieden. Auch im arbeitsgerichtlichen<br />

Verfahren ist die Einführung einer (gerichtsnahen)<br />

Mediation nicht notwendig, sondern muss<br />

eher als kontraproduktiv bezeichnet werden. Das<br />

arbeitsgerichtliche Verfahren zeichnet sich bereits<br />

heute dadurch aus, dass die Streitbeilegung in den<br />

64 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Weniger Bürokratie erhöht die Standortattraktivität<br />

Bundesregierung<br />

▪ Gesetzentwürfe<br />

▪ bestehende Bundesgesetze<br />

Koordinatorin für<br />

Bürokratieabbau<br />

Staatssekretärsausschuss<br />

▪ Steuerung<br />

nicht öffentliche<br />

Stellungnahme<br />

Beratung<br />

unterstützt<br />

Normenkontrollrat<br />

(NKR)<br />

Gesetzentwurf<br />

+ NKR-Stellungnahme<br />

+ Regierungsstellungnahme<br />

Prüfung,<br />

Beratung<br />

Geschäftsstelle für<br />

Bürokratieabbau<br />

▪ Gesamtkoordination<br />

Statistisches Bundesamt<br />

▪ Messung bestehender<br />

Gesetze<br />

Erfolgscontrolling<br />

Bundestag<br />

Datenbank,<br />

Beratung<br />

Ansprechpartner Ministerien<br />

▪ Kostenabschätzung für<br />

Gesetzentwürfe<br />

▪ Identifizierung bestehender<br />

Informationspflichten<br />

Quelle: Bertelsmann Stiftung, „Von der Bürokratiekostenmessung zum Bürokratiekostenabbau“; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 65


weit überwiegenden Fällen konsensual – nämlich<br />

durch Vergleich – erfolgt. Von den Parteien, wie<br />

vom Gericht, werden hierbei die Möglichkeiten,<br />

die die Güteverhandlung bietet, voll ausgeschöpft.<br />

Die Einführung einer gerichtsnahen Mediation<br />

im Arbeitsrecht würde dazu führen, dass ein faktischer<br />

Zwang bestünde, ein Mediationsverfahren<br />

durchzuführen. Dies würde zu einer Verlängerung<br />

der arbeitsgerichtlichen Verfahren führen, obwohl<br />

es das erklärte Ziel ist, diese Verfahren so zügig<br />

wie möglich durchzuführen, um für beide Seiten<br />

schnell Rechtssicherheit zu erlangen.<br />

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie<br />

zur Mediation setzt sich die BDA deshalb dafür<br />

ein, dass die Richtlinie nicht überobligationsmäßig<br />

umgesetzt wird, sondern nur in den Bereichen, in<br />

denen die Notwendigkeit einer Formalisierung der<br />

Mediation besteht, eine behutsame Ergänzung<br />

des deutschen Rechts vorgenommen wird.<br />

Das neue Pflegezeitgesetz –<br />

bürokratisch und überflüssig<br />

Am 1. Juli <strong>2008</strong> ist das Pflegezeitgesetz in Kraft<br />

getreten, das im Rahmen des Gesetzes zur strukturellen<br />

Weiterentwicklung der Pflegeversicherung<br />

verabschiedet worden ist. Es sieht einen Anspruch<br />

auf vollständige oder teilweise Freistellung von<br />

der Arbeit für die Dauer von bis zu sechs Monaten<br />

für die Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher<br />

Umgebung vor. Die Pflegezeit ist unbezahlt.<br />

Der Arbeitnehmer hat einen Rückkehranspruch<br />

auf seinen Arbeitsplatz. Daneben besteht ein Anspruch<br />

auf Freistellung von der Arbeit für bis zu<br />

zehn Tage, um in einer akut aufgetretenen Pflegesituation<br />

eines nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte<br />

Pflege zu organisieren oder kurzzeitig zu<br />

übernehmen. Das Gesetz verzichtet auf die Einführung<br />

der zunächst vorgesehenen Lohnersatzleistung<br />

für die Zeit der kurzzeitigen Freistellung.<br />

Die BDA konnte beim Pflegezeitgesetz Änderungen erreichen<br />

Der Anspruch auf Pflegezeit ist auf sechs Monate<br />

begrenzt. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz<br />

der Länder hatte eine Freistellung von bis zu<br />

drei Jahren vorgeschlagen.<br />

Der Anspruch besteht nicht gegenüber Arbeitgebern<br />

mit 15 oder weniger Arbeitnehmern. Der Referentenentwurf<br />

sah zunächst einen Schwellenwert<br />

von nur zehn Arbeitnehmern vor.<br />

Das Gesetz verzichtet auf die Einführung der zunächst<br />

vorgesehenen Lohnersatzleistung für die<br />

Zeit der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis<br />

zu zehn Tagen.<br />

Dennoch führt das Gesetz zu einer bürokratischen<br />

und finanziellen Belastung insbesondere kleiner<br />

und mittlerer Betriebe, die auf die Mitarbeit eines<br />

jeden Arbeitnehmers angewiesen sind. Das gilt<br />

hinsichtlich der kurzen Ankündigungsfrist für die<br />

Pflegezeit von nur zehn Arbeitstagen, die es kaum<br />

ermöglicht, adäquat auf den Ausfall eines Mitarbeiters<br />

zu reagieren, eine entsprechend ausgebildete<br />

Vertretung zu finden und die erforderliche Übergabe<br />

und Einarbeitung zu organisieren. Für mögliche<br />

Pflegende besteht ein Sonderkündigungsschutz,<br />

der systemwidrig auch für arbeitnehmerähnliche<br />

Personen gilt. An zahlreichen Stellen führt das<br />

Gesetz zu Rechtsunsicherheit. Es passt sich nicht<br />

in das geltende Recht ein und verstärkt die Zerstückelung<br />

der arbeitsrechtlichen Regelungen.<br />

66 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


Immer Entwicklung mehr Pflegebedürftige der Anzahl Pflegebedürftiger (Prognose) von 2006 bis 2030<br />

Index (2006 = 100)<br />

150<br />

140<br />

130<br />

120<br />

110<br />

100<br />

2006 2009 2012 2015 2018 2021 2024 2027 2030<br />

Jahr<br />

Quelle: Robert Koch Institut / Statistisches Bundesamt, Schwerpunktbericht Pflege BMG, Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung<br />

Definition: Prognose bei konstanten alters- und geschlechtsspezifischen Prävalenzraten; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 67


Die BDA hat sich während des Gesetzgebungsverfahrens<br />

mehrfach an die Bundeskanzlerin,<br />

die Vorsitzenden der Fraktionen und Ausschüsse<br />

gewandt und Anpassungen des Anspruchs an betriebliche<br />

Notwendigkeiten gefordert.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema einen Leitfaden mit<br />

Hinweisen für die Praxis (Stand: Juli <strong>2008</strong>) erstellt<br />

und den kompakt „Beruf und Pflege“ veröffentlicht.<br />

Mutterschutz und Elternzeit<br />

Am 3. Oktober <strong>2008</strong> hat die EU-Kommission einen<br />

Vorschlag zur Revision der Mutterschutzrichtlinie<br />

vorgelegt. Dieser sieht im Kern eine Verlängerung<br />

der bestehenden Mutterschutzfrist um weitere<br />

vier Wochen vor. Parallel dazu stehen die europäischen<br />

Sozialpartner in Verhandlungen über<br />

eine Revision des Elternzeitabkommens. Von den<br />

Vorschlägen der Kommission und den Wünschen<br />

der Gewerkschaften können massive Auswirkungen<br />

für das deutsche Recht ausgehen, die mit<br />

erheblichen Kostenbelastungen für Arbeitgeber<br />

verbunden wären. Die BDA setzt sich daher auf<br />

europäischer Ebene für den Verzicht auf neue Regulierungen<br />

ein.<br />

Betriebsübergang muss<br />

rechtssicher werden<br />

Outsourcing, Umstrukturierung, Verkauf und Zukauf<br />

von Betrieben und Betriebsteilen gehören in<br />

einer hoch arbeitsteiligen, im globalen Wettbewerb<br />

stehenden Wirtschaft zur täglichen Praxis der Unternehmen.<br />

Solche Vorgänge bringen u. a. komplexe<br />

arbeitsrechtliche Fragestellungen mit sich.<br />

Die zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang<br />

ist § 613a BGB. Über die Jahre hat die Rechtsprechung<br />

Anforderungen an die arbeitsrechtliche<br />

Behandlung von Betriebsübergängen gestellt, die<br />

solche zu arbeitsrechtlichen „Drahtseilakten“ gemacht<br />

hat. Die gesetzliche Regelung bedarf daher<br />

dringend einer Überarbeitung, um in diesen Fällen<br />

Rechtssicherheit sowohl für den Arbeitgeber als<br />

auch für den Arbeitnehmer zu schaffen.<br />

Betrieblichen Umstrukturierungsentscheidungen<br />

werden mit den Regelungen des § 613a<br />

BGB zusätzliche und überflüssige arbeitsrechtliche<br />

Fesseln angelegt. Die arbeitsrechtliche Regelung<br />

des Betriebsübergangs – ein wichtiges<br />

Element flexibler Unternehmenspolitik – muss<br />

auf ein Maß zurückgeführt werden, das einerseits<br />

dem Arbeitnehmerschutz ausreichend Rechnung<br />

trägt, andererseits aber die unternehmerische<br />

Entscheidungsfreiheit für einen Betriebsübergang<br />

nicht unnötig behindert und Planungssicherheit<br />

gewährleistet.<br />

Die BDA fordert eine an den Bedürfnissen<br />

der betrieblichen Praxis orientierte gesetzliche<br />

Klarstellung, die nicht über die europäischen<br />

Vorgaben hinausgeht. Hierzu gehört eine Begrenzung<br />

der Frist für den Widerspruch des Arbeitnehmers<br />

gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses<br />

auf drei Wochen entsprechend der Frist<br />

im Kündigungsschutzgesetz. Nach Ablauf einer<br />

Ausschlussfrist von drei Monaten muss der Widerspruch<br />

endgültig abgegeben sein.<br />

Auch die im Zuge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes<br />

erfolgte Änderung der Rechtsprechung<br />

zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln<br />

hat auf die Praxis nach wie vor enormen<br />

Einfluss. Will der Arbeitgeber, dass eine Bezugnahme<br />

des Tarifvertrages nach einem Betriebsübergang<br />

nicht dynamisch fortwirkt, muss in der<br />

Klausel hinreichend deutlich werden, dass lediglich<br />

eine Gleichstellung der nicht tarifgebundenen<br />

mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern beabsichtigt<br />

ist. Die im Zusammenhang mit der Änderung<br />

der Rechtsprechung stehende Versagung eines<br />

Vertrauensschutzes führt zu Schwierigkeiten in<br />

der Praxis. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert,<br />

endlich zu handeln und die gesetzliche<br />

Regelung in diesem Sinne zu überarbeiten.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Betriebsübergang“ veröffentlicht.<br />

68 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht


BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Arbeitsrecht 69


Tarifjahr <strong>2008</strong> – differenzierte<br />

und vernüftige Abschlüsse<br />

Das Tarifjahr <strong>2008</strong> war geprägt durch hohe Lohnforderungen<br />

und eine spürbar gestiegene Streikbereitschaft<br />

der Gewerkschaften. Während das<br />

erste Halbjahr noch vom Aufschwung gezeichnet<br />

war, wurde die zweite Jahreshälfte von den Auswirkungen<br />

der weltweiten Finanzmarktkrise überschattet.<br />

Insofern ist es insgesamt ein positives<br />

Signal, dass die Tarifabschlüsse von Branche zu<br />

Branche ein beachtliches Maß an Differenzierung<br />

erkennen lassen. Damit ist es trotz entgegenstehender<br />

Vorzeichen gelungen, die vernünftige Tarifpolitik<br />

der vergangenen Jahre fortzusetzen.<br />

Die Tarifverhandlungen in der ersten Jahreshälfte<br />

standen noch ganz im Zeichen der guten<br />

wirtschaftlichen Entwicklung der beiden Vorjahre.<br />

Warnungen vor einer konjunkturellen Eintrübung<br />

blieben bei den Gewerkschaften ungehört. Vielmehr<br />

standen Forderungen nach 7 bis 8 % mehr<br />

Lohn auf der Tagesordnung. Grund für dieses<br />

tarifpolitisch aufgeheizte Klima lieferte das Gefühl<br />

auf der Arbeitnehmerseite, angeblich am<br />

Aufschwung nicht oder nur unzureichend beteiligt<br />

gewesen zu sein. Sogar von Teilen der Politik und<br />

der Regierung wurde für hohe Tarifabschlüsse<br />

geworben. Dabei hatte gerade die Lohnpolitik der<br />

Vorjahre dazu beigetragen, dass der Aufschwung<br />

möglich wurde und auch bei den Arbeitnehmern<br />

ankam – nicht nur in Form von deutlichen Lohnsteigerungen<br />

in den meisten Branchen, sondern<br />

vor allem auch durch rund 1,5 Mio. zusätzliche<br />

Arbeitsplätze. Infolge hoher Steuerbelastungen,<br />

z. B. durch die kalte Progression, und gleichzeitig<br />

steigender Sozialversicherungsbeiträge blieb<br />

allerdings den Arbeitnehmern netto nicht einmal<br />

mehr die Hälfte der Lohnerhöhungen.<br />

Trotz des allgemeinen Druckes nach höheren<br />

Abschlüssen sind die Ergebnisse der Tarifverhandlungen<br />

äußerst differenziert. Sie schwanken in<br />

einer Bandbreite von 2,1 % in der Papierindustrie<br />

bis 5,2 % in der Stahlindustrie. Durch ein hohes<br />

Maß an flexiblen Entgeltbestandteilen konnte die<br />

Kostenbelastung für die Unternehmen in einem<br />

vertretbaren Rahmen gehalten werden. Beispielhaft<br />

ist dabei insbesondere der Tarifabschluss in<br />

der chemischen Industrie, der ein hohes Maß an<br />

Differenzierung auf betrieblicher Ebene zulässt.<br />

Darüber hinaus haben aber auch Nullmonate und<br />

im Vergleich zu vorherigen Tarifrunden die deutlich<br />

längere Laufzeit von bis zu drei Jahren mit mehrstufigen<br />

Lohnerhöhungen zur Kostenentlastung<br />

beigetragen.<br />

Die zweite Hälfte des Tarifjahres <strong>2008</strong> war<br />

geprägt von der beginnenden globalen Konjunkturschwäche,<br />

die – beschleunigt durch die Finanzmarktkrise<br />

– in wachsender Intensität und Geschwindigkeit<br />

auch die deutsche Wirtschaft erfasst<br />

hat. Dies zeigt sich in einigen Branchen bereits in<br />

dramatischen Auftragseinbrüchen, allen voran in<br />

der Automobilindustrie und bei deren Zulieferern.<br />

Den Gewerkschaften fiel es vor dem Hintergrund<br />

der übersteigerten Erwartungshaltung aus dem<br />

ersten Halbjahr sehr schwer, sich den geänderten<br />

Rahmenbedingungen anzupassen.<br />

Vor diesem Hintergrund erweist sich insbesondere<br />

der Tarifabschluss in der Metall- und<br />

Elektroindustrie als ein Zeichen der Vernunft und<br />

beweist, dass die Tarifpartner auch in schwierigsten<br />

Situationen verantwortungsvoll handeln und<br />

sich den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

anpassen können.<br />

Ausgewählte Tarifabschlüsse<br />

des Jahres <strong>2008</strong><br />

Der erste große und zugleich sehr hohe Abschluss<br />

der Tarifrunde <strong>2008</strong> wurde Ende Februar in der<br />

Stahlindustrie mit der IG Metall vereinbart. Nach<br />

einem Nullmonat, für den eine Einmalzahlung von<br />

200 € zu leisten ist, sieht der Tarifvertrag bei einer<br />

insgesamt 14-monatigen Laufzeit eine tabellarische<br />

Entgeltanhebung von 5,2 % vor. Dieses<br />

Ergebnis spiegelt in erster Linie die damalige konjunkturelle<br />

Sondersituation in der Branche wider.<br />

Mitte März hat die Bekleidungs- und Textilindustrie<br />

eine tabellenwirksame Entgelterhöhung<br />

von 3,6 % zuzüglich einer variabel ausgestalteten<br />

Einmalzahlung von 200 € bei drei Nullmonaten<br />

und einer Gesamtlaufzeit von zwölf Monaten vereinbart.<br />

74 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


Deutlich oberhalb des gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktivitätsfortschritts liegen die beschlossenen<br />

Entgeltanhebungen von insgesamt 6,9 %, die Ende<br />

März im öffentlichen Dienst zwischen dem Bund,<br />

der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände<br />

(VKA) sowie ver.di und der dbb-tarifunion<br />

vereinbart wurden. Der Tarifabschluss beinhaltet<br />

einen einheitlichen Sockelbetrag von 50 € je Monat<br />

und eine zusätzliche Anhebung der Entgelte um<br />

3,1 % in einer ersten Stufe sowie eine Einmalzahlung<br />

von 225 € und eine weitere Erhöhung um<br />

2,8 % ab 2009.<br />

Im April folgte der Tarifabschluss in der chemischen<br />

Industrie. Dieser enthält eine 4,4 % ige<br />

Entgeltanhebung im Jahr <strong>2008</strong>, verbunden mit einer<br />

variablen Einmalzahlung und anschließenden<br />

3,3 % Entgeltanhebung im Jahr 2009. Als Entlastungsmoment<br />

wirken jedoch auch hier die relativ<br />

lange Gesamtlaufzeit des Tarifvertrages von<br />

25 Monaten und die Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarungen<br />

die Einmalzahlung aus wirtschaftlichen<br />

Gründen zu verschieben, zu verkürzen oder<br />

wegfallen zu lassen.<br />

Einen besonders hohen Preis zur Aufrechterhaltung<br />

ihres Tarifwerks musste die Deutsche<br />

Bahn AG zahlen. Zum einen hebt sich die Entgelterhöhung,<br />

die mit der Gewerkschaft Deutscher<br />

Lokomotivführer (GDL) vereinbart wurde, mit<br />

zunächst 8,0 % und anschließenden 3,0 % zuzüglich<br />

einer Einmalzahlung von 800 € bei einer<br />

Gesamtlaufzeit von nur 19 Monaten deutlich von<br />

den Ergebnissen anderer Branchen ab. Zum anderen<br />

war dieser Tarifkonflikt durch über elf Monate<br />

währende Streikmaßnahmen der GDL belastet.<br />

Hintergrund war die Forderung der GDL nach<br />

einem eigenständigen Tarifvertrag. Schließlich<br />

konnte aber ein Ergebnis erzielt werden, das sich<br />

konflikt- und widerspruchsfrei in das Tarifgefüge<br />

des Konzerns einfügt.<br />

Die Tarifvertragsparteien des Einzelhandels<br />

haben Mitte Juli in Baden-Württemberg nach insgesamt<br />

über 18-monatigen Verhandlungen eine<br />

Einigung mit Pilotcharakter erzielt. Sie sieht eine<br />

Erhöhung der Entgelte um 3,0 % ab April <strong>2008</strong><br />

vor, zuzüglich einer Einmalzahlung in Höhe von<br />

400 € für den Zeitraum April 2007 bis März <strong>2008</strong>.<br />

Weiterhin wurde für die Beschäftigten in den Verkaufsstellen<br />

des Einzelhandels für die Jahre 2009<br />

und 2010 eine Vorsorgeleistung in Höhe von je<br />

150 € vereinbart, die grundsätzlich wahlweise in<br />

Form einer Altersvorsorge oder als Guthaben für<br />

ein Langzeitkonto gewährt wird. Mit der regionalspezifischen<br />

Übernahme des Abschlusses durch<br />

weitere Tarifgebiete konnte so das drohende<br />

Ende der Flächentarifverträge im Einzelhandel<br />

abgewendet werden. Damit ist zugleich auch ein<br />

Signal an die Politik gegangen, dass die Tarifvertragsparteien<br />

selbst in schwierigen Situationen in<br />

der Lage sind, Lösungen zu finden, und dass die<br />

Festlegung von Mindestentgelten Aufgabe der<br />

Tarifvertragsparteien und nicht des Staates ist.<br />

Am 1. August <strong>2008</strong> haben sich die Tarifpartner<br />

ver.di und AVH/DLH für das Bodenpersonal<br />

im Lufthansa-Konzern auf einen Tarifabschluss<br />

verständigt, dessen Laufzeit insgesamt 21 Monate<br />

beträgt. Ab dem 1. Juli <strong>2008</strong> werden die Vergütungen<br />

für die Bodenmitarbeiter um 5,1 % und ab<br />

dem 1. Juli 2009 um weitere 2,3 % angehoben. Außerdem<br />

erhalten sie eine Einmalzahlung in Höhe<br />

von 1,5 % des jeweiligen Jahreseinkommens. Für<br />

die Kabinenmitarbeiter gelang ein Abschluss mit<br />

gleichem Volumen, aber kabinenspezifischer Ausgestaltung.<br />

Am 8. September <strong>2008</strong> wurde für die keramische<br />

Industrie ein Tarifergebnis erzielt. Für die<br />

einzelnen Tarifbereiche werden in allen Betrieben<br />

der technischen Keramik die Löhne, Gehälter<br />

und Ausbildungsvergütungen für die Dauer von<br />

18 Monaten um 4,0 % erhöht. Danach erfolgt für<br />

weitere zehn Monate eine Erhöhung um 2,45 %.<br />

Die Gesamtlaufzeit beträgt 28 Monate. Für die<br />

Tarifbereiche der feinkeramischen Industrie erfolgt<br />

die erste Tarifanhebung nach drei Nullmonaten für<br />

die Dauer von 15 Monaten und anschließend eine<br />

Erhöhung um 2,45 % für weitere zehn Monate.<br />

Die Empfehlungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe<br />

AKI/IG BCE zur Anpassung der Manteltarifverträge<br />

an die Anforderungen des Allgemeinen<br />

Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sollen bis zum<br />

1. Januar 2009 umgesetzt werden.<br />

Anfang November <strong>2008</strong> einigten sich der Bundesverband<br />

Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)<br />

und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger<br />

(VDZ) mit den beiden Journalisten-Gewerkschaften<br />

Deutscher Journalisten-Verband (DJV)<br />

und Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 75


Ausgewählte Tarifabschlüsse <strong>2008</strong><br />

Tarifbereich /<br />

Beschäftigte<br />

Tariferhöhung<br />

in %<br />

Laufzeiten<br />

(Gesamtlaufzeit)<br />

Weitere Vereinbarungen /<br />

Bemerkungen<br />

Stahlindustrie<br />

West + Ost (20.02.08)<br />

85.000<br />

5,2 03/08 – 03/09<br />

Nullmonat m. Einmalzahlung<br />

(14 Monate)<br />

Einmalzahlung von 200 €<br />

Deutsche Bahn AG<br />

Lokführer<br />

West + Ost (30.01./09.03.08)<br />

20.000<br />

8,0<br />

3,0*<br />

03/08 – 08/08<br />

09/08 – 01/09<br />

8 Nullmonate m. Einmalzahlung<br />

(19 Monate)<br />

Einmalzahlung von 800 €<br />

*) durchschnittliche Anhebung (bei unveränderter<br />

Anfangsstufe)<br />

Stufenweise Absenkung der Jahressollarbeitszeit<br />

Grundlagenvertrag zur Regelung der Beziehung von<br />

Bahngewerkschaften und Arbeitgeberverband<br />

Bekleidungsindustrie/<br />

Textilindustrie<br />

West (11.03.08)<br />

120.000<br />

3,6 06/08 – 02/09<br />

3 Nullmonate m. Einmalzahlung<br />

(12 Monate)<br />

Variabel gestaltete Einmalzahlung von 200 €<br />

Altersteilzeit-Verlängerung bis Ende 2009<br />

Empfehlung zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft<br />

Öffentlicher Dienst<br />

Bund, Gemeinden<br />

West + Ost (31.03.08)<br />

2.000.000<br />

3,1 + 50 € Sockelbetrag<br />

2,8<br />

01/08* – 12/08<br />

01/09 – 12/09<br />

(24 Monate)<br />

*) Tarifanhebung Ost ab April <strong>2008</strong><br />

Zusätzliche Pauschale von 225 € im Januar 2009<br />

Arbeitszeitverlängerung für Gemeinden West auf<br />

39 Stunden<br />

Vereinbarung zur Ost-West-Angleichung der Entgelte<br />

Chemische Industrie<br />

West + Ost (16./27.04.08)<br />

580.000<br />

4,4<br />

3,3<br />

Laufzeitbeginn regional<br />

unterschiedlich<br />

03-05/08 – 03-05/09<br />

04-06/09 – 03-05/10<br />

(25 Monate)<br />

Zusätzliche, auf 1. Stufe der Laufzeit (13 Monate)<br />

bezogene und variabel gestaltete Einmalzahlung von<br />

0,5 % des Tarifentgelts<br />

Fortschreibung des TV „Zukunft durch Ausbildung“ mit<br />

insgesamt 18.200 Ausbildungsplätzen für 2009 und 2010<br />

TV „Lebensarbeitszeit und Demografie“ mit<br />

betrieblichen Fonds ab 2010<br />

Ost: 2-stufige Entgeltanpassung Berlin-West im<br />

Oktober <strong>2008</strong>/2009<br />

Papier, Pappe und<br />

Kunststoffverarbeitung<br />

West + Ost (08.05.08)<br />

95.000<br />

3,9<br />

2,9<br />

05/08 – 04/09<br />

05/09 – 04/10<br />

1 Nullmonat<br />

(25 Monate)<br />

Immobilienwirtschaft<br />

West + Ost (28.05.08)<br />

50.000<br />

3,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

07/08 – 06/09<br />

07/09 – 04/10<br />

05/10 – 11/10<br />

(29 Monate)<br />

West: 2 zusätzliche Einmalzahlungen für <strong>2008</strong> und 2009<br />

in Höhe von 1 % bezogen auf 12 Monatseinkommen<br />

Ost: Einmalzahlungen können ganz oder teilweise gewährt<br />

werden<br />

Entsorgungswirtschaft<br />

West + Ost (03.06.08)<br />

20.000<br />

2,8 + 50 € Sockelbetrag<br />

3,0<br />

05/08 – 04/09<br />

05/09 – 04/10<br />

4 Nullmonate m. Einmalzahlung<br />

(28 Monate)<br />

Einmalzahlung von 100 €<br />

Stufenweise Verlängerung der Wochenarbeitszeit West<br />

von 37 auf 38 Stunden<br />

Vereinbarung von Mindestlohnverhandlungen mit<br />

VKA und ver.di<br />

Einzelhandel<br />

Baden-Württemberg (10.07.08)<br />

220.000<br />

3,0 04/08 – 03/09<br />

12 Nullmonate m. Einmalzahlung<br />

(24 Monate)<br />

Pilotabschluss im Einzelhandel<br />

Einmalzahlung von 400 €<br />

Pauschale von 150 €/Jahr, alternativ für Altersvorsorge,<br />

Wertguthaben auf Langzeitkonto oder als Warengutschein<br />

Zuschlag für Samstagsarbeit ab 18 Uhr 30<br />

(bisher 14 Uhr 30)<br />

Regionalspezifische Übernahme des Tarifergebnisses<br />

Deutsche Lufthansa AG<br />

Boden/Kabine (01.08.08)<br />

50.000<br />

5,1<br />

2,3<br />

07/08 – 06/09<br />

07/09 – 02/10<br />

Nullmonat m. Einmalzahlung<br />

(21 Monate)<br />

Einmalzahlung von 1,5 % des Jahresentgelts<br />

Einmalige Anhebung der Ergebnisbeteiligung für 2007<br />

Vereinbarung Kabine steht unter Vorbehalt eines entsprechenden<br />

Verhandlungsergebnisses mit UFO (Unabhängige<br />

Flugbegleiter Organisation)<br />

Metall-/Elektroindustrie<br />

West + Ost (12.11.08*)<br />

3.600.000<br />

2,1<br />

2,1<br />

(auf Basis 06/08)<br />

02/09 – 04/09<br />

05/09 – 04/10<br />

3 Nullmonate m. Einmalzahlung<br />

(18 Monate)<br />

* Pilotabschluss in Baden-Württemberg<br />

Einmalzahlung von 510 €<br />

Zusätzl. Einmalzahlung von 122 € f. Mai – Dez. 2009<br />

Öffnungsklauseln ermöglichen Laufzeitbeginn der<br />

2. Anhebungsstufe (2,1 %) ab Dez. 2009 + Entfallen der<br />

Einmalzahlung (122 €), abhängig von der wirtschaftlichen<br />

Lage (durch freiwillige Betriebsvereinbarung)<br />

1,6 % (je 0,4 % f. Jan. – April 2010) als Arbeitnehmer-<br />

Finanzierungsanteil f. „Tarifvertrag zum flexiblen Übergang<br />

in die Rente“ (Abschluss in Baden-Württemberg, 03.09.08)<br />

Papierindustrie<br />

West (25.11.08)<br />

45.000<br />

2,1<br />

2,4<br />

12/08 – 12/09<br />

01/10 – 08/10<br />

2 Nullmonate m. Einmalzahlung<br />

(23 Monate)<br />

Einmalzahlung von 200 €<br />

Modifizierter Altersteilzeit-TV ab 2010<br />

Quelle: BDA Tarifarchiv


Union (dju) in ver.di auf neue Tarifvereinbarungen<br />

für die rund 23.000 Redakteure von Zeitungs- und<br />

Zeitschriftenverlagen. Beide Tarifverträge haben<br />

eine Laufzeit von zwei Jahren und sehen nach<br />

drei Monaten jeweils Tarifanhebungen von 2,4 %<br />

für elf Monate und 1,6 % für weitere zehn Monate<br />

vor. Zusätzlich erhalten die Redakteure bei<br />

den Zeitungsverlegern eine Pauschalzahlung von<br />

0,6 % des Jahresentgelts und die Zeitschriftenredakteure<br />

300 € pauschal. Die Mantel- und Altersvorsorge-Tarifverträge<br />

werden bis Ende 2010 unverändert<br />

beibehalten.<br />

Bereits am 23. September war die IG Metall<br />

mit einer 8 % - Forderung und damit mit der höchsten<br />

Lohnforderung seit 16 Jahren in die Tarifrunde<br />

für die Metall- und Elektroindustrie gestartet. Die<br />

Forderung der IG Metall war unverantwortlich und<br />

ging an der wirtschaftlichen Realität vorbei. Auch<br />

in den vergangenen Jahren wurden die Arbeitnehmer<br />

der Metall- und Elektroindustrie umfassend<br />

am Erfolg der Branche beteiligt, nicht nur durch<br />

ordentliche Reallohnzuwächse. Seit Mitte 2006<br />

wurden in der Branche sogar rund 250.000 neue<br />

Arbeitsplätze geschaffen. Befand sich die Metallund<br />

Elektroindustrie bereits schon vor der Finanzmarktkrise<br />

in einer Phase des konjunkturellen<br />

Umbruchs, hat diese zu neuen Unsicherheiten geführt.<br />

Vor diesem Hintergrund waren überzogene<br />

Lohnforderungen besonders gefährlich. Die Forderung<br />

der IG Metall stellte nicht nur die erreichten<br />

Erfolge in Frage, sondern bedrohte die gesamte<br />

wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.<br />

Trotz dieser schwierigen Ausgangslage kam<br />

es schon in der vierten Verhandlungsrunde am<br />

12. November <strong>2008</strong> in Baden-Württemberg zu<br />

einem Ergebnis, das Pilotcharakter für die 3,6 Mio.<br />

Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie<br />

hatte. Der Abschluss sieht bei einer 18-monatigen<br />

Laufzeit für die Monate November, Dezember<br />

<strong>2008</strong> sowie Januar 2009 eine Einmalzahlung<br />

von 510 € vor. Ab Februar 2009 steigen die Tarifentgelte<br />

zunächst um 2,1 % und ab Mai 2009 um<br />

weitere 2,1 %, insgesamt also um 4,2 % auf Basis<br />

der Lohntabellen von Juni <strong>2008</strong>. Eine weitere Pauschalzahlung<br />

von 122 € wird im September 2009<br />

fällig. Als anteiliger Finanzierungsbeitrag für den<br />

Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente<br />

wurde ein Volumen von 1,6 % für die Monate Januar<br />

bis April 2010 vereinbart. Der Tarifvertrag bietet<br />

umfangreiche Möglichkeiten zur betrieblichen<br />

Differenzierung: Unternehmen in wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten können die zweite Stufe der vereinbarten<br />

Entgelterhöhung um bis zu sieben Monate<br />

verschieben. Im Verhältnis der Verschiebung<br />

verringert sich auch die Einmalzahlung von 122 €<br />

im September 2009. Zu begrüßen ist, dass die<br />

besondere Struktur des Abschlusses aus Einmalzahlungen<br />

sowie zwei Tabellenerhöhungen mit<br />

betrieblichen Differenzierungsmöglichkeiten der<br />

unterschiedlichen Situation in der Branche Rechnung<br />

trägt.<br />

Ende November <strong>2008</strong> hat die Vereinigung<br />

der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie<br />

(VAP) mit der IG BCE ein Tarifergebnis<br />

für die westdeutschen Mitgliedsverbände erzielt.<br />

Bei einer Laufzeit von insgesamt 23 Monaten und<br />

einer vorgeschalteten Einmalzahlung von 200 €<br />

für die ersten zwei Monate steigen die Entgelte ab<br />

Dezember <strong>2008</strong> um 2,1 % und ab Januar 2010 um<br />

weitere 2,4 %.<br />

Antworten der Tarifpartner<br />

auf den demografischen Wandel<br />

Eine innovative Lösung für den Umgang mit dem<br />

demografischen Wandel bietet der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit<br />

und Demografie“ der chemischen<br />

Industrie vom 16. April <strong>2008</strong>. Mit diesem Tarifvertrag<br />

werden die Herausforderungen der alternden<br />

Gesellschaft aufgegriffen und Unterstützung im Interesse<br />

einer längeren Beschäftigung angeboten.<br />

Zentraler Baustein des Tarifvertrages sind<br />

betriebliche Demografiefonds. Die Betriebe stellen<br />

ab 2010 einen Betrag von zunächst jährlich 300 €<br />

je Tarifarbeitnehmer für Instrumente zur flexiblen<br />

Gestaltung der Lebensarbeitszeit zur Verfügung.<br />

Zur Wahl stehen Langzeitkonten, Teilrente, Berufsunfähigkeitszusatzversicherung<br />

Chemie, tarifliche<br />

Altersvorsorge und Altersteilzeit.<br />

Die Auswahl der konkreten Instrumente für<br />

die Verwendung des Demografiefonds erfolgt aufgrund<br />

freiwilliger Betriebsvereinbarungen. Falls<br />

auf betrieblicher Ebene keine Einigung erzielt<br />

wird, ist als Auffangregelung für Betriebe mit bis<br />

zu 200 Arbeitnehmern die tarifliche Altersvorsorge<br />

vorgesehen. Betriebe mit mehr als 200 Arbeit-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 77


Kündigungstermine ausgewählter Lohn- und Gehaltstarifverträge<br />

Branche Tarifgebiete Beschäftigte<br />

in Tsd.<br />

Kündigungstermine<br />

Gewerkschaften<br />

2009<br />

01/09 Deutsche Bahn AG West + Ost 140 Transnet, GDBA, GDL<br />

02/09 Textil-/Bekleidungsindustrie West 120 IGM<br />

03/09<br />

03 – 04/09<br />

03 – 06/09<br />

Bauwirtschaft<br />

Druckindustrie<br />

Stahlindustrie<br />

Textilindustrie<br />

Deutsche Lufthansa AG (Piloten)<br />

Groß- und Außenhandel<br />

Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie<br />

Einzelhandel<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

700<br />

180<br />

85<br />

17<br />

4<br />

1.100<br />

140<br />

2.700<br />

IG BAU<br />

ver.di<br />

IGM<br />

IGM<br />

VC (Cockpit)<br />

ver.di<br />

IGM<br />

ver.di<br />

06/09 Süßwarenindustrie<br />

Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau<br />

Maler- und Lackiererhandwerk<br />

West<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

50<br />

80<br />

140<br />

NGG<br />

IG BAU<br />

IG BAU<br />

07/09 Volkswagen AG West 100 IGM<br />

09/09 Versicherungswirtschaft<br />

Gebäudereinigerhandwerk<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

220<br />

850<br />

ver.di<br />

IG BAU<br />

11/09 Kautschukindustrie (ADK) West + Ost 43 IG BCE<br />

12/09 Öffentlicher Dienst (Bund, Gemeinden) West + Ost 1.300 ver.di<br />

2010<br />

02/10 Deutsche Lufthansa AG (Boden, Kabine) West + Ost 50 ver.di<br />

03/10<br />

03 – 05/10<br />

Landwirtschaft<br />

Chemische Industrie<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

40<br />

580<br />

IG BAU<br />

IG BCE<br />

04/10 Metall-/Elektroindustrie<br />

Papier-, Pappe- und Kunststoffverarbeitung<br />

Energieversorgung (EON-Bereich)<br />

Entsorgungswirtschaft<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

3.600<br />

95<br />

30<br />

20<br />

IGM<br />

ver.di<br />

ver.di<br />

ver.di<br />

06/10 Deutsche Post AG<br />

Energieversorgung (GWE-Bereich)<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

130<br />

15<br />

ver.di<br />

ver.di<br />

07/10 Zeitungs- /Zeitschriftenverleger (Redakteure) West + Ost 23 ver.di, DJV<br />

08/10 Papierindustrie<br />

Dachdeckerhandwerk<br />

West<br />

West + Ost<br />

45<br />

55<br />

IG BCE<br />

IG BAU<br />

09/10 Reisebürogewerbe<br />

Schuhindustrie<br />

Zigarettenindustrie<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

70<br />

14<br />

10<br />

ver.di<br />

IG BCE<br />

NGG<br />

10 – 11/10 Keramische Industrie West 25 IG BCE<br />

11/10 Wohnungs-/Immobilienwirtschaft West + Ost 50 IG BAU/ver.di<br />

12/10 Steinkohlenbergbau West 40 IG BCE<br />

Quelle: BDA Tarifarchiv<br />

78<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


nehmern müssen die Wertguthaben aus dem<br />

Demografiefonds in ein Langzeitkonto einbringen.<br />

Wird keine Einigung über die Verwendung des<br />

Langzeitkontos erzielt, soll es zur Freistellung vor<br />

der Altersrente genutzt werden.<br />

Die Altersteilzeit dürfte künftig nur noch eine<br />

untergeordnete Rolle spielen. Es besteht ab<br />

2010 kein individueller Anspruch auf Altersteilzeit<br />

mehr. Die Aufstockungsbeträge sind aus den<br />

Mitteln des Demografiefonds zu finanzieren und<br />

damit begrenzt. Gleichzeitig entfällt die bisherige<br />

Abfindungsregelung, mit der Renteneinbußen<br />

ausgeglichen werden sollten. Außerdem darf der<br />

„Demografiebetrag“ im Rahmen der Altersteilzeit<br />

nicht zur Personalreduzierung verwendet werden.<br />

In der Metall- und Elektroindustrie wurde unter<br />

voller Berücksichtigung der Ende 2009 auslaufenden<br />

gesetzlichen Förderung der Altersteilzeit<br />

mit dem „Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die<br />

Rente“ am 3. September in Baden-Württemberg<br />

eine Nachfolgeregelung für die bestehenden Altersteilzeitvereinbarungen<br />

getroffen. Mit finanzieller<br />

Beteiligung der Arbeitnehmer wird zur Flankierung<br />

des demografischen Wandels der Weg sozialverträglicher<br />

Personalanpassungen ermöglicht.<br />

Der Tarifvertrag eröffnet den Unternehmen<br />

umfassende Gestaltungsspielräume, die neben<br />

der Umsetzung tariflicher Rahmenregelungen zur<br />

Altersteilzeit sowohl eine betriebsindividuelle Ausgestaltung<br />

als auch die vollständige Ablösung der<br />

Altersteilzeit durch andere betrieblich zu vereinbarende<br />

Zwecke demografiefester Personalpolitik<br />

erlauben. Der Tarifvertrag halbiert den generellen<br />

Anspruch auf Altersteilzeit auf 2,5 %, verkürzt die<br />

reguläre Altersteilzeit auf vier Jahre und koppelt<br />

sie unmittelbar an den abschlagsfreien Renteneintritt.<br />

Das senkt die Kostenbelastung für die Betriebe,<br />

fördert eine längere Lebensarbeitszeit und<br />

unterstützt so die „Rente mit 67“.<br />

Damit haben die Tarifparteien der Metall- und<br />

Elektroindustrie eine zukunftsfähige Lösung gefunden<br />

und gleichzeitig Tatkraft und Gestaltungswillen<br />

bewiesen. Qualifizierte Fachkräfte und Leistungsträger<br />

stehen den Betrieben künftig länger zur<br />

Verfügung; Arbeitnehmer, die nicht mehr arbeiten<br />

können, dürfen weiter vorzeitig zu attraktiven Konditionen<br />

aussteigen. Das beweist: Die Tarifautonomie<br />

funktioniert und bringt weitaus bessere Lösungen<br />

hervor als eine staatlich verordnete Sozialpolitik.<br />

Die Unternehmen erhalten künftig größtmögliche<br />

Freiheit: Sie können alte Betriebsvereinbarungen<br />

weiter nutzen, die Altersteilzeit zusammen<br />

mit dem Betriebsrat nach eigenen Vorstellungen<br />

neu gestalten oder die Mittel für andere Maßnahmen<br />

einer demografiefesten Personalpolitik verwenden.<br />

Dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

künftig die Kosten teilen und völlig auf öffentliche<br />

Subventionen verzichten, spiegelt den gesellschaftspolitisch<br />

notwendigen Mentalitätswandel<br />

wider.<br />

Schließlich konnten sich die Tarifvertragsparteien<br />

in der westdeutschen Papierindustrie im<br />

Rahmen des Tarifabschlusses vom November<br />

auf eine Nachfolgeregelung für den bis Ende<br />

2009 laufenden Altersteilzeit-Tarifvertrag einigen.<br />

Nach dem geänderten „Tarifvertrag zur Förderung<br />

der Altersteilzeit“ mit einer Laufzeit von 2010 bis<br />

2014 ist Altersteilzeit zukünftig erst nach Vollendung<br />

des 57. Lebensjahres (bisher 55. Lebensjahr)<br />

möglich. Der Beginn der Altersteilzeit kann vom<br />

Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Erfordernissen<br />

um zwölf Monate (bisher sechs Monate)<br />

hinausgeschoben werden. Der Tarifvertrag enthält<br />

zahlreiche Öffnungsklauseln, nach denen durch<br />

freiwillige Betriebsvereinbarung teils mit und teils<br />

ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien betriebsspezifische<br />

Regelungen getroffen werden<br />

können. Durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />

mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann<br />

z. B. die Überforderungsquote von 5 % auf bis zu<br />

3 % herabgesetzt werden. Abfindungszahlungen<br />

bei vorzeitigem Renteneintritt entfallen, können<br />

aber weiterhin durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />

vorgesehen werden. Ein Demografiefonds wie<br />

in der chemischen Industrie wird nicht eingeführt.<br />

Branchentarif nach wie vor<br />

prägend<br />

Der Tarifvertrag – insbesondere der Branchentarifvertrag<br />

– ist nach wie vor die prägende Ordnungsgröße<br />

der Arbeitsbeziehungen in Deutschland. Die<br />

aktuellen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung (IAB) zur Verbreitung von Branchen-<br />

und Firmentarifverträgen zeigen, dass die<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 79


Tarifbindung 2002 – 2007<br />

Anteil der Beschäftigten<br />

Prozent<br />

100<br />

15 16 17 19 18 19<br />

90<br />

80<br />

8<br />

8<br />

8<br />

8<br />

9<br />

8<br />

70<br />

17 17<br />

17<br />

17 19 20<br />

60<br />

60 59<br />

58<br />

56<br />

50<br />

54 53<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Jahr<br />

kein Tarifvertrag<br />

Firmentarifvertrag<br />

Orientierung am Branchentarif<br />

Branchentarifvertrag<br />

Quelle: IAB-Betriebspanel; Darstellung: BDA<br />

80 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


Tarifbindung nahezu unverändert hoch geblieben<br />

ist. Insgesamt arbeiteten im Jahre 2007 rund 73 %<br />

der Beschäftigten in Deutschland unmittelbar oder<br />

mittelbar auf der Basis von Branchentarifverträgen,<br />

8 % auf Basis von Firmentarifverträgen. Für<br />

die meisten Unternehmen sind damit die kollektiv<br />

ausgehandelten Arbeitsbedingungen nach wie vor<br />

die bevorzugte Form der Regelung der Arbeitsbeziehungen.<br />

Im Einzelnen galten 2007 in Deutschland in<br />

32 % aller Betriebe mit 53 % aller Beschäftigten<br />

Branchentarifverträge unmittelbar, während es im<br />

Vorjahr noch 54 % der Beschäftigten waren. Der<br />

Anteil der Betriebe, die sich an einem Branchentarifvertrag<br />

orientieren, lag bei 27 % aller Betriebe<br />

mit 20 % aller Beschäftigten, was einem Zuwachs<br />

bei den Beschäftigten um einen Prozentpunkt entspricht.<br />

Für 3 % aller Betriebe mit 8 % aller Beschäftigten<br />

galten Firmentarifverträge. Damit wurden<br />

62 % aller Betriebe mit 81 % aller Beschäftigten<br />

direkt oder indirekt durch Tarifverträge erfasst.<br />

Der leichte Rückgang der unmittelbaren Bindung<br />

an den Branchentarif bei den Beschäftigten<br />

wurde durch eine Zunahme bei der mittelbaren Tarifbindung<br />

kompensiert. Dadurch wird aber auch<br />

deutlich, dass die Bedeutung individueller betrieblicher<br />

Gestaltungsspielräume weiter zunimmt. Um<br />

langfristig die originäre Bindungskraft der Branchentarifverträge<br />

wieder zu stärken, muss deshalb<br />

der tarifpolitische Reformprozess hin zu einer<br />

neuen Balance zwischen tariflichen und betrieblichen<br />

Regelungen weiter konsequent fortgesetzt<br />

werden.<br />

Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung<br />

unbegründet<br />

Die Veröffentlichung aktueller Zahlen zur Wochenarbeitszeit<br />

der Beschäftigten in den EU-Mitgliedstaaten<br />

war für die Gewerkschaften ein Anlass für<br />

erneute Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung.<br />

Diese Forderung ist verfehlt. Im europäischen<br />

Vergleich gehört Deutschland nach wie vor zu<br />

den Ländern mit der kürzesten tariflichen Jahressollarbeitszeit<br />

(1.657 Stunden), der kürzesten<br />

tariflichen Wochenarbeitszeit (37,6 Stunden) und<br />

den meisten Urlaubstagen (30 Tage). Dieser Wettbewerbsnachteil<br />

wird durch die EU-Erweiterung<br />

verschärft. Die neuen Mitgliedstaaten der EU gehören<br />

fast alle zu den Ländern mit den längsten<br />

tariflichen Arbeitszeiten von bis zu 40 Stunden pro<br />

Woche. Die durchschnittlich tatsächlich geleistete<br />

Wochenarbeitszeit liegt mit etwa 41 Stunden zwar<br />

auch in Deutschland über der tariflichen Arbeitszeit.<br />

Hier muss aber berücksichtigt werden, dass<br />

es sich dabei regelmäßig um Überstunden handelt<br />

und für diese häufig Zuschläge anfallen, die<br />

an Sonn- und Feiertagen bis zu 150 % betragen<br />

können. Zudem ist ein Anstieg nicht erkennbar,<br />

vielmehr schwankte die Wochenarbeitszeit in den<br />

vergangenen zehn Jahren zwischen 41,0 und 41,8<br />

Stunden.<br />

Pläne der Koalition zur Einführung<br />

gesetzlicher Mindestlöhne über<br />

Entsendegesetz und Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

Im Mittelpunkt der Diskussion über gesetzliche<br />

Mindestlöhne stand in diesem Jahr die Umsetzung<br />

des bereits völlig verfehlten Koalitionskompromisses<br />

vom Juni 2007. Die damit verbundenen<br />

Befürchtungen wurden von den Anfang Januar<br />

vom Bundesarbeitsminister vorgelegten Entwürfen<br />

zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zur<br />

Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

bestätigt.<br />

Geschaffen werden sollte ein System flächendeckender,<br />

branchenbezogener Mindestlöhne<br />

verbunden mit der Ermächtigung, Tarifverträge<br />

außer Kraft zu setzen. Dies stellte einen brutalen<br />

Angriff auf die Tarifautonomie dar. Das Präsidium<br />

der BDA hat die Bundesregierung umgehend aufgefordert,<br />

die Gesetzentwürfe zurückzuziehen.<br />

Die beteiligten unionsgeführten Bundesministerien<br />

und das Bundeskanzleramt sind dem zumindest<br />

teilweise gefolgt. Sie sahen in den Entwürfen<br />

keine geeignete Diskussionsgrundlage und stoppten<br />

die Ressortabstimmung.<br />

Gesetzentwürfe ermächtigen zum<br />

Eingriff in die Tarifautonomie<br />

Die BDA hat gegenüber der Koalition deutlich gemacht,<br />

welcher Missbrauch aufgrund der Gesetze<br />

möglich ist und welche Gefahren davon für die<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 81


Durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit 2007<br />

im europäischen Vergleich<br />

Stunden<br />

40,5<br />

40<br />

40 40<br />

39,5<br />

39<br />

39<br />

38,8<br />

38,6<br />

38,5<br />

38,2<br />

38<br />

38<br />

37,9<br />

37,5<br />

37,6<br />

37,5<br />

37,3<br />

37<br />

37<br />

36,5<br />

36<br />

35,5<br />

35<br />

35<br />

34,5<br />

PL GRE IRL A EU-27 POR ITA E D SWE GB DK F Land<br />

Quelle: EIRO <strong>2008</strong>; Darstellung: BDA<br />

82 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


Tarifautonomie ausgehen. Mitte Juni wurden vom<br />

Bundesarbeitsminister neue Gesetzentwürfe vorgelegt,<br />

die in einigen Punkten Nachbesserungen<br />

enthielten.<br />

So soll z. B. die regionale Anwendung der<br />

Gesetze und damit die Möglichkeit der flächendeckenden<br />

Lohnfestsetzung in allen Branchen<br />

entfallen. Die Anwendung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

soll auf Mindestentgelte<br />

beschränkt werden und nicht mehr alle Arbeitsbedingungen<br />

umfassen. Unverändert enthielten<br />

beide Gesetzentwürfe allerdings die Ermächtigung,<br />

tarifvertragliche Regelungen auszuschalten.<br />

Sie ermöglichen damit weiterhin einen Eingriff<br />

in die Tarifautonomie. Dies konnte mittels zweier<br />

Rechtsgutachten verdeutlicht werden, die im<br />

Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt wurden.<br />

Die Bundesregierung verabschiedete schließlich<br />

am 16. Juli <strong>2008</strong> die Regierungsentwürfe zum<br />

Entsendegesetz und zur Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

und leitete damit das<br />

parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein.<br />

Die Regierungsentwürfe enthalten noch weitere,<br />

kleine Verbesserungen, wie z. B. einen begrenzten<br />

Tarifvorbehalt beim Mindestarbeitsbedingungengesetz.<br />

Dieser soll zumindest für die Tarifverträge<br />

erhalten bleiben, die zum Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses<br />

am 16. Juli <strong>2008</strong> bereits in Kraft waren,<br />

sowie deren unmittelbare Folgetarifverträge.<br />

Nach dem geltenden Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

haben Tarifverträge immer Vorrang<br />

vor einer staatlichen Lohnfestsetzung. Dies ist<br />

keine Wohltat des Gesetzgebers, sondern verfassungsrechtlich<br />

unverzichtbar zum Schutz der<br />

Tarifautonomie. Dieser Tarifvorrang soll nun durch<br />

die Ermächtigung begrenzt werden, Tarifverträge<br />

durch staatliche Eingriffe außer Kraft setzen<br />

zu können. Entsprechend der Übergangsregelung<br />

sollen lediglich Tarifverträge, die bereits am<br />

16. Juli <strong>2008</strong> – dem Tag des Kabinettsbeschlusses –<br />

in Kraft waren, bzw. unmittelbare Folgetarifverträge<br />

staatlich festgesetzten Mindestentgelten vorgehen.<br />

Wir setzen uns demgegenüber für einen<br />

klaren, uneingeschränkten Tarifvorrang ein.<br />

Unnötig und damit abzulehnen ist auch die<br />

Umgestaltung des bestehenden Entsendegesetzes<br />

zu einem Gesetz zur staatlichen Lohnfestsetzung.<br />

Mit dem Regierungsentwurf soll gerade<br />

jene Regelung im Entsendegesetz gestrichen werden,<br />

deretwegen das Berliner Verwaltungsgericht<br />

am 7. März <strong>2008</strong> die Post-Mindestlohnverordnung<br />

für rechtswidrig erklärt hat.<br />

So sieht der neue Entwurf die Ermächtigung<br />

zur Erstreckung auch auf anders Tarifgebundene<br />

vor. Dagegen beschränkt sich der Wortlaut<br />

des geltenden Gesetzes darauf, mit den Rechtsnormen<br />

eines Tarifvertrages nicht tarifgebundene<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erfassen. Mit<br />

der geplanten Änderung wird die Voraussetzung<br />

für eine Reparatur der Post-Mindestlohnverordnung<br />

geschaffen, durch welche bereits tausende<br />

Arbeitsplätze vernichtet wurden.<br />

Mit der geplanten Regelung zur Tarifkonkurrenz,<br />

wonach bei mehreren Tarifverträgen in einer<br />

Branche die Repräsentativität dafür ausschlaggebend<br />

sein soll, ob ein Tarifvertrag zwangsweise<br />

erstreckt wird, zielt der Gesetzentwurf klar auf die<br />

Schwächung kleiner Gewerkschaften. Die Erstreckung<br />

eines für repräsentativ erachteten Tarifvertrages<br />

auf die gesamte Branche hätte das Ende konkurrierender<br />

Tarifverträge zur Folge. Dies wäre eine<br />

verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Ermächtigung<br />

zur staatlichen Zensur von Tarifverträgen.<br />

Voraussetzungen für die Aufnahme<br />

weiterer Branchen fehlen<br />

Gemäß dem Koalitionskompromiss hatten bis<br />

zum 31. März <strong>2008</strong> die Tarifvertragsparteien der<br />

Branchen die Möglichkeit, ihr Interesse an einer<br />

Aufnahme in das Entsendegesetz anzumelden.<br />

Es überraschte nicht, dass sich zu diesem Termin<br />

letztlich nur acht überwiegend kleinere Branchen<br />

bzw. Teilbranchen beim BMAS gemeldet hatten.<br />

Und von diesen acht Branchen, über deren Aufnahme<br />

parallel zum Gesetzgebungsverfahren in<br />

einer Arbeitsgruppe von CDU/CSU und SPD beraten<br />

wird, erfüllt derzeit keine die Voraussetzungen<br />

für die Aufnahme. Insbesondere die Aufnahme<br />

der Zeitarbeit scheidet wegen konkurrierender<br />

Tarifverträge in der Branche aus. Zudem finden<br />

fast flächendeckend Tarifverträge Anwendung, so<br />

dass nicht von sozialen Verwerfungen ausgegangen<br />

werden kann. Bei den meisten anderen Bran-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 83


Zeitarbeiter: Viele bleiben im Kundenbetrieb<br />

So viel Prozent der Zeitarbeitnehmer, die ihr ehemaliges<br />

Zeitarbeitsunternehmen verlassen haben, sind jetzt …<br />

Prozent<br />

30<br />

25<br />

24,3<br />

21,9<br />

20<br />

15<br />

15,1<br />

10<br />

6,4<br />

5<br />

3,1<br />

0<br />

beim letzten<br />

Kundenunternehmen<br />

bei einem<br />

anderen<br />

Arbeitgeber<br />

erwerbslos<br />

bei einem<br />

anderen<br />

Zeitarbeitsunternehmen<br />

in Rente,<br />

Mutterschutz,<br />

Studium etc.<br />

Befragung von 210 Zeitarbeitsunternehmen im Januar <strong>2008</strong>,<br />

Rest zu 100: keine Informationen<br />

Quelle: IW-Zeitarbeitsindex (BZA); Darstellung: BDA<br />

84 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


chen ist, soweit sie überhaupt schon über einen<br />

Mindestlohntarifvertrag verfügen, das Erreichen<br />

des notwendigen 50 %-Quorums mehr als zweifelhaft.<br />

Ein Entsendeproblem besteht derzeit in<br />

keiner der Branchen.<br />

Die BDA hat zu dem Thema die kompakt „Mindestlohn“,<br />

„Gesetzentwurf zum Arbeitnehmer-<br />

Entsendegesetz“ und „Gesetzentwurf zum Mindestarbeitsbedingungengesetz“,<br />

die argumente<br />

„Tarifautonomie – Säule der Sozialen Marktwirtschaft“,<br />

„Arbeitsplätze statt Mindestlohn“ und<br />

„Mindestlohn – vom Ausland lernen“ sowie die<br />

Broschüre „Tarifautonomie statt Mindestlohn – 13<br />

gute Gründe gegen einen gesetzlichen Mindestlohn“<br />

veröffentlicht.<br />

Zeitarbeit als Jobmotor sichern<br />

Die Bedeutung der Zeitarbeit als Beschäftigungsmotor<br />

ist ungebrochen. Zum 31. Dezember 2007<br />

gab es nach den aktuellen Zahlen der BA insgesamt<br />

721.000 Zeitarbeitnehmer und damit ca. 14 %<br />

mehr Beschäftigte in der Branche als zum gleichen<br />

Zeitpunkt des Vorjahres. Von insgesamt 500.000<br />

neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen<br />

2007 sind allein 127.000 in<br />

der Zeitarbeit entstanden. Der Zuwachs hat allerdings<br />

im Vergleich zu den vergangenen Jahren<br />

etwas nachgelassen. Dieser Trend dürfte sich in<br />

den nächsten Monaten infolge der konjunkturellen<br />

Veränderungen verstärken, da Unternehmen bei<br />

nachlassendem Personalbedarf als Erstes den<br />

Einsatz von Zeitarbeitnehmern reduzieren. Gerade<br />

in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wird allerdings<br />

die Zeitarbeit wieder an Bedeutung gewinnen. Sie<br />

gibt den Unternehmen die notwendige Flexibilität.<br />

Zeitarbeit hat große beschäftigungspolitische<br />

Bedeutung<br />

Arbeitnehmer erhalten durch Zeitarbeit die Chance<br />

zur Qualifizierung durch Beschäftigung. Dies<br />

gilt vor allem für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose.<br />

Arbeitnehmer haben so – wie durch<br />

keine andere Branche – die Chance zum Einstieg<br />

in Arbeit. Zeitarbeit leistet damit einen wichtigen<br />

Beitrag zur Vermeidung und Überwindung von<br />

Arbeitslosigkeit. Nach den aktuellen Zahlen der<br />

BA waren am 31. Dezember 2007 rund 65 % der<br />

in Zeitarbeit Beschäftigten zuvor ohne Arbeit, 13 %<br />

sogar langzeitarbeitslos. Eine aktuelle Studie des<br />

IW-Zeitarbeitsindex zeigt zudem, dass fast ein Viertel<br />

der Zeitarbeitnehmer von Kundenunternehmen<br />

übernommen werden, wenn sie dort eine gewisse<br />

Zeit gearbeitet haben. Ein weiteres Fünftel kommt<br />

in einem anderen Betrieb außerhalb der Zeitarbeit<br />

unter. Vor dem Hintergrund des zunehmenden<br />

Fachkräftemangels wird das Thema „Ausbildung<br />

und Qualifizierung von Zeitarbeitsunternehmen“<br />

weiter an Bedeutung gewinnen. Nur so können<br />

Zeitarbeitsunternehmen ihren Kundenunternehmen<br />

das gewünschte Personal zur Verfügung stellen.<br />

Zugleich leisten sie so einen wichtigen Beitrag<br />

zur Überwindung des Fachkräftemangels, indem<br />

sie bestehende Beschäftigungspotenziale heben.<br />

Forderungen nach<br />

Einschränkung der Zeitarbeit<br />

sind beschäftigungsfeindlich<br />

Vor dem Hintergrund der großen beschäftigungspolitischen<br />

Bedeutung der Zeitarbeit sind Forderungen<br />

nach neuen Hürden kontraproduktiv. Die<br />

Entwicklung der letzten Jahre zeigt gerade, dass<br />

eine wirksame Deregulierung und ein Mehr an<br />

Flexibilität Arbeitsplätze schaffen können. Das<br />

Rad der Geschichte zurückzudrehen und alte Beschränkungen<br />

wieder einzuführen, würde vielen<br />

Menschen, vor allem Langzeitarbeitslosen, die<br />

Chance auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt nehmen.<br />

Vor diesem Hintergrund hat das Präsidium<br />

der BDA am 28. Januar <strong>2008</strong> den Beschluss „Zeitarbeit:<br />

Flexibilität schafft Beschäftigung“ gefasst.<br />

Darüber hinaus versuchen die Gewerkschaften,<br />

allen voran die IG Metall, seit geraumer Zeit auf<br />

verschiedenen Wegen, ihre Forderung nach Beschränkungen<br />

der Zeitarbeit umzusetzen. In diesem<br />

Zusammenhang fordert die IG Metall sowohl von<br />

Zeitarbeitsunternehmen als auch von deren Kundenunternehmen<br />

den Abschluss sog. „Fairness-Abkommen“.<br />

Inzwischen hat der Bundesverband Zeitarbeit<br />

(BZA) mit der IG Metall ein entsprechendes Abkommen<br />

unterzeichnet, so dass sich weiter gehende<br />

Forderungen erübrigen. Die von der IG Metall in ihrer<br />

gegen die Zeitarbeit gerichteten Kampagne „Gleiche<br />

Arbeit – gleiches Geld“ aufgestellten Behauptungen<br />

entbehren jeder Grundlage.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 85


Zeitarbeitsrichtlinie erkennt<br />

beschäftigungspolitische<br />

Bedeutung der Zeitarbeit an<br />

Auf europäischer Ebene hat das Europäische<br />

Parlament am 22. Oktober <strong>2008</strong> die Zeitarbeitsrichtlinie<br />

angenommen (vgl. im Einzelnen Kapitel<br />

„Europa und Internationales“). Nach Inkrafttreten<br />

der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten drei Jahre<br />

Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.<br />

Zentraler Punkt der Zeitarbeitsrichtlinie ist<br />

der Grundsatz der Nichtdiskriminierung bzw. der<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach ein Zeitarbeitnehmer<br />

grundsätzlich entsprechend einem<br />

vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers behandelt<br />

werden muss. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

ist in Deutschland bereits seit dem 1.<br />

Januar 2004 geltendes Recht. Das deutsche Zeitarbeitsrecht<br />

entspricht insofern bereits der Richtlinie.<br />

Die Möglichkeit, durch tarifvertragliche Vereinbarungen<br />

von diesem Grundsatz abzuweichen,<br />

sieht auch die Richtlinie unverändert vor. Einer<br />

Änderung des deutschen Rechts bedarf es daher<br />

insoweit nicht. Positiv ist hervorzuheben, dass die<br />

Zeitarbeitsrichtlinie die Bedeutung der Zeitarbeit<br />

im Interesse der Unternehmen und Arbeitnehmer<br />

anerkennt und Einschränkungen und Verbote nur<br />

noch unter engen Voraussetzungen zulässt. Aktuelle<br />

Forderungen nach einer Einschränkung der<br />

Zeitarbeit müssen damit vom Tisch.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Zeitarbeit“ sowie die argumente „Jobmotor<br />

Zeitarbeit“ veröffentlicht.<br />

Tarifautonomie braucht<br />

Tarifeinheit<br />

Zunehmend versuchen Sparten- und Berufsgewerkschaften,<br />

ihre Schlüsselposition auszunutzen<br />

und trotz eines alle Beschäftigten umfassenden<br />

Tarifvertrages einen zusätzlichen Spartentarifvertrag<br />

durchzusetzen. Dadurch wird der Grundsatz<br />

der Tarifeinheit, nach dem in einem Betrieb grundsätzlich<br />

nur ein Tarifvertrag angewendet wird, in<br />

Frage gestellt. Der Grundsatz der Tarifeinheit ist<br />

ein Garant für die tarifliche Friedenspflicht und damit<br />

eine tragende Säule unseres funktionierenden<br />

Tarifvertragssystems. Unternehmen müssen sich<br />

jedoch darauf verlassen können, während der<br />

Laufzeit eines Tarifvertrages keinen weiteren Tarifforderungen<br />

ausgesetzt zu werden.<br />

Die Entwicklungen bei der Deutsche Lufthansa<br />

AG und bei der Deutsche Bahn AG haben<br />

gezeigt, wohin die Zerfaserung der Tariflandschaft<br />

führt: Die Unternehmen sehen sich immer wieder<br />

mit neuen, sich gegenseitig hochschaukelnden<br />

Tarifforderungen und Streiks von Spartengewerkschaften<br />

konfrontiert. Die Bahn musste einen<br />

hohen Preis dafür zahlen, dass die im Konzern<br />

vertretenen Gewerkschaften zum Abschluss von<br />

Vereinbarungen bereit waren, in denen sie sich<br />

verpflichten, ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche<br />

zu respektieren. Eine Kooperationsvereinbarung<br />

zwischen den Gewerkschaften ist bisher<br />

jedoch nicht zustande gekommen. Bei der Lufthansa<br />

zeichnen sich immer wieder Konflikte ab,<br />

die mit dem Aufbrechen der Tarifeinheit verbunden<br />

sind. So hat z. B. die Spartengewerkschaft<br />

für das Kabinenpersonal UFO angekündigt, in<br />

den Tarifverhandlungen eine über den ver.di-Abschluss<br />

hinausgehende Forderung nach mindestens<br />

15 % mehr Lohn aufstellen zu wollen. Eine<br />

entsprechende Entgelterhöhung hätte wegen der<br />

bestehenden Revisionsklausel zwangsläufig ein<br />

Nachverhandeln von ver.di zur Folge. Ein weiteres<br />

Hochschaukeln wäre vorprogrammiert.<br />

Der Flächentarifvertrag und mit ihm die Tarifautonomie<br />

sind akut gefährdet, wenn diese Entwicklung<br />

nicht gestoppt wird. Es darf in Deutschland<br />

nicht zu Verhältnissen kommen, wie es sie<br />

in England in den 1970er Jahren gab. Ohne Friedenspflicht<br />

besteht für die Unternehmen die Gefahr<br />

ständiger Tarifauseinandersetzungen oder<br />

gar Streiks. Eine Spartengewerkschaft mit hohem<br />

Erpressungspotenzial könnte jederzeit Arbeitskämpfe<br />

um tarifvertragliche Regelungen führen,<br />

die bereits in einem anderen Tarifvertrag geregelt<br />

sind. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die<br />

Motivation, sich den Regeln eines Tarifvertrages<br />

für die ganze Branche oder für das gesamte Unternehmen<br />

zu unterwerfen. Trotz eines geltenden<br />

Tarifvertrages muss der Arbeitgeber immer wieder<br />

mit Arbeitskämpfen rechnen.<br />

Auch für die betriebliche Praxis besteht ein<br />

großes Bedürfnis nach Anwendung nur eines<br />

einheitlichen, für alle Beschäftigten geltenden<br />

86 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


Anteil der Berufsgruppen in der Zeitarbeit<br />

5 %<br />

10 %<br />

11 %<br />

technische Berufe<br />

Verwaltung / Büro<br />

sonstige Berufe<br />

Dienstleistung<br />

Metall und Elektro<br />

Hilfspersonal<br />

18 %<br />

23 %<br />

33 %<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stichtag 31. Dezember 2007; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 87


Tarifwerkes. Eine Aufgabe des Grundsatzes der<br />

Tarifeinheit würde zu zahlreichen nur schwer lösbaren<br />

Problemen führen: Der Arbeitgeber müsste<br />

z. B. die Gewerkschaftszugehörigkeit seiner Arbeitnehmer<br />

erfragen, um den richtigen Tarifvertrag<br />

anzuwenden. Auch inhaltliche Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Tarifverträgen würden zu<br />

erheblichen Schwierigkeiten führen. Bei den Arbeitsbedingungen<br />

wie z. B. der Arbeitszeit lassen<br />

sich unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen<br />

in einem Betrieb praktisch nicht umsetzen.<br />

Das Bundesarbeitsgericht hält im Wesentlichen<br />

seit 1957 am Grundsatz der Tarifeinheit fest.<br />

Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte<br />

zum Grundsatz der Tarifeinheit und zum<br />

Streikrecht von Spartengewerkschaften haben<br />

aber zu Rechtsunsicherheiten geführt. Zu deren<br />

Klärung können die Tarifvertragsparteien gemeinsam<br />

Lösungen für ein geordnetes Verfahren entwickeln.<br />

Sie können Tarifgemeinschaften bilden<br />

oder obligatorische Schlichtungsvereinbarungen<br />

treffen. Darüber hinaus sollte aber auch der Gesetzgeber<br />

handeln und durch die Bekräftigung des<br />

Grundsatzes der Tarifeinheit die Friedensfunktion<br />

des Flächentarifvertrages sichern.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Tarifrecht modernisieren“ veröffentlicht.<br />

Tariftreueregelungen rechtlich<br />

vor dem Aus<br />

Der EuGH hat den bestehenden Tariftreueregelungen<br />

in erfreulicher Klarheit eine Absage erteilt.<br />

So hat er in der Rechtssache „Rüffert“ am 3. April<br />

<strong>2008</strong> (C - 346 / 06) entschieden, dass die Abgabe<br />

einer Tariftreueerklärung, mit der sich der Auftragnehmer<br />

bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur<br />

Einhaltung von Tarifverträgen verpflichtet und wie<br />

sie im Niedersächsischen Landesvergabegesetz<br />

vorgesehen ist, nicht mit der Entsenderichtlinie<br />

und der europäischen Dienstleistungsfreiheit vereinbar<br />

ist. In einer weiteren Entscheidung vom<br />

19. Juni <strong>2008</strong> in der Rechtssache „Kommission ./.<br />

Luxemburg“ (C - 319 / 06) hat der EuGH diese<br />

Rechtsprechung bestätigt und ausgeweitet. Artikel<br />

3 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 96 / 71 / EG<br />

(Entsenderichtlinie) benenne abschließend die<br />

Rechtsinstrumente, mit denen die den entsandten<br />

Arbeitnehmern garantierten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen<br />

des Aufnahmemitgliedstaats<br />

festgelegt werden können.<br />

Als erste Reaktion auf die „Rüffert“-Entscheidung<br />

haben alle Bundesländer, deren Landesvergabegesetze<br />

Tariftreueregelungen enthalten<br />

(Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen,<br />

Saarland und Schleswig-Holstein),<br />

die verwaltungsinterne Anweisung gegeben, bis<br />

auf weiteres im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe<br />

keine Tariftreueerklärung mehr zu fordern.<br />

Darüber hinaus sind die Landesgesetzgeber<br />

nun gefordert, die Vergabevorschriften europarechtskonform<br />

zu gestalten.<br />

Folgen haben die Entscheidungen des Europäischen<br />

Gerichtshofs auch auf das laufende<br />

Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung<br />

des Vergaberechts des Bundes. Auch dort soll<br />

eine Regelung aufgenommen werden, auf deren<br />

Grundlage es zukünftig möglich sein soll, für die<br />

Auftragsausführung zusätzliche Anforderungen<br />

an Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere<br />

soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte<br />

betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang<br />

mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus<br />

der Leistungsbeschreibung ergeben.<br />

Die BDA hat sich frühzeitig gegen die Einführung<br />

vergabefremder Aspekte in das Vergaberecht<br />

ausgesprochen. Die im Gesetzentwurf zur Modernisierung<br />

des Vergaberechts vorgeschlagene Ergänzung<br />

des § 97 Abs. 4 GWB um vergabefremde<br />

Kriterien wird dem Ziel, das Vergaberecht zu<br />

vereinfachen und dabei transparenter und mittelstandsfreundlicher<br />

zu gestalten, nicht gerecht. Mit<br />

jedem zusätzlichen Vergabekriterium wächst die<br />

Bürokratie bei der Ausschreibung sowohl für die<br />

Unternehmen als auch für die ausschreibende Verwaltung.<br />

Außerdem wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit<br />

geschaffen. Unabhängig von den mit<br />

den vergabefremden Kriterien verfolgten konkreten<br />

politischen Zielen erweist sich das Vergaberecht<br />

nicht als probates Mittel zu deren Umsetzung. Die<br />

Berücksichtigung vergabefremder Aspekte, namentlich<br />

sozialer und umweltbezogener Aspekte,<br />

verfälscht den Wettbewerb um das wirtschaftlichste<br />

Angebot zu Lasten der öffentlichen Haushalte.<br />

Über allgemeinverbindliche Mindestlöhne nach<br />

dem Entsendegesetz hinaus besteht vor dem Hin-<br />

88 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


tergrund der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsfreiheit<br />

keine Rechtfertigung für die Verpflichtung<br />

zur Einhaltung von Tariflöhnen.<br />

EuGH begrenzt die Ausübung<br />

kollektiver Rechte<br />

Der EuGH hat in zwei wichtigen Entscheidungen<br />

(EuGH vom 11. Dezember 2007, C-348 / 95, „Viking“,<br />

und vom 18. Dezember 2007, C-341/05<br />

„Laval“) zur Ausübung kollektiver Rechte bei<br />

grenzüberschreitenden Sachverhalten Stellung<br />

genommen. In beiden Fällen wurden zwar die<br />

kollektiven Rechte der Gewerkschaften als europäisches<br />

Grundrecht anerkannt. Zugleich hat der<br />

EuGH aber auch dessen Schranken aufgezeigt:<br />

Wird durch kollektive Maßnahmen in Grundfreiheiten<br />

eingegriffen – z. B. in die Niederlassungsund<br />

die Dienstleistungsfreiheit –, muss dieser Eingriff<br />

gerechtfertigt sein.<br />

In der Rechtssache „Viking“ wollte die finnische<br />

Fährgesellschaft Viking Line die zwischen<br />

Finnland und Estland verkehrende Fähre „Rosella“<br />

in Estland registrieren lassen, um eine estnische<br />

Besatzung beschäftigten zu können. Darauf reagierte<br />

die finnische Seemannsgewerkschaft mit einer<br />

kollektiven Maßnahme. Der EuGH entschied:<br />

Werde die kollektive Maßnahme gegenüber einem<br />

Unternehmen mit dem Zweck betrieben, dieses<br />

zum Abschluss eines Tarifvertrages zu veranlassen,<br />

dessen Inhalt geeignet ist, das Unternehmen<br />

davon abzuhalten, von seiner Niederlassungsfreiheit<br />

Gebrauch zu machen, unterfalle dies dem<br />

Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit.<br />

Damit erkennt der Gerichtshof zugleich an, dass<br />

die Niederlassungsfreiheit auch einem privaten<br />

Unternehmen Rechte verleiht, auf die es sich<br />

gegenüber einer Gewerkschaft berufen kann. In<br />

der Rechtssache „Laval“ hatte die schwedische<br />

Tochter einer lettischen Baufirma den Auftrag zu<br />

einem Schulausbau in Schweden erhalten und<br />

entsandte Arbeitnehmer aus Lettland. Laval hatte<br />

einen Tarifvertrag mit der lettischen Bauarbeitergewerkschaft<br />

abgeschlossen. Die schwedische Bauarbeitergewerkschaft<br />

ergriff hiergegen kollektive<br />

Maßnahmen in Form einer Baustellenblockade.<br />

Im Ergebnis stellte der EuGH einen Verstoß gegen<br />

die Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) und<br />

die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49 EG) fest. Den<br />

Baustellenboykott sah der EuGH als Beschränkung<br />

der Dienstleistungsfreiheit an, da eine solche<br />

Maßnahme geeignet sei, für ausländische Unternehmen<br />

die Durchführung von Bauarbeiten in<br />

Schweden weniger attraktiv zu machen oder gar<br />

zu erschweren. Ein Unternehmen könne allerdings<br />

nicht gezwungen werden, über das aus der Entsenderichtlinie<br />

folgende Maß hinaus Arbeits- und<br />

Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten, wie<br />

es im vorliegenden Fall aber die Forderung der Gewerkschaft<br />

war. Beide Entscheidungen haben keine<br />

unmittelbaren Auswirkungen auf das deutsche<br />

Recht, sie geben den Unternehmen aber mehr<br />

Sicherheit: Diese dürfen bei grenzüberschreitenden<br />

Aktivitäten auch von Gewerkschaften<br />

nicht zur Einhaltung nationaler Besonderheiten<br />

gezwungen werden, die über das sich aus der<br />

Entsenderichtlinie ergebende Maß hinausgehen.<br />

Allgemeinverbindlicherklärung als<br />

Ausnahmeinstrument erhalten<br />

Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen,<br />

mit der auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet<br />

werden, einen Tarifvertrag anzuwenden, muss<br />

die Ausnahme in dem durch die Koalitionsfreiheit<br />

geprägten Tarifvertragssystem bleiben. Denn zur<br />

Koalitionsfreiheit gehört auch das Recht, Koalitionen<br />

fernzubleiben und auf die Anwendung von<br />

Tarifverträgen zu verzichten. Nur im Wettbewerb<br />

um die beste Tariflösung können notwendige Reformen<br />

der Tarifverträge vorangebracht werden.<br />

Durch die Koordinierung der Tarifausschüsse auf<br />

Landesebene konnte der Ausnahmecharakter der<br />

Allgemeinverbindlicherklärung, der zuletzt im Mindestlohnbeschluss<br />

des BDA-Präsidiums vom 20.<br />

April 2007 bestätigt wurde, gestärkt werden. Darin<br />

hatte die BDA nochmals die Voraussetzungen<br />

dargelegt, unter denen ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von tariflichen Mindestlöhnen<br />

die Zustimmung der Arbeitgebervertreter im Tarifausschuss<br />

finden kann. Dazu gehört insbesondere,<br />

dass es sich grundsätzlich um die unterste<br />

Lohngruppe handelt und keine konkurrierenden<br />

Tarifverträge verdrängt werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen“<br />

veröffentlicht.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 89


Allgemeinverbindlich erklärte Entgelt-Tarifverträge<br />

Stand: Dezember <strong>2008</strong><br />

Geltungsbereich<br />

Mindestentgelt<br />

Bauwirtschaft 10,70 €<br />

(Ost: 9,– €)<br />

Maler und Lackierer 8,05 €<br />

(Ost: 7,50 €)<br />

Dachdecker 10,20 €<br />

(West + Ost)<br />

Gebäudereiniger 8,15 €<br />

(Ost: 6,58 €)<br />

Elektrohandwerk 9,40 €<br />

(Ost: 7,90 €)<br />

Briefdienstleistungen 8,40 €<br />

(Ost: 8,– €)<br />

Friseurhandwerk<br />

Baden-Württemberg<br />

Bayern<br />

Hessen<br />

Niedersachsen<br />

NRW<br />

Pfalz<br />

Sachsen<br />

Thüringen<br />

6,38 €<br />

7,04 €<br />

5,34 €<br />

6,57 €<br />

7,60 €<br />

5,49 €<br />

3,06 €<br />

3,18 €<br />

Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

NRW 6,30 €<br />

Wach- und Sicherheitsgewerbe<br />

Berlin<br />

Brandenburg<br />

Bremen<br />

Hessen<br />

NRW<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Saarland<br />

Sachsen<br />

Thüringen<br />

5,50 €<br />

5,00 €<br />

6,09 €<br />

6,03 €<br />

7,53 €<br />

5,35 €<br />

5,35 €<br />

5,01 €<br />

4,51 €<br />

Quellen: BDA, BMAS<br />

90 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik


BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 91


Deutschland muss Bildungsrepublik<br />

werden<br />

Bildung ist ein Schicksalsthema für Deutschland,<br />

von dem Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit<br />

sowie Wohlstand und soziale Sicherheit abhängen.<br />

Bildung muss daher im Rahmen gemeinsamer<br />

Anstrengungen überall auf Platz eins der<br />

politischen Agenda gesetzt werden. Um diese Prioritätensetzung<br />

zu unterstützen, hat das gemeinsame<br />

Präsidium von BDA und BDI am 15. September<br />

<strong>2008</strong> den Beschluss „Deutschland muss<br />

Bildungsrepublik werden“ gefasst.<br />

Der Beschluss enthält die Vorschläge der<br />

Wirtschaft für den Bildungsgipfel vom 22. Oktober<br />

<strong>2008</strong>. Gefordert wird eine Gesamtstrategie, die<br />

die Qualität von Bildung in allen Bereichen verbessert.<br />

Hierfür ist von besonderer Bedeutung,<br />

dass Deutschland sich gemeinsame Bildungsziele<br />

setzt, die in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen<br />

umgesetzt werden. Solche konkreten Ziele<br />

stellen sicher, dass der bildungspolitische Fortschritt<br />

sichtbar und damit messbar ist. Die Vorschläge<br />

von BDA und BDI sind verbunden mit der<br />

Zusage, Bund und Länder bei der Umsetzung zu<br />

unterstützen. Der Beschluss wurde am 1. Oktober<br />

<strong>2008</strong> von BDA-Vizepräsident Dr. Gerhard F. Braun<br />

im Rahmen einer Pressekonferenz, die ein breites<br />

Medienecho gefunden hat, vorgestellt.<br />

Bildungsgipfel: erster Schritt auf<br />

dem Weg zur Bildungsrepublik<br />

Am 22. Oktober <strong>2008</strong> haben Bund und Länder<br />

auf dem Bildungsgipfel in Dresden die Qualifizierungsinitiative<br />

für Deutschland „Aufstieg durch Bildung“<br />

vereinbart mit dem Ziel, bildungspolitische<br />

Reformen zu bündeln und zu intensivieren. Die<br />

jetzt von Bund und Ländern verabredeten Handlungsschritte<br />

weisen in die richtige Richtung. Sie<br />

müssen jedoch um weitere Themen und weitere<br />

konkrete Zielmarken ergänzt werden. BDA und<br />

BDI begrüßen, dass Bund und Länder wichtige<br />

Reformschwerpunkte, wie die Stärkung der frühkindlichen<br />

Bildung, die Verbesserung der Ausbildungsreife<br />

der Schulabgänger, die Stärkung der<br />

MINT-Bildung und der Berufsorientierung, mehr<br />

Durchlässigkeit im Bildungssystem und mehr Studienanfänger,<br />

in den Mittelpunkt ihrer Qualifizierungsinitiative<br />

gestellt haben. Zur Finanzierung<br />

erklären die Länder erfreulicherweise, dass sie<br />

den Ressourcenspielraum, der durch die demografische<br />

Entwicklung entsteht, insbesondere zur<br />

Verbesserung der Bildungsqualität nutzen. Auch<br />

ist sehr zu begrüßen, dass sich Bund und Länder<br />

einige wichtige Zielmarken gesetzt haben. So soll<br />

bis 2015 die Schulabbrecherquote auf 4 % und die<br />

Quote junger Menschen ohne Schulabschluss auf<br />

8,5 % halbiert werden; die Studienanfängerquote<br />

soll auf 40 % gesteigert werden. Allerdings bleiben<br />

wichtige Reformfelder komplett unberücksichtigt.<br />

Dazu gehören die Stärkung der ökonomischen<br />

Bildung in der Schule, eine Neuausrichtung der<br />

Lehrerbildung, das Thema „Ganztagsschule“ sowie<br />

mehr Selbstständigkeit für Schulen und Hochschulen.<br />

Nachlegen müssen Bund und Länder<br />

auch bei den konkreten Zielen: So muss z. B. das<br />

klare Ziel gesetzt werden, dass bis 2015 die Hälfte<br />

der Kindergartenleitungen über eine pädagogische<br />

Hochschulbildung oder vergleichbare Kompetenzen<br />

verfügt. Zur Stärkung der MINT-Bildung<br />

in der Schule müssen zwei naturwissenschaftlichtechnische<br />

Fächer bis zum Abitur Pflicht werden.<br />

Mit dem Bildungsgipfel haben sich Bund<br />

und Länder auf den Weg zur Bildungsrepublik<br />

gemacht. Weitere Konkretisierungs- und Umsetzungsschritte<br />

müssen nun zügig folgen, damit die<br />

Qualifizierungsinitiative positive Wirkungen zeigt.<br />

Dies werden BDA und BDI im Rahmen der Umsetzung<br />

der Initiative in den nächsten Monaten<br />

einfordern.<br />

„Bildungsagenda Schule <strong>2008</strong>“<br />

stellt Schulreformen auf den<br />

Prüfstand<br />

Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten<br />

Jahren zu entscheidenden bildungspolitischen<br />

Fragen Stellung genommen und Impulse gegeben.<br />

Viele Reformen sind in Bund und Ländern,<br />

in Schulen und Hochschulen in Gang gekommen.<br />

Im Rahmen der „Bildungsagenda Schule <strong>2008</strong>“<br />

hat die Wirtschaft den Stand der Reformen in einigen<br />

wichtigen Handlungsfeldern analysiert, die<br />

Entwicklungen bewertet und noch fehlende Maßnahmen<br />

eingefordert. Im Mittelpunkt standen die<br />

Selbstständige Schule, die ökonomische Bildung<br />

und die Entwicklung der Lehrerbildung.<br />

96 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Schulpolitik“ veröffentlicht.<br />

Selbstständige Schule<br />

konsequent umsetzen<br />

Die Wirtschaft setzt auf einen Paradigmenwechsel<br />

im Schulsystem – weg von der administrativen<br />

Durchregulierung ohne Effizienzüberprüfung<br />

hin zu einem neuen System von selbstständigen<br />

Schulen und definierten, überprüften Zielen. Die<br />

Selbstständige Schule ist dabei Dreh- und Angelpunkt<br />

des Paradigmenwechsels im Schulsystem<br />

hin zu Wettbewerb und Profilbildung der einzelnen<br />

Schule.<br />

Zur Umsetzung der Selbstständigen Schule<br />

muss die Entwicklung in den Ländern über Modellversuche<br />

oder Teilselbstständigkeiten weit hinausgehen.<br />

Zu oft fehlt es noch an wirklichem Vertrauen<br />

in die Leistungsfähigkeit der Selbstständigen<br />

Schule. Die Schulen brauchen mehr Freiheiten,<br />

um einen individuellen Weg bei der Förderung<br />

ihrer Schüler einschlagen, eigene Schwerpunkte<br />

setzen, Lehrkräfte aussuchen, Verträge schließen<br />

und ein Budget verwalten zu können. Dabei muss<br />

der Schulleiter zum Chef des „Unternehmens“<br />

Schule werden. Für die Entwicklung der notwendigen<br />

Führungs- und Managementkompetenzen<br />

sind Erfahrungen der Unternehmen mit Leitung,<br />

Personalentwicklung und Verantwortung hilfreich.<br />

Dies machte BDA-Vizepräsident Dr. Braun im<br />

Rahmen der BDA/BDI-Tagung „Selbstständige<br />

Schule braucht Führung“ am 23. Juni <strong>2008</strong> in Berlin<br />

deutlich. Kultusminister Rau stellte den Entwicklungsstand<br />

der Selbstständigen Schule und<br />

die Rolle der Schulleitung in Baden-Württemberg<br />

vor und betonte die Notwendigkeit eines neues<br />

Führungsverständnisses in der Schule. Im Rahmen<br />

der Tagung wurde die neueste Publikation<br />

der von der BDA und dem Institut der deutschen<br />

Wirtschaft Köln getragenen Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

SCHULEWIRTSCHAFT vorgestellt:<br />

„Was Schulleiter als Führungskräfte brauchen“.<br />

Die Studie analysiert die Auswahl, die Qualifizierung<br />

und das Kompetenzprofil der Schulleiter in<br />

den Bundesländern und gibt Empfehlungen für die<br />

Aus- und Fortbildung von Schulleitern. Die Studienergebnisse<br />

fanden in Öffentlichkeit, Schulen,<br />

Politik und Presse ein breites Echo.<br />

Ökonomische Bildung: Schulfach<br />

Wirtschaft statt Häppchenwissen<br />

60 Jahre nach Einführung der Sozialen Marktwirtschaft<br />

fehlt in Deutschland immer noch eine<br />

umfassende ökonomische Bildung in der Schule<br />

als Kernbereich einer zielgerichteten Allgemeinbildung.<br />

BDA und BDI fordern deshalb ein Schulfach<br />

Wirtschaft an allen weiterführenden Schulen statt<br />

Häppchenwissen.<br />

Aktuelle Untersuchungen der Bertelsmann<br />

Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft<br />

Köln zeigen, dass Wirtschaft in Schulen immer<br />

noch ein Randthema ist. Die Verankerung wirtschaftlicher<br />

Grundkenntnisse in Schulbüchern und<br />

Lehrplänen ist absolut unzureichend. So wird häufig<br />

eine einseitig interessenorientierte Sichtweise<br />

vermittelt, während die Funktionsweisen von Unternehmen<br />

in sich ständig ändernden Märkten, die<br />

Leistungen von Unternehmern und auch die Motivation<br />

zur unternehmerischen Selbstständigkeit<br />

fehlen. Die Bertelsmann-Studie „Heute Schüler,<br />

morgen Unternehmer?“ hat mit beeindruckenden<br />

Zahlen belegt, dass sich sowohl Schüler als auch<br />

Lehrer eine breitere und fundierte Behandlung<br />

wirtschaftlicher Themen im Schulunterricht wünschen.<br />

Dabei haben die Jugendlichen durchweg<br />

großes Interesse an Wirtschaftsthemen, jeder<br />

Zweite schätzt sich selbst als Unternehmertyp ein.<br />

BDA und BDI haben sich intensiv mit diesem Thema<br />

befasst und ihre Forderung nach einer besseren<br />

ökonomischen Bildung in der Schule in einem<br />

6-Punkte-Katalog erneuert. Die Kultusminister<br />

und die Bundesbildungsministerin wurden aufgefordert,<br />

in einer umfassenden Initiative zusammen<br />

mit der Wirtschaft diese Punkte umzusetzen.<br />

Des Weiteren haben BDA, DIHK und ZDH,<br />

erste Gespräche mit Schulbuchverlagen geführt<br />

und gemeinsam Möglichkeiten diskutiert, wie Wirtschaftsthemen<br />

in Schulbüchern so aufbereitet<br />

werden können, dass sie Jugendlichen Lust und<br />

Mut machen, auch Selbstständigkeit und Unternehmertum<br />

für sich als interessante berufliche<br />

Perspektive auszuloten, und ihnen ein Verständnis<br />

davon vermitteln, wie Unternehmer in der modernen<br />

Wirtschaftswelt ihre Unternehmen führen<br />

müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 97


9-Punkte-Plan der Wirtschaft für den Bund-Länder-Bildungsgipfel<br />

1. Frühkindliche Bildung zur ersten Stufe des Bildungssystems ausbauen<br />

Hier werden die entscheidenden Weichen für den Bildungserfolg gestellt. Es geht darum, unabhängig<br />

vom sozialen Hintergrund der Eltern frühzeitig die Potenziale aller Kinder zu entfalten und<br />

zur Einschulung eine deutsche Sprachfertigkeit sicherzustellen, die sie zur aktiven Teilnahme am<br />

Unterricht befähigt. Hierfür muss als erster Schritt ein obligatorisches beitragsfreies Vorschuljahr<br />

mit einem systematischen Vorschulcurriculum einschließlich obligatorischer Sprachstandstests eingeführt<br />

werden. Die Kindergartenleitung verfügt über eine pädagogische Hochschulausbildung oder<br />

vergleichbare Kompetenzen.<br />

2. Bedarfsgerechtes Ganztagsschulangebot und individuelle Förderung der Schüler sicherstellen<br />

Auf Basis regelmäßiger Kompetenzfeststellungen werden individuelle Förderpläne für Schüler erstellt<br />

und umgesetzt. Schwächen der Schüler können hierdurch abgebaut und gleichzeitig Stärken<br />

ausgebaut werden. Rhythmisierte Ganztagsschulen, die den Unterricht und das Lernen auf Vor- und<br />

Nachmittag verteilen, bieten hierfür besonders viel Raum und sollten daher bedarfsgerecht ausgebaut<br />

werden. Ziel muss die Sicherstellung der Ausbildungsreife der Schulabgänger sein.<br />

3. Unterricht und Lehre in Schule und Hochschule qualitativ verbessern<br />

Methodisch-didaktische Kompetenzen der Lehrenden sind Schlüssel zur Verbesserung der Lernergebnisse.<br />

Lehrer erfahren im Studium heute allerdings eher eine Prägung als Fachwissenschaftler.<br />

Für Hochschul-„Lehrer“ sind Drittmittel und Reputation ausschließlich an die Forschungsleistung<br />

gekoppelt. In Schule und Hochschule müssen daher stärkere Anreize zur Verbesserung der Lehre<br />

gesetzt werden, indem die Vergabe von Finanzmitteln an die Qualität des Unterrichts und der Lehre<br />

gekoppelt wird. Zudem muss die Aus- und Weiterbildung der Lehrenden praxisnäher gestaltet werden<br />

und verstärkt methodisch-didaktische Fertigkeiten vermitteln.<br />

4. Selbstständigkeit und Wettbewerb aller Bildungseinrichtungen stärken<br />

Schulen und Hochschulen müssen Autonomie in Finanz-, Verwaltungs- und Personalfragen erhalten.<br />

Im Gegenzug werden Unterstützungsangebote durch die Schulaufsicht und die zuständigen<br />

Länderministerien gestärkt. Die Bildungseinrichtungen können so ein eigenständiges Profil entwickeln<br />

und individuell auf besondere Herausforderungen reagieren. Dies ist Schlüssel für mehr<br />

Qualität.<br />

5. Demografische Rendite voll zur Finanzierung der Qualitätsverbesserungen<br />

im Bildungswesen einsetzen<br />

Durch die zurückgehenden Schülerzahlen entsteht ein wachsender finanzieller Spielraum, der allein<br />

im Schulbereich schon 2012 das Ausmaß von ca. 8 bis 10 Mrd. € p. a. annimmt. Diese Mittel müssen<br />

insbesondere für Investitionen in eine bessere Betreuung und individuelle Förderung der Schüler<br />

sowie für die Stärkung der frühkindlichen Bildung genutzt werden.<br />

98 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


6. Impulse zur Sicherung des MINT-Nachwuchses setzen<br />

Schon heute fehlt es in viel zu vielen technischen und naturwissenschaftlichen Berufen an Nachwuchs.<br />

Daraus erwächst eine existenzielle Gefährdung des Industriestandortes Deutschland. Um<br />

dem entgegenzuwirken, müssen Unterricht und Lehre in Kindergarten, Schule und Hochschule bei<br />

MINT Prioritäten setzen. Eine verpflichtende Belegung von zwei naturwissenschaftlich-technischen<br />

Fächern bis zum Abitur und ein quantitativer wie qualitativer Ausbau der MINT-Studienkapazitäten<br />

sind zwingend.<br />

7. Ökonomische Bildung stärken<br />

Junge Menschen brauchen wirtschaftliche Grundkenntnisse und Kompetenzen, um mündige Wirtschafts-<br />

und Staatsbürger sein zu können. Die Vermittlung ökonomischer Inhalte sowie die Darstellung<br />

der Rolle und Verantwortung von Unternehmern im Wirtschafts- und Arbeitsprozess müssen<br />

fest in Lehrbüchern und im Unterricht verankert sein, um Mut zum Unternehmertum zu machen.<br />

Hierzu gehört insbesondere ein eigenständiges Unterrichtsfach Wirtschaft an allen allgemeinbildenden<br />

Schulen.<br />

8. Abschottung der verschiedenen Bildungswege überwinden und Durchlässigkeit<br />

zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen<br />

Der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte muss offen und transparent gestaltet werden; sie<br />

müssen ebenso wie Abiturienten Zugang zu den Auswahlverfahren der Hochschulen erhalten. Dies<br />

hilft, Abbrecherquoten zu senken, denn wer schon eine Berufsausbildung absolviert hat und vielleicht<br />

auch schon berufstätig ist, ist besonders motiviert, ein Studium zügig zu einem erfolgreichen<br />

Abschluss zu bringen. Und gerade in technischen Berufen Ausgebildete werden ein Studium in<br />

den auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragten MINT-Fächern anstreben. Insgesamt ist berufliche<br />

Bildung mit der allgemeinen Bildung gleichzusetzen, denn neben dem allgemeinbildenden und dem<br />

hochschulischen Bildungssystem bietet die berufliche Aus- und Weiterbildung attraktive Qualifizierungswege.<br />

Dies muss sich in der Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens widerspiegeln.<br />

Durch tragfähige Modelle der Bildungsfinanzierung von Bund und Ländern kann eine Erhöhung der<br />

Weiterbildungsquote unterstützt werden.<br />

9. Hochschulfinanzierung investitionsorientiert ausrichten<br />

Das aktuelle Finanzierungssystem setzt für die Länder keine Anreize, das Angebot an Studienplätzen<br />

bedarfsgerecht und qualitätsorientiert auszubauen, sondern führt eher zu einem Abbau bestehender<br />

Kapazitäten. Die Finanzierung muss daher so umgestellt werden, dass die Qualität des<br />

Studiums verbessert und ein Ausbau von Studienplätzen zur Sicherung der Ersatzquoten für Fachkräfte<br />

erreicht wird. Eingerichtet werden muss insbesondere ein investitionsorientierter bundesweiter<br />

Finanzierungspool, in den die Länder einen Teil der Hochschulausgaben einbringen und der Aufwand<br />

und Ertrag verknüpft.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 99


Ökonomische Bildung:<br />

das Jahresthema für<br />

SCHULEWIRTSCHAFT 2009 / 2010<br />

Dass jeder Jugendliche grundlegende Wirtschaftskenntnisse<br />

für seine berufliche und private Zukunft<br />

braucht, ist eine gemeinsame Grundüberzeugung<br />

von Lehrern und Unternehmensvertretern im<br />

SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk.<br />

Die Schulen haben die Aufgabe, die Schüler<br />

an die Wirtschafts- und Arbeitswelt heranzuführen,<br />

ihnen Einblicke in wirtschaftliche Zusammenhänge<br />

und Abläufe zu vermitteln und sie mit<br />

den Grundlagen der Wirtschaftsordnung vertraut<br />

zu machen. Doch noch immer gelingt es vielen<br />

Schulen nicht, den Jugendlichen das notwendige<br />

Rüstzeug mit auf den Weg zu geben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

SCHULEWIRTSCHAFT<br />

hat sich deshalb für das Jahresthema 2009 / 2010<br />

„Ökonomische Bildung stärken. Schule und Wirtschaft<br />

in der Sozialen Marktwirtschaft“ entschieden.<br />

Ziel ist es, über Veranstaltungen, Workshops,<br />

Wirtschaftsplanspiele und Schülerfirmen das Interesse<br />

der Jugendlichen an wirtschaftlichen Zusammenhängen<br />

zu wecken und zu stärken sowie<br />

die ökonomische Bildung an Schulen zu verbessern.<br />

Eine Auftaktveranstaltung zum Thema ist im<br />

Frühjahr 2009 geplant.<br />

Praxistaugliche Lehrerbildung:<br />

noch nicht in Sicht<br />

Eine hochwertige und zielführende Aus- und Fortbildung<br />

der Lehrkräfte ist entscheidend für die<br />

Qualität von Unterricht, Bildung und Erziehung in<br />

unseren Schulen. Mit Blick auf die verhaltene Entwicklung<br />

der Reformen in diesem Bereich haben<br />

BDA und BDI aktuelle „Leitlinien für die Lehrerbildung“<br />

formuliert. In den letzten Jahren haben zwar<br />

in allen Bundesländern Reformen im Lehramtsstudium<br />

begonnen; es ist aber zu beobachten, dass<br />

die Kernprobleme – vor allem die Verbindung von<br />

Theorie und Praxis, erster und zweiter Phase,<br />

Berufsleben und Fortbildung – nicht gelöst sind.<br />

Die deutsche Wirtschaft hat 2003 das Konzept<br />

„Master of Education – Für eine neue Lehrerbildung“<br />

vorgelegt. An seinen Grundsätzen wurden<br />

nun die Reformen gespiegelt und daraus aktuelle<br />

Handlungsempfehlungen abgeleitet. Nach der Publikation<br />

für eine bessere ökonomische Bildung<br />

und der Tagung zur Selbstständigen Schule ist<br />

dies der dritte Baustein der Bildungsagenda der<br />

Wirtschaft für die Schule in diesem Jahr.<br />

Entscheidend für eine effektive Lehrerausbildung<br />

ist es:<br />

ein modernes Leitbild des Lehrers zugrunde<br />

zu legen, das die aktuellen Herausforderungen<br />

an der Schule aufgreift (heterogene<br />

Lernvoraussetzungen, Kompetenzorientierung<br />

des Unterrichts, Mitwirkung an der Schulentwicklung<br />

u. a. m.);<br />

die Studieninhalte konsequent am Berufsbild<br />

des Lehrers zu orientieren und von Anfang an<br />

konsequent Theorie und Praxis zu koppeln;<br />

Standards für die Lehrerbildung zu beschließen,<br />

umzusetzen und zu evaluieren;<br />

die Umstellung des Studiums auf Bachelor<br />

und Master konsequent umzusetzen;<br />

Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten<br />

einzurichten;<br />

die Eignungsvoraussetzungen der Bewerber<br />

zu überprüfen und spätestens vor Aufnahme<br />

des Master-Studiums zum Entscheidungskriterium<br />

zu machen;<br />

eine eigene Exzellenzinitiative für die Lehrerbildung<br />

zu starten;<br />

eine systematische Berufseingangsphase für<br />

angehende Lehrkräfte zu konzipieren;<br />

Fort- und Weiterbildung als Teil der Schulund<br />

Personalentwicklung zu gestalten;<br />

die Wirksamkeit der Lehrerbildung empirisch<br />

zu erforschen.<br />

BDA und BDI wollen mit dieser Stellungnahme<br />

dazu beitragen, dass die aktuellen Reformen<br />

der Lehrerbildung in die richtige Richtung zielen<br />

und konsequent umgesetzt werden.<br />

100 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


SCHULEWIRTSCHAFT-Studie<br />

„Was Schulleiter als Führungskräfte brauchen“<br />

Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen: bundesweite Trends<br />

Die Verantwortung der Schulleitung für das Profil und die Organisationsentwicklung ihrer Schule ist<br />

weithin selbstverständlich.<br />

Die Verantwortungsübernahme der Schulleitung für die Personalrekrutierung und -entwicklung haben<br />

die Länder noch nicht konsequent durchdekliniert. Meist fehlen den Schulleitungen die dafür<br />

notwendigen Führungsmittel. Insbesondere das Führungsinstrument Zielvereinbarung wird noch zu<br />

wenig genutzt.<br />

Sachmittel- und Personalbudgets sind noch nicht konsequent auf die Einzelschule übertragen<br />

worden.<br />

Es gibt häufig Besetzungsprobleme von Schulleiterstellen. Sie sind Indiz für eine mangelnde Führungskräfteentwicklung<br />

der Länder und für nicht leistungsgerechte Bezahlung. Bei der Besetzung<br />

von Schulleiterstellen haben externe Führungskräfte kaum eine Chance.<br />

Die Führungskräfteentwicklung der Schulleitungen erfolgt erst in Ansätzen kontinuierlich und systematisch.<br />

Empfehlungen von SCHULEWIRTSCHAFT:<br />

Die Länder müssen den eingeschlagenen Weg zur Selbstständigen Schule konsequent weiterverfolgen.<br />

Die Personalverantwortung muss in die Eigenverantwortung der Schulleitungen gelegt werden.<br />

Für die Organisations- und Personalentwicklung benötigen Schulleitungen finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Dafür müssen angemessene Ressourcen bereitgestellt und die bisher häufig noch<br />

zentral verwalteten Budgets konsequent auf die Einzelschule übertragen werden.<br />

Für die Besetzung von Schulleiterstellen soll ein qualifiziertes Einstellungsverfahren angewendet<br />

werden, das auch externen Bewerbern offensteht.<br />

Der Beamtenstatus soll zugunsten einer leistungsgerechten Personal- und Besoldungspolitik aufgegeben<br />

werden.<br />

Die Fortbildung soll konsequent auf eine nachfrageorientierte Fortbildung umgestellt werden und<br />

eine Öffnung zu freien Bildungsanbietern zulassen.<br />

Es müssen Ressourcen für eine systematische und professionelle Führungskräfteentwicklung,<br />

professionelle Begleitung der Schulleitung bei Veränderungsprozessen, Personalentwicklung und<br />

Personalausstattung sowie für die Schaffung leistungsgerechter finanzieller Anreizsysteme für Führungskräfte<br />

und Lehrer bereitgestellt werden.<br />

Die vollständige Studie ist unter www.schulewirtschaft.de abrufbar.<br />

Quelle: Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT, Mai <strong>2008</strong>.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung<br />

101


Die Forderungen von BDA und BDI zur ökonomischen Bildung<br />

1. Wirtschaft muss ein eigenständiges Unterrichtsfach an allgemeinbildenden Schulen sein. Erst ein<br />

Fach Wirtschaft wird einen deutlichen Qualitätssprung in der Vermittlung ökonomischen Wissens<br />

und Könnens schaffen.<br />

2. Für die ökonomische Bildung sind wie für alle Fächer nationale Standards zu entwickeln, mit denen<br />

die zu erreichenden Kompetenzen definiert werden.<br />

3. Eine zielführende und hochwertige Aus- und Weiterbildung von Fachlehrern für die ökonomische<br />

Bildung ist notwendig, die wissenschaftlich fundiert und praxisnah ist.<br />

4. In Forschung und Lehre ist die Didaktik der Wirtschaftswissenschaften zu stärken und an Kapazitäten<br />

auszubauen.<br />

5. Schulbücher und Unterrichtsmaterialien spielen eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung ökonomischer<br />

Bildung an die Jugendlichen. Sie müssen um ausgewogene Darstellungen von Unternehmensabläufen<br />

und unternehmerischer Wertschöpfung ergänzt werden und auch Mut zum Unternehmertum<br />

machen.<br />

6. Ein anschaulicher, die Jugend ansprechender Unterricht Wirtschaft braucht die enge Zusammenarbeit<br />

mit der Wirtschaft, mit Unternehmen, Verbänden und Bildungswerken. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaften<br />

SCHULEWIRTSCHAFT kooperieren bundesweit bereits Tausende von Schulen<br />

und Betrieben mit Schüler- und Lehrerpraktika, Berufs- und Betriebserkundungen, Planspielen und<br />

Schülerfirmen u. a. m.<br />

Quelle: Auszug aus der Resolution des BDA/BDI-Fachausschusses Bildung, Berufliche Bildung „Für eine<br />

bessere ökonomische Bildung in der Schule“, Mai <strong>2008</strong>.<br />

102 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


Kooperationsprojekt mit der<br />

Bertelsmann Stiftung:<br />

Leitfaden zur Berufsorientierung<br />

Noch immer sind Vorgaben zur Berufsorientierung<br />

in den Bildungsplänen der Länder wenig konkret,<br />

wird Berufsorientierung an vielen Schulen<br />

noch nicht systematisch umgesetzt. Deshalb entwickeln<br />

die Bertelsmann Stiftung und SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT in Zusammenarbeit mit der MTO<br />

Psychologische Forschung und Beratung GmbH<br />

zurzeit einen Leitfaden zur Berufsorientierung für<br />

allgemeinbildende Schulen.<br />

Der Leitfaden soll Schulen dabei unterstützen,<br />

auf der Basis von Qualitätsmanagement ein<br />

umfassendes systematisches Gesamtkonzept zur<br />

Berufsorientierung zu planen und umzusetzen.<br />

Zugleich soll er helfen, bereits vorhandene Berufsorientierungsaktivitäten<br />

an Schulen zu systematisieren<br />

und in ein Gesamtkonzept zu integrieren.<br />

Er soll praktische Anleitungen und Unterrichtsmaterialien<br />

zur Umsetzung einzelner Maßnahmen<br />

bieten und aufzeigen, wie gute Berufsorientierung<br />

an Schulen aussehen kann.<br />

Der Leitfaden wird aktuell in Modellregionen<br />

der Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRT-<br />

SCHAFT Baden-Württemberg und Nordrhein-<br />

Westfalen an je zehn Schulen erprobt und soll im<br />

Frühsommer 2009 veröffentlicht werden.<br />

Wettbewerb „Starke Schule“:<br />

bessere Berufsorientierung<br />

und Ausbildungsreife im Fokus<br />

Der Wettbewerb „Starke Schule. Deutschlands<br />

beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“<br />

wird von der Hertie-Stiftung gemeinsam mit der<br />

BDA, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutsche<br />

Bank Stiftung veranstaltet. Ausgezeichnet<br />

werden pädagogische Spitzenleistungen. Schulen<br />

werden bei der Qualifizierung ihrer Schüler für die<br />

Ausbildungsreife unterstützt.<br />

Der Wettbewerb ist die Fortentwicklung des<br />

bisherigen Hauptschulpreises, die sich deutlicher<br />

als bisher auf die Ausbildungsreife konzentriert<br />

und den unterschiedlichen Schulformen in den<br />

Bundesländern Rechnung trägt. Prämiert werden<br />

lernende und innovative Schulen, die auf Veränderungen<br />

in ihrem Umfeld aktiv und erfolgreich<br />

reagieren und den Schwerpunkt auf die Förderung<br />

der Berufsorientierung und Ausbildungsfähigkeit<br />

ihrer Schüler legen.<br />

Knapp 600 Schulen nehmen an dem Wettbewerb<br />

„Starke Schule“ teil. Zunächst werden bis zu<br />

drei Landespreise je Bundesland vergeben, anschließend<br />

unter den Landespreisträgern die drei<br />

Bundessieger ermittelt. Die Landesverleihungen<br />

werden von den jeweiligen Kultusministern vorgenommen,<br />

die Bundessieger werden am 5. Mai<br />

2009 von Bundespräsident Horst Köhler persönlich<br />

im Rahmen einer Feierstunde im Schloss<br />

Bellevue ausgezeichnet.<br />

Alle Preisträger werden zusätzlich in ein<br />

Netzwerk aufgenommen, das ihnen Fortbildungsveranstaltungen,<br />

Netzkonferenzen und Möglichkeiten<br />

zum Erfahrungsaustausch bietet. Immer<br />

bestätigt sich, dass die Preisträgerschulen auf<br />

andere Schulen ausstrahlen und die Wirkung der<br />

Auszeichnung innovativer Schulen weit über diese<br />

hinausreicht. So sind z. B. in Nordrhein-Westfalen<br />

Bausteine erfolgreicher Berufsorientierung des<br />

letzten Bundespreisträgers von der Landesregierung<br />

aufgegriffen und allen Schulen angeboten<br />

worden.<br />

Die BDA beteiligt sich aktiv in den Jurys und<br />

richtet die jährlichen Netzkonferenzen für die<br />

Preisträgerschulen aus. Der Wettbewerb wird außerdem<br />

von BDI, DIHK und ZDH sowie von allen<br />

Kultusministerien unterstützt.<br />

Startschuss für Initiative<br />

„Kooperation Schule-Wirtschaft<br />

in Ostdeutschland“ gefallen<br />

Der Beauftragte der Bundesregierung für die<br />

neuen Bundesländer, die BDA sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

SCHULEWIRTSCHAFT<br />

und die Landesarbeitsgemeinschaften SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT in den neuen Ländern haben im<br />

November <strong>2008</strong> das Projekt „Kooperation Schule-<br />

Wirtschaft in Ostdeutschland” gestartet, mit dem<br />

in den nächsten zwei Jahren die Zusammenarbeit<br />

der lokalen Akteure unterstützt werden soll.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 103


Die Initiative verfolgt das Ziel, erfolgreiche<br />

Modelle der örtlichen Zusammenarbeit von Schulen<br />

und regionaler Wirtschaft zu entwickeln und zu<br />

erproben, die die Übergangsphase von der Schule<br />

in die betriebliche oder hochschulische Ausbildung<br />

gestalten. Die Schüler sollen frühzeitig für ihre beruflichen<br />

Perspektiven interessiert, darüber informiert<br />

und auf die jeweiligen Anforderungen vorbereitet<br />

werden. Die Betriebe sollen ihrerseits durch<br />

Kooperationen mit den Schulen, durch verstärkte<br />

Ausbildung und durch spezifische Unterstützungsangebote<br />

den Schülern Ausbildungs- und Berufsperspektiven<br />

in der Region aufzeigen sowie die<br />

eigenen betrieblichen Abläufe näherbringen.<br />

Die Umsetzung soll durch eine zentrale Koordinierungsstelle<br />

in Thüringen unterstützt und entwickelte<br />

und erprobte Instrumente in die Fläche<br />

getragen werden. Eine Auftaktpressekonferenz<br />

wird im ersten Quartal 2009 stattfinden.<br />

Ausbildungsmarkt:<br />

mehr unbesetzte Ausbildungsplätze<br />

als unvermittelte Bewerber<br />

Ende September <strong>2008</strong> konnte für den Ausbildungsmarkt<br />

die beste Zwischenbilanz seit langem<br />

gezogen werden; das gute Vorjahresergebnis<br />

wurde zum Teil erneut übertroffen. In Industrie,<br />

Handel, Handwerk und freien Berufen wurden<br />

bis Ende September insgesamt 539.560 Ausbildungsverträge<br />

abgeschlossen, ein Plus von 1,7 %<br />

gegenüber dem Vorjahr.<br />

Auch die Daten der Bundesagentur für Arbeit<br />

zum 30. September zeigen eine deutliche Verbesserung<br />

der Ausbildungssituation: Die Zahl der<br />

unbesetzten Ausbildungsplätze war <strong>2008</strong> erstmals<br />

seit 2001 wieder höher als die der unversorgten<br />

Bewerber, und zwar um 5.000 Plätze. Zum Ende<br />

des Berufsberatungsjahres 2007/<strong>2008</strong> waren bei<br />

der Ausbildungsvermittlung 19.500 unbesetzte<br />

Ausbildungsplätze registriert. Ihnen standen noch<br />

14.500 unversorgte Bewerber gegenüber.<br />

Die Aussichten für die Nachvermittlung waren<br />

damit ausgezeichnet, denn neben den unbesetzten<br />

Ausbildungsplätzen standen den noch<br />

unvermittelten Bewerbern auch die Einstiegsqualifizierungen<br />

zur Verfügung. Dementsprechend<br />

konnte bereits im Oktober und November die Zahl<br />

der zum 30. September noch unvermittelt gemeldeten<br />

Bewerber um über 40 % auf 8.400 reduziert<br />

werden. Ihnen stehen noch über 20.000 Angebote<br />

(Ausbildungsplätze bzw. Einstiegsqualifizierungen)<br />

gegenüber.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Ausbildungsmarkt“ sowie die argumente<br />

„Wir bilden aus!“ veröffentlicht.<br />

Ausbildungspakt: erneut auf<br />

einem erfolgreichen Weg<br />

Bei der von BDA und BDI ausgerichteten Sitzung<br />

des Lenkungsausschusses Ausbildungspakt am<br />

13. Oktober unter Leitung von Arbeitgeberpräsident<br />

Dr. Dieter Hundt konnte für <strong>2008</strong> eine positive<br />

Zwischenbilanz gezogen werden. Die mit der<br />

Paktverlängerung im März 2007 erhöhten und sehr<br />

ehrgeizigen Zusagen der Wirtschaft sind <strong>2008</strong> umgesetzt<br />

und übertroffen worden.<br />

Bis Ende September wurden 68.300 neue<br />

Ausbildungsplätze (Zusage: 60.000) sowie 42.700<br />

neue Ausbildungsbetriebe (Zusage: 30.000) eingeworben.<br />

Darüber hinaus wurden 27.900 Plätze<br />

für Einstiegsqualifizierungen (Zusage: 40.000) zur<br />

Verfügung gestellt. Es ist zu erwarten, dass auch<br />

für dieses Instrument, das schwerpunktmäßig in<br />

der Nachvermittlung zum Einsatz kommt, in den<br />

nächsten Monaten das Ziel erreicht wird.<br />

Die Paktpartner sind sich trotz der positiven<br />

Zwischenbilanz aber auch bewusst, dass zahlreiche<br />

Jugendliche aufgrund mangelnder Ausbildungsreife<br />

noch Probleme an der Schwelle zwischen<br />

Schule und Ausbildung haben. Sie haben<br />

daher im Rahmen des Lenkungsausschusses die<br />

Themen vertiefte Berufsorientierung und Förderung<br />

insbesondere auch von Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergrund aufgegriffen.<br />

Für den Übergang in Ausbildung ist eine fundierte<br />

und rechtzeitige Berufsorientierung in der<br />

Schule schon ab Klasse 7 entscheidend. Um Jugendliche<br />

gezielter und passgenauer bei der Berufswahl<br />

zu unterstützen, haben die Paktpartner<br />

zusammen mit der Kultusministerkonferenz (KMK)<br />

unter Federführung der BDA Eckpunkte eines ge-<br />

104 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


<strong>2008</strong> erstmals seit sieben Jahren wieder mehr unbesetzte<br />

Ausbildungsstellen als unvermittelte Bewerber<br />

Nicht vermittelte /unversorgte Bewerber sowie unbesetzte Berufsausbildungsstellen<br />

am Ende des jeweiligen Berichtsjahres<br />

Bewerber<br />

60.000<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

1997/98 1998/99 1999/2000 2000/01 2001/02 2002 /03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08<br />

Jahr<br />

nicht vermittelte/unversorgte Bewerber<br />

unbesetzte Berufsausbildungsstellen<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 105


meinsamen Konzepts „Berufswegeplanung ist Lebensplanung“<br />

vereinbart. Gemeinsames Ziel ist es,<br />

Berufsorientierung fest und kontinuierlich im Alltag<br />

jeder Schule zu verankern. Beitrag der Wirtschaft<br />

ist dafür insbesondere die verbindliche Zusage,<br />

jeder Schule einen Partner aus der Wirtschaft zu<br />

vermitteln. Die von Paktpartnern und KMK vereinbarten<br />

Eckpunkte werden in den kommenden<br />

Monaten bis zur nächsten Sitzung des Lenkungsausschusses<br />

gemeinsam weiterentwickelt.<br />

Zusammen mit der Integrationsbeauftragten<br />

der Bundesregierung haben die Paktpartner gezielt<br />

die Bildungs- und Ausbildungssituation von<br />

Jugendlichen mit Migrationshintergrund beraten.<br />

Es wurde verabredet, bis zur nächsten Sitzung<br />

des Lenkungsausschusses Maßnahmen und Ziele<br />

weiter zu konkretisieren. Gemeinsames Ziel ist<br />

die Verbesserung der Bildungsvoraussetzungen<br />

und Ausbildungschancen junger Migranten. Dabei<br />

muss auch – hierüber besteht im Ausbildungspakt<br />

Einigkeit – die statistische Kenntnis des Migrationshintergrundes<br />

insbesondere durch die Bundesagentur<br />

für Arbeit ermöglicht werden. Ziel ist<br />

eine bessere Erfassung der individuellen Voraussetzungen<br />

für eine bedarfsgerechtere und zielgenauere<br />

Förderung.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Ausbildungspakt“ veröffentlicht.<br />

Zusammenarbeit der Integrationsbeauftragten<br />

mit SCHULEWIRT-<br />

SCHAFT gestartet<br />

Jugendliche des Jugendintegrationsgipfels haben<br />

gegenüber der Bundeskanzlerin den Wunsch<br />

geäußert, frühzeitig mehr über die Arbeits- und<br />

Berufswelt zu erfahren und dafür den Kontakt<br />

zur Wirtschaft zu intensivieren. SCHULEWIRT-<br />

SCHAFT stellt deshalb diese Zielgruppe stärker<br />

in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. BDA-Vizepräsident<br />

Dr. Braun hat dementsprechend im Rahmen<br />

eines Gesprächs mit der Bundeskanzlerin,<br />

der Integrationsbeauftragten und den Vertretern<br />

des Jugendintegrationsgipfels SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT als zentrales Netzwerk zur<br />

Verstärkung der Kooperation vorgestellt. Vereinbart<br />

wurde, dass die Jugendlichen des Integrationsgipfels<br />

die Arbeit und die Projekte von<br />

SCHULEWIRTSCHAFT zur Berufsorientierung<br />

und zur Verbesserung der ökonomischen Bildung<br />

kennen lernen und gemeinsam unter dem besonderen<br />

Fokus der Integration diskutieren. Des<br />

Weiteren soll die Zusammenarbeit mit dieser Zielgruppe<br />

intensiviert werden. Am 5. Dezember <strong>2008</strong><br />

fand die gemeinsame Veranstaltung „Mit besserer<br />

Berufsorientierung Integration fördern – Jugend<br />

und SCHULEWIRTSCHAFT im Dialog: Wer gut<br />

informiert ist, hat die Nase vorn!“ von SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT mit der Integrationsbeauftragten<br />

statt. Die Schirmherrschaft für die Veranstaltung<br />

hat Bundeskanzlerin Merkel übernommen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Integration durch Bildung“ veröffentlicht.<br />

Ausbildungsbonus: untaugliches<br />

Instrument eingeführt<br />

Anfang September <strong>2008</strong> trat die grundsätzliche<br />

Regelung zum sog. Ausbildungsbonus in Kraft.<br />

Bundesregierung und Gesetzgeber haben sich<br />

damit über die fundamentalen und nachdrücklich<br />

vorgebrachten Bedenken von Wirtschaft und Gewerkschaften<br />

hinweggesetzt. Denn die Zielgruppe<br />

für diesen Bonus wurde viel zu weit gefasst. Nun<br />

drohen Mitnahmeeffekte und Fehlanreize auf dem<br />

Ausbildungsmarkt.<br />

Mit dem Bonus kann die Ausbildung praktisch<br />

aller Altbewerber – immerhin regelmäßig<br />

über 300.000 Jugendliche – gefördert werden,<br />

vorausgesetzt, ihr Ausbildungsplatz erfüllt das Kriterium<br />

der Zusätzlichkeit. Dabei werden Jahr für<br />

Jahr rund die Hälfte der Ausbildungsverträge mit<br />

Altbewerbern abgeschlossen – ganz ohne Bonus.<br />

Nicht zuletzt weil aktuell die Chancen für junge<br />

Menschen und insbesondere der Altbewerber auf<br />

Ausbildungsplätze gewachsen sind, ist eine solche<br />

Gießkannenförderung, die auch gute Schulabgänger<br />

einschließt und damit zu teuren Mitnahmeeffekten<br />

führt, abzulehnen. So hat sich <strong>2008</strong> der<br />

Anteil der Altbewerber an allen Ausbildungsbewerbern<br />

aufgrund gezielter Anstrengungen und<br />

Förderangebote in den Vorjahren auch ganz ohne<br />

Bonus bereits reduziert, absolut ist ihre Zahl um<br />

knapp ein Fünftel zurückgegangen. Kritisch ist bei<br />

der breiten Ausgestaltung der Zielgruppe insbesondere<br />

auch, dass gerade jene Unternehmen be-<br />

106 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


nachteiligt werden, die in den vergangenen Jahren<br />

ohne Bonus und bei schwieriger wirtschaftlicher<br />

Lage zusätzlich ausgebildet haben und jetzt nicht<br />

noch einmal zulegen können. Dies demotiviert<br />

engagierte Ausbildungsbetriebe. Auch mittelfristig<br />

wirkt sich dieser Ausbildungsbonus negativ<br />

aus: Er torpediert die künftigen Anstrengungen, in<br />

wirtschaftlich schwierigen Zeiten und ohne Ausbildungsbonus<br />

Betriebe für zusätzliche Ausbildung<br />

zu gewinnen. Der Ausbildungsbonus stellt damit<br />

insgesamt eine schwere Hypothek für den Ausbildungsmarkt<br />

dar.<br />

Fachkräftenachwuchs durch<br />

moderne Berufe gewährleisten<br />

Die bedarfsgerechte Neuordnung und Modernisierung<br />

von Ausbildungsberufen gehört zu den<br />

Kernanliegen der BDA in der beruflichen Bildung.<br />

Neue Entwicklungen, sich ändernde Prozesse<br />

und Anforderungen müssen erkannt und kontinuierlich<br />

aufgegriffen werden, um bedarfsgerechte<br />

Qualifikationen zu gewährleisten. Gerade in den<br />

Bereichen, in denen moderne Technologien eine<br />

entscheidende Rolle spielen, hat der rasante technische<br />

Fortschritt unmittelbare Auswirkungen auch<br />

auf die Berufsausbildung. Die Fotobranche hat<br />

sich z. B. seit den Anfängen der digitalen Fotografie<br />

grundlegend verändert. Auch Hobbyfotografen<br />

nutzen zunehmend neue Technologien. Dem dadurch<br />

steigenden technischen Beratungsbedarf<br />

im Fotohandel wurde durch den neuen Beruf des<br />

Fotomedienfachmanns Rechnung getragen. Der<br />

technologische Wandel war auch Ausgangspunkt<br />

der Entwicklung der Ausbildung zum Produktionstechnologen<br />

sowie der Fortbildung zum Geprüften<br />

Prozessmanager Produktionstechnologie. Um<br />

auf geänderte Marktanforderungen reagieren zu<br />

können, benötigen die Unternehmen Fachkräfte,<br />

die nicht nur Produktionsveränderungen flexibel<br />

handhaben können, sondern dabei auch die gesamte<br />

Prozesskette überblicken. Mit dem neuen<br />

Aus- und Fortbildungsprofil in der Produktionstechnologie<br />

kann dieser Bedarf gedeckt werden.<br />

Berufe (Fachkraft für Automatenservice, Servicekraft<br />

für Schutz und Sicherheit sowie Speiseeishersteller/-in),<br />

die jeweils Anrechnungsmöglichkeit<br />

bei dreijährigen Berufen vorsehen. Damit wird<br />

nicht nur den unterschiedlichen Anforderungen der<br />

beruflichen Praxis Rechnung getragen, sondern<br />

auch dem unterschiedlichen Qualifikationsniveau<br />

der Ausbildungsbewerber. Die zweijährigen Berufe<br />

bieten in der Regel gerade leistungsschwächeren<br />

Jugendlichen einen erleichterten Einstieg in die<br />

duale Ausbildung. Bei erfolgreichem Abschluss<br />

besteht dann die Möglichkeit, die Ausbildung auf<br />

gemeinsamen Wunsch von Betrieb und Auszubildendem<br />

in einem dreijährigen Beruf fortzusetzen.<br />

Damit eröffnen sich für leistungsschwächere Jugendliche,<br />

die nicht über die erforderlichen Voraussetzungen<br />

für den direkten Einstieg in eine<br />

dreijährige Ausbildung verfügen, optimale weiterführende<br />

Qualifizierungswege.<br />

Auch in Zukunft wird sich die BDA dafür<br />

einsetzen, durch flexible Ausbildungsstrukturen<br />

sowohl auf die Anforderungen und Bedarfe der<br />

Wirtschaft als auch die unterschiedlichen Qualifikationsprofile<br />

der Jugendlichen einzugehen. Auch<br />

unter diesem Aspekt ist die vom Innovationskreis<br />

Berufliche Bildung (IKBB) empfohlene verstärkte<br />

Bildung von Berufsgruppen unterstützenswert:<br />

Gemeinsamkeiten erleichtern Übergänge bzw.<br />

die Anrechnung von erworbenen Kompetenzen.<br />

Voraussetzung für die Vernetzung mehrerer Ausbildungsberufe<br />

in einer Berufsgruppe muss aber<br />

immer das Vorliegen ausreichender Gemeinsamkeiten<br />

im Qualifikationsprofil sein, die sich z. B.<br />

auch in einer gemeinsamen Beschulung im ersten<br />

Ausbildungsjahr ausdrücken können. Sofern keine<br />

Schnittmengen mit bestehenden Berufen vorliegen,<br />

muss auch weiterhin die Verordnung von<br />

Einzelberufen möglich sein.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Moderne Strukturen in der dualen Ausbildung“<br />

veröffentlicht.<br />

Zum 1. August <strong>2008</strong> konnte die Ausbildung<br />

insgesamt in sieben neuen und in drei modernisierten<br />

Berufen starten (siehe Infokasten „Modernisierung<br />

der Ausbildungsordnungen konkret“). Unter<br />

den neuen Berufen befinden sich drei zweijährige<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 107


Deutscher Qualifikationsrahmen:<br />

Erprobung muss Praxistauglichkeit<br />

und Mehrwert aufzeigen<br />

Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR), der<br />

Qualifikationen aller Bildungsbereiche in Zukunft<br />

transparent und damit vergleichbar machen soll,<br />

hat zum Jahresende <strong>2008</strong> konkrete Formen angenommen.<br />

Für die deutsche Wirtschaft sind die<br />

Kriterien der Praxistauglichkeit und des Mehrwerts<br />

entscheidend für den künftigen Erfolg des<br />

Instruments. Der Arbeitskreis DQR von Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung (BMBF)<br />

und KMK, in dem die BDA vertreten ist, will bis<br />

zum Frühjahr 2009 einen abschließenden Entwurf<br />

vorlegen. Dieser enge Zeitplan soll anschließend<br />

ausreichend Zeit für die praktische Erprobung des<br />

DQR-Entwurfs sicherstellen und der Empfehlung<br />

der Europäischen Kommission folgen, bis 2010<br />

die nationalen Bildungssysteme über ihre nationalen<br />

Qualifikationsrahmen an den Europäischen<br />

Qualifikationsrahmen (EQR) zu koppeln. Für die<br />

Wirtschaft wird diese Erprobungsphase entscheidend<br />

sein. Sie wird zeigen, ob der DQR praxistauglich<br />

ist und einen echten Mehrwert gerade<br />

auch für Personalverantwortliche in Unternehmen<br />

bietet. Dies ist nur der Fall, wenn der DQR leicht<br />

verständlich ist und die für seine Anwender relevanten<br />

Informationen enthält.<br />

Die Wirtschaft setzt sich weiterhin für eine<br />

Orientierung am Beschäftigungssystem und damit<br />

für eine konsequente Fokussierung auf Kompetenzen<br />

ein. Die Beschreibungen des DQR müssen<br />

zudem so offen formuliert sein, dass sich sowohl<br />

die hochschulische als auch die berufliche Bildung<br />

mit ihren jeweiligen Qualifikationen auf allen Stufen<br />

Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret<br />

Neue Berufe <strong>2008</strong>:<br />

Automatenfachmann/-frau, Fachkraft für Automatenservice<br />

(zweijähriger Beruf), Fotomedienfachmann/-frau,<br />

Personaldienstleistungskaufmann/-frau,<br />

Produktionstechnologe/-in, Servicekraft für Schutz<br />

und Sicherheit (zweijähriger Beruf), Speiseeishersteller/-in<br />

(zweijähriger Beruf)<br />

Neu geordnet wurden die Berufe:<br />

Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Friseur/-in,<br />

Seiler/-in<br />

Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die<br />

Neuordnung zum 1. August 2009 befinden<br />

sich die Berufe:<br />

Bergbautechnologe/-in (vormals: Bergmechaniker/-in),<br />

Fotograf/-in, Industrieelektriker/-in (neuer<br />

Beruf), Keramiker/-in, Musikfachhändler/-in, Pferdewirt/-in,<br />

Technische/-r Modellbauer/-in (vormals<br />

Modellbauer/-in; Modellbaumechaniker/-in), Werkfeuerwehrmann/-frau<br />

(neuer Beruf)<br />

In der beruflichen Fortbildung wurden im<br />

Berichtsjahr die folgenden Verordnungen<br />

erlassen (nach § 53 BBiG):<br />

Geprüfte/-r Fachwirt/-in für Versicherungen und<br />

Finanzen, Geprüfte/-r Industriemeister/-in Papierund<br />

Kunststoffverarbeitung, Geprüfte/-r Prozessmanager/-in<br />

Produktionstechnologie, Geprüfte/-r<br />

Immobilienfachwirt/-in, Geprüfte/-r Veranstaltungsfachwirt/-in,<br />

Wirtschaftsfachwirt/-in<br />

Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren<br />

befinden sich die Fortbildungsverordnungen:<br />

Elektrotechniker/-in, Fachwirt/-in für Logistikdienstleistungen,<br />

Geprüfte/-r Industriemeister/-in Digital<br />

und Print, Geprüfte/-r Medienfachwirt/-in, Geprüfte/-<br />

r Meister/-in für Veranstaltungstechnik, Geprüfte/-r<br />

Polier/-in, Geprüfte/-r Sportfachwirt/-in, Geprüfte/-r<br />

Tourismusfachwirt/-in, Kraftverkehrsmeister/-in,<br />

Meister/-in für Lagerwirtschaft, Tierpflegemeister/-in<br />

108 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


des Rahmens wiederfinden können. Nur so kann<br />

mehr Durchlässigkeit innerhalb des deutschen Bildungssystems<br />

erreicht werden. Entscheidend für<br />

den Erfolg des DQR wird die sachgerechte und<br />

einvernehmliche Zuordnung der Qualifikationen<br />

sein. Hierbei müssen alle relevanten Akteure beteiligt<br />

werden. Die deutsche Wirtschaft hat in ihrem<br />

Vorschlag für einen DQR vom März <strong>2008</strong> eine<br />

beispielhafte Zuordnung von Qualifikationen vorgenommen.<br />

Diese soll jedoch nur zur Orientierung<br />

dienen. Eine pauschale Einordnung bestimmter<br />

Abschlussarten entspricht nicht dem vereinbarten<br />

„Outcome“-Ansatz. Qualifikationen müssen<br />

individuell anhand der jeweils vermittelten Kompetenzen<br />

zugeordnet werden.<br />

Qualitätssicherung in<br />

der beruflichen Bildung:<br />

kein Einheitsrezept<br />

Die EU-Kommission hat im April <strong>2008</strong> einen Vorschlag<br />

für einen Europäischen Bezugsrahmen für<br />

die Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und<br />

Weiterbildung (EQARF) veröffentlicht. Damit sollen<br />

die EU-Mitgliedstaaten bei der Qualitätsverbesserung<br />

ihrer beruflichen Aus- und Weiterbildungssysteme<br />

unterstützt werden. Allerdings schießt<br />

der Vorschlag weit über die Ziele eines freiwilligen<br />

europäischen Qualitätssicherungsinstruments hinaus.<br />

Die europäischen Transparenzinstrumente<br />

wie der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR)<br />

oder das geplante Leistungspunktesystem für die<br />

berufliche Bildung (ECVET) beruhen auf dem Prinzip<br />

des gegenseitigen Vertrauens. Dieser Ansatz<br />

wird nur funktionieren, wenn die Mitgliedstaaten<br />

ihre Qualitätssicherungssysteme transparent gestalten<br />

und gegebenenfalls verbessern. Deshalb<br />

unterstützt die deutsche Wirtschaft das grundsätzliche<br />

Ziel der vorgeschlagenen Empfehlung, die<br />

Qualität der beruflichen Bildung in den EU-Ländern<br />

zu verbessern.<br />

In einer gemeinsamen Stellungnahme haben<br />

die Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft<br />

jedoch die Detailliertheit des Vorschlages<br />

kritisiert, die eine freiwillige einheitliche Anwendung<br />

in den sehr heterogenen europäischen Berufsbildungssystemen<br />

gefährdet. Dies gilt insbesondere<br />

für die von der EU-Kommission vorgeschlagenen<br />

zehn Indikatoren, die Grundlage für die Qualitätssicherung<br />

sein sollen. Ein europäischer Bezugsrahmen<br />

kann aufgrund der Unterschiedlichkeit<br />

der Systeme keine einheitlichen Kriterien für die<br />

Qualitätssicherung vorschreiben, sondern nur Anregungen<br />

zur Verbesserung und zur Transparenz<br />

verschiedener Qualitätssicherungssysteme geben.<br />

Ein übergreifender europäischer Referenzrahmen<br />

muss so flexibel ausgestaltet sein, dass er<br />

den Mitgliedstaaten genügend Spielraum bietet,<br />

die Besonderheiten ihres jeweiligen Systems bei<br />

der Umsetzung zu berücksichtigen. Der EQARF<br />

kann daher nur eine Orientierungshilfe zur freiwilligen<br />

Nutzung in den Mitgliedstaaten sein, darf<br />

aber keine verbindlichen Vorgaben machen. Die<br />

Stellungnahme wurde sowohl auf nationaler als<br />

auch auf europäischer Ebene (EU-Kommission,<br />

EU-Parlament) breit gestreut.<br />

Durchlässigkeit erhöhen:<br />

Hochschulen für beruflich<br />

Qualifizierte öffnen<br />

Die mangelnde Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

und hochschulischer Bildung stellt eine<br />

schwere Hypothek für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland dar. Noch immer<br />

müssen beruflich Qualifizierte, die studierfähig<br />

sind, hohe Hürden überwinden, um studieren zu<br />

können. Bundesweit liegt der Anteil der Studierenden,<br />

die auf Basis ihrer beruflichen Qualifikation<br />

ein Studium aufgenommen haben, bei unter 1 %.<br />

Bund und Länder haben auf dem Bildungsgipfel<br />

im Oktober <strong>2008</strong> entschieden, dass bundesweit<br />

einheitliche Rahmenbedingungen für beruflich<br />

qualifizierte Studieninteressenten geschaffen und<br />

Zugangswege zur Hochschule erweitert werden<br />

sollen. Diese Entscheidung ist ein Schritt in die<br />

richtige Richtung, greift jedoch deutlich zu kurz.<br />

BDA und BDI setzen sich daher weiterhin mit<br />

Nachdruck dafür ein, dass für den Hochschulzugang<br />

gilt: Wer studierfähig ist, muss auch studieren<br />

können. Die tatsächlich erworbenen Kompetenzen<br />

jedes einzelnen Studienbewerbers müssen<br />

den Ausschlag für die Zulassungsentscheidung<br />

geben. Angesichts des in den kommenden Jahren<br />

dramatisch steigenden Fachkräftebedarfs an<br />

Hochqualifizierten muss die Studienanfängerquote<br />

in Deutschland auf deutlich über 40 % gesteigert<br />

werden. Formale Ausschlussgründe vom Studium<br />

sind nicht akzeptabel und führen zu einer unnöti-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 109


gen und nicht hinnehmbaren Verschwendung von<br />

Potenzial. Die weitere Öffnung der Hochschulen<br />

bleibt eine wichtige Voraussetzung, um ein breites<br />

Spektrum an individuellen und vielfältigen Qualifizierungsmöglichkeiten<br />

zu schaffen.<br />

BDA, BDI und die Hochschulrektorenkonferenz<br />

(HRK) haben ihre Forderung nach einer<br />

bundesweit einheitlichen Neuregelung des Hochschulzugangs<br />

für beruflich Qualifizierte in einem<br />

gemeinsamen Memorandum formuliert. Alle Absolventen<br />

einer anerkannten Berufsausbildung sollen<br />

demnach das Recht haben, an den Zulassungsverfahren<br />

für ein Hochschulstudium teilzunehmen.<br />

Dieses Recht darf nicht an weitere formale Voraussetzungen<br />

gekoppelt werden, da solche Kriterien<br />

den Kreis der potenziellen Studierenden unnötig<br />

beschränken. Die Auswahl der Studierenden<br />

muss in der Autonomie der Hochschulen liegen,<br />

die hierfür transparente und leistungs- und profilorientierte<br />

Kriterien festlegen. Das Memorandum<br />

ist unter www.arbeitgeber.de abrufbar.<br />

Um die Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

und hochschulischer Bildung weiter zu erhöhen,<br />

müssen Hochschulen darüber hinaus viel stärker<br />

von ihrem Recht Gebrauch machen, in Ausbildung<br />

und Beruf erworbene Kompetenzen auf das<br />

Hochschulstudium anzurechnen. Dies ermöglicht<br />

Studierenden einen zügigeren Studienverlauf und<br />

hilft, unnötige Doppelqualifikationen zu vermeiden.<br />

BDA, BDI und HRK planen zu diesem Thema im<br />

Jahr 2009 eine gemeinsame Empfehlung.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Hochschulpolitik“ sowie den kompakt „Quartäre<br />

Bildung“ veröffentlicht.<br />

Startschuss für „MINT Zukunft<br />

schaffen“ gefallen<br />

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im<br />

naturwissenschaftlich-technischen Bereich haben<br />

BDA und BDI am 5. Mai <strong>2008</strong> eine gemeinsame<br />

MINT-Strategie (Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaften, Technik) unter dem Vorsitz<br />

von Thomas Sattelberger, Personalvorstand<br />

Deutsche Telekom AG und Vorsitzender des<br />

BDA/BDI/HRK-Arbeitskreies Hochschule/Wirtschaft,<br />

gestartet. Als Schirmherrin von „MINT<br />

Zukunft schaffen“ konnte die BDA Bundeskanzlerin<br />

Merkel gewinnen. Ziel ist es, in den kommenden<br />

sechs Jahren insbesondere die Zahl der<br />

MINT-Studienanfänger und -absolventen sowie<br />

der qualifizierten Bewerber um Ausbildungsplätze<br />

in MINT-Berufen zu erhöhen. Durch das<br />

gemeinsame Auftreten und die Bündelung der<br />

vielfältigen MINT-Aktivitäten der Unternehmen<br />

und Verbände soll den bildungspolitischen Forderungen<br />

der Wirtschaft stärkerer Nachdruck<br />

verliehen werden.<br />

„MINT Zukunft schaffen“ vernetzt die vielfältigen<br />

und seit Jahren sehr erfolgreich arbeitenden<br />

regionalen und branchenbezogenen MINT-Initiativen<br />

der Unternehmen und Verbände stärker miteinander.<br />

Der MINT-Navigator, Herzstück des Internetportals<br />

der Initiative, bietet Informationen und<br />

Zugang zu mehr als 140 MINT-Einzelinitiativen.<br />

Die zwei wesentlichen Instrumente, die der Initiative<br />

Schlagkraft verleihen, sind das MINT-Barometer<br />

sowie die MINT-Botschafter. Im Rahmen<br />

des MINT-Barometers, das in Zusammenarbeit<br />

mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

erarbeitet wird, werden zukünftig jährlich komprimiert<br />

Zahlen und Fakten zu MINT veröffentlicht.<br />

Der Startschuss für die MINT-Botschafter-Aktivitäten<br />

fiel am 17. November <strong>2008</strong> im Rahmen der<br />

Botschafter-Auftaktkonferenz mit mehr als 200<br />

Gästen, insbesondere Schülern, Lehrern, Studierenden,<br />

Eltern und Vertretern aus Wissenschaft,<br />

Wirtschaft und Politik. MINT-Professionals stellten<br />

dar, warum sie sich für einen MINT-Beruf entschieden<br />

haben und welche Aspekte sie an den<br />

MINT-Disziplinen faszinieren. In einem Live-Chat<br />

diskutierten MINT-Botschafter deutschlandweit<br />

miteinander, wie bei Kindern und Jugendlichen<br />

Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik<br />

geweckt werden kann. Die in das Internetportal<br />

eingebundene Botschafter-Plattform, die im<br />

Rahmen der Veranstaltung freigeschaltet wurde,<br />

vernetzt die Aktiven und bietet für interessierte<br />

Schulen und Hochschulen Informationen und<br />

Kontaktmöglichkeiten zu den MINT-Botschaftern.<br />

Mehrere tausend MINT-Botschafter werden in den<br />

kommenden Jahren in Informationsveranstaltungen,<br />

Betriebsbesichtigungen etc. bei Schülern<br />

und insbesondere Schülerinnen die Begeisterung<br />

für MINT wecken und Wissen über attraktive Berufseinstiege<br />

und Karrierewege für MINT-Professionals<br />

vermitteln.<br />

110 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


Aktiv für MINT –<br />

die Handlungsschwerpunkte von „MINT Zukunft schaffen“<br />

MINT-Programmatik<br />

„MINT Zukunft schaffen“ definiert eindeutige Ziele<br />

für das Engagement von Wirtschaft, Bildungsträgern<br />

und Politik und kommuniziert den jeweiligen<br />

Stand auf dem Weg dorthin.<br />

MINT-Barometer<br />

Das MINT-Barometer überprüft kontinuierlich den<br />

Fortschritt der MINT-Ziele. Wir wollen Zahlen, Daten<br />

und Fakten zusammenstellen, um sichtbar zu<br />

machen, welche Erfolge in Deutschland auf dem<br />

Weg zu mehr MINT erreicht worden sind.<br />

MINT-Botschafter<br />

MINT wird von Menschen gemacht! Die MINT-<br />

Botschafter sind das menschliche Gesicht zur<br />

MINT-Idee, sie machen Mut und motivieren junge<br />

Menschen, sich an MINT heranzuwagen. MINT-<br />

Botschafter-Tätigkeiten sind sehr vielfältig.<br />

MINT-Portal<br />

Das MINT-Portal ist die digitale Multiplikationsplattform<br />

der MINT-Initiativen. Das Portal ist medialer<br />

Verstärker für den MINT-Gedanken und macht alle<br />

Informationen rund um die MINT-Projekte für Lernende,<br />

Lehrende und Eltern zugänglich.<br />

MINT-Konferenzen<br />

Regelmäßige Veranstaltungen vernetzen die MINT-<br />

Gemeinschaft, verbreitern die Wissensbasis und<br />

stoßen neue Initiativen an. Hier wird „MINT Zukunft<br />

schaffen“ vor- und mitgelebt.<br />

MINT-Öffentlichkeitsarbeit<br />

„MINT Zukunft schaffen“ will eine breite Öffentlichkeit<br />

für die MINT-Thematik gewinnen und noch<br />

mehr Engagement für MINT entfachen. Austausch<br />

in Netzwerken ist das Ziel.<br />

Ansprechpartnerin<br />

Dr. Ellen Walther-Klaus<br />

Geschäftsführerin der Initiative<br />

„MINT Zukunft schaffen“<br />

Spreeufer 5<br />

10178 Berlin<br />

T +49 30 21230-828<br />

F +49 30 21230-959<br />

www.mintzukunft.de<br />

MINT-Preise<br />

An deutschen Schulen und Hochschulen existiert<br />

vielfältiges Engagement für MINT-Bildung. Der<br />

Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung zeichnete<br />

im Jahr <strong>2008</strong> die nachhaltige Heranbildung von<br />

MINT-Kompetenzen aus.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 111


112 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


Forderungen und Zusagen der Personalvorstände in der<br />

Erklärung „Bachelor Welcome – MINT-Nachwuchs sichern!“<br />

Forderungen<br />

Hochschulen sollen die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse und die Weiterentwicklung<br />

der grundständigen und weiterbildenden Studiengänge zügig vorantreiben, angemessene<br />

Bildungsziele formulieren und die Lehrpläne erneuern.<br />

Hochschulen sollen insbesondere in den Bachelor-Studiengängen in MINT-Fächern die Bologna-<br />

Ziele der Vermittlung beschäftigungsbefähigender Basis- und Schlüsselqualifikationen erfüllen.<br />

Die Integration von Praxiseinsätzen in die Studienstruktur ist dazu ein wesentliches Element.<br />

Politik und Hochschulen sollen die Absolventenzahlen in den MINT-Studiengängen steigern, ohne<br />

die Qualität zu verwässern. Die hohen Abbrecherquoten müssen durch bessere Betreuung und<br />

frühzeitige Praxisorientierung gesenkt werden.<br />

Bund und Länder sollen die Finanzierung der MINT-Studienplätze durch einen Hochschulpakt auch<br />

für die Jahre 2010 bis 2020 sicherstellen. Es gilt, die Chance zu nutzen, auf der Basis der steigenden<br />

Anzahl an Studienberechtigten eine große Anzahl an qualifizierten Absolventen in den MINT-<br />

Fächern auszubilden.<br />

Länder und Hochschulen sollen sich für eine stärkere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und<br />

hochschulischer Bildung öffnen und zielgruppengerechte Angebote für beruflich Qualifizierte entwickeln.<br />

Ebenso sollten weiterbildende berufsbegleitende Bachelor-Studiengänge insbesondere im<br />

MINT-Bereich entwickelt und angeboten werden.<br />

Die Länder sollen durch ein förderndes, chancengerechtes und durchlässiges Schulsystem möglichst<br />

viele Schüler zur Hochschulreife führen. Rund die Hälfte eines Altersjahrgangs sollte eine<br />

Studienberechtigung erwerben.<br />

Zusagen<br />

Die Unternehmen<br />

öffnen MINT-Bachelor-Absolventen attraktive Berufseinstiege und Karrierewege.<br />

wirken an der Entwicklung von Angeboten an wissenschaftlicher Weiterbildung aktiv mit und nutzen<br />

diese sowohl für akademisch als auch für beruflich qualifizierte Mitarbeiter aus dem MINT-Bereich<br />

bei der Personalentwicklung.<br />

fördern gemeinsam mit den Hochschulen den Ausbau von attraktiven dualen MINT-Studiengängen.<br />

unterstützen die Hochschulen dabei, den Praxisbezug ihrer Studiengänge zu steigern. Dazu werden<br />

sie z. B. mehr Fachkräfte aus dem MINT-Bereich als Dozenten zur Verfügung stellen, mehr MINT-<br />

Praktika anbieten oder MINT-Lehrende temporär in Unternehmen einbinden.<br />

führen ihre vielfältigen Initiativen und Projekte zur Förderung des MINT-Nachwuchses fort und<br />

erweitern diese.<br />

leisten in den Schulen einen Beitrag, das Interesse an MINT-Berufen und -Studiengängen deutlich<br />

zu erhöhen.<br />

machen gelungene Karrieren von Frauen als Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen bekannt<br />

und gewinnen durch eine familiengerechte Personalpolitik mehr Schülerinnen für ein Studium<br />

in einem MINT-Fach.<br />

Die vollständige Erklärung ist unter www.arbeitgeber.de und www.stifterverband.de abrufbar.<br />

Quelle: Auszug aus der Erklärung „Bachelor Welcome – MINT-Nachwuchs sichern!“, 20. Juni <strong>2008</strong>.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 113


Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung <strong>2008</strong><br />

„Zukunft = Bildung x MINT 2 “<br />

Gut ausgebildete Fachkräfte aus den Bereichen<br />

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und<br />

Technik sind essenziell, um den Wirtschafts- und<br />

Technologiestandort Deutschland auch in Zukunft<br />

zu sichern. Mit neuen, innovativen Produkten und<br />

Dienstleistungen müssen sie die Marktchancen<br />

Deutschlands im globalen Wettbewerb behaupten.<br />

Um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel<br />

entgegenzuwirken und den Bedarf an Fachkräften<br />

zu decken, besteht eine wesentliche Aufgabe darin,<br />

Kinder und Jugendliche so früh wie möglich für<br />

MINT-Themen zu begeistern.<br />

Prämiert wurden in den drei Kategorien Vorschulische<br />

Einrichtung, Schule und Hochschule<br />

die besten Bildungskonzepte zur Förderung und<br />

Vertiefung der MINT-Kompetenzen bei Kindern,<br />

Schülern und Studierenden. Erstmals wurden<br />

zwei Sonderpreise Diversity vergeben, mit denen<br />

die besondere Bedeutung der Vielfältigkeit von<br />

Lernkontexten sowie die Notwendigkeit einer individuellen<br />

Förderung von Lernenden hervorgehoben<br />

wurden. Die Preisträger zeichnet aus, dass<br />

ihre Konzepte auf andere Einrichtungen übertragbar<br />

sind.<br />

Preisträger sind<br />

in der Kategorie Vorschulische Einrichtung<br />

der Städtische Kindergarten Rindelbach,<br />

Ellwangen<br />

in der Kategorie Schule<br />

das Ratsgymnasium Wolfsburg,<br />

www.mathematik.uni-hildesheim.de/rgw<br />

in der Kategorie Hochschule<br />

die Universität Bremen,<br />

www.uni-bremen.de<br />

Preisträger des Sonderpreises Diversity sind<br />

die Waldhof-Kindertagesstätte Templin<br />

die Fachhochschule Brandenburg,<br />

www.fh-brandenburg.de<br />

Weitere Informationen zum Arbeitgeberpreis für<br />

Bildung unter www.arbeitgeber.de<br />

Mit Unterstützung der Deutsche Bahn AG erhielt<br />

jede ausgezeichnete Initiative ein Preisgeld von<br />

10.000 €. Die Preisverleihung fand im Rahmen<br />

des Deutschen Arbeitgebertages am 4. November<br />

<strong>2008</strong> statt.<br />

114 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


Für mehr Ingenieure!<br />

Der Engpass an Fachkräften mit MINT-Qualifikationen<br />

ist in den Ingenieurwissenschaften besonders<br />

ausgeprägt. Aktuell besteht nach Erhebungen<br />

des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln allein<br />

in den Ingenieurberufen eine Fachkräftelücke<br />

von 70.000 Stellen. Gleichzeitig interessieren<br />

sich trotz hervorragender Arbeitsmarktchancen<br />

nach wie vor zu wenige junge Menschen für ein<br />

ingenieurwissenschaftliches Studium, und die Abbrecherquoten<br />

in diesen Studienfächern liegen<br />

überdurchschnittlich hoch. BDA, BDI, HRK und<br />

der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft<br />

haben daher im Dezember <strong>2008</strong> zur Tagung „Für<br />

mehr Ingenieure!“ eingeladen, um im Dialog zwischen<br />

Vertretern von Wissenschaft und Wirtschaft<br />

Perspektiven und Wege zu entwickeln, wie Studium<br />

und Weiterbildung in den Ingenieurwissenschaften<br />

attraktiver und effizienter gestaltet werden<br />

können. Im Mittelpunkt standen die Fragen, wie<br />

mehr Frauen für ein ingenieurwissenschaftliches<br />

Studium gewonnen, die hohen Abbrecherquoten<br />

gesenkt und die Aktivitäten der Hochschulen in<br />

der ingenieurwissenschaftlichen Weiterbildung<br />

gesteigert werden können. Die Tagung setzt die<br />

gemeinsame Veranstaltungsreihe „Bildungsmarkt<br />

und Arbeitsmarkt im Dialog“ im siebten Jahr fort.<br />

Bologna weiterentwickeln!<br />

Zum Wintersemester <strong>2008</strong>/2009 sind bereits 75 %<br />

aller Studiengänge auf die gestufte Studienstruktur<br />

umgestellt. Fast jeder dritte Studierende an<br />

deutschen Hochschulen ist mittlerweile in einem<br />

Bachelor- bzw. Master-Studiengang eingeschrieben.<br />

Die Zahl der Absolventen dieser neuen Studiengänge<br />

ist mit 14 % allerdings noch gering, da<br />

die Mehrzahl noch nicht den Studienabschluss erreicht<br />

hat. Mehr als 2.000 Studiengänge sind noch<br />

nicht umgestellt, rund 80 % dieser Programme<br />

führen zu staatlichen Abschlüssen (insbesondere<br />

Medizin, Rechtswissenschaft und Lehramt). Hier<br />

ist die Politik gefordert, die Umstellung zügig und<br />

sachgerecht voranzutreiben. Umwege oder Hinhaltetaktik<br />

sind in keiner Weise zielführend und<br />

beschädigen das Ansehen der Bologna-Reform.<br />

Ebenfalls nicht akzeptabel sind Äußerungen<br />

aus berufsständischen Organisationen im Hochschulbereich,<br />

die sich für ein Moratorium für noch<br />

nicht umgestellte Studiengänge und für den Master<br />

als Regelabschluss aussprechen. Die BDA ist<br />

gemeinsam mit dem BDI und dem Stifterverband<br />

für die Deutsche Wissenschaft solchen rückwärtsgewandten<br />

Forderungen öffentlichkeitswirksam<br />

massiv entgegengetreten und hat sich nachdrücklich<br />

für weitere Reformanstrengungen an den<br />

Hochschulen ausgesprochen.<br />

Auf der europäischen Ebene hat im Jahr <strong>2008</strong><br />

eine intensive Diskussion über die Frage der Weiterentwicklung<br />

des Bologna-Prozesses nach 2010<br />

(„Bologna beyond 2010“) begonnen. In den entsprechenden<br />

Gremien herrscht Einigkeit darüber,<br />

dass es nach wie vor Defizite bei der Implementierung<br />

der Bologna-Strukturen gibt, an denen weitergearbeitet<br />

werden muss. Daneben stellen die<br />

demografische Entwicklung und die Globalisierung<br />

Herausforderungen dar, denen sich die Bologna-<br />

Staaten bei der Gestaltung des europäischen<br />

Hochschulraumes stellen müssen. Besondere<br />

Bedeutung muss auch weiterhin den Aspekten<br />

Qualitätssicherung, Mobilität und Beschäftigungsfähigkeit<br />

zukommen. Diese Gesichtspunkte der<br />

Fortführung des Bologna-Prozesses auch über<br />

das Zieljahr 2010 hinaus werden Eingang in die<br />

Formulierungen des nächsten Kommuniqués finden,<br />

das im Rahmen des Ministertreffens im April<br />

2009 im belgischen Leuven unterzeichnet werden<br />

wird. BusinessEurope ist in den jeweiligen<br />

Gremien durch die BDA vertreten, die sich damit<br />

intensiv am Diskussionsprozess beteiligt.<br />

Bachelor Welcome –<br />

MINT-Nachwuchs sichern!<br />

Am 20. Juni <strong>2008</strong> wurde in Berlin von rund 40<br />

Personalvorständen bzw. Personalverantwortlichen<br />

führender deutscher Unternehmen die von<br />

der BDA und dem Stifterverband für die Deutsche<br />

Wissenschaft erarbeitete Erklärung „Bachelor Welcome<br />

– MINT-Nachwuchs sichern!“ unterzeichnet.<br />

Mit dieser konzertierten Aktion bekräftigt die Wirtschaft<br />

ihr Ja zum Bologna-Prozess und zur Umstellung<br />

auf die Studienabschlüsse Bachelor und<br />

Master.<br />

Sie richtet sich damit insbesondere gegen die<br />

an vielen Hochschulen immer noch bestehenden<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 115


Vorbehalte, dass Bachelor-Absolventen ingenieurwissenschaftlicher<br />

Studiengänge keine Chancen<br />

auf dem Arbeitsmarkt hätten. Die diesjährige Erklärung<br />

knüpft an die Aktionen der Jahre 2004 und<br />

2006 an. Angesichts der auf Seiten der Lehrenden<br />

immer noch vorhandenen Skepsis und der damit<br />

verbundenen Verunsicherung der Studierenden<br />

hinsichtlich des erfolgreichen Einstiegs von Bachelor-Absolventen<br />

in den Arbeitsmarkt ist dieses<br />

deutliche Signal der Unternehmen pro Bachelor<br />

hochschulpolitisch überaus wichtig. Seit Juni <strong>2008</strong><br />

haben mehr als 40 weitere Unternehmen die Erklärung<br />

online unterzeichnet, die Zahl der Unterzeichner<br />

hat sich damit mehr als verdoppelt.<br />

Beschäftigungsfähigkeit von<br />

Hochschulabsolventen stärken<br />

Die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit von<br />

Hochschulabsolventen ist ein zentrales Ziel eines<br />

Hochschulstudiums. Eine intensive Zusammenarbeit<br />

von Hochschulen und Unternehmen ist bei<br />

der Umsetzung dieses Ziels ein wichtiger Erfolgsfaktor.<br />

BDA, BDI und HRK haben daher im November<br />

<strong>2008</strong> ihr gemeinsames Verständnis von<br />

Beschäftigungsfähigkeit formuliert und wichtige<br />

Handlungsfelder zu ihrer Verankerung in den Studiengängen<br />

aufgezeigt. Ein Hochschulstudium<br />

dient der integrierten Vermittlung fachlicher, überfachlicher<br />

und Schlüsselkompetenzen. Die Hochschulen<br />

sind daher aufgefordert, ihre Studiengänge<br />

kompetenzorientiert zu gestalten und stärker<br />

an den Anforderungen des Arbeitsmarktes auszurichten,<br />

indem sie ihre Studierenden frühzeitig an<br />

die Berufspraxis heranführen. Die Wirtschaft berät<br />

und unterstützt sie hierbei und ermöglicht Studierenden<br />

qualifizierte Praxiseinblicke.<br />

Das vollständige Memorandum ist unter<br />

www.arbeitgeber.de abrufbar.<br />

Systemakkreditierung: letzter<br />

Schritt zur Einführung erfolgt<br />

Zu Beginn des Jahres hatte der Akkreditierungsrat<br />

die entscheidenden Beschlüsse zur Einführung<br />

der Systemakkreditierung als weiteren Instruments<br />

der akademischen Qualitätssicherung an<br />

den deutschen Hochschulen gefasst. Den Hochschulen<br />

stehen nun zwei Wege offen: die bisherige<br />

Akkreditierung einzelner Studienprogramme (Programmakkreditierung)<br />

oder die Akkreditierung des<br />

hochschulinternen Qualitätssicherungssystems für<br />

Studium und Lehre (Systemakkreditierung). Teil<br />

des Verfahrens im Rahmen der Systemakkreditierung<br />

werden aber auch Stichproben einzelner<br />

Studienprogramme sein. Die Forderung der Arbeitgebervertreter<br />

im Akkreditierungsrat nach kontinuierlichen<br />

Stichproben im Laufe des Akkreditierungszeitraumes<br />

konnte zumindest dahingehend<br />

durchgesetzt werden, dass die beschlossenen<br />

Verfahrensregeln zur Mitte des Zeitraumes nun<br />

auch eine Halbzeitstichprobe im Sinne einer Programmstichprobe<br />

vorsehen.<br />

Mit der Zulassung von sechs Agenturen zur<br />

Systemakkreditierung durch den Akkreditierungsrat<br />

im Oktober <strong>2008</strong> erfolgte der letzte Schritt zur<br />

Einführung dieses neuen Verfahrens. Der Akkreditierungsrat<br />

hat darüber hinaus Standards für die<br />

Gestaltung des Verhältnisses von Systemakkreditierung<br />

und Beratungsdienstleistungen beschlossen:<br />

Um mögliche Interessenkonflikte auszuschließen,<br />

dürfen Agenturen keine Systemakkreditierungen<br />

an Hochschulen durchführen, an denen sie bei der<br />

Einführung des Qualitätssicherungssystems beratend<br />

tätig waren.<br />

Hochschulfinanzierung<br />

investitionsorientiert und<br />

länderübergreifend gestalten<br />

Wettbewerb um Studierende, größere Investitionen<br />

in Hochschulbildung durch Bund und Länder,<br />

mehr Unterstützung für sozial Schwächere:<br />

Dies sind die Eckpunkte eines neuen Finanzierungsmodells<br />

für die Hochschulen, das BDA, BDI,<br />

Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Stifterverband<br />

für die Deutsche Wissenschaft gemeinsam<br />

entwickelt haben, um den Fachkräftebedarf<br />

nachhaltig zu sichern. Das Papier ist unter<br />

www.arbeitgeber.de abrufbar.<br />

Mit dem Modell wird ein Ausweg aus der aktuellen<br />

systematischen Fehlsteuerung der Hochschulfinanzierung<br />

und der Unterfinanzierung der<br />

Hochschulen aufgezeigt. Kernelement des neuen<br />

116 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung


Modells ist ein von Bund und Ländern gemeinsam<br />

finanzierter Gutscheinpool von 5 Mrd. €, aus dem<br />

die Studierenden Gutscheine erhalten, die sie an<br />

ihrer Hochschule einlösen. Die gemeinsame Finanzierung<br />

verhindert, dass ein Land kostenneutral<br />

von den gut ausgebildeten Absolventen aus<br />

anderen Bundesländern profitiert.<br />

Durch Erhebung von Studienbeiträgen sollen<br />

alle Hochschulen zudem die Möglichkeit haben,<br />

ihre Lehrqualität weiter zu verbessern. Hinzu<br />

kommt ein bundesweites Studienfinanzierungssystem,<br />

das ein monatliches Bildungsbudget für<br />

jeden Studierenden, gezielte BAföG-Zuschüsse<br />

für sozial Schwächere sowie günstige Studienkredite<br />

für alle umfasst, um ein Studium ohne Nebenjobs<br />

und Elternunterstützung möglich zu machen.<br />

Das Papier „Eckpunkte einer investitionsorientierten<br />

Hochschulfinanzierung“ von BDA, BDI,<br />

Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Stifterverband<br />

für die Deutsche Wissenschaft zur<br />

Hochschulfinanzierung wurde am 16. Juli <strong>2008</strong> im<br />

Rahmen einer gemeinsamen Tagung der beteiligten<br />

Organisationen sowie des Centrums für Hochschulentwicklung,<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung und<br />

der Heinrich-Böll-Stiftung der interessierten Öffentlichkeit<br />

vorgestellt und diskutiert. Deutlich wurde<br />

hierbei die große Übereinstimmung aller beteiligten<br />

Organisationen wie auch zahlreicher weiterer<br />

Akteure aus Wissenschaft und Politik bei der Analyse<br />

der Probleme des aktuellen Finanzierungssystems,<br />

der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels<br />

sowie bei den Grundsätzen eines neuen<br />

Modells: mehr Effizienz, mehr Wettbewerb, mehr<br />

Nachfrageorientierung.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Hochschulfinanzierung“ sowie die argumente<br />

„Studiengebühren zeigen Wirkung“ veröffentlicht.<br />

Rahmenbedingungen für<br />

Stipendien verbessern<br />

Zur Förderung besonderer Talente sowie zur eigenen<br />

Nachwuchssicherung bieten bereits zahlreiche<br />

Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen<br />

Stipendien an. Bei der Auswahl geeigneter<br />

Studierender wie auch bei der Gestaltung der<br />

Unterstützungsangebote für Stipendiaten arbeiten<br />

sie oft eng mit Hochschulen zusammen.<br />

Bund und Länder diskutieren derzeit, wie<br />

weitere Anreize für Hochschulen und Unternehmen<br />

geschaffen werden können, um die Zusammenarbeit<br />

bei Stipendienprogrammen zu fördern.<br />

Vorgeschlagen wird insbesondere die Einrichtung<br />

eines nationalen Stipendiensystems. Demnach<br />

sollen Gelder, die die Hochschulen in eigener Initiative<br />

von privaten Gebern einwerben, von der öffentlichen<br />

Hand in gleicher Höhe ergänzt werden.<br />

Die BDA setzt sich nachdrücklich für eine<br />

Verbesserung der Rahmenbedingungen für die<br />

Einrichtung von Stipendienprogrammen ein. Besonders<br />

zu begrüßen ist der dezentrale Ansatz<br />

des Modells: Die Einwerbung von Stipendiengeldern<br />

für Studierende wird als originäre Aufgabe<br />

der einzelnen Hochschulleitungen begriffen. Die<br />

einzelnen Hochschulen erhalten Anreize, ihre Kooperationen<br />

mit der Wirtschaft zu verstärken und<br />

Unternehmenspartner für Stipendienprogramme<br />

zu gewinnen. Die stiftenden Unternehmen behalten<br />

Möglichkeiten der individuellen Gestaltung der<br />

Programme sowie bestimmenden Einfluss auf die<br />

Förderentscheidung. Dabei ist sicherzustellen,<br />

dass die Stipendien in voller Höhe den geförderten<br />

Studierenden zugutekommen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Bildung 117


„Jobs, jobs, jobs,<br />

skills, skills, skills”<br />

Die BDA hat sich beharrlich dafür starkgemacht,<br />

dass sich auch die europäische Sozialpolitik daranmacht,<br />

eine deutliche Verbesserung der Lebenschancen<br />

zu verwirklichen. Dies geht nur, indem<br />

den Menschen<br />

ein Einstieg in Arbeit (Jobs) und<br />

der Aufstieg durch Bildung (Skills)<br />

ermöglicht werden.<br />

Diese grundlegende Einsicht findet in der Europäischen<br />

Kommission erfreulicherweise zunehmend<br />

Resonanz. Das schlägt sich in der Förderung<br />

des Flexicurity-Konzepts nieder wie auch in einer<br />

generell offenen Haltung gegenüber Argumenten<br />

der Wirtschaft bei anderen sozialpolitischen Vorhaben.<br />

EU-Kommissar Špidla hat sogar eine von<br />

ihm geleitete europäische „Flexicurity-Mission“<br />

eingesetzt, mit dem Ziel, die konkrete Umsetzung<br />

der im Dezember 2007 vom Europäischen Rat<br />

verabschiedeten Flexicurity-Grundsätze in den<br />

Mitgliedstaaten zu fördern.<br />

Dies schlägt sich auch in der generellen Ausrichtung<br />

der Sozialagenda nieder, die die Kommission<br />

im Juli des Jahres vorgelegt hat. Darin hat sie<br />

richtigerweise festgestellt, dass es im Sinne von<br />

„Fordern und Fördern“ darum gehen muss, „den<br />

Bürgern die Möglichkeiten und Fähigkeiten an die<br />

Hand zu geben, um ihr Potenzial voll ausschöpfen<br />

zu können, und zugleich denjenigen, die hierzu<br />

nicht in der Lage sind, zu helfen“.<br />

Diese grundsätzlich positive Ausrichtung der<br />

Politik der EU-Kommission wird jedoch durch aktuelle<br />

Entwicklungen wieder konterkariert: <strong>2008</strong> –<br />

vor allem in der zweiten Jahreshälfte – ist deutlich<br />

zu spüren gewesen, dass das letzte Amtsjahr<br />

der jetzigen Kommission angebrochen ist. Damit<br />

wächst der Druck, insbesondere aus dem Europäischen<br />

Parlament, vor Ende der Amtszeit auf<br />

sozialpolitischem Gebiet noch Regulierungen zu<br />

erreichen und damit dem Dauervorwurf zu begegnen,<br />

die Kommission unter Barroso würde die<br />

Wirtschaftspolitik in der Lissabonner Reformagenda<br />

überbetonen und die soziale Dimension vernachlässigen.<br />

Erfolgsmaßstab in der Politik darf<br />

aber nicht die Quantität von Regulierungsakten<br />

sein. Dennoch schlägt die Kommission immer wieder<br />

problematische neue Richtlinien vor, die allen<br />

Flexicurity- und Better-Regulation-Bemühungen<br />

zuwiderlaufen. Gemeint sind hier insbesondere<br />

die Neufassung der Richtlinie über Europäische<br />

Betriebsräte (EBR-Richtlinie), eine zusätzliche<br />

Antidiskriminierungsrichtlinie und schließlich die<br />

geplante Revision der bestehenden Mutterschutzrichtlinie.<br />

Die BDA hat gemeinsam mit BUSINESS-<br />

EUROPE alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel<br />

und politischen Instrumente eingesetzt, um<br />

durch proaktive Politik im Rahmen des Sozialen<br />

Dialoges bzw. offensive Überzeugungsarbeit die<br />

Interessen der deutschen Arbeitgeber auf EU-Ebene<br />

durchzusetzen und den durch die Regulierung<br />

entstehenden Schaden zu begrenzen.<br />

Neufassung der EBR-Richtlinie:<br />

Sozialpartnervorschläge Grundlage<br />

für zügige Verabschiedung<br />

In der Diskussion über die Weiterentwicklung<br />

der Europäischen Betriebsräte sind die Arbeitgeber<br />

immer offen gewesen für praxistaugliche<br />

Verbesserungen. Dafür wäre eine Revision der<br />

EBR-Richtlinie nicht erforderlich. Nachdem die<br />

EU-Kommission dennoch entschieden hatte, die<br />

EBR-Richtlinie zu revidieren, hat BUSINESS-<br />

EUROPE dem Europäischen Gewerkschaftsbund<br />

(EGB) angeboten, die Inhalte der Revision im Sozialen<br />

Dialog zu verhandeln – so wie dies bereits<br />

mit anderen ursprünglich umstrittenen Themen,<br />

z. B. zu Gewalt am Arbeitsplatz, arbeitsbedingtem<br />

Stress oder Telearbeit, gelungen ist. Dabei haben<br />

die Arbeitgeber von Anfang an transparent und<br />

offen die Zielsetzung der Kommission unterstützt,<br />

die Probleme zu lösen, die sich wirklich und nachweislich<br />

aus der praktischen Erfahrung ergeben,<br />

und keine ideologischen Zwecke zu verfolgen,<br />

etwa externen Gewerkschaftsfunktionären größeren<br />

Einfluss gegenüber betriebszugehörigen Arbeitnehmervertretern<br />

einzuräumen. Der EGB hat<br />

sich jedoch diesem Verhandlungsangebot – trotz<br />

eindringlichen Appells auch der EU-Kommission –<br />

verweigert.<br />

122 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


Im Juli <strong>2008</strong> legte die Kommission ihren Vorschlag<br />

zur Neufassung der EBR-Richtlinie vor.<br />

Der Text hat viele schädliche Gewerkschaftsforderungen<br />

nicht aufgegriffen, nicht zuletzt wegen<br />

zahlreicher intensiver Vorgespräche zwischen<br />

Wirtschaft und Kommissionsexperten. Zentraler<br />

Kritikpunkt blieb jedoch, dass kein ausreichender<br />

Bestandsschutz für bestehende EBR-Vereinbarungen<br />

gewährleistet wird.<br />

Die Arbeitgeber haben während des ganzen<br />

Prozesses eine konstruktive Haltung bewahrt. So<br />

ist es BUSINESSEUROPE gelungen, den EGB<br />

von einem gemeinsamen Brief an die französische<br />

EU-Ratspräsidentschaft zu überzeugen, in dem<br />

der Kommissionsvorschlag von beiden Seiten<br />

als Grundlage für eine schnelle Verabschiedung<br />

akzeptiert wird, allerdings wichtige Änderungsvorschläge<br />

am Kommissionstext, auf die sich<br />

beide Sozialpartner verständigt hatten, formuliert<br />

werden. Wichtigster Punkt ist aus BDA-Sicht der<br />

gemeinsame Vorschlag für eine rechtssichere<br />

Formulierung des Bestandsschutzes für sog. Artikel-13-Vereinbarungen.<br />

Um die Arbeitgeberposition gegenüber den<br />

politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit<br />

nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen, hat die<br />

BDA am 9. September <strong>2008</strong> eine Konferenz zu<br />

Europäischen Betriebsräten in Brüssel veranstaltet,<br />

die auf große Resonanz stieß. Hauptredner<br />

und Gastgeber war für die BDA Dr. Siegfried<br />

Russwurm, Mitglied des Präsidiums der BDA und<br />

Personalvorstand der Siemens AG. EU-Kommissar<br />

Vladimir Špidla hielt den Einführungsvortrag.<br />

Zuvor hatten BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm<br />

und EU-Kommissar Špidla eine Pressekonferenz<br />

gegeben. Hauptredner der Konferenz waren außerdem:<br />

der EP-Berichterstatter Philip Bushill-<br />

Matthews, der stellvertretende Generalsekretär<br />

des EGB, Reiner Hoffmann, die Kabinettschefin<br />

von EU-Kommissar Špidla, Kristin Schreiber, der<br />

Vorsitzende des Sozialausschusses von BUSI-<br />

NESSEUROPE, Jørgen Rønnest, der Vizepräsident<br />

Human Resources der Publicis Groupe<br />

und Vorsitzender des Ausschusses für Arbeitsbeziehungen<br />

von MEDEF, Benoît Roger-Vasselin.<br />

Außerdem legten Unternehmensvertreter ihre<br />

praktischen Erfahrungen mit den Europäischen<br />

Betriebsräten dar. Für die BDA unterstrich Präsidiumsmitglied<br />

Russwurm, dass der Vorrang für<br />

unternehmensspezifische Lösungen bei der weiteren<br />

Revision der Richtlinie unbedingt erhalten<br />

bleiben müsse, um die Erfolgsgeschichte der Europäischen<br />

Betriebsräte fortzusetzen. Vielfältigkeit<br />

als Ergebnis jeweils individueller, maßgeschneiderter<br />

Vereinbarungen sei zum Markenzeichen<br />

der Europäischen Betriebsräte geworden. Der<br />

vorgeschlagene Bestandsschutz für bestehende<br />

EBR-Vereinbarungen und ein neues zweijähriges<br />

Zeitfenster schüfen Spielraum für maßgeschneiderte<br />

Lösungen. BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm<br />

begrüßte, dass der Grundgedanke des absoluten<br />

Vorrangs für betriebliche Vereinbarungen<br />

mit der gemeinsamen Stellungnahme der Sozialpartner<br />

zum Kommissionsvorschlag auch die Unterstützung<br />

der Gewerkschaften finde. Er appellierte<br />

an das Europäische Parlament und den Rat,<br />

die gemeinsam vorgetragenen Wünsche der europäischen<br />

Sozialpartner zu berücksichtigen, damit<br />

das Gesetzgebungsverfahren zügig abgeschlossen<br />

werden könne und die Unternehmen Rechtssicherheit<br />

erhielten. Unter dem Eindruck der auch<br />

in dieser Konferenz zum Ausdruck gebrachten<br />

Gemeinsamkeit des Ansatzes der europäischen<br />

Sozialpartner schwenkte der EP-Berichterstatter<br />

Bushill-Matthews auf die gemeinsame Linie der<br />

europäischen Sozialpartner ein und erklärte öffentlich,<br />

alles zu tun, um noch unter französischer<br />

EU-Ratspräsidentschaft die Richtlinie im Sinne<br />

der Sozialpartner zu verabschieden.<br />

Der EBR-Vorschlag wird derzeit im Europäischen<br />

Parlament und im Rat beraten. Der EP-<br />

Berichterstatter im Beschäftigungsausschuss,<br />

Philip Bushill-Matthews, hat Wort gehalten, inhaltlich<br />

die Sozialpartnervorschläge vertreten und<br />

für eine schnelle Verabschiedung der Richtlinie<br />

plädiert. Dagegen hat die sozialistische Fraktion<br />

trotz des klaren gemeinsamen Votums der europäischen<br />

Sozialpartner und des Berichterstatters<br />

weiter gehende und sehr problematische Änderungsanträge<br />

an dem Kommissionsvorschlag<br />

vorgelegt, die zu empfindlichen Verschärfungen<br />

in der Praxis der Information und Konsultation<br />

der Arbeitnehmer führen würden. Im Ergebnis<br />

hat der Beschäftigungsausschuss des EP einerseits<br />

die vom Berichterstatter eingebrachten Sozialpartnervorschläge<br />

angenommen und damit<br />

insbesondere den Bestandsschutz von Artikel-13-<br />

Vereinbarungen unangetastet gelassen. Gleichzeitig<br />

wurden aber aufgrund der besonderen<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 123


Mehrheitsverhältnisse in diesem Ausschuss auch<br />

die Änderungsanträge der sozialistischen Fraktion<br />

angenommen. Letztlich ist es aber in langwierigen<br />

Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und<br />

Parlament (Trilog) gelungen, die sozialistische<br />

Fraktion davon zu überzeugen, ihre Änderungsanträge<br />

zurückzuziehen. Die Sozialpartnervorschläge<br />

sollen nun lediglich um eine geringe Anzahl von<br />

Kompromissformulierungen ergänzt werden, die<br />

auch von Arbeitgeberseite akzeptiert werden können.<br />

Der im Trilog gefundene Kompromiss hat den<br />

Weg dafür eröffnet, dass der Richtlinienvorschlag<br />

der Kommission und die darauf basierenden Sozialpartnervorschläge<br />

im Kern erhalten bleiben und<br />

die Grundlage für eine Verabschiedung durch das<br />

Plenum des EP und den Rat noch im Dezember<br />

<strong>2008</strong> bilden. Damit würde sichergestellt, dass die<br />

Unternehmen und ihre Arbeitnehmervertreter über<br />

praxistaugliche und stabile rechtliche Rahmenbedingungen<br />

verfügen, die für eine vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen<br />

Betriebsräte notwendig sind.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Europäische Betriebsräte“ veröffentlicht.<br />

Neue Antidiskriminierungsrichtlinie<br />

schafft nur zusätzliche<br />

Bürokratie<br />

Immer wieder hat die BDA auf den „Perpetuummobile“-Effekt<br />

hingewiesen, der eintreten kann,<br />

wenn europäische Gesetzgebung bei der nationalen<br />

Umsetzung übererfüllt wird. Genau dies<br />

zeigt sich beim Antidiskriminierungsrecht leider<br />

exemplarisch, wie prognostiziert. Die große Koalition<br />

in Berlin hat mit dem AGG mehr getan, als<br />

das europäische Recht in bestehenden Richtlinien<br />

gegen Diskriminierung verlangt. In der Richtlinien-<br />

Umsetzungsgesetzgebung wurde die europäische<br />

Ebene instrumentalisiert, um gesetzgeberische<br />

Ziele, die sich politisch im rein nationalen Gesetzgebungsprozess<br />

nicht ohne weiteres hätten<br />

durchsetzen lassen können, unter dem Vorwand<br />

des Zwangs der Umsetzung europäischen Rechts<br />

quasi „durch die Hintertür“ durchzusetzen. Nun<br />

beruft sich die Kommission auf solche nationale<br />

Übererfüllung wie im AGG, um diese zum europäischen<br />

Standard zu erheben. Damit ist das „Perpetuum<br />

mobile“ kreiert – einmal in Gang gesetzt,<br />

bleibt es ewig in Bewegung. Denn nun folgt der<br />

nationalen Übererfüllung ein Vorschlag für einen<br />

neuen europäischen Mindeststandard im Bereich<br />

der Antidiskriminierung und so schaukelt sich die<br />

Regelungswut und Bürokratie immer weiter hoch.<br />

Deshalb muss die Forderung nach einer 1:1-Umsetzung<br />

europäischen Rechts und dem Verzicht<br />

auf Übererfüllung im Rahmen von Umsetzungsgesetzen<br />

nochmals deutlich unterstrichen werden.<br />

Am 2. Juli <strong>2008</strong> legte die EU-Kommission ihren<br />

Vorschlag für eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie<br />

vor. Das Ziel dieser zusätzlichen Antidiskriminierungsrichtlinie<br />

ist die Anwendung des<br />

Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet<br />

der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung,<br />

des Alters oder der sexuellen Ausrichtung<br />

künftig auch außerhalb des Arbeitsrechtes,<br />

also im allgemeinen Zivilrecht.<br />

Diese Richtlinie hätte zur Folge, dass die Vertragsfreiheit<br />

im gesamten Zivilrecht beschränkt würde.<br />

Damit verbunden wären darüber hinaus neue<br />

Regulierung, hohe Kosten und schädliche zusätzliche<br />

Bürokratie anstatt besserer Rechtsetzung.<br />

Aufgrund der Beweislastumkehr wären Anbieter<br />

von Gütern und Dienstleistungen faktisch zu einer<br />

systematischen und umfassenden Dokumentation<br />

und Archivierung der eigenen Beweggründe für<br />

die Auswahl ihrer Vertragspartner gezwungen. Die<br />

Richtlinie würde erheblichen Änderungsbedarf im<br />

deutschen Recht auslösen. Die Aufrechterhaltung<br />

der Beschränkung des Benachteiligungsverbots<br />

auf Massengeschäfte wäre z. B. nicht mehr möglich.<br />

Auch müssten gänzlich neue „angemessene<br />

Vorkehrungen“ für Behinderte aufgenommen werden,<br />

damit diese besseren Zugang zu Waren oder<br />

Dienstleistungen erhalten. Wer wollte da entscheiden,<br />

wo der Aufwand vertretbar wäre für größere<br />

bauliche Veränderungen, etwa für Rollstuhlfahrer?<br />

Wäre Preisauszeichnungspflicht in Blindenschrift<br />

„angemessen“? Fragen über Fragen und große<br />

Unsicherheit darüber, was wirklich mehr verlangt<br />

wird, wären die Folge.<br />

Die BDA hatte im Vorfeld der Vorlage intensive<br />

Gespräche geführt und ihre Argumente gegen<br />

eine weitere Antidiskriminierungsrichtlinie bei<br />

zahlreichen Gelegenheiten öffentlich vorgetragen.<br />

124 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


Wie die Wirtschaft übt glücklicherweise auch<br />

die Bundesregierung substanzielle Kritik an dem<br />

Richtlinienvorschlag und stellt in Frage, ob weitere<br />

Rechtsvorschriften zur Antidiskriminierung auf<br />

europäischer Ebene überhaupt erforderlich sind.<br />

Da diese Richtlinie im Ministerrat dem Prinzip der<br />

Einstimmigkeit unterliegt, wäre es für Deutschland<br />

möglich, diesen Richtlinienvorschlag auch alleine<br />

zu blockieren. Jetzt ist aber zunächst die Kommission<br />

durch den Ministerrat aufgefordert, „noch offene<br />

Fragen“ zu klären.<br />

Ausweitung des Mutterschutzes<br />

bringt unnötige Mehrbelastung<br />

für deutsche Arbeitgeber<br />

Im Oktober <strong>2008</strong> hat die EU-Kommission einen<br />

Vorschlag zur Revision der Mutterschutzrichtlinie<br />

(92/85/EWG) vorgelegt. Der Kommissionsvorschlag<br />

ist Teil eines Pakets verschiedener Initiativen<br />

zur Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und<br />

Familienleben und sieht eine Aktualisierung und<br />

Ausweitung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften<br />

vor.<br />

Das grundsätzliche Ziel der Kommission, die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern,<br />

wird von den Arbeitgebern voll unterstützt.<br />

Der Weg dorthin ist allerdings falsch. Erstens hat<br />

die Kommission als Rechtsgrundlage für die Mutterschutzrichtlinie<br />

den Gesundheitsschutz und die<br />

Sicherheit bei der Arbeit gewählt: Aus rein gesundheitlichen<br />

Erwägungen jedoch ist eine Verlängerung<br />

der Mutterschutzfrist von 14 auf 18 Wochen<br />

nicht erforderlich. Zweitens liegen die Gründe für<br />

eine späte Rückkehr vieler Frauen in den Beruf<br />

ganz eindeutig in mangelnden Betreuungsmöglichkeiten<br />

für Kinder unter drei Jahren. Hier kann eine<br />

Mutterschutzrichtlinie nichts bewirken. Nur der<br />

Ausbau der Krippeninfrastruktur würde maßgeblich<br />

zum schnelleren beruflichen Wiedereinstieg<br />

von Müttern beitragen. Und schließlich würden die<br />

Vorschläge der Kommission besonders in Deutschland<br />

zu erheblichen zusätzlichen Kosten für die<br />

Unternehmen führen: Denn in Deutschland tragen,<br />

anders als in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union, die Arbeitgeber die Hauptlast<br />

der Finanzierung der Mutter. Bereits heute entstehen<br />

den deutschen Betrieben jährlich Kosten in<br />

Höhe von 1,6 Mrd. €. Durch eine Verlängerung der<br />

Mutterschutzfrist von 14 auf 18 Wochen würden<br />

die Lohnzusatzkosten um weitere rund 500 Mio. €<br />

im Jahr steigen. Vor diesem Hintergrund plädiert<br />

die Wirtschaft dafür, von einer Revision der Richtlinie<br />

abzusehen. Die EU ist ohnehin verpflichtet,<br />

beim Gesundheitsschutz entsprechend den Bestimmungen<br />

des EG-Vertrages Mindeststandards<br />

festzusetzen, und dies ist mit der bestehenden<br />

Mutterschutzrichtlinie ausreichend gewährleistet.<br />

Zeitarbeit: kein Änderungsbedarf<br />

in Deutschland durch<br />

EU-Richtlinie<br />

Im „Paket“ mit der Arbeitszeitrichtlinie ist beim Sozialministerrat<br />

im Juni <strong>2008</strong> die Zeitarbeitsrichtlinie<br />

verhandelt worden, die ebenfalls jahrelang blockiert<br />

war. Insbesondere Großbritannien hatte den<br />

darin vorgesehenen Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

abgelehnt. Erst nachdem die britische Regierung<br />

im Mai <strong>2008</strong> mit dem britischen Arbeitgeberverband<br />

CBI und dem britischen Gewerkschaftsbund<br />

TUC eine Vereinbarung zur Zeitarbeit abgeschlossen<br />

hatte, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

für Zeitarbeitnehmer in Großbritannien ab<br />

einer Beschäftigungsdauer von zwölf Wochen gelten<br />

soll, war Großbritannien auch auf europäischer<br />

Ebene zu Zugeständnissen bereit. Das Europäische<br />

Parlament hat das „Paket“ aus Zeitarbeitsrichtlinie<br />

und Arbeitszeitrichtlinie aufgeschnürt und<br />

im Oktober den Ratskompromiss zur Zeitarbeitsrichtlinie<br />

ohne Abänderungen gebilligt. Damit ist<br />

die Zeitarbeitsrichtlinie in der Fassung des Ratskompromisses<br />

verabschiedet. Nach Veröffentlichung<br />

im Amtsblatt haben die Mitgliedstaaten drei<br />

Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.<br />

Zentraler Punkt der Zeitarbeitsrichtlinie<br />

ist der Grundsatz, wonach ein Zeitarbeitnehmer<br />

grundsätzlich wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer<br />

des Entleihbetriebs behandelt werden muss.<br />

Die Möglichkeit, durch tarifvertragliche Vereinbarungen<br />

von diesem Grundsatz abzuweichen, sieht<br />

auch die Richtlinie unverändert vor. Hiervon haben<br />

die Tarifvertragsparteien in Deutschland verantwortungsvoll<br />

Gebrauch gemacht. Die Zeitarbeitsrichtlinie<br />

führt damit zu keinem Änderungsbedarf<br />

im deutschen Recht. Mit diesem klaren Votum zur<br />

Zeitarbeit ist ein stabiler rechtlicher Rahmen für<br />

die Entfaltung des Jobmotors Zeitarbeit auch von<br />

europäischer Ebene erzielt worden.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 125


Zeitarbeit im internationalen Vergleich<br />

Prozent an allen Erwerbstätigen<br />

5<br />

4,5<br />

4,5<br />

4<br />

3,5<br />

3<br />

2,5<br />

2,4<br />

2,5<br />

2,6<br />

2<br />

1,8<br />

1,9<br />

2,0<br />

2,1<br />

1,5<br />

1,3<br />

1,4<br />

1,5 1,5 1,5<br />

1<br />

0,7<br />

0,8 0,8<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

ES DK SWE NO D HU CH A IRL EU * JP USA BE FR NL LU UK<br />

Land<br />

* Europäischer Durchschnitt<br />

Quelle: Eurociett, Stand 2006; Darstellung: BDA<br />

126 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


Arbeitszeitrichtlinie: vernünftiger<br />

Kompromiss durch EP gefährdet<br />

Nach jahrelangem Tauziehen, insbesondere um<br />

die Qualität von Bereitschaftsdiensten (Arbeitszeit<br />

oder nicht?), ist es dem Sozialministerrat im Juni<br />

<strong>2008</strong> gelungen, eine politische Einigung zur Arbeitszeitrichtlinie<br />

zu erzielen. Bei den Beratungen<br />

der Arbeits- und Sozialminister hat sich letztlich<br />

eine pragmatische Linie durchgesetzt, die die Notwendigkeit<br />

von mehr Flexibilität für Unternehmen<br />

bei der Gestaltung der Arbeitszeit anerkennt. Nur<br />

aktiver Einsatz während eines Bereitschaftsdienstes<br />

soll als Arbeitszeit gelten, nicht aber tatsächliche<br />

Ruhezeiten während der Bereitschaft. Sollte<br />

diese Lösung, auf die der Rat sich geeinigt hat,<br />

auch vom EP in zweiter Lesung bestätigt werden,<br />

so wäre das sehr positiv für die Beschäftigung in<br />

Deutschland und Europa.<br />

Die BDA hatte seit langem gefordert, den Weg<br />

für eine Revision der Arbeitszeitrichtlinie freizumachen,<br />

um die kostenträchtigen Auswirkungen der<br />

Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen<br />

„Simap“ und „Jaeger“ zu korrigieren. Mit dem im<br />

Rat verabschiedeten Kompromiss, wonach die inaktive<br />

Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht mehr<br />

als Arbeitszeit zählt, ist diese Forderung endlich<br />

erfüllt worden. Wenn es dem Rat gelingt, auch das<br />

Europäische Parlament zu überzeugen – wozu<br />

es noch erheblicher Anstrengungen bedarf –,<br />

dann eröffnet sich für den deutschen Gesetzgeber<br />

die Chance für eine Regelung, nach der inaktive<br />

Zeiten während des Bereitschaftsdienstes<br />

nicht mehr als Arbeitszeit zählen. Dies wäre ein<br />

wichtiger Beitrag für mehr Arbeitszeitflexibilität,<br />

z. B. bei Feuerwehrleuten und in Krankenhäusern.<br />

Der Sozialministerrat hat zu Recht der Versuchung<br />

widerstanden, die Fortschritte bei der<br />

Korrektur des Bereitschaftsdienstes durch neue<br />

Beschränkungen bei der Arbeitszeitgestaltung zu<br />

konterkarieren. Die „Opt-out“-Regelung zur Abweichung<br />

von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit<br />

wird unbefristet beibehalten. Diese Regelung<br />

hilft vor allem kleinen und mittleren Unternehmen,<br />

Auftragsschwankungen auszugleichen und Beschäftigung<br />

zu sichern, und entspricht einer Forderung<br />

der BDA. Deshalb darf die Anwendung des<br />

„Opt-out“ auch nicht durch zusätzliche Vorgaben<br />

unnötig verkompliziert werden. Die Einigung im<br />

Rat bei der Arbeitszeitrichtlinie ist auch eine Folge<br />

der Beharrlichkeit der Wirtschaft. Immer wieder<br />

hatte die BDA die Notwendigkeit der Korrekturen<br />

beim Bereitschaftsdienst und die Beibehaltung der<br />

„Opt-out“-Regelung angemahnt und davon auch<br />

die Bundesregierung überzeugt.<br />

Entwarnung kann jedoch noch nicht gegeben<br />

werden. Das Europäische Parlament kann<br />

den Kompromiss in zweiter Lesung wieder kippen.<br />

Die sehr heftigen Reaktionen aus den linken<br />

Fraktionen des Europäischen Parlaments und der<br />

Gewerkschaften lassen schwierige Auseinandersetzungen<br />

im weiteren Gesetzgebungsverfahren<br />

befürchten, entsprechend konfliktreich gestalten<br />

sich jetzt auch die laufenden Beratungen im<br />

Europäischen Parlament. Der Beschäftigungsausschuss<br />

im EP hat einen Empfehlungsentwurf<br />

für die zweite Lesung verabschiedet, der klar in<br />

Widerspruch zum gemeinsamen Standpunkt des<br />

Rates steht. Der gesamte Bereitschaftsdienst wird<br />

danach als Arbeitszeit angesehen. Die „Opt-out“-<br />

Regelung soll nach einem Übergangszeitraum<br />

von drei Jahren auslaufen. Wenn sich das Plenum<br />

des Europäischen Parlaments nicht eines Besseren<br />

besinnt, wird der mühsam errungene Ratskompromiss<br />

wieder komplett in Frage gestellt.<br />

Dabei sind nach der überfälligen Einigung im Rat<br />

alle EU-Institutionen aufgefordert, das Gesetzgebungsverfahren<br />

zügig abzuschließen. Die BDA ist<br />

in engem Kontakt mit deutschen Abgeordneten,<br />

um sie von der Angemessenheit des Ratskompromisses<br />

zu überzeugen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„EU-Arbeitszeitrichtlinie“ veröffentlicht.<br />

Bessere Rechtsetzung muss<br />

konsequent weiterverfolgt werden<br />

Die Verringerung der Verwaltungslasten in den<br />

Unternehmen ist ein wichtiges Ziel, das die EU-<br />

Kommission im Rahmen ihrer Strategie zur Schaffung<br />

einer besseren Rechtsetzung verfolgt. Die<br />

hierdurch entstehenden Kosten sollen bis 2012<br />

um 25 % verringert werden.<br />

Die EU-Kommission hat eine Onlinekonsultation<br />

gestartet, um die Unternehmen unmittelbar<br />

in den Abbauprozess einzubinden. Um die Forderungen<br />

der Wirtschaft hinsichtlich besserer Recht-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 127


setzung auch gebündelt gegenüber der Kommission<br />

darzustellen, haben BDA und BDI einen<br />

gemeinsamen Forderungskatalog zusammengestellt.<br />

Darin ist ausführlich dargestellt, in welchen<br />

Bereichen und bei welchen europäischen Regelungen<br />

Verbesserungsbedarf besteht und wie dort<br />

für die Unternehmen Verbesserungen erzielt werden<br />

können.<br />

Neben den Bereichen „Arbeitsrecht“ und<br />

„Sozialrecht“ geht es z. B. um Forderungen zu<br />

den Themen „Umwelt und Technik“, „Verbraucherschutz“<br />

und „Zoll“. Konkret fordern BDA und<br />

BDI u. a., die EU-Richtlinie zur Bildschirmarbeit zu<br />

streichen oder zumindest auf wenige, zeitgemäße<br />

Inhalte zu reduzieren. Außerdem sind die Art und<br />

Weise sowie der Inhalt der Unterrichtungspflichten<br />

bei einem Betriebsübergang auf ein sinnvolles<br />

Maß zurückzuführen. Im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie<br />

ist die EU-Kommission aufgefordert,<br />

die Rechtssicherheit für Unternehmen zu erhöhen<br />

und damit die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung<br />

zu vereinfachen. Sie muss diese<br />

Aufgabe bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist<br />

(28. Dezember 2009) erfüllen. Es sollten nur diejenigen<br />

Regelungen bei einer grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistung vom Unternehmen angewendet<br />

werden müssen, die der EU-Kommission<br />

zuvor von den Mitgliedstaaten gemeldet wurden.<br />

Die Vorschläge von BDA und BDI sind im Internet<br />

unter www.arbeitgeber.de zu finden. Die BDA hat<br />

zu diesem Thema zudem den kompakt „Bessere<br />

Rechtsetzung“ veröffentlicht. Auch BUSINESS-<br />

EUROPE hat einen Katalog vorgelegt, in dem<br />

zahlreiche konkrete Vorschläge für eine Vereinfachung<br />

der EU-Gesetzgebung aufgeführt werden,<br />

z. B. im Bereich der EU-Arbeitszeitrichtlinie.<br />

EuGH-Urteile „Laval“, „Viking“,<br />

„Rüffert“ und „Kommission ./.<br />

Luxemburg“: positive Weichenstellung<br />

für den Binnenmarkt<br />

nicht konterkarieren<br />

Mit den Entscheidungen in den Rechtssachen „Laval“,<br />

„Viking“, „Rüffert“ und „Kommission ./. Luxemburg“<br />

hat der EuGH in begrüßenswerter Klarheit zu<br />

den im EU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten,<br />

insbesondere zur Dienstleistungsfreiheit und zur<br />

Niederlassungsfreiheit, Stellung genommen. Mit<br />

seinen Entscheidungen stellt der EuGH klar, dass<br />

die Ausübung sozialer Grundrechte, wie z. B. des<br />

Streikrechts, mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes,<br />

hier der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit,<br />

in einer vernünftigen Balance stehen<br />

muss. So wurde einerseits das Recht der Gewerkschaften<br />

auf Ausübung kollektiver Rechte anerkannt,<br />

zugleich aber mit den Grundfreiheiten deren<br />

Schranken aufgezeigt. Der EuGH stärkt damit die<br />

Entwicklung des europäischen Binnenmarktes –<br />

des Kernstücks der europäischen Integration.<br />

Nichtsdestotrotz bleibt es – für den Fall einer Fortentwicklung<br />

dieser Rechtsprechung – ein Grundsatz,<br />

dass die Europäische Union im Bereich des<br />

Arbeitskampfrechts keine Kompetenzen besitzt.<br />

Die Entscheidungen des EuGH sind Anlass<br />

für neue Forderungen aus dem Europäischen<br />

Parlament, unter dem Deckmantel des Arbeitnehmerschutzes<br />

faktisch eine Einschränkung der<br />

Freizügigkeit betreiben zu dürfen. Konkret wird<br />

die EU-Kommission in einem Entschließungsantrag<br />

des Vorsitzenden des Beschäftigungsausschusses,<br />

Jan Andersson, aufgefordert, Vorschläge<br />

auszuarbeiten, die widersprechenden<br />

Auslegungen des Europäischen Gerichtshofs zur<br />

Entsenderichtlinie künftig vorbeugen sollen. Dabei<br />

wird auch eine teilweise Überarbeitung der Entsenderichtlinie<br />

nicht ausgeschlossen. Im Ergebnis<br />

führen solche Forderungen zu Protektionismus<br />

und stehen somit der europäischen Integration<br />

entgegen.<br />

Ebenso verfehlt ist der Versuch des DGB, die<br />

Rechtsprechung des EuGH im Fall „Rüffert“ mit<br />

dem ILO-Übereinkommen Nr. 94 zu Löhnen bei<br />

öffentlicher Auftragsvergabe in Zusammenhang<br />

zu bringen. Die Vorschriften dieses Übereinkommens<br />

aus dem Jahr 1949 sind heute praxis- und<br />

realitätsferner denn je und führen in den wenigen<br />

Staaten der Europäischen Union, die es ratifiziert<br />

haben, zu erheblichen Anwendungsproblemen.<br />

Das Übereinkommen sollte daher aufgehoben<br />

werden, anstatt zum Gegenstand einer Ratifizierungskampagne<br />

auf internationaler Ebene gemacht<br />

zu werden!<br />

128 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


Freizügigkeit:<br />

Frankreich macht’s vor<br />

Im Frühjahr 2009 werden die Mitgliedstaaten von<br />

der Kommission aufgefordert mitzuteilen, ob sie<br />

in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer<br />

aus den neuen Mitgliedstaaten weiterhin Übergangsfristen<br />

in Anspruch nehmen wollen. Spätestens<br />

sieben Jahre nach dem Beitritt, im Jahr 2011,<br />

müssen alle Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

und der Dienstleistungsfreiheit beseitigt<br />

sein.<br />

Derzeit haben elf der EU-15-Staaten ihre<br />

Arbeitsmärkte vollständig geöffnet: Das Vereinigte<br />

Königreich, Irland und Schweden hatten<br />

ihre Arbeitsmärkte bereits während der Phase 1<br />

geöffnet. Ihnen folgten am 1. Mai 2006 Spanien,<br />

Finnland, Griechenland und Portugal und am<br />

27. Juli 2006 Italien. In den Niederlanden wurden<br />

die Beschränkungen ab dem 1. Mai 2007 aufgehoben<br />

und in Luxemburg ab dem 1. November<br />

2007. Das Vereinigte Königreich behält sein obligatorisches<br />

Meldesystem bei und in Finnland<br />

muss die Beschäftigung nachträglich zu Überwachungszwecken<br />

registriert werden.<br />

Die meisten der EU-15-Staaten, die Beschränkungen<br />

beibehalten haben, haben ihre<br />

Verfahren vereinfacht oder die Beschränkungen<br />

in bestimmten Sektoren/Berufen reduziert (Belgien,<br />

Dänemark und seit dem 1. November 2007<br />

Deutschland). Ebenso wurde in Deutschland die<br />

Dienstleistungsfreiheit für die Branchen Baugewerbe,<br />

Gebäudereinigung und Innendekoration<br />

beschränkt.<br />

Pünktlich zu Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft<br />

am 1. Juli <strong>2008</strong> hat auch Frankreich<br />

seinen Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus den<br />

neuen Mitgliedstaaten geöffnet. Zu diesem Anlass<br />

hat sich Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt<br />

öffentlich geäußert:<br />

„Jetzt hat auch Frankreich erkannt, dass<br />

die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer<br />

aus den neuen EU-Mitgliedstaaten mehr Chancen<br />

als Risiken birgt. Deutschland darf sich nicht<br />

weiter abschotten, sondern muss aktiv sein, um<br />

im grenzüberschreitenden Wettbewerb um gute<br />

und ausgebildete Arbeitskräfte nicht dauerhaft<br />

ins Hintertreffen zu geraten. Ich fordere die Bundesregierung<br />

auf, die bisher in Deutschland noch<br />

bestehende generelle Abschottung gegenüber<br />

Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten zu<br />

beenden.“<br />

Eine pauschale Verlängerung der Einschränkungen<br />

der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist schon<br />

angesichts der 2011 ohnehin eintretenden uneingeschränkten<br />

Freizügigkeit nicht sinnvoll. Vielmehr<br />

sollten die damit einhergehenden Chancen<br />

genutzt werden. Vor allem Großbritannien und<br />

Irland haben durch eine frühzeitige Öffnung ihrer<br />

Arbeitsmärkte erhebliche Vorteile in Form einer<br />

stärkeren wirtschaftlichen Dynamik und eines insgesamt<br />

gewachsenen Arbeitsplatzangebotes auch<br />

für Inländer profitiert. Allein 500.000 Arbeitnehmer<br />

aus Polen haben zwischen Mai 2004 und Dezember<br />

2007 in Großbritannien Arbeit gefunden.<br />

Deutschland ist in diesem Wettbewerb schon<br />

deutlich ins Hintertreffen geraten. Die Bundesregierung<br />

hat bereits 2007 den Arbeitsmarkt für Ingenieure<br />

aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geöffnet.<br />

Dies ist ein wichtiger Schritt im internationalen<br />

Wettbewerb um die besten Köpfe. Bedauerlich ist<br />

aber, dass an der grundsätzlichen Beschränkung<br />

der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die dritte<br />

Phase festgehalten wird.<br />

Europäischer Sozialer Dialog steht<br />

für Praxisnähe und Verantwortung<br />

Der Soziale Dialog ist für zahlreiche sozialpolitische<br />

Initiativen das geeignete Instrument, um<br />

praxistaugliche Regelungen im Konsens der Sozialpartner<br />

zu finden, dies erkennt zunehmend auch<br />

die Europäische Kommission an.<br />

Deshalb ist es wichtig, dass auch die Gewerkschaften<br />

ihre Verantwortung voll übernehmen<br />

und selbst proaktiv und gestaltend wirken, anstatt<br />

die Kommission zur Vorlage gesetzlicher Regelungen<br />

aufzufordern, wie dies Anfang <strong>2008</strong> im Falle<br />

der Neufassung der Richtlinie zu Europäischen<br />

Betriebsräten (EBR) geschah, als der EGB Sozialpartnerverhandlungen<br />

ablehnte. Damit wurde<br />

eine wichtige Chance für eine an der betrieblichen<br />

Praxis orientierte Verbesserung der Funktionsweise<br />

von Europäischen Betriebsräten vertan. Auch<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 129


wenn der EGB anschließend zu gemeinsamen<br />

Vorschlägen zur schließlich von der EU-Kommission<br />

vorgelegten Neufassung bereit war, ändert<br />

dies nichts an der Tatsache, dass er mit dem Ablehnen<br />

von Verhandlungen zu EBR das Heft des<br />

Handelns aus der Hand der Sozialpartner gegeben<br />

hat. Dass mit dem Sozialen Dialog erfolgreich<br />

praxistaugliche Lösungen auf EU-Ebene zu wichtigen<br />

Themen gefunden werden können, zeigen<br />

die Beispiele der Vereinbarungen zur Telearbeit,<br />

zu arbeitsbedingtem Stress sowie zu Belästigung<br />

und Gewalt am Arbeitsplatz.<br />

Verhandlungen zu „inclusive<br />

labour markets“ gestartet<br />

Die Modernisierung der europäischen Arbeitsmärkte<br />

ist unabdingbare Grundlage für mehr<br />

Beschäftigung. Die europäischen Sozialpartner<br />

hatten in einer gemeinsamen Analyse der Arbeitsmärkte,<br />

die sie im letzten Herbst vorgelegt hatten,<br />

moderne Arbeitsmarktverfassungen nachdrücklich<br />

angemahnt. Wörtlich forderten sie:<br />

„Der steigende Druck auf Arbeitnehmer und<br />

Arbeitgeber durch die Globalisierung und andere<br />

wirtschaftliche und soziale Veränderungen verlangt,<br />

dass das Arbeitsrecht auf diese neuen Herausforderungen<br />

antwortet. Vorrang muss es haben<br />

zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum<br />

Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses bei<br />

erfolgreichen und sich lohnenden Übergängen in<br />

neue und bestehende Arbeitsplätze spielen, und<br />

diese gegebenenfalls anzupassen.“<br />

Aufbauend auf dieser richtigen gemeinsamen<br />

Analyse haben die europäischen Sozialpartner<br />

nun Verhandlungen zu einer autonomen<br />

Rahmenvereinbarung zum Thema „inclusive labour<br />

markets“ aufgenommen. Ziel ist eine autonome<br />

Rahmenvereinbarung, die von den nationalen<br />

Mitgliedern der europäischen Sozialpartner umgesetzt<br />

wird. Es soll darum gehen, praxisnah Wege<br />

aufzuzeigen, wie den benachteiligten Gruppen auf<br />

dem Arbeitsmarkt erfolgreich Brücken in Beschäftigung<br />

gebaut werden können.<br />

Umsetzung bestehender<br />

europäischer Sozialpartnervereinbarungen<br />

Zu zwei abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen<br />

finden derzeit Umsetzungsinitiativen statt:<br />

Die Vereinbarung zur Bekämpfung von Belästigung<br />

und Gewalt am Arbeitsplatz wird derzeit<br />

von einigen Unternehmen in die betriebliche Praxis<br />

umgesetzt. Dem „Freiwilligen Aktionsrahmen<br />

zur Gleichstellung von Mann und Frau“ wurde am<br />

8./9. Juli eine zweitägige Konferenz in Berlin gewidmet.<br />

Diese gemeinsam von BDA und DGB initiierte<br />

und von der EU-Kommission unterstützte Tagung<br />

bot die Möglichkeit einer Zwischenbilanz des<br />

bisher Erreichten. Ausgehend von den vier Prioritäten<br />

des Aktionsrahmens der Sozialpartner –<br />

Rollenverständnis von Männern und Frauen,<br />

Frauen in Führungspositionen, Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie, Lohnunterschiede zwischen<br />

Männern und Frauen – wurde anhand von Best-<br />

Practice-Beispielen aus verschiedenen Mitgliedstaaten<br />

die Vielfalt möglicher Maßnahmen in den<br />

Unternehmen präsentiert. Am Ende der Konferenz<br />

stand fest, dass die vier Prioritäten des Aktionsrahmens<br />

richtig gesetzt worden waren. In der betrieblichen<br />

Praxis sind die Prioritäten eng verzahnt.<br />

Eine Maßnahme zur besseren Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie kann z. B. zur Veränderung des<br />

Rollenverständnisses von Männern und Frauen<br />

beitragen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Europäischer Sozialer Dialog“ veröffentlicht.<br />

„Blue-Card“-Richtlinie – Öffnung<br />

des Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte<br />

richtig und wichtig<br />

Vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs<br />

um die besten Köpfe, des anhaltend hohen<br />

Fachkräftemangels und des langfristig demografisch<br />

bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung<br />

ist es richtig und wichtig, den<br />

Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte und qualifizierte<br />

Fachkräfte aus Drittstaaten gezielt zu öffnen. Die<br />

„Blue Card“ soll nach dem Vorschlag der Kommission<br />

eine zunächst auf zwei Jahre befristete<br />

Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für nicht europäische<br />

Fachkräfte nach dem Vorbild der US-ame-<br />

130 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


Europa ist Schlusslicht bei Integration in den Arbeitsmarkt<br />

Langzeitarbeitslose Bevölkerung (12 Monate und mehr)<br />

in Prozent der Erwerbsbevölkerung insgesamt, Jahr: 2007<br />

Prozent<br />

3,5<br />

3<br />

3,1<br />

3,2<br />

2,5<br />

2<br />

1,5<br />

1,2<br />

1<br />

0,5<br />

0,5<br />

0<br />

EU-27 Eurozone USA Japan Land<br />

Quelle: Eurostat; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 131


ikanischen Green Card umfassen und EU-weite<br />

Standards für die Einreise und den Aufenthalt im<br />

Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und die Weiterwanderungsrechte<br />

der Drittstaatsangehörigen<br />

festlegen. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin<br />

das Recht haben, Zulassungsquoten festzulegen.<br />

Nach zwei Jahren stünde es den Zuwanderern<br />

unter bestimmten Bedingungen frei, in ein anderes<br />

EU-Land zu ziehen. Nach fünf Jahren Arbeitsaufenthalt<br />

in der EU würde ihnen eine langfristige<br />

Aufenthaltsgenehmigung zuteil.<br />

Die mit der Einführung einer „Blue Card“<br />

angestrebte gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes<br />

für Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte<br />

ist aus Sicht der BDA grundsätzlich zu begrüßen,<br />

sofern die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert<br />

werden, ihre flexiblen und auf die Bedürfnisse<br />

des Arbeitsmarktes des jeweiligen Mitgliedstaates<br />

abgestimmten Zuwanderungsregelungen anzuwenden.<br />

Auch dem Einsatz der BDA ist es zu<br />

verdanken, dass nach dem bisherigen Stand der<br />

Beratungen die Koexistenz der nationalen Zuwanderungsregelungen<br />

neben der europäischen<br />

„Blue Card“ gesichert zu sein scheint und der<br />

Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten zur<br />

Anwendung und Schaffung nationaler Zuwanderungsregelungen<br />

durch die „Blue-Card“-Richtlinie<br />

nicht begrenzt oder eingeschränkt wird.<br />

Sanktionsrichtlinie: Vorgeschlagene<br />

Sanktionen gehen zu weit<br />

Ziel des Richtlinienvorschlags ist die Bekämpfung<br />

der illegalen Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen.<br />

Diese Zielsetzung ist grundsätzlich richtig.<br />

Illegale Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen<br />

hat vielfache negative Folgen und schädigt<br />

insbesondere jene Unternehmen, die sich an<br />

Recht und Gesetz halten. Gleichwohl sind die von<br />

der Kommission vorgeschlagenen Sanktionen in<br />

dieser Form abzulehnen. Neben Geldbußen, der<br />

Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die<br />

Rückführung des Drittstaatsangehörigen in sein<br />

Herkunftsland sind als Maßnahmen u. a. auch die<br />

vorübergehende oder endgültige Schließung der<br />

Betriebsstätte und für schwere Fälle strafrechtliche<br />

Sanktionen vorgesehen. Zudem tritt die EU-Kommission<br />

für eine Generalunternehmerhaftung ein:<br />

Für den Fall, dass eine Geldbuße nicht von einem<br />

Unterauftragnehmer eingezogen werden kann,<br />

soll sie von anderen an der Subunternehmerkette<br />

beteiligten Auftragnehmern bis hin zum Hauptunternehmer<br />

eingezogen werden können.<br />

Die Ausgestaltung der angemessenen Sanktionen<br />

muss den Mitgliedstaaten überlassen bleiben.<br />

Insbesondere eine dauerhafte oder auch nur<br />

vorübergehende Betriebsschließung ist aus deutscher<br />

Sicht unverhältnismäßig und daher inakzeptabel.<br />

Gegen die geplante Generalunternehmerhaftung<br />

hat sich die BDA mehrfach nachdrücklich<br />

gegenüber Kommission, Rat und Parlament ausgesprochen.<br />

Es gilt grundsätzlich, dass Unternehmen<br />

nicht die ureigentlich staatliche Aufgabe – die<br />

Einhaltung von Recht und Gesetz zu kontrollieren –<br />

übernehmen können, auch nicht bei ihren Unterauftragnehmern,<br />

die selbst unabhängige Unternehmen<br />

sind.<br />

Die französische EU-Ratspräsidentschaft<br />

versucht mit allen Mitteln durchzusetzen, dass<br />

noch im Dezember eine Einigung zwischen<br />

Kommission, Rat und Parlament erzielt wird. Die<br />

Gefechtslage ist für die BDA sehr kritisch, denn<br />

aufgrund der für diese Richtlinie geltenden „Optout“-Regelungen<br />

von Großbritannien, Irland und<br />

Dänemark im Vertrag von Nizza dominiert bei den<br />

Beratungen des Sanktionsrichtlinienvorschlags in<br />

allen Institutionen die südeuropäische Rechtskultur.<br />

Die Positionen der BDA stoßen daher bei den<br />

übrigen Arbeitgeberverbänden und auch im EP<br />

und Rat sogar bei den konservativen Politikern auf<br />

wenig Resonanz. Vor diesem Hintergrund ist die<br />

kürzlich erzielte Abschwächung der Generalunternehmerhaftung<br />

(grundsätzliche Beschränkung auf<br />

das Verhältnis von Hauptauftragnehmer und direktem<br />

Unterauftragnehmer) als Erfolg der BDA-Arbeit<br />

zu werten.<br />

CSR-Strategie der Bundesregierung<br />

– dem richtigen Ansatz auf<br />

europäischer Ebene folgen<br />

Vielfältige Aktivitäten finden im Rahmen der Europäischen<br />

Allianz zu CSR statt, die die Wirtschaft<br />

zusammen mit der EU-Kommission im Frühjahr<br />

2006 ins Leben gerufen hat. Ziel der CSR-Allianz<br />

ist es, Netzwerke und Kooperationen der Akteure<br />

zu bilden und den Erfahrungsaustausch mit sog.<br />

132 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


„Laboratory Meetings“ zu stärken. Die ersten Laboratory<br />

Meetings haben bereits stattgefunden.<br />

Die BDA hat ein Laboratory Meeting auf europäischer<br />

Ebene mitinitiiert, das von BUSINESSEU-<br />

ROPE koordiniert wird und sich mit dem Thema<br />

„Förderung des Unternehmertums“ beschäftigt. In<br />

Deutschland haben die Deutsche Bank und die<br />

Ford Werke GmbH ein Laboratory Meeting zum<br />

Thema „Corporate Volunteering“ angestoßen und<br />

durchgeführt, welches bei den Unternehmen den<br />

Wunsch nach weiteren Aktivitäten dieser Art geweckt<br />

hat. Das CSR-Internetportal „CSR Germany“<br />

(www.csrgermany.de) ist als zentrales Kommunikationsinstrument<br />

für die Aktivitäten im Rahmen<br />

der CSR-Allianz auf deutscher Ebene etabliert.<br />

Durch einen neu eingerichteten geschützten internen<br />

Bereich ist es Unterstützern der CSR-Allianz<br />

möglich, sich gegenseitig über Aktivitäten zu<br />

informieren, auch wenn sich Projekte noch in der<br />

Konzeption befinden.<br />

Während die EU-Kommission mit der Allianz<br />

den richtigen Weg beschritten hat, um CSR zu unterstützen,<br />

drohte in Deutschland der Rückfall in<br />

überkommene Modelle: Auf der nationalen CSR-<br />

Konferenz der Bundesregierung Ende April <strong>2008</strong><br />

in Berlin kündigte Bundesarbeitsminister Scholz<br />

eine CSR-Positivliste für Unternehmen an. Als in<br />

der Folge immer mehr Eckpunkte der vom BMAS<br />

geplanten CSR-Strategie bekannt wurden, haben<br />

die vier Spitzenverbände der Wirtschaft auf Initiative<br />

und unter Federführung der BDA gegenüber<br />

Bundesarbeitsminister Scholz, Außenminister<br />

Steinmeier, Wirtschaftsminister Glos sowie Kanzleramtsminister<br />

de Maizière ihre fundamentalen<br />

Bedenken gegen die BMAS-Strategie in einem<br />

Brief erläutert. Besonders die Überlegungen zu<br />

einem dirigistisch gelenkten CSR-Forum, die Idee<br />

eines CSR-Labels und die Pläne für einen zusätzlichen<br />

Internetauftritt waren Anlass zu Kritik. In<br />

ihrer schriftlichen Antwort versicherte die Bundesregierung<br />

einen ergebnisoffenen Dialog. Einem<br />

staatlichen „Überwachungsverfahren zur Prüfung<br />

und Bewertung unternehmerischen CSR-Engagements“<br />

wurde von Seiten der Bundesregierung<br />

eine klare Absage erteilt. Für die BDA geht es nun<br />

darum, diese Zusagen einzufordern.<br />

„CSR: vielfältig und freiwillig“<br />

Corporate Social Responsibility (CSR) beschreibt<br />

die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen<br />

in den Bereichen Umwelt, Soziales und<br />

Wirtschaft. CSR-Initiativen sind Beiträge von Unternehmen,<br />

die über das gesetzliche Maß hinausgehen.<br />

Unternehmen setzen sich z. B. mit Betriebskindergärten<br />

und Gesundheitskampagnen<br />

für ihre Mitarbeiter ein, dämmen mit Ökoeffizienz-<br />

Analysen und Energieersparsystemen den Energieverbrauch<br />

ein und fördern Kunst, Kultur und<br />

Sport. Wesentliches Merkmal von CSR ist, dass<br />

es freiwillig ist und mehr ist als die Einhaltung gesetzlicher<br />

Vorschriften.<br />

Art und Ausprägung des gesellschaftlichen Engagements<br />

eines Unternehmens sind abhängig von<br />

der Unternehmensgröße sowie den Branchen und<br />

Märkten, in denen es operiert. Vielfältigkeit und<br />

Freiwilligkeit sind daher die zentralen Prinzipien<br />

von CSR. Die Verantwortung, die ein multinationales<br />

Unternehmen in Bangladesch hat, ist eine<br />

ganz andere als die eines Handwerkers in Europa.<br />

Die Herausforderungen, die eine IT-Firma im<br />

Bereich CSR hat, unterscheiden sich von denen<br />

eines Unternehmens der Erdölindustrie.<br />

Die Komplexität und Vielfältigkeit von CSR schließen<br />

daher Regulierung, Standardisierung und<br />

Zertifizierung aus. Unternehmen müssen uneingeschränkt<br />

Handlungsmöglichkeiten haben, die besten<br />

CSR-Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Corporate Social Responsibility“ veröffentlicht.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 133


ISO Social Responsibility:<br />

Praxisbezug fehlt<br />

Seit 2004 ist die ISO (International Organization<br />

for Standardization) dabei, einen ISO-Leitfaden zu<br />

„Social Responsibility“ zu erarbeiten. Dabei ist die<br />

Vorgabe für die dafür zuständige internationale,<br />

450-köpfige, aus sechs verschiedenen Stakeholderkategorien<br />

bestehende Arbeitsgruppe (WG),<br />

dass dieser Leitfaden nicht zertifizierbar sein und<br />

sich darüber hinaus nicht nur an Unternehmen,<br />

sondern an alle Organisationen richten soll.<br />

<strong>2008</strong> war für diesen komplexen Prozess eines<br />

internationalen Interessenausgleichs eine wichtige<br />

Etappe. Beim Treffen der internationalen Arbeitsgruppe<br />

in Santiago de Chile wurde im Konsens beschlossen,<br />

nun in die verbindlichere Phase eines<br />

„Committee Draft“ einzutreten. Mit dieser Entscheidung<br />

sind die Weichen gestellt, den aktuellen Zeitplan,<br />

d. h. die Fertigstellung des Projektes bis Mitte<br />

2010, einzuhalten. Für die Wirtschaft ist es wesentlich<br />

sicherzustellen, dass der „Einflussbereich“ einer<br />

Organisation nicht synonym mit der Zulieferkette<br />

verwendet wird (denn in der Regel erstreckt sich<br />

der Einflussbereich einer Organisation nicht auf ihre<br />

gesamte Zulieferkette) und dass der Leitfaden eine<br />

wirkliche Relevanz für alle Organisationen, gleich<br />

welcher Art und Größe, aufweist. Zudem ist in dem<br />

Dokument noch keine durchgehende Logik entwickelt,<br />

welche Rolle, Verantwortung und Aufgaben<br />

Staaten und Regierungen haben.<br />

ISWA-Seminar erörtert internationale<br />

Dimension von CSR<br />

Vom 2. bis zum 4. März <strong>2008</strong> fand in Berlin ein Seminar<br />

des Instituts für Sozial- und Wirtschaftspolitische<br />

Ausbildung (ISWA) zum Thema „Corporate<br />

Social Responsibility (CSR)“ statt. Das Seminar<br />

„Unternehmen und Gesellschaft: CSR im internationalen<br />

Kontext“ stellte die internationalen Aspekte<br />

von CSR in den Mittelpunkt der Diskussion. Auch<br />

wenn die Referenten die unterschiedlichsten Hintergründe<br />

hatten, so kam doch eine Kernbotschaft<br />

ganz deutlich heraus: Es gibt für Unternehmen<br />

keine Möglichkeit der standardisierten und somit<br />

rechtssicheren Handhabung von CSR im internationalen<br />

Kontext. Die Herausforderungen und<br />

Lösungen sind zu unterschiedlich und vielfältig,<br />

abhängig von der Branche, den Märkten und den<br />

nationalen Gegebenheiten, mit denen ein Unternehmen<br />

konfrontiert ist.<br />

International Organisation of<br />

Employers (IOE): Globale Interessenvertretung<br />

für die Wirtschaft<br />

wird immer wichtiger<br />

Die IOE ist die globale Stimme der Arbeitgeber. In<br />

dieser Eigenschaft wird sie immer wichtiger, denn<br />

die internationalen Branchengewerkschaftsbünde<br />

organisieren sich auf globaler Ebene immer strategischer.<br />

Dies zeigt sich z. B. durch den Zusammenschluss<br />

der internationalen Branchengewerkschaften<br />

zur Global Union Federation, die es sich<br />

zum Ziel erklärt hat, die industriellen Beziehungen<br />

global auszubauen. Hierbei geht es vor allem darum,<br />

eine stärkere Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen<br />

auf Weltebene zu erreichen. Mit den<br />

sog. „International Framework Agreements“, also<br />

Rahmenvereinbarungen, die zwischen einzelnen<br />

Unternehmen und den internationalen Branchengewerkschaften<br />

abgeschlossen werden, verschaffen<br />

sich die Gewerkschaften Zugang zu den<br />

Belegschaften der Unternehmen und versuchen<br />

diese national zu organisieren.<br />

Vor diesem Hintergrund kommt der IOE,<br />

neben ihrer Rolle als Arbeitgeberstimme in der<br />

ILO, eine strategische Bedeutung zu, um hier Arbeitgeberinteressen<br />

– gleichfalls global – entgegensetzen<br />

zu können. Zu diesem Zweck hat die<br />

IOE, u. a. auf Anregung der BDA, das „Global Industrial<br />

Relations Network“ (GIRN) gegründet, in<br />

dem multinationale Unternehmen Mitglieder werden<br />

können. Sie finden hier nicht nur eine Plattform<br />

für den spezifischen Erfahrungsaustausch<br />

zu internationaler Sozialpolitik und industriellen<br />

Beziehungen, sondern können bei konkreten Problemen,<br />

z. B. mit Framework Agreements, auch<br />

Beratung erhalten.<br />

Die BDA hat im Juni des Jahres die Koordinierung<br />

der Gruppe europäischer Länder innerhalb<br />

der IOE übernommen, der auch viele Nicht-<br />

EU-Mitglieder angehören. Sie ist die europäische<br />

Stimme in der internationalen Arbeitgebergemeinschaft<br />

und setzt sich für eine unternehmensrelevante<br />

Politik der ILO ein.<br />

134 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales


Seit Mai <strong>2008</strong> hat die IOE einen neuen Präsidenten:<br />

Professor Wiseman Nkuhlu aus Südafrika<br />

hat dieses Amt übernommen. Neben seiner<br />

Professur ist er ein erfolgreicher Unternehmer.<br />

Er hat mit seiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

Unternehmensgründungen gefördert und besonders<br />

kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützt,<br />

Zugang zu Krediten und Risikokapital zu<br />

erhalten.<br />

OECD – wachsendes Interesse an<br />

sozialpolitischen Fragestellungen<br />

Seit einiger Zeit lässt sich eine Entwicklung beobachten,<br />

die für die BDA ein erhöhtes Engagement<br />

gegenüber der OECD erfordert: Insbesondere der<br />

Internationale Währungsfonds und die Weltbank<br />

werden für ihre klassischen Aufgaben (Kredite an<br />

Entwicklungsländer) immer weniger benötigt, so<br />

dass sie zunehmend in Felder der allgemeinen<br />

globalen Wirtschaftspolitik vorstoßen und damit<br />

der OECD bei ihren Kernaufgaben Konkurrenz<br />

machen. Diese Institutionenkonkurrenz hat u. a.<br />

den Effekt, dass die OECD sich nun stärker in soziale<br />

Themen und Betrachtungen begibt.<br />

OECD-Raum in Entwicklungs- und Schwellenländern<br />

in den letzten 20 Jahren nicht nur erheblich<br />

gestiegen sind, sondern dabei zunehmend unternehmenseigene<br />

Verhaltenskodizes entwickelt<br />

wurden, um soziale und ökologische Ziele in den<br />

Fertigungsstellen der Unternehmen sowie in ihrer<br />

Zulieferkette sicherzustellen. Europäische Unternehmen<br />

haben im internationalen Vergleich die<br />

ausgeprägtesten Ansätze zur Implementierung<br />

von Arbeitsstandards. Insgesamt zieht der Bericht<br />

eine positive Bilanz und kommt zu dem Ergebnis,<br />

dass die positiven Effekte von Direktinvestitionen<br />

multinationaler Unternehmen Anlass dazu geben,<br />

regulative Hürden für Direktinvestitionen abzubauen<br />

und ein investitionsfreundliches Klima zu<br />

schaffen.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es besonders<br />

erfreulich, dass BDA-Vizepräsident Randolf Rodenstock<br />

in den Verwaltungsrat von BIAC (The<br />

Business and Industry Advisory Committee to the<br />

OECD) gewählt wurde und so auch die sozialpolitische<br />

Interessenvertretung aus deutscher Sicht<br />

sichergestellt ist. BIAC ist das beratende Gremium<br />

der Wirtschaft bei der OECD. Damit die Interessen<br />

der deutschen Unternehmen innerhalb von BIAC<br />

zukünftig besser koordiniert und wahrgenommen<br />

werden können, hat die BDA zudem gemeinsam<br />

mit dem BDI ein deutsches Netzwerktreffen im<br />

Januar <strong>2008</strong> initiiert. Damit war erstmals eine Gelegenheit<br />

geboten, die deutschen Vertreter aller<br />

BIAC-Ausschüsse zu versammeln und sich über<br />

Forderungen und Erwartungen an BIAC auszutauschen.<br />

Inhaltlich ist für <strong>2008</strong> der „Employment Outlook“<br />

besonders erwähnenswert. Bezüglich der<br />

Frage „Schaffen multinationale Unternehmen<br />

bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen?“ fand<br />

die OECD eindeutige Belege, dass Direktinvestitionen<br />

multinationaler Unternehmen aus dem<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Europa und Internationales 135


Nachhaltig wirtschaften –<br />

Vertrauen zurückgewinnen<br />

Die Soziale Marktwirtschaft, deren 60-jähriges Bestehen<br />

wir in diesem Jahr gefeiert haben, hat uns<br />

einen in dieser Breite historisch einmaligen Wohlstand,<br />

eine gute soziale Sicherung und politische<br />

Stabilität beschert. Trotzdem muss uns alarmieren,<br />

dass sich der sichtbare und messbare Erfolg der<br />

Sozialen Marktwirtschaft nicht mehr im Vertrauen<br />

der Bürger in unsere freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung<br />

spiegelt: Nur noch jeder zweite<br />

Deutsche glaubt, dass sich die Soziale Marktwirtschaft<br />

bewährt hat. Vor vier Jahren waren es noch<br />

56 %, vor acht Jahren sogar 70 % der Deutschen,<br />

die der Aussage „Die Soziale Marktwirtschaft hat<br />

sich bewährt“ zustimmten (Bankenverband, <strong>2008</strong>).<br />

Die Gründe dafür sind vielfältig. Schon vor der Finanzmarktkrise<br />

haben wir beobachten müssen,<br />

dass die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft<br />

dramatisch gesunken ist. Die Globalisierung und<br />

die Diskussion über soziale Gerechtigkeit und<br />

Armut in Deutschland haben zu einer tiefen Verunsicherung<br />

der Menschen beigetragen. Eine der<br />

vorrangigen Aufgaben der BDA muss es deshalb<br />

künftig sein, langfristige und nachhaltige Strategien<br />

und Konzepte zu entwickeln und umzusetzen,<br />

um so der Vertrauenskrise entgegenzuwirken. Die<br />

Wirtschaft muss in der aktuellen Debatte über die<br />

Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft Vertrauen<br />

zurückgewinnen. Unsere freiheitliche, auf Wettbewerb,<br />

Eigenverantwortung und Solidarität fußende<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist darauf<br />

angewiesen.<br />

Eine Lehre aus der Finanzmarktkrise ist,<br />

dass ein kurzatmig an Gewinnen orientiertes<br />

Wirtschaften keinen Bestand hat. Für die BDA<br />

geht es deshalb jetzt noch stärker darum, für eine<br />

Wirtschaftskultur der Nachhaltigkeit im Sinne der<br />

Sozialen Marktwirtschaft einzutreten und auch für<br />

eine nachhaltige Politikgestaltung zu werben. Es<br />

gilt aber auch, die Glaubwürdigkeit der Wirtschaftseliten<br />

wiederherzustellen. Der Vertrauensverlust<br />

in die Führungskräfte der deutschen Wirtschaft ist<br />

ernst zu nehmen und in Teilen leider auch selbst<br />

verschuldet. Es ist jedoch der falsche Weg, Unternehmer<br />

und Manager unter Generalverdacht<br />

zu stellen und kollektiv auf die Anklagebank zu<br />

setzen. Die überwiegende Zahl von ihnen arbeitet<br />

verantwortungsvoll und erfolgreich. Auch innerhalb<br />

der Unternehmen spielt werteorientiertes Handeln<br />

eine wichtige Rolle. Viele Unternehmen haben sich<br />

freiwillig Leitlinien gegeben, die eine ethische Unternehmenskultur<br />

fördern und zu verantwortlichem<br />

und nachhaltigem Handeln ermutigen, viele haben<br />

die positiven Wirkungen von Diversity Management<br />

erkannt und setzen sich im Rahmen ihrer betrieblichen<br />

Personalpolitik für Chancengleichheit und<br />

Vielfalt ein. Eine überwältigende Mehrheit der Unternehmen<br />

in Deutschland engagiert sich darüber<br />

hinaus in vielfältiger Weise gesellschaftlich.<br />

Wer für die freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung<br />

wirbt, muss überzeugend darstellen,<br />

wie attraktiv und überzeugend sie ist, und die<br />

Menschen dafür gewinnen. Gerade junge Menschen<br />

müssen an den Schulen, in den Betrieben<br />

und an den Hochschulen für die Soziale Marktwirtschaft<br />

gewonnen und umfassend ökonomisch<br />

gebildet werden. Wir stehen in Deutschland, aber<br />

auch weltweit, vor neuen, großen Herausforderungen,<br />

auf die wir gemeinsam Antworten finden<br />

müssen: Die Wirtschaft muss sich den grundlegenden<br />

Orientierungsfragen der Menschen stellen<br />

und sich aktiv an der aktuellen Debatte über unser<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beteiligen.<br />

Ihre Führungskräfte müssen Werte vorleben und<br />

im Sinne einer Ethik der Verantwortung als glaubwürdige<br />

Vorbilder handeln. Die Politik muss sich<br />

stärker an nachhaltigen Strategien und langfristigen<br />

Zielen orientieren und sich so den großen Herausforderungen<br />

der Zukunft gewachsen erweisen.<br />

Jeder Einzelne muss sich auf seinen Beitrag in<br />

einer Gesellschaftsordnung besinnen, die neben<br />

Solidarität auch Eigenverantwortung postuliert.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Wirtschaftsethik“<br />

sowie die argumente „Wirtschaft und<br />

Ethik – kein Widerspruch!“ veröffentlicht.<br />

Kirche und Wirtschaft im Dialog<br />

Die christlichen Kirchen sind wichtige Gesprächspartner<br />

für die Arbeitgeber. Sie tragen zur Werteorientierung<br />

unserer Gesellschaft und zur öffentlichen<br />

Meinungsbildung maßgeblich bei. Die Arbeitgeber<br />

wollen im Gespräch mit den Kirchen ihre Sichtweise<br />

auf aktuelle wirtschafts- und sozialpolitische Fragen<br />

verdeutlichen und ihrerseits die Perspektive der Kirchen<br />

auf diese Fragen aufnehmen. Nur über das gemeinsame<br />

Gespräch können wir unsere wirtschafts-<br />

140 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik


„Freiheit und Verantwortung gehören zusammen“<br />

Auszug aus der Rede von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt<br />

auf dem Deutschen Arbeitgebertag <strong>2008</strong><br />

Die Soziale Marktwirtschaft setzt Vertrauen voraus.<br />

Sie ist zwingend auf Glaubwürdigkeit und<br />

Verlässlichkeit angewiesen, weil eine freiheitliche<br />

und soziale Wirtschaftsordnung eben nicht über<br />

Druck, Zwang und Fremdbestimmung funktioniert,<br />

sondern attraktiv und überzeugend sein muss, um<br />

die Menschen für sich zu gewinnen. Die Bürgerinnen<br />

und Bürger haben die Wahl – und machen<br />

von ihrem demokratischen Recht auch Gebrauch.<br />

Alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />

sind aufgerufen, die Attraktivität unserer<br />

freiheitlichen und sozialen Wirtschaftsordnung zu<br />

verteidigen und zu erhalten.<br />

Ignoranz und Selbstherrlichkeit gegenüber den<br />

Unsicherheiten und Ängsten der Menschen sind<br />

absolut fehl am Platze! Denn es sind die Menschen<br />

in unserem Land, welche die Soziale Marktwirtschaft<br />

tragen, lebendig halten und für die Zukunft<br />

prägen.<br />

Wenn sich Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften<br />

jeweils für sich, aber auch in offener und partnerschaftlicher<br />

Auseinandersetzung miteinander<br />

redlich bemühen, muss uns auch angesichts der<br />

aufgezogenen Wolken nicht bange sein!<br />

Die Soziale Marktwirtschaft feiert in diesem Jahr<br />

ihren 60. Geburtstag. Ich habe keinen Zweifel: Sie<br />

wird sich einmal mehr als widerstandsfähige, zukunftsfeste<br />

und bestmögliche Wirtschaftsordnung<br />

in einer freiheitlichen Gesellschaft beweisen.<br />

Freiheit und Verantwortung gehören zusammen.<br />

Und jede Krise hat in einer stabilen Ordnung auch<br />

ihre reinigende Kraft.<br />

Arbeiten wir gemeinsam für die Zukunft der Sozialen<br />

Marktwirtschaft – für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit,<br />

für stärkeres Wachstum und mehr<br />

Beschäftigung in unserem Land.<br />

Die deutschen Arbeitgeber werden sich mit allem<br />

Nachdruck dafür einsetzen, verloren gegangenes<br />

Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung wiederherzustellen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik 141


Initiative Freiheit und Verantwortung –<br />

Engagement von Unternehmen fördern und verstärken<br />

Das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen<br />

fördern – das ist das Ziel der Initiative Freiheit<br />

und Verantwortung. Getragen wird sie von<br />

den Spitzenverbänden BDA, BDI, DIHK und ZDH<br />

sowie der WirtschaftsWoche. Schirmherr ist Bundespräsident<br />

Horst Köhler. Die Initiative vergibt<br />

seit 2001 jährlich den Preis „Freiheit und Verantwortung“.<br />

Am 1. Dezember <strong>2008</strong> war es wieder so<br />

weit.<br />

Unter dem Motto „Beruf und Familie – Die Wirtschaft<br />

übernimmt Verantwortung“ fand am 1. Dezember<br />

<strong>2008</strong> im Meistersaal des Zentralverbands<br />

des Deutschen Handwerks (ZDH) das Symposium<br />

mit anschließender Preisverleihung in Berlin<br />

statt. Hauptredner waren der Ratsvorsitzende<br />

der Evangelischen Kirche in Deutschland Bischof<br />

Dr. Wolfgang Huber sowie Dr. Silvana Koch-<br />

Mehrin MdEP. Eine Gesprächsrunde zu dem Thema<br />

„Familienbewusste Unternehmensführung und<br />

Erwartungen an die Politik“ sowie musikalische<br />

Darbietungen rundeten die feierliche Preisverleihung<br />

ab. Für ihr besonderes gesellschaftliches<br />

Engagement wurden in diesem Jahr in den Kategorien<br />

kleine, mittlere und große Unternehmen<br />

die Voss AG, die TÜV Technische Überwachung<br />

Hessen GmbH und die ThyssenKrupp AG ausgezeichnet.<br />

Ingrid Hofmann, Mitglied des Präsidiums<br />

der BDA, würdigte in ihrer Laudatio das Projekt<br />

„TÜV Kids“: „Schon heute fehlt es der deutschen<br />

Wirtschaft an naturwissenschaftlich und technisch<br />

gebildetem Nachwuchs. Wir begrüßen deshalb,<br />

wenn Initiativen und Projekte wie ,TÜV Kids‘ schon<br />

bei Kindern im Grundschulalter ansetzen. Für den<br />

Standort Deutschland ist das von unschätzbarem<br />

Wert.“<br />

Weitere Informationen zur Initiative Freiheit<br />

und Verantwortung und zu den Preisträgern sind<br />

über www.freiheit-und-verantwortung.de abrufbar.<br />

142 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik


und sozialpolitischen Standpunkte annähern und<br />

zum besseren gegenseitigen Verständnis beitragen.<br />

Kirchen und Arbeitgeber sind deshalb auf den verschiedensten<br />

Ebenen – vom Betrieb bis zum Spitzengespräch<br />

– im Dialog. Auch in diesem Jahr hat<br />

sich die BDA bei zahlreichen Veranstaltungen der<br />

Kirchen, der Akademien und der konfessionellen Unternehmerverbände<br />

aktiv beteiligt und die Positionen<br />

der Arbeitgeber bei Kongressen und auf Tagungen<br />

dargestellt. Im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen<br />

standen die Themen „Mindestlohn und Niedriglohnbereich“,<br />

„Bildung und Armutsbekämpfung“,<br />

„Globalisierung“ sowie die Vereinbarkeit von Familie,<br />

Ehrenamt und Beruf.<br />

Für einen „neuen Dialog zwischen Kirche und<br />

Wirtschaft“ wirbt auch die im Juli von der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlichte<br />

Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangelischer<br />

Perspektive“. Die EKD ermutigt darin<br />

zu unternehmerischem Handeln und würdigt die<br />

Leistung der Unternehmer für unsere Gesellschaft<br />

ausdrücklich. Dass sie das zu einem Zeitpunkt tut,<br />

zu dem Unternehmen und Unternehmer viel Kritik<br />

und Misstrauen ausgesetzt sind, ist bemerkenswert.<br />

Die EKD setzt damit ein deutliches Zeichen<br />

gegen die steigende Skepsis gegenüber der Wirtschaft<br />

und ihren Vertretern und leistet einen wichtigen<br />

Beitrag, das Vertrauen in unternehmerisches<br />

Handeln zu stärken. Der Text bildet eine gute<br />

Grundlage für den weiteren Gedankenaustausch<br />

zwischen EKD und Wirtschaft auf allen Ebenen.<br />

Zu diesen Themen hat die BDA den kompakt<br />

„Kirche und Wirtschaft“ und den kompakt „Die<br />

Unternehmerdenkschrift der EKD“ veröffentlicht.<br />

Chancen für Eltern und Frauen<br />

am Arbeitsmarkt weiter verbessern<br />

Nachdem Deutschland bereits im Jahr 2005 bei<br />

der Beschäftigungsquote von Frauen erstmals<br />

das Lissabon-Ziel der Europäischen Union erfüllt<br />

hat, das eine Frauenerwerbsbeteiligung von 60 %<br />

bis 2010 vorsieht, hat sich die Beschäftigungssituation<br />

von Frauen in den letzten Jahren erfreulicherweise<br />

weiter verbessert. Bis 2007 stieg die<br />

Frauenerwerbstätigenquote auf 64 %. EU-weit befindet<br />

sich Deutschland damit im oberen Mittelfeld.<br />

Angesichts der demografischen Entwicklung und<br />

struktureller Fachkräfteengpässe, die weitgehend<br />

konjunkturunabhängig sind, ist es unverzichtbar,<br />

gerade auch mehr weibliche Fach- und Führungskräfte<br />

für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die BDA<br />

setzt sich daher aktiv dafür ein, die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf und die Chancengleichheit<br />

von Frauen voranzubringen.<br />

Nach Beschluss durch den Deutschen Bundestag<br />

Ende September wurde das Kinderförderungsgesetz<br />

(KiföG) am 7. November <strong>2008</strong><br />

auch im Bundesrat verabschiedet. Damit hat der<br />

Gesetzgeber einen wichtigen Schritt hin zu einer<br />

weiteren Verbesserung der Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie vollzogen. Vor allem der hiermit<br />

auf den Weg gebrachte deutliche Ausbau der<br />

Kinderbetreuungsinfrastruktur auf kommunaler<br />

Ebene war eine langjährige Forderung der BDA.<br />

Bis 2013 soll in den Kommunen ein bedarfsgerechtes<br />

Betreuungsangebot für Kinder unter drei<br />

Jahren geschaffen sein. Jetzt sind die Länder gefordert,<br />

die vom Bund dafür bereitgestellten Mittel<br />

zielgerichtet einzusetzen und für mehr qualitativ<br />

hochwertige Kinderbetreuungsplätze zu sorgen.<br />

Es wäre jedoch ein Fehler, Kinderbetreuung allein<br />

in staatlicher Verantwortung zu organisieren. Die<br />

Länder müssen beim Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />

die Gleichbehandlung der privaten<br />

Träger gewährleisten, auch um einen Wettbewerb<br />

zugunsten von mehr Betreuungsqualität<br />

(z. B. elterngerechte Öffnungszeiten; Betreuungsschlüssel)<br />

zu fördern.<br />

Als betriebliche Ansatzpunkte zur weiteren<br />

Verbesserung der Arbeitsmarktbeteiligung von<br />

Frauen gewinnen Familienfreundlichkeit und<br />

Chancengleichheit als zentrale Elemente der betrieblichen<br />

Personalpolitik immer weiter an Bedeutung.<br />

Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen<br />

können sich hieraus oft entscheidende Vorteile im<br />

Wettbewerb um dringend benötigte Fachkräfte<br />

ergeben. Viele Unternehmen haben dies bereits<br />

erkannt: Laut „Monitor Familienfreundlichkeit“ bieten<br />

inzwischen mehr als 95 % der Unternehmen<br />

in Deutschland Maßnahmen zur Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie an. Auch Maßnahmen zur<br />

gezielten Aufstiegsförderung von Frauen sind in<br />

vielen Unternehmen bereits Bestandteil der Personalentwicklung.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik 143


Frauenerwerbstätigenquote in Deutschland steigt<br />

Entwicklung Frauenerwerbstätigenquote 1997 – 2007 (Lissabon-Ziel 2010 = 60 %)<br />

Prozent<br />

68<br />

66<br />

64<br />

64,0<br />

62<br />

60,6<br />

62,2<br />

60<br />

58<br />

57,4<br />

58,1<br />

58,7 58,9 58,9<br />

59,2<br />

57,0<br />

57,8<br />

58,8<br />

59,7<br />

58,3<br />

56<br />

55,3<br />

55,8<br />

55,0<br />

55,6<br />

56,2<br />

56,3<br />

57,3<br />

54<br />

52<br />

51,4<br />

52,0<br />

53,0<br />

53,0<br />

54,1<br />

53,7<br />

54,3<br />

54,4<br />

54,9<br />

55,5<br />

50<br />

50,8<br />

51,6<br />

48<br />

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Jahr<br />

EU-15 D EU-27<br />

Quellen: European Commission, Employment in Europe, 2005;<br />

Recent Trends and Prospects und Eurostat, 2007;<br />

Darstellung: BDA<br />

144 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik


Auf Grundlage der im Jahr 2001 zwischen<br />

der Bundesregierung und den Spitzenverbänden<br />

der deutschen Wirtschaft getroffenen Vereinbarung<br />

zur Förderung der Chancengleichheit wurden<br />

in diesem Jahr zum nunmehr dritten Mal die<br />

Fortschritte bilanziert. Besonders erfreulich ist der<br />

steigende Bildungsgrad von Mädchen und Frauen.<br />

Mittlerweile absolvieren sogar mehr Frauen als<br />

Männer das Abitur. Bei den Studienabschlüssen<br />

liegen Frauen und Männer gleichauf. Hier werden<br />

die Grundlagen für den beruflichen Erfolg gelegt.<br />

Auch das für den Erfolg am Arbeitsmarkt<br />

ebenfalls wichtige Berufswahlspektrum junger<br />

Frauen hat sich in den letzten Jahren erweitert –<br />

hierfür wirbt die BDA u. a. auch im Rahmen des<br />

jährlich durchgeführten „Girls Day“. So stieg der<br />

Anteil studierender Frauen um rund die Hälfte in<br />

den Fächern Elektrotechnik auf 8 % und bei Maschinenbau<br />

auf 17 %. Aber auch im Handwerk findet<br />

eine tief greifende Umwälzung statt. Nach den<br />

neuesten Zahlen gingen im Jahr 2006 fast 20 %<br />

der Meisterbriefe an Frauen; 1991 waren unter<br />

den Absolventen der Meisterschulen gerade einmal<br />

11 % Frauen. Der Frauenanteil bei den Selbstständigen<br />

ist in den letzten Jahren kontinuierlich<br />

und schneller als bei Männern gestiegen. Diese<br />

insgesamt erfreuliche Entwicklung muss weiter<br />

vorangebracht werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Chancengleichheit von Frauen und Männern“<br />

und den kompakt „Familienpolitik“ veröffentlicht.<br />

Debatte über Lohnunterschiede<br />

zwischen Frauen und Männern<br />

weiter versachlichen<br />

In der öffentlichen Diskussion werden Lohnunterschiede<br />

zwischen Männern und Frauen (Gender<br />

Pay Gap) oft vorschnell mit Diskriminierung von<br />

Frauen gleichgesetzt und dementsprechend<br />

unsachlich diskutiert. Tatsächlich aber wird der<br />

„Gender Pay Gap“ durch eine Vielzahl von strukturellen<br />

Faktoren verursacht. So wurde dies durch<br />

wissenschaftliche Untersuchungen für fast 90 %<br />

der „Lohnlücke“ nachgewiesen. Diese liegt in<br />

Deutschland, ohne Berücksichtigung der unterschiedlich<br />

ausgeübten Berufe und der jeweiligen<br />

Qualifikationserfordernisse, je nach Berechnungs-<br />

grundlage im Bundesdurchschnitt aller Einkommen<br />

von Frauen und Männern zwischen 22 %<br />

und 24 %, in den neuen Bundesländern bei 6 %.<br />

Insbesondere familienbedingte Erwerbsunterbrechungen,<br />

das noch zu limitierte Berufswahlverhalten<br />

junger Mädchen und Frauen, häufigere Teilzeittätigkeiten<br />

sowie die geringere Qualifikation<br />

älterer Frauen sind für die noch bestehenden Lohnunterschiede<br />

verantwortlich. Traditionelle Rollenbilder<br />

beeinflussen noch immer die Entscheidung<br />

für einen Beruf oder die Aufteilung von Erziehungsverantwortung<br />

zwischen Frauen und Männern und<br />

somit letztendlich auch die Karriereentwicklung<br />

und die Gehaltsstruktur.<br />

Um den Blick auf die tatsächlichen und für die<br />

Diskussion wesentlichen Fakten zu legen, hat die<br />

BDA gemeinsam mit dem Bundesministerium für<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />

am 30. September <strong>2008</strong> eine Tagung zum Thema<br />

„Ursachen für Lohnunterschiede angehen“<br />

durchgeführt. Die Tagung war darüber hinaus ein<br />

deutliches Signal an die Öffentlichkeit, dass die<br />

Arbeitgeber sich aktiv mit der Lohnlücke auseinandersetzen.<br />

Diesem Zweck diente auch die Veröffentlichung<br />

des BDA - Positionspapiers „Ursachen<br />

für Lohnunterschiede angehen“ im Frühjahr <strong>2008</strong>,<br />

das eine positive Resonanz gefunden hat.<br />

Die BDA unterstützt Maßnahmen auf Grundlage<br />

der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung<br />

und den Spitzenverbänden der deutschen<br />

Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit<br />

von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“,<br />

die somit auch zur Verringerung der Lohnlücke beitragen.<br />

Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie ist aus Sicht der BDA die entscheidende<br />

Voraussetzung zur Verminderung noch bestehender<br />

Lohnunterschiede. Die BDA unterstützt<br />

dies mit einer Vielzahl von Initiativen und setzt sich<br />

z. B. dafür ein, dass junge Frauen vermehrt ihre<br />

beruflichen Karrierechancen auch in naturwissenschaftlichen<br />

und technischen Bereichen wahrnehmen<br />

und sich so bessere Verdienstmöglichkeiten<br />

erschließen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik 145


46. Kolloquium der Walter-Raymond-Stiftung<br />

Die Walter-Raymond-Stiftung ist dem regen Gedankenaustausch<br />

zwischen Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik verpflichtet und steht allen gesellschaftlichen<br />

Themen offen gegenüber. Sie leistet einen<br />

Beitrag zu einer auf Freiheit, Eigenverantwortung<br />

und Solidarität beruhenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.<br />

Mehr als 100 hochkarätige<br />

Repräsentanten aus Wissenschaft, Wirtschaft und<br />

Politik diskutieren regelmäßig gesellschafts- wie<br />

wirtschaftspolitische Themen, denen eine hohe<br />

Bedeutung für Deutschlands Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung<br />

zukommt.<br />

<strong>2008</strong> stand das Kolloquium unter dem Leitmotiv<br />

„Perspektiven für eine moderne Arbeitsmarktordnung“.<br />

Den Einstieg gaben die Vorträge von Bundesverfassungsrichter<br />

Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio,<br />

Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt, dem Südwestmetall-Vorsitzenden<br />

Dr. Jan Stefan Roell,<br />

IG-BCE-Vorstandsmitglied Werner Bischoff, Allianz-Vorstandsmitglied<br />

Ulrich Schumacher, dem<br />

Hauptgeschäftsführer der Schweizerischen Arbeitgeberverbände<br />

Thomas Daum sowie dem Rechtswissenschaftler<br />

Prof. Dr. Manfred Weiss und dem<br />

RWI-Präsidenten Prof. Christoph M. Schmidt. Ausgangspunkt<br />

des Diskurses war die Feststellung,<br />

dass die Globalisierung durch den verschärften<br />

weltweiten Standortwettbewerb auch unweigerlich<br />

die nationalen Arbeitsmarktordnungen unter Wettbewerbsdruck<br />

stellt. Intensiv wurde darüber beraten,<br />

wie viel und welchen Arbeitnehmerschutz eine<br />

Volkswirtschaft benötigt, damit unternehmerische<br />

Freiheiten erhalten bleiben bzw. geschaffen werden<br />

und sich zugleich die Wirtschaft im Interesse<br />

eines hohen Beschäftigungsniveaus dynamisch<br />

entwickeln kann. Hierbei kommt es u. a. darauf an,<br />

die Regelungen des Arbeitsrechts so zu gestalten,<br />

dass letztlich die Beschäftigung nachhaltig wächst.<br />

Die Ergebnisse und Vorträge des Kolloquiums liegen<br />

im Band 48 der Großen Reihe der Walter-Raymond-Stiftung<br />

vor.<br />

Das nächste Kolloquium widmet sich im März<br />

2009 unter dem Titel „Solide Staatsfinanzen – die<br />

Finanzmarktkrise, ihre Folgen und ihre Lehren“<br />

u. a. den Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf<br />

das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat und<br />

auf den in Deutschland eingeschlagenen Konsolidierungsweg.<br />

Zudem soll diskutiert werden, welche<br />

Möglichkeiten der Staat überhaupt in einer<br />

solchen Situation hat, in den Wirtschaftskreislauf<br />

Nutzen stiftend für das Gemeinwohl einzugreifen.<br />

Auch stellt sich die Frage, welche Grundlagen für<br />

eine neue Balance zwischen Staat und Wirtschaft<br />

herangezogen werden könnten. Während sich<br />

die einen auf Keynes berufen und einen größeren<br />

staatlichen Einfluss und staatliche Stützungsprogramme<br />

fordern, sprechen sich andere für die<br />

Rückbesinnung auf die Prinzipien der Sozialen<br />

Marktwirtschaft aus. Inwieweit möglicherweise ein<br />

neues Staatsversagen mit katastrophalen Folgen<br />

droht, ist zentraler Angelpunkt bei diesem Kolloquium.<br />

Weitere Informationen zur Arbeit der Walter-Raymond-Stiftung<br />

sind über www.wrst.de abrufbar.<br />

146 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik


BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Gesellschaftspolitik 147


Finanzmarktkrise verstärkt<br />

Konjunkturabschwung<br />

Die letzten Monate des Jahres <strong>2008</strong> standen politisch<br />

und wirtschaftlich ganz im Zeichen der Finanzmarktkrise.<br />

Spätestens mit der Insolvenz der<br />

US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September<br />

schlug die Vertrauenskrise zwischen Banken<br />

in eine Systemkrise der Finanzmärkte um und<br />

hat die Regierungen in zahlreichen Ländern der<br />

Welt zum Handeln veranlasst.<br />

Die seitdem zugesagten Stützungsprogramme<br />

der Regierungen belaufen sich allein bei<br />

den bezifferten Garantien und Kapitalhilfen auf zusammen<br />

rund 2.500 Mrd. €. Die Bundesregierung<br />

hat in diesem Rahmen ein Maßnahmenbündel<br />

beschlossen, dessen Komponenten eine Staatsgarantie<br />

für Verbindlichkeiten zwischen Banken<br />

bis zu 400 Mrd. € und Hilfen zur Rekapitalisierung<br />

von Banken bis zu 80 Mrd. € vorsehen. Umgesetzt<br />

werden diese Maßnahmen von einem Finanzmarktstabilisierungsfonds,<br />

für dessen Ausstattung<br />

der Bundesfinanzminister zur Aufnahme von Krediten<br />

bis zu einem Volumen von 100 Mrd. € ermächtigt<br />

wird.<br />

Bis Ende September rechneten die Forschungsinstitute<br />

für Deutschland lediglich mit einer<br />

etwas verstärkten zyklischen Abschwächung<br />

des Wirtschaftswachstums im Jahr 2009 von<br />

rund 1 %. Doch bei einer Exportquote von zuletzt<br />

47 % des Bruttoinlandsproduktes kann sich die<br />

deutsche Wirtschaft den Nachfrageeinbrüchen in<br />

den wichtigsten Absatzmärkten nicht entziehen.<br />

Das Herbstgutachten der Forschungsinstitute sah<br />

Mitte Oktober die deutsche Wirtschaft 2009 mit<br />

einem Wachstum von nur 0,2 % schon am Rande<br />

der Rezession und die Bundesregierung setzte<br />

ihre Vorhersage unmittelbar danach auf ebenfalls<br />

0,2 % herunter. Die Prognose des Sachverständigenrates<br />

von Mitte November zeigte mit einem<br />

Nullwachstum weiter nach unten. Kurz zuvor hatte<br />

der Internationale Währungsfonds mit – 0,8 % sogar<br />

ein tiefes Abgleiten Deutschlands in die Rezession<br />

prognostiziert.<br />

In diesem Umfeld beschloss die Bundesregierung<br />

am 5. November <strong>2008</strong> das Maßnahmenpaket<br />

„Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“,<br />

dessen steuerliche Komponenten<br />

am 5. Dezember den Bundesrat passiert haben.<br />

Damit will die Bundesregierung in den Jahren<br />

2009 und 2010 Investitionen und Aufträge von Unternehmen,<br />

privaten Haushalten und Kommunen<br />

in einer Größenordnung von rund 50 Mrd. € anstoßen.<br />

Zudem sollen Maßnahmen zur Sicherung der<br />

Finanzierung und Liquidität bei Unternehmen die<br />

Finanzierung von Investitionen im Umfang von gut<br />

20 Mrd. € gewährleisten.<br />

Maßnahmenpaket der Bundesregierung<br />

mit Licht und Schatten<br />

Die Bundesregierung setzt damit einzelne Impulse,<br />

die für die Stabilisierung der Konjunktur hilfreich<br />

sein können. Insbesondere das Vorziehen<br />

von Infrastrukturinvestitionen ist konjunktur- und<br />

wachstumspolitisch sinnvoll. Die Wiedereinführung<br />

der degressiven Abschreibung stärkt die<br />

Selbstfinanzierungskraft der Unternehmen. Ihre<br />

Befristung auf zwei Jahre soll zu Vorzieheffekten<br />

bei Unternehmensinvestitionen führen und damit<br />

den Konjunkturverlauf glätten helfen. Doch der<br />

kurzfristige konjunkturelle Effekt dieser Maßnahme<br />

bleibt begrenzt. Unter wachstumspolitischen<br />

Gesichtspunkten sollte auf eine Befristung der<br />

degressiven Abschreibung verzichtet werden. Die<br />

anderen Maßnahmen des Wachstumsstärkungspakets<br />

dürften zwar auch einen Beitrag zur Konjunkturstabilisierung<br />

leisten, ihre Wirkung dürfte<br />

aber teilweise aufgrund von Mitnahmeeffekten<br />

oder in Anbetracht des vorgesehenen Fördervolumens<br />

nur gering sein.<br />

Konsolidierung bleibt wichtig<br />

Die Bundesregierung veranschlagt für das Maßnahmenbündel<br />

Gesamtkosten von 23 Mrd. € für<br />

den Zeitraum 2009 – 2012. Bei einer damit beabsichtigten<br />

zusätzlichen Bruttowertschöpfung von<br />

50 Mrd. € für diesen Vierjahreszeitraum ergibt eine<br />

gesamtwirtschaftliche „Kosten-Erlös-Rechnung“<br />

eine Nettobelastung für den Bundeshaushalt von<br />

insgesamt 8,5 Mrd. € oder etwa 0,7 % des jeweiligen<br />

Haushaltsvolumens 2009 – 2012. Das heißt<br />

die Bundesregierung unterstellt, dass durch das<br />

Maßnahmenpaket zusätzliche Steuereinnahmen<br />

erzeugt werden, die einen großen Teil der Gegenfinanzierung<br />

der Maßnahmen sicherstellen,<br />

152 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft


Wie sich die Finanzmarktkrise<br />

entwickelt hat<br />

Am Anfang der Finanzmarktkrise stand das Platzen<br />

der sog. Immobilienblase in den USA. Häuser<br />

von Schuldnern mit geringer Bonität (Subprime-<br />

Hypothekendarlehen), die zu 100 % von den Banken<br />

fremdfinanziert wurden, verloren erheblich an<br />

Wert. Der zuvor jahrelang funktionierende Mechanismus<br />

aus steigenden Häuserpreisen, steigenden<br />

Hypotheken, hoher Konsumfreude und<br />

kräftigem Wachstum kam zum Erliegen. Der immense<br />

Abschreibungsbedarf der Banken sprang<br />

wie in einem Schneeballsystem auf andere Bereiche<br />

über.<br />

2000: Banken beginnen Immobilienkredite zu<br />

Fonds (Verbriefung) zu bündeln und Anteile an<br />

diesen Fonds zu verkaufen. Ratingagenturen bewerten<br />

diese Fonds mit „sehr gut“ (Triple A). Hohe<br />

Renditen sorgen für Absatz. Banken, Versicherungen<br />

und Investmentfonds nehmen solche Papiere<br />

in ihre Bilanzen, reichen sie aber auch an<br />

Privatkunden weiter. Im Folgenden werden auch<br />

Fonds aus Fonds aufgelegt.<br />

2001 – 2004: Lockere Kreditvergaberichtlinien und<br />

die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank Federal<br />

Reserve schaffen ein Überangebot an billigem<br />

Geld. Selbst Kleinstverdiener können Häuser erwerben.<br />

Erwartete Wertsteigerungen der Häuser<br />

lassen das Ausfallrisiko zunächst niedrig erscheinen.<br />

Ein weiteres Problem liegt bei den Zinsen.<br />

Anders als in Deutschland üblich, werden sie in<br />

den USA nur für kurze Zeit festgeschrieben. Die<br />

Substanz dieser sog. Derivate ist immer schwerer<br />

einzuschätzen. „Erstproduzenten“ von Derivaten<br />

reichen ihre Risiken zu 100 % – ohne Selbstbehalt –<br />

weiter. Jeder vertraut auf das Urteil der Ratingagenturen.<br />

2005 – 2006: Zur Eindämmung der Inflation erhöht<br />

die Federal Reserve kontinuierlich die Leitzinsen.<br />

Es baut sich eine Kettenreaktion auf: Wegen der<br />

variablen Zinssätze steigen auch die Hypothekenzinsen.<br />

Viele Hausbesitzer können die höhere<br />

Zinsbelastung nicht tragen. Die Zahl der Zwangsversteigerungen<br />

nimmt zu, der US-Immobilienmarkt<br />

bricht infolge des Überangebots ein.<br />

2007: Die Zahl Not leidender Kredite steigt rasant.<br />

Erste US-Baufinanzierer werden insolvent, die<br />

halbstaatlichen Hypothekenbanken Fannie Mae<br />

und Freddie Mac geraten in Schwierigkeiten. Banken,<br />

Versicherungen und Investmentfonds müssen<br />

hohe Beträge abschreiben. Mit der Notübernahme<br />

der britischen Bank Northern Rock durch<br />

den Staat erreicht die Krise Europa. In Deutschland<br />

gerät die IKB in eine Schieflage. Immer mehr<br />

Marktteilnehmern werden die Intransparenz der<br />

Papiere und das gestiegene Ausfallrisiko bewusst.<br />

Die Folge: Die Banken werden im Geschäft untereinander<br />

vorsichtiger; der Interbankenmarkt trocknet<br />

aus. Mit hohen Milliardenbeträgen halten die<br />

Notenbanken den Geldkreislauf aufrecht.<br />

<strong>2008</strong>: Die Verbriefungskaskade wird zur Abschreibungskaskade.<br />

Die US-Regierung übernimmt<br />

die Kontrolle von Fannie Mae und Freddie Mac.<br />

In Deutschland fällt die Sachsen LB an die Landesbank<br />

Baden-Württemberg; Regierungsbürgschaften<br />

können das unkalkulierbare Risiko in den<br />

Büchern nicht ausräumen. Die US-Regierung lässt<br />

aus ordnungspolitischen Gründen die Investmentbank<br />

Lehman Brothers insolvent werden. Diese<br />

Pleite erschüttert die Märkte weltweit. Die Finanzmarktkrise<br />

wird zur Vertrauens- und Systemkrise;<br />

der Interbankenmarkt kollabiert. Die US-Regierung<br />

verabschiedet ein Rettungspaket über 700 Mrd. $,<br />

um Not leidende Kredite aufzukaufen und Vertrauen<br />

zu schaffen. Die Bundesregierung richtet den<br />

Finanzmarktstabilisierungsfonds mit 480 Mrd. €<br />

ein. Großbritannien beginnt Banken zu verstaatlichen.<br />

Zusehends trifft die Finanzmarktkrise auch<br />

die Realwirtschaft. Die Wachstumsprognosen für<br />

2009 werden auf breiter Front reduziert.<br />

Mit der Errichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds<br />

hat die Bundesregierung im Verbund mit<br />

den Partnern der Eurozone schnell und insgesamt<br />

sachgerecht gehandelt, um dem Vertrauensverlust<br />

auf den Finanzmärkten zügig und effektiv<br />

entgegenzutreten. Inzwischen zeigen sich erste<br />

Zeichen für eine Stabilisierung.<br />

Weltwirtschaft auf dem Weg<br />

in die Rezession<br />

Die US-Wirtschaft ist von der Finanzmarktkrise in<br />

eine Rezession getrieben worden. Not leidet dort<br />

nicht nur der Bau- und Immobiliensektor. Auch<br />

die Dynamik des privaten Konsums droht durch<br />

steigende Arbeitslosigkeit und heraufgesetzte<br />

Kreditstandards – höhere Bonitätsanforderungen<br />

und Zinsen – abgewürgt zu werden. Nach der<br />

Hypothekenkrise droht nun eine Kreditkartenkrise.<br />

Zugleich kämpfen die US-Automobilhersteller<br />

ums Überleben. Ausgehend von den USA geraten<br />

auch wichtige andere Länder der OECD und der<br />

Welthandel insgesamt in eine Rezession.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft 153


Wachstumsprognosen für 2009 werden auf breiter Front zurückgenommen<br />

Prozent<br />

2,5<br />

2<br />

1,8<br />

2,0<br />

1,9<br />

1,5<br />

1,4<br />

1,5<br />

1,2<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,5<br />

1<br />

0,6<br />

1,0<br />

1,0<br />

0,7<br />

0,5<br />

0,2<br />

0,2 0,2<br />

0<br />

0,0<br />

0,0<br />

– 0,5<br />

– 1,0<br />

– 0,8<br />

– 0,8 – 0,5 – 0,2 – 1,1 – 1,4 – 1,2 – 1,0 – 1,5 – 2,8 – 1,9<br />

Differenz<br />

IW Köln ifo DIW RWI IfW Institute Bundesregierung<br />

EU IWF SVR Forschungseinrichtungen<br />

Prognosezeitpunkte: Frühjahr <strong>2008</strong><br />

Herbst <strong>2008</strong><br />

Quellen: Konjunkturprognose der Europäischen Union, veröffentlicht am 3. November <strong>2008</strong>;<br />

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten <strong>2008</strong>/09;<br />

IWF, World Economic Outlook, veröffentlicht am 6. November <strong>2008</strong>;<br />

Gemeinschaftsdiagnose der Institute Herbst <strong>2008</strong>, veröffentlicht am 14. Oktober <strong>2008</strong>;<br />

iwd – Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Nr. 40, veröffentlicht am 2. Oktober <strong>2008</strong>;<br />

Darstellung: BDA<br />

154 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft


Der Arbeitsmarkt folgt der Finanzmarktkrise mit Verzögerung<br />

Erwerbstätige in Tsd.<br />

40.400<br />

DAX<br />

8.000<br />

7.500<br />

40.300<br />

7.000<br />

6.500<br />

40.200<br />

6.000<br />

5.500<br />

40.100<br />

5.000<br />

4.500<br />

40.000<br />

Jan Feb März Apr Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez<br />

Monat<br />

4.000<br />

Erwerbstätige (saisonbereinigt)<br />

DAX<br />

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Monatsbericht November <strong>2008</strong>, und Deutsche Börse: www.deutsche-boerse.com,<br />

Datenabruf 18. November <strong>2008</strong>; Darstellung: BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft 155


Der Schuldenberg wächst weiter<br />

Steuern in Mrd. €<br />

600<br />

Schulden in Mrd. €<br />

1.600<br />

1.500<br />

550<br />

1.400<br />

500<br />

1.300<br />

1.200<br />

450<br />

1.100<br />

400<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 <strong>2008</strong><br />

Jahr<br />

1.000<br />

Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden<br />

gesamtstaatliche Schulden<br />

Quellen: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, lange Zeitreihen,<br />

Internetabruf, www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de, und Deutsche Bundesbank, statistische Zeitreihe BQ 1720;<br />

Darstellung: BDA<br />

156 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft


so dass unter dem Strich lediglich eine Belastung<br />

von 8,5 Mrd. € verbleibt. Wegen des Maßnahmenpaketes<br />

allein hätte daher das Konsolidierungsziel<br />

für 2011 nicht aufgegeben werden müssen. Allerdings<br />

ist die unterstellte Hebelwirkung von fast<br />

2,2 (mit dem 23 - Mrd. - € - Paket werden 50 Mrd. €<br />

Wertschöpfung bewirkt) wenig realistisch. Nach<br />

empirischen Untersuchungen des ifo-Instituts beträgt<br />

dieser Multiplikator lediglich 1,36.<br />

Es gehört zwar zu den anerkannten wirtschaftspolitischen<br />

Grundsätzen, im Abschwung<br />

die „automatischen Stabilisatoren“ wirken zu lassen,<br />

d. h. den sinkenden Einnahmen nicht noch<br />

hinterherzusparen. Genauso gilt aber auch, im<br />

Aufschwung die aufgenommenen Schulden aus<br />

Wachstumserträgen zu tilgen. Die Bundesregierung<br />

hat jedoch bislang versäumt, das nun für<br />

das Jahr 2013 in Aussicht gestellte Ziel eines<br />

ausgeglichenen Bundeshaushalts verbindlich mit<br />

konkreten Maßnahmen zu verbinden. Auch damit<br />

sät sie Zweifel an der Wirksamkeit des Maßnahmenpakets<br />

und nimmt ihm einen Teil der psychologischen<br />

Wirkung.<br />

Arbeitsmarkt zwischen<br />

Rezession und Demografie<br />

Der Arbeitsmarkt zeigt sich auch gegen Ende<br />

<strong>2008</strong> noch erstaunlich robust. Bis in den Herbst<br />

nahm die Beschäftigung sogar noch zu. Doch für<br />

das kommende Jahr ist eine anhaltende Abwärtsbewegung<br />

zu erwarten. So gehen die Prognosen<br />

im Herbstgutachten der Forschungsinstitute und<br />

des Sachverständigenrates von einer im Verlauf<br />

des Jahres 2009 merklich ansteigenden Arbeitslosigkeit<br />

aus.<br />

Erbschaftsteuerreform –<br />

mit Nachbesserungsbedarf<br />

Die am 27. November <strong>2008</strong> vom Deutschen<br />

Bundestag und am 5. Dezember vom Bundesrat<br />

beschlossene Erbschaftsteuerreform ist zwar gegenüber<br />

dem Regierungsentwurf vom Dezember<br />

2007 in vielen Punkten ein wirklicher Fortschritt –<br />

insbesondere weil unter bestimmten Bedingungen<br />

nach zehnjähriger Unternehmensfortführung die<br />

Erbschaftsteuer ganz entfallen kann.<br />

Allerdings werden bei Familienunternehmen<br />

gesellschaftliche Verfügungsbeschränkungen mit<br />

Abfindungsklauseln nach wie vor nur ungenügend<br />

berücksichtigt. Zwar wird dem tatsächlichen Abfindungswert<br />

für Übertragungen „unverzüglich nach<br />

deren Erwerb“ entsprochen; jedoch sollte der gesellschaftsvertraglich<br />

festgelegte Abfindungsanspruch<br />

auch bei der Übertragung von Mitgliedsrechten<br />

zu einem späteren Zeitpunkt Grundlage<br />

für die erbschaftsteuerliche Bewertung sein, was<br />

bislang nicht vorgesehen ist.<br />

Ohne Nachjustierung drohen sonst neue<br />

Steuerlasten beim Rückgrat der deutschen Wirtschaft,<br />

den Familienunternehmen – zumal bereits<br />

Schätzungen kursieren, wonach künftig mehr als<br />

die angestrebten 4 Mrd. € pro Jahr an Erbschaftsteuereinnahmen<br />

erzielt werden könnten. Neue<br />

steuerliche Lasten bei Unternehmenserben wären<br />

jedoch ein falsches Signal des Gesetzgebers. Vielmehr<br />

brauchen gerade die Familienunternehmen,<br />

die rund 95 % aller Unternehmen in Deutschland<br />

ausmachen und in denen 62 % aller Erwerbstätigen<br />

beschäftigt sind, ein verlässliches Fundament<br />

für die unternehmerische Tätigkeit.<br />

Trotz teilweise dramatischer Einbrüche bei<br />

den Aufträgen werden die Unternehmen alle personalpolitischen<br />

Instrumente einsetzen, um ihre<br />

qualifizierten Belegschaften zu halten. Einen fachlichen<br />

Aderlass werden sie vor dem Hintergrund<br />

der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels<br />

nicht leichtfertig riskieren. Dies wird<br />

allerdings nur möglich sein, wenn der Kurs einer<br />

moderaten Lohn- und Tarifpolitik fortgesetzt wird.<br />

Hierfür hat der jüngste Abschluss in der Metallund<br />

Elektroindustrie eine gute Grundlage gelegt.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft 157


Zentrale Elemente der Erbschaftsteuerreform<br />

Private Erbschaftsteuer<br />

Anhebung der persönlichen Freibeträge für Ehegatten auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 €, für<br />

Enkel auf 200.000 €<br />

Beibehaltung der Steuersätze in der Steuerklasse I (mit Sätzen von 7 bis 30 %), Anhebung der Steuersätze<br />

in den Steuerklassen II und III (auf 30 % bei einem Vermögen ab 75.000 € bis einschließlich<br />

6 Mio. € und auf 50 % für darüberliegendes Vermögen)<br />

Steuerbefreiung des selbst genutzten Wohneigentums unter der Voraussetzung der zehnjährigen<br />

Nutzung, bei Kindern zudem Beschränkung der Wohnfläche auf maximal 200 qm<br />

Verschonungsregelungen beim Betriebsvermögen<br />

Einführung einer Wahlmöglichkeit – beide Varianten sehen keine Fallbeilregelung beim Verstoß<br />

gegen die Behaltensfrist, sondern eine ratierliche Abschmelzung vor, zudem ist die Lohnsummenregelung<br />

nicht indexiert<br />

a) Regelverschonung mit einer Behaltensfrist von sieben Jahren und einem Verschonungsabschlag<br />

von 85 % unter den Voraussetzungen eines Verwaltungsvermögens von maximal 50 % und der Erzielung<br />

einer Lohnsumme über sieben Jahre von 650 %<br />

b) Verschonungsoption mit einer Behaltensfrist von zehn Jahren und einem Verschonungsabschlag<br />

von 100 % unter den Voraussetzungen von maximal 10 % Verwaltungsvermögen und der Erzielung<br />

einer Lohnsumme über zehn Jahre von 1.000 %<br />

Das Verwaltungsvermögen umfasst u. a. Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, Kunstgegenstände,<br />

Sammlungen, Anteile an Kapitalgesellschaften mit unmittelbarer Beteiligung von bis zu 25 %<br />

sowie Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (vermietete, verpachtete Grundstücke) mit<br />

Ausnahme u. a. der gewerblichen Vermietung von Wohnimmobilien oder der Betriebsverpachtung<br />

im Ganzen<br />

Bewertung des Betriebsvermögens und des Grundvermögens mit dem gemeinen Wert, d. h. dem<br />

Verkehrswert; sämtliche Regelungen des Bewertungsrechts sind im Gesetz und nicht wie ursprünglich<br />

vorgesehen in einer Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums geregelt<br />

Vermeidung einer Doppelbelastung – durch Anrechnung der auf die Einkünfte entfallenden Erbschaftsteuer<br />

bei der Einkommensteuer, wenn die Einkünfte in den vier vorangegangenen Veranlagungszeiträumen<br />

der Erbschaftsteuer unterlegen haben<br />

158 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft


Forderungen der Wirtschaft<br />

übernommen<br />

Erfreulich ist, dass die große Koalition zumindest<br />

einige der zentralen Forderungen der deutschen<br />

Wirtschaft an eine wirtschaftsfreundliche Erbschaftsteuerreform<br />

nunmehr übernommen hat.<br />

Die Fristen für die Lohnsummenregelung und<br />

die Behaltensfrist liegen nicht mehr bei 10<br />

bzw. 15 Jahren, sondern bei maximal zehn<br />

Jahren. Anstelle einer Fallbeilregelung bei<br />

der Behaltensfrist für das Betriebsvermögen<br />

greift nunmehr eine zeitanteilige Abschmelzung.<br />

Bei der Lohnsummenklausel wurden der<br />

zeitliche Gleichlauf mit der Behaltensfrist<br />

sowie der Wegfall der Indexierung erreicht;<br />

allerdings wird bei der Lohnsumme nach<br />

wie vor das Gehalt des Erblassers bzw. des<br />

Erwerbers berücksichtigt. Die Einhaltung der<br />

Lohnsummenregel muss jedoch erst nach<br />

dem Ende der Frist überprüft werden. Damit<br />

entfällt für den Erben die jährliche Erklärung<br />

beim Finanzamt.<br />

Die Einzelheiten zur Bewertung von Grundbesitz,<br />

nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften<br />

und Betriebsvermögen werden<br />

nunmehr nicht mehr lediglich in Rechtsverordnungen,<br />

sondern unmittelbar im Bewertungsgesetz<br />

geregelt. Änderungen des<br />

Bewertungsrechts unterliegen damit der parlamentarischen<br />

Kontrolle.<br />

Durch Anrechnung der Erbschaftsteuer bei<br />

der Einkommensteuer wird die drohende Doppelbelastung<br />

mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer<br />

berücksichtigt.<br />

Erhebliche Hürden für Wegfall<br />

der Erbschaftsteuerschuld<br />

Zudem haben die Koalitionsspitzen die Einführung<br />

eines Optionsmodells zur Abschmelzung der Erbschaftsteuerschuld<br />

mit zwei unterschiedlichen Varianten<br />

vereinbart:<br />

Bei der Option A (Regelverschonung) kann<br />

ein Abschlag von der Erbschaftsteuerschuld<br />

von 85 % erreicht werden. Voraussetzungen<br />

hierfür sind die Einhaltung einer Behaltensfrist<br />

von sieben Jahren sowie die Erzielung<br />

einer Lohnsumme von 650 % über den Zeitraum<br />

von sieben Jahren. Zudem darf das sog.<br />

Verwaltungsvermögen höchstens 50 % des<br />

gesamte Betriebsvermögens ausmachen.<br />

Bei der Option B (Verschonungsoption) kann<br />

entsprechend der Vereinbarung des Koalitionsvertrags<br />

die Erbschaftsteuerschuld ganz<br />

abgeschmolzen werden. Dies setzt jedoch<br />

die Einhaltung einer Behaltensfrist von zehn<br />

Jahren sowie die Erzielung einer Lohnsumme<br />

über die zehn Jahre von 1.000 % voraus.<br />

Jedoch darf in diesem Fall der Anteil des Verwaltungsvermögens<br />

am Betriebsvermögen<br />

höchstens 10 % betragen. Diese sehr restriktive<br />

Regel kann ebenso wie die im Vergleich<br />

zum ursprünglichen Regierungsentwurf erhöhte<br />

Anforderung an die Lohnsumme dazu<br />

führen, dass im Ergebnis die Rückführung der<br />

Erbschaftsteuerschuld auf null nur in Einzelfällen<br />

erreicht werden kann.<br />

Verwaltungsvermögen in die<br />

Begünstigung einbeziehen<br />

Unbefriedigend an der Erbschaftsteuerreform ist<br />

auch, dass sog. Verwaltungsvermögen nicht uneingeschränkt<br />

in die steuerliche Begünstigung<br />

einbezogen wird. Übersehen wird dabei, dass<br />

dieses Vermögen Kreditwürdigkeit und Liquidität<br />

des Unternehmens sichert. So schließt die geplante<br />

Regelung Unternehmen der gewerblichen<br />

Immobilienwirtschaft, die überwiegend Verwaltungsvermögen<br />

besitzen, von der steuerlichen Begünstigung<br />

aus, während nunmehr Wohnungsunternehmen<br />

in die Verschonung einbezogen sind.<br />

Problematisch erscheint auch die prozentuale<br />

Ausschlussregelung beim Verwaltungsvermögen –<br />

und zwar in beiden Optionen. Generell zu restriktiv<br />

sind in den Optionen A und B die Vorgaben bezüglich<br />

der Höhe des Verwaltungsvermögens, welches<br />

zulässig ist, damit im Erbfall die steuerliche<br />

Begünstigung greift. Die scharfe Abgrenzung,<br />

wonach ein Unternehmen mit 10 % Verwaltungs-<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft 159


vermögen von der Vergünstigung profitiert und ein<br />

Unternehmen mit 10,5 % nicht, provoziert Verfassungsklagen.<br />

Hier muss unbedingt noch nachgebessert<br />

werden und das Verwaltungsvermögen<br />

mit in die steuerliche Begünstigung einbezogen<br />

werden.<br />

Europäische Entwicklung<br />

beachten<br />

2009. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag<br />

ist für Januar 2009 vorgesehen. Die BDA<br />

wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Modifizierungsvorschläge<br />

der deutschen Wirtschaft im<br />

noch verbleibenden Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung<br />

finden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ veröffentlicht.<br />

Erste Schätzungen gehen davon aus, dass die<br />

Steuerverwaltungen zur Bewältigung der zusätzlichen<br />

bürokratischen Regelung Steuerbeamte in<br />

dreistelliger Zahl neu einstellen müssen. Nach Berechnungen<br />

des Instituts der deutschen Wirtschaft<br />

Köln zehren bereits unter den derzeitigen Regelungen<br />

die Bürokratiekosten bis zu ein Drittel der<br />

Einnahmen aus der Erbschaftsteuer auf. Daher<br />

sollte über die Abschaffung dieser Steuer sicherlich<br />

noch nicht das letzte Wort gesprochen sein,<br />

zumal in anderen europäischen Ländern wie z. B.<br />

in Österreich die Erbschaftsteuer längst auf dem<br />

Rückzug ist. Dies könnte eine herausragende Aufgabe<br />

in der nächsten Legislaturperiode sein, wenn<br />

es um den Neuzuschnitt der Einkommensteuer<br />

geht und die neue Erbschaftsteuer in der Unternehmensrealität<br />

angekommen ist.<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung:<br />

Forderungen der Wirtschaft<br />

bleiben nicht ungehört<br />

Die BDA hat den Gesetzgebungsprozess von<br />

Anfang an begleitet und gemeinsam mit sieben<br />

anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft<br />

– neben grundsätzlicher Kritik – auch detailliert<br />

Stellung bezogen.<br />

Erfreulich ist, dass der Bundesrat am<br />

10. Oktober <strong>2008</strong> in seiner Stellungnahme zum<br />

Entwurf eines Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes<br />

einige der von Seiten der Wirtschaftsverbände<br />

formulierten Korrekturforderungen aufgenommen<br />

und unterstützt hat. Dies betrifft sowohl<br />

die Forderung nach Öffnung der steuerlichen<br />

Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung für<br />

einzelne Beschäftigtengruppen als auch nach Vorziehen<br />

des Inkrafttretens des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes<br />

vom 1. April auf den 1. Januar<br />

160 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft


Deutsche Wirtschaft fordert Nachbesserungen beim Entwurf<br />

eines Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes<br />

Zusammenfassung der Stellungnahme der acht Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zum<br />

Regierungsentwurf für ein Gesetz zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

(Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz)<br />

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist der gewählte<br />

Ansatz weder zielorientiert noch widerspruchsfrei,<br />

weil damit von der sinnvollen Konzentration<br />

der Vermögensbildung auf den Ausbau der Altersvorsorge<br />

abgegangen und darüber hinaus die<br />

wesentlich praktikablere Mitarbeitererfolgsbeteiligung<br />

benachteiligt wird. Trotz der grundsätzlich<br />

ablehnenden Bewertung haben die Spitzenverbände<br />

der deutschen Wirtschaft konkrete Korrekturforderungen<br />

formuliert.<br />

Die Steuerfreiheit von Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodellen<br />

sollte auch dann greifen, wenn die<br />

Beteiligung nicht allen Arbeitnehmern, die in einem<br />

gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen<br />

stehen, offensteht. Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodelle<br />

werden häufig aufgrund sachlicher<br />

Differenzierung nur einzelnen Mitarbeitergruppen<br />

gewährt. So kann es sachgerecht sein, bestimmte<br />

Gruppen von Beschäftigten, die sich z. B. noch in<br />

der Probezeit befinden, von der Beteiligungsmöglichkeit<br />

auszunehmen oder aber für Führungskräfte<br />

und sonstige Beschäftigte unterschiedliche<br />

Beteiligungsmodelle anzubieten. Die Förderung<br />

nach § 3 Nr. 39 EStG-E darf derartig sinnvolle Differenzierungen<br />

nicht behindern.<br />

des Fonds in Betracht kommenden Unternehmen<br />

darauf, dass auch tatsächlich in sie investiert wird.<br />

Zudem wird das Ziel der Mitarbeiterkapitalbeteiligung,<br />

die Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />

zu stärken, mit einer überbetrieblichen<br />

Beteiligungsform verfehlt.<br />

Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen am<br />

1. April 2009 in Kraft treten. Bei vielen Unternehmen<br />

werden Belegschaftsaktien im ersten Quartal<br />

überlassen. In diesen Fällen müsste die Überlassung<br />

zunächst nach § 19a EStG behandelt werden<br />

und nach dem 1. April 2009 gemäß § 41c Abs. 1<br />

Nr. 2 EStG geändert werden. Ändert der Arbeitgeber<br />

den Lohnsteuerabzug nicht, kann der Arbeitnehmer<br />

beim Finanzamt eine Erstattung beantragen.<br />

Eine solche doppelte Abrechnung verursacht<br />

einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand. Aus<br />

Vereinfachungsgründen sollte das Inkrafttreten –<br />

wie auch vom Bundesrat vorgeschlagen – auf den<br />

1. Januar 2009 vorgezogen werden.<br />

Die geplanten „Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen“<br />

sind mit den Zielen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

nicht vereinbar. Zum einen ist<br />

ein derartiger Fonds insbesondere für kleine und<br />

mittelständische Unternehmen kaum attraktiv, weil<br />

es kaum Sinn macht, 100 % Eigenmittel selbst aufzubringen,<br />

um anschließend über den Fonds bestenfalls<br />

75 % wiederzuerhalten. Zum anderen besteht<br />

kein Anspruch der potenziell für eine Anlage<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft 161


166 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


„Kurzum, der BDA-Chef hat Recht.“<br />

(Süddeutsche Zeitung, 20.11.<strong>2008</strong>)<br />

„Arbeitgeber schlagen Alarm –<br />

Hundt ermahnt Regierung und Tarifparteien“<br />

(Handelsblatt, 28.07.<strong>2008</strong>)<br />

Sachlich, deutlich und ohne<br />

Umschweife<br />

Tarifpolitik und Tarifeinheit, gesetzliche Mindestlöhne<br />

und die Entwicklung der Sozialversicherungsabgaben,<br />

die Vertrauenskrise der Sozialen<br />

Marktwirtschaft und die Finanzmarktkrise sowie<br />

die Bildungspolitik – das waren im Jahr <strong>2008</strong> die<br />

beherrschenden Themen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

der BDA. Die BDA hat dabei<br />

regelmäßig die Positionen, Interessen und Forderungen<br />

der deutschen Wirtschaft deutlich gemacht<br />

und eine hohe Medienpräsenz erreicht.<br />

Dies geschah nicht nur durch rund 100 Pressemitteilungen;<br />

große Resonanz fanden vor allem auch<br />

zahlreiche Exklusivinterviews mit Arbeitgeberpräsident<br />

Dr. Dieter Hundt sowie die Pressekonferenzen<br />

und Pressegespräche.<br />

Mindestlohn macht arbeitslos<br />

Vor dem Hintergrund der Diskussion über gesetzliche<br />

Mindestlöhne hat die BDA im Januar <strong>2008</strong> die<br />

Kampagne „Mindestlohn macht arbeitslos“ gestartet.<br />

Ziel dieser Kampagne ist es, auf die Folgen gesetzlicher<br />

Mindestlöhne aufmerksam zu machen.<br />

Zentrale Botschaft ist: „Gesetzliche Mindestlöhne<br />

verhindern den Einstieg in Arbeit vor allem von gering<br />

Qualifizierten und schaden dem Arbeitsmarkt.“<br />

Im Verlauf des Jahres ist es der BDA gelungen,<br />

die drohenden Folgen gesetzlicher Mindestlöhne<br />

wirkungsvoll in die Öffentlichkeit zu transportieren,<br />

aber auch auf Entscheidungsträger einzuwirken.<br />

In zahlreichen Reden, Namensbeiträgen und Interviews<br />

sowie weiteren Pressekonferenzen mit<br />

Rechtsgutachtern und Ländervertretern hat die<br />

BDA nachdrücklich vor den schädlichen Folgen<br />

staatlicher Lohnfestsetzungen gewarnt und in der<br />

Öffentlichkeit regelmäßig eine große Resonanz<br />

erzielt. So konnten wichtige Zugeständnisse bei<br />

den Plänen zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne<br />

über das Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erreicht<br />

werden.<br />

Unter www.mindestlohn-macht-arbeitslos.de<br />

unterrichtet die Kampagnenhomepage aktuell über<br />

den Stand der Dinge und verzeichnet täglich bis<br />

zu 13.000 Klicks. Sie wird von allen Seiten als die<br />

zentrale Plattform der Mindestlohnkritiker angesehen.<br />

Eine breite Palette an Informationsmaterialien<br />

wurde zur Aufklärung über die Gefahren gesetzlicher<br />

Mindestlöhne für Politik, Medien und Öffentlichkeit<br />

sowie die Mitgliedsverbände produziert.<br />

Die ersten beiden Auflagen der Broschüre „Tarifautonomie<br />

statt Mindestlohn“ waren bereits innerhalb<br />

weniger Tage vergriffen. Mehrere laufend aktualisierte<br />

Ausgaben der BDA-Informationsdienste<br />

argumente und kompakt liefern wertvolle Hintergrundinformationen.<br />

Das unter der Sonderrufnummer<br />

2033-1919 erreichbare Kampagnenbüro der<br />

BDA beantwortet Fragen, gibt weiter gehende<br />

Auskünfte und unterstützt die Mitgliedsverbände<br />

bei ihren Aktivitäten rund um den Mindestlohn.<br />

Sozialabgaben senken<br />

Auch die Debatte über die Sozialabgaben war im<br />

gesamten Jahresverlauf ein Dauerbrenner für die<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Senkung<br />

des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung<br />

spielte dabei ebenso eine herausragende<br />

Rolle wie die geplante Anhebung des Krankenkassenbeitrags.<br />

Die BDA hat diese Debatte mit<br />

zahlreichen Stellungnahmen, Interviews, Pressemitteilungen<br />

und Hintergrundinformationen forciert<br />

und immer wieder die deutliche Entlastung<br />

von Unternehmen und Bürgern angemahnt – nicht<br />

zuletzt auch vor dem Hintergrund der sich abschwächenden<br />

Konjunktur. Die fortgesetzte öffentliche<br />

Mahnung der BDA blieb nicht ohne<br />

Wirkung: In den Medien stand und steht die Senkung<br />

der Steuer- und Abgabenlast ganz oben auf<br />

der politischen Agenda.<br />

Bildung – die soziale Frage<br />

des 21. Jahrhunderts<br />

Bildung ist längst zu einer der zentralen Herausforderungen<br />

für Deutschland geworden. Die BDA<br />

hat in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einen<br />

deutlichen Schwerpunkt bei diesem Thema gesetzt.<br />

Dies geschah auch vor dem Hintergrund,<br />

dass BDA und BDI seit gut einem Jahr ihre bildungspolitischen<br />

Positionen und Initiativen in<br />

einem gemeinsamen Fachausschuss unter Federführung<br />

der BDA entwickeln.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 167


168 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


Dabei standen im Jahresverlauf gleich mehrere<br />

wichtige Themen im Fokus der Öffentlichkeit.<br />

So gelang es BDA und BDI, mit ihren Initiativen<br />

„MINT Zukunft schaffen“ und „Bachelor Welcome“<br />

viel beachtete bildungspolitische Akzente zu setzen.<br />

Auch die öffentliche Diskussion über den<br />

Ausbildungsbonus bis hin zur Situation auf dem<br />

Lehrstellenmarkt und den damit verbundenen<br />

Ausbildungspakt wurde intensiv vorangetrieben.<br />

Im Kern ging es dabei darum, deutlich zu<br />

machen, dass Bildung die zentrale Investition in<br />

unsere Zukunft ist. Von der Rendite dieser Investition<br />

profitieren alle – die Menschen, die Wirtschaft<br />

und das Land als Ganzes. Deutschland braucht<br />

daher – so die Botschaft – eine Bildungsoffensive,<br />

die die Qualität von Bildung in allen Bereichen verbessert.<br />

Deutscher Arbeitgebertag <strong>2008</strong><br />

im Zeichen der Bankenkrise<br />

Mit hochrangigen Gästen aus Wirtschaft und Politik<br />

war der Deutsche Arbeitgebertag <strong>2008</strong> erneut<br />

ein besonderes Medienereignis in der Hauptstadt.<br />

Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt nahm in<br />

seiner Rede deutlich Stellung zur Banken- und<br />

Finanzmarktkrise. Er begrüßte das Maßnahmenpaket<br />

der Bundesregierung als einen wichtigen<br />

Beitrag, um die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten<br />

entschlossen zu beenden.<br />

Allerdings ließ Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter<br />

Hundt auch keinen Zweifel daran, dass die aktuelle<br />

Finanzmarktkrise keine Rechtfertigung für Ausgabenprogramme<br />

und erst recht keine Ermächtigung<br />

für beliebiges Schuldenmachen ist. Um eine derartige<br />

Krise in Zukunft zu verhindern, forderte er eine<br />

wirkungsvollere Aufsicht des Finanzsektors.<br />

Fazit – sachlich und seriös<br />

Wie in den Jahren zuvor auch, hat sich die Pressearbeit<br />

der BDA an einer sachlich fundierten Kritik<br />

mit konkreten Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen<br />

orientiert. Die BDA wird bei Journalisten<br />

als seriöser Ansprechpartner geschätzt. Dies belegen<br />

nicht zuletzt auch die zahlreichen Anfragen,<br />

die breite Resonanz bei Hintergrundgesprächen,<br />

bei denen den Journalisten aktuelle, zuverlässige<br />

und seriöse Informationen sowie die Positionen<br />

der Arbeitgeber vermittelt werden. Auch im Jahr<br />

<strong>2008</strong> war die BDA mit ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

eine zentrale Stimme im politischen<br />

Konzert.<br />

BDA mit neuem Internetauftritt<br />

Pünktlich zum Deutschen Arbeitgebertag <strong>2008</strong><br />

startete die BDA am 4. November ihren neuen Internetauftritt.<br />

Unter www.arbeitgeber.de bietet die<br />

BDA nun noch mehr Informationen, noch mehr Service<br />

sowie eine deutlich verbesserte Funktionalität.<br />

Bereits auf der Startseite findet der Nutzer durch<br />

eine klare und auch farbliche Gliederung den Einstieg<br />

in die vielfältigen Themengebiete der BDA.<br />

Die zahlreichen Fachbeiträge orientieren sich dabei<br />

an einer ganz einfachen Philosophie: Aktuell<br />

und politisch, prägnant und verlässlich werden die<br />

Positionen der deutschen Arbeitgeber dargestellt.<br />

Darüber hinaus gibt es zahllose Zusatzinformationen<br />

und Verlinkungen zu weiterführenden Webseiten.<br />

Erstmals hat der Nutzer die Möglichkeit, Videos<br />

zu aktuellen Themen anzuschauen. Diese Funktionalität<br />

wird auch zukünftig weiter ausgebaut, so<br />

dass nach und nach ein Archiv an interessanten<br />

Filmbeiträgen entsteht.<br />

Bewährtes bleibt selbstverständlich bestehen: So<br />

wird dem Nutzer auch in Zukunft ein schneller Zugriff<br />

auf die Info-Angebote kompakt und argumente<br />

ermöglicht. Kurzum: Mit dem neuen Auftritt ist ein<br />

Informationsangebot entstanden, das sowohl den<br />

Anforderungen der Allgemeinheit gerecht wird als<br />

auch auf die Bedürfnisse der Experten zugeschnitten<br />

ist.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 169


BDA-Mitgliedsverbände<br />

56 Bundesfachverbände<br />

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Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie<br />

Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)<br />

Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland<br />

Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V.<br />

Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe –<br />

Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP)<br />

Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V.<br />

Arbeitgeberverband Postdienste e. V.<br />

Arbeitgeberverband Stahl e. V.<br />

Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V. (ANG)<br />

Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V.<br />

Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder<br />

BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V.<br />

BdKEP Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V.<br />

Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V.<br />

Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V.<br />

Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ)<br />

Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e. V.<br />

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.<br />

Bundesverband Druck und Medien e. V.<br />

Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.<br />

Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA)<br />

Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V.<br />

Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.<br />

Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester<br />

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA)<br />

DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen<br />

GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V.<br />

Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V.<br />

Gesamtverband der Deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund –<br />

Gesamtverband Steinkohle (GVSt)<br />

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.<br />

Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.<br />

Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.<br />

Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss –<br />

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden<br />

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel)<br />

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV)<br />

Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH)<br />

USB Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen + Bildung e. V.<br />

Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V.<br />

Verband Deutscher Reeder e. V.<br />

Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)<br />

Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e. V. (VdDD)<br />

Verein der Zuckerindustrie<br />

Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V.<br />

Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU)<br />

Vereinigung Rohstoffe und Bergbau<br />

VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V.<br />

WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V.<br />

Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.<br />

ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e. V.<br />

174 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Organisation


14 Landesvereinigungen<br />

UV Nord-Vereinigung<br />

der Unternehmensverbände<br />

in Hamburg<br />

und Schleswig-Holstein<br />

e. V. Vereinigung der<br />

Unternehmensverbände für<br />

Mecklenburg-Vorpommern e. V.<br />

Unternehmerverbände<br />

Niedersachsen e. V.<br />

Die Unternehmensverbände<br />

im Lande Bremen e. V.<br />

Landesvereinigung der<br />

Arbeitgeberverbände<br />

Nordrhein-Westfalen e. V.<br />

Vereinigung der<br />

Unternehmensverbände<br />

in Berlin und Brandenburg e. V.<br />

Arbeitgeber- und<br />

Wirtschaftsverbände<br />

Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Vereinigung der Sächsischen<br />

Wirtschaft e. V. (VSW)<br />

Vereinigung der<br />

hessischen<br />

Unternehmerverbände<br />

e. V.<br />

Verband der Wirtschaft<br />

Thüringens e. V. (VWT)<br />

Landesvereinigung<br />

Unternehmerverbände<br />

Rheinland-Pfalz (LVU)<br />

Vereinigung der<br />

Saarländischen<br />

Unternehmensverbände<br />

e. V.<br />

Vereinigung der<br />

Bayerischen Wirtschaft e. V.<br />

Landesvereinigung<br />

Baden-Württembergischer<br />

Arbeitgeberverbände e. V.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Organisation 175


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BDA-Präsidium<br />

Präsident<br />

Dr. Dieter Hundt<br />

Ehrenpräsident<br />

Prof. Dr. Klaus Murmann<br />

Vizepräsidenten<br />

Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />

Dr. Gerhard F. Braun<br />

Günther Fleig<br />

Martin Kannegiesser<br />

Otto Kentzler<br />

Dr. Walter Koch (Schatzmeister)<br />

Randolf Rodenstock<br />

Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />

Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />

Dr. Frank Appel<br />

Peter Barz<br />

Ernst Baumann<br />

Anton F. Börner<br />

Walter Botschatzki<br />

Hans-Dieter Bremer<br />

Wolfgang Brinkmann<br />

Dr. Eckhard Cordes<br />

Dr. Jürgen Deilmann<br />

Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann<br />

Goetz von Engelbrechten<br />

Bodo Finger<br />

Ulrich Grillo<br />

Helmut Heinen<br />

Klaus Hering<br />

Ingrid Hofmann<br />

Burkhard Ischler<br />

Dr. Eckart John von Freyend<br />

Arndt G. Kirchhoff<br />

Helmut F. Koch<br />

Ingo Kramer<br />

Heinz Laber<br />

Stefan H. Lauer<br />

Horst-Werner Maier-Hunke<br />

Hartmut Mehdorn<br />

Prof. Dr. Helmut Merkel<br />

René Obermann<br />

Dr. Arend Oetker<br />

Dr. Wolfgang Pütz<br />

Dr. Jan Stefan Roell<br />

Dr. Siegfried Russwurm<br />

Josef Sanktjohanser<br />

Ulrich Schumacher<br />

Gerd Sonnleitner<br />

Dr. Theo Spettmann<br />

Bernd Tönjes<br />

Prof. Dieter Weidemann<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Dr. Fritz-Heinz Himmelreich<br />

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BDA-Vorstand<br />

Neben den gewählten<br />

Mitgliedern des Präsidiums<br />

gehören folgende Damen<br />

und Herren dem Vorstand an:<br />

Prof. Thomas Bauer<br />

Michael Behrendt<br />

Dr. Rolf Bender<br />

Roland Brohm<br />

Ulrich Alfred Büchner<br />

Prof. Dr. Hubert Burda<br />

Dr. Hans Ulrich Dorau<br />

Dr. Rainer V. Dulger<br />

Frank Dupré<br />

Volker Enkerts<br />

Ernst Fischer<br />

Hartmut Geldmacher<br />

Peter Gerber<br />

Florian Gerster<br />

Wolfgang Goebel<br />

Rainer Göhner<br />

Klemens Gutmann<br />

Jörg Hagmaier<br />

Siegfried Hanke<br />

Matthias Hartung<br />

Dr. Gernot Kalkoffen<br />

Dr. Uwe Kasimier<br />

Franz Bernd Köster<br />

Thomas Kretschmann<br />

Peter Kurth<br />

Lothar Lampe<br />

Rainer J. Marschaus<br />

Dr. Uwe Mehrtens<br />

Reinhard Müller-Gei<br />

Rudolf Pfeiffer<br />

Eberhard Potempa<br />

Hanns-Jürgen Redeker<br />

Ralph Rieker<br />

Prof. Dr. Markus Rückert<br />

Manfred Rycken<br />

Jürgen Schitthelm<br />

Dirk Schlüter<br />

Hans-Jörg Schuster<br />

Birgit Schwarze<br />

Johannes Schwörer<br />

Norbert Steiner<br />

Margret Suckale<br />

Dr. Sven Vogt<br />

Georg Weisweiler<br />

Dietmar Welslau<br />

Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia<br />

Wolfgang Zahn<br />

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Gemeinsames Präsidium<br />

von BDA und BDI<br />

Alternierende Vorsitzende<br />

Dr. Dieter Hundt<br />

Jürgen R. Thumann<br />

Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />

Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />

Dr. Gerhard F. Braun<br />

Dr. Dieter Brucklacher<br />

Günther Fleig<br />

Martin Kannegiesser<br />

Prof. Dr. Hans-Peter Keitel<br />

Otto Kentzler<br />

Dr. Walter Koch<br />

Prof. Dr. Ulrich Lehner<br />

Friedhelm Loh<br />

Dr. Arend Oetker<br />

Randolf Rodenstock<br />

Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer<br />

Prof. Dr. Ekkehard Schulz<br />

Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />

Matthias Wissmann<br />

176 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Organisation


In memoriam<br />

Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

in langjähriger Mitarbeit verbunden und<br />

hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer<br />

Sozialpolitik.<br />

Wir gedenken ihrer.<br />

Dr. oec. Wolfram Thiele<br />

Ehem. Vizepräsident und Vorstandsmitglied der<br />

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

17. Februar <strong>2008</strong><br />

Dr. Ernst August Wrede<br />

Ehem. Mitglied des Präsidiums und des Vorstandes der<br />

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

25. Februar <strong>2008</strong><br />

Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Manfred Lennings<br />

Ehem. Mitglied des Präsidiums und des Vorstandes der<br />

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

1. März <strong>2008</strong><br />

Uwe Uphaus<br />

Ehem. Geschäftsführer der Vereinigung der<br />

Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie<br />

Westfalens e. V.<br />

28. Oktober <strong>2008</strong><br />

178 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | In memoriam


Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

Haus der Deutschen Wirtschaft<br />

Breite Straße 29<br />

10178 Berlin<br />

Briefadresse:<br />

11054 Berlin<br />

bda@arbeitgeber.de<br />

www.arbeitgeber.de<br />

T +49 30 2033-1070<br />

F +49 30 2033-1075<br />

Stand: 15. Dezember <strong>2008</strong><br />

Fotografie:<br />

Christian Kruppa | www.christiankruppa.de<br />

Thomas Köhler | www.photothek.net<br />

adisa, Aeolos, olly, moonrun, Petr Nad,<br />

RRF, Marcel Mooij, U.P.images, Phoenixpix,<br />

Nikada | www.istockphoto.com<br />

svlumagraphica | www.fotolia.de<br />

misterQM, micjan | www.photocase.de<br />

Konzeption und Gestaltung:<br />

CB.e Clausecker | Bingel. Ereignisse AG<br />

Agentur für Kommunikation


Präsident<br />

Dr. Dieter Hundt<br />

Sekretariat<br />

Ulrike Kümpel-Moderau<br />

T -1004<br />

F -1005<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Alexander Gunkel **<br />

Sekretariat<br />

Anne-Katrin Biereigel *<br />

T -1008<br />

F -1015<br />

hgf.mail@arbeitgeber.de<br />

Sekretariat<br />

Ulrike Kümpel-Moderau<br />

Marina Reikowski<br />

T -1007/1006<br />

F -1005<br />

hgf.mail@arbeitgeber.de<br />

Verwaltung und<br />

Verbandsorganisation<br />

Soziale Sicherung<br />

Volkswirtschaft,<br />

Finanzen, Steuern,<br />

Walter-Raymond-<br />

Stiftung<br />

Arbeitsrecht<br />

Lohn- und<br />

Tarifpolitik<br />

Ulrich Hüttenbach **<br />

Martin Pulm<br />

Finanzen<br />

Martin Pulm<br />

Gudrun Häntsch<br />

Sirpa Ohm<br />

Viola Rieche<br />

finanzen.mail@arbeitgeber.de<br />

Informations- und<br />

Kommunikationstechnik<br />

Martin Brüning<br />

Thomas Hyrbaczek<br />

Christian Seipp<br />

Hans-Jürgen Tunze<br />

ink.mail.@arbeitgeber.de<br />

Dr. Volker Hansen<br />

Gert Nachtigal<br />

Stefan Haussmann<br />

Dr. Martin Kröger<br />

Susanne Lexa<br />

Saskia Osing *<br />

Florian Swyter<br />

Ottheinrich<br />

Freiherr von Weitershausen *<br />

Dr. Oliver Perschau<br />

Alexander Haase<br />

Dr. Hans-Jürgen Völz<br />

Sekretariat<br />

Cornelia Hentschel<br />

T -1950<br />

F -1955<br />

abt_11@arbeitgeber.de<br />

Roland Wolf<br />

Thomas Prinz *<br />

Manja Barth<br />

Nora Braun<br />

Kerstin Plack<br />

Karsten Scherret<br />

Rainer Huke *<br />

Denis Henkel<br />

Paul Noll<br />

Natalia Stolz<br />

Personal<br />

Astrid Zippel<br />

Katrin Anton<br />

personal.mail@arbeitgeber.de<br />

Arbeitswissenschaft<br />

Norbert Breutmann<br />

Institut für Sozial- und<br />

Wirtschaftspolitische<br />

Ausbildung<br />

Redaktion SAE<br />

Barbara Braun<br />

Tarifarchiv<br />

Freimut Wolny<br />

Astrid Bohn<br />

Verwaltung<br />

Sven Kochanowski<br />

verwaltung.mail@arbeitgeber.de<br />

Ottheinrich<br />

Freiherr von Weitershausen<br />

Adressverwaltung<br />

Thomas Bieche<br />

Manuel Schiller<br />

Organisation<br />

Kornelia Wendt<br />

Bibliothek<br />

Anke Beyer-Stamm<br />

Service<br />

Frank Halup<br />

Astrid Leu<br />

Sekretariat<br />

Janet Wiecker<br />

Stephanie Schmidt<br />

T -1100<br />

F -1105<br />

Sekretariat<br />

Ingrid Schramm<br />

Heike Bozan<br />

Carola Wünsche<br />

T -1600<br />

F -1605<br />

Sekretariat<br />

Ellen Dumschat<br />

T -1954<br />

F -1955<br />

Sekretariat<br />

Simone Scharf<br />

Manuela Hahn<br />

T -1200<br />

F -1205<br />

Sekretariat<br />

Marina Fahrentholtz<br />

Sabrina Paul<br />

T -1300<br />

F -1305<br />

abt_01@arbeitgeber.de<br />

abt_06@arbeitgeber.de<br />

info@iswa-online.de<br />

abt_02@arbeitgeber.de<br />

abt_03@arbeitgeber.de


T +49 30 2033-0<br />

F +49 30 2033-1055<br />

bda@arbeitgeber.de<br />

www.arbeitgeber.de<br />

Stand: 1. Januar 2009<br />

** Qualitätsmanagementkoordinator<br />

* Qualitätsmanagementbeaufragte<br />

Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />

Peter Clever<br />

Sekretariat<br />

Anja Hoffmann<br />

T -1009<br />

F -1015<br />

hgf.mail@arbeitgeber.de<br />

Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Planung,<br />

Koordination,<br />

Grundsatzfragen<br />

Arbeitsmarkt<br />

Bildung /<br />

Berufliche Bildung<br />

Europäische Union<br />

und Internationale<br />

Sozialpolitik<br />

Dr. Uwe Mazura *<br />

Jörg Swane<br />

Karoline Lerche<br />

Dr. Viktor Otto<br />

Dr. Heinz Schmitz<br />

Andreas Timm<br />

Christina Uhl **<br />

Kristian Schalter<br />

Tabea Kölbel<br />

Dr. Jürgen Wuttke<br />

Alexander Wilhelm<br />

Erwin Blasum<br />

Benjamin Koller<br />

Torsten Petrak<br />

Dr. Anna Robra<br />

Dr. Barbara Dorn<br />

Dr. Donate Kluxen-Pyta<br />

Tanja Nackmayr<br />

Henning Dettleff<br />

Yvonne Kohlmann<br />

Susanne Müller *<br />

Dr. Irene Seling<br />

Renate Hornung-Draus<br />

Antje Gerstein *<br />

Alexandra-F. Prinzessin zu<br />

Schoenaich-Carolath<br />

Angela Schneider-Bodien<br />

Stefan Sträßer<br />

Matthias Thorns<br />

Sekretariat<br />

Susan Peronne<br />

Marion Blumauer<br />

T -1400<br />

F -1405<br />

abt_04@arbeitgeber.de<br />

Sekretariat<br />

Bianca Voyé *<br />

Marion Hirte<br />

Janine Spolaczyk<br />

T -1900<br />

F -1905<br />

abt_09@arbeitgeber.de<br />

Leiter der<br />

Pressestelle<br />

Dr. Heinz Schmitz<br />

Büro des<br />

Präsidenten<br />

und des Hauptgeschäftführers<br />

Kristian Schalter<br />

Eva Strube<br />

Betriebliche<br />

Personalpolitik<br />

Dr. Alexander Böhne *<br />

Jana Schimke<br />

BDI / BDA<br />

The German Business<br />

Representation<br />

Alexandra-F. Prinzessin zu<br />

Schoenaich-Carolath<br />

Stellv. Geschäftsführerin<br />

Leiterin Sozialpolitik<br />

Brigitte de Vita<br />

Sekretariat<br />

Claudia Jungkowski<br />

Michaela Grebasch<br />

Stephanie Merkel<br />

T -1800<br />

F -1805<br />

Sekretariat<br />

Una Ellenrieder<br />

Kristin Holzendorf<br />

T -1020<br />

F -1025<br />

Sekretariat<br />

Doreen Mertens<br />

T -1410<br />

F -1405<br />

Sekretariat<br />

Katja Rasch<br />

Allmuth Rudolf<br />

Sevim Ünal<br />

T -1500<br />

F -1505<br />

Sekretariat<br />

Astrid Schwarz<br />

T 0032-2-79 21 050<br />

F 0032-2-79 21 055<br />

abt_08@arbeitgeber.de<br />

abt_10@arbeitgeber.de<br />

abt_04@arbeitgeber.de<br />

abt_05@arbeitgeber.de<br />

bruessel@arbeitgeber.de


www.arbeitgeber.de

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