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MANAGEMENT<br />

Ein menschliches Frühwarnsystem<br />

Glücklicherweise gibt es einige relativ einfache Anzeichen, die<br />

als Warnung verstanden werden dürfen und müssen. Dass man<br />

allerdings bei sich selbst Zeichen bemerken oder gar interpre -<br />

tieren könnte, ist unwahrscheinlich. Um trotzdem rechtzeitig auf<br />

eine Veränderung reagieren zu können, empfehlen Arbeits psy -<br />

cho logen, ein »menschliches Frühwarnsystem«. Das können<br />

z. B. Kollegen, Familie, Freunde oder der Partner sein, der die<br />

Symptome kennt und der genug Einfluss hat, mit dem Ausbrennenden<br />

die unangenehme Konsequenz, nämlich kürzerzu -<br />

treten, Aufgaben zu delegieren, durch zusetzen.<br />

Durch die Annahme, dass Burnout phasenweise verläuft, ergibt<br />

sich der Umstand, dass auch die Symptome in ihrer Intensität<br />

einer Steigerung unterliegen.<br />

Die ersten Symptome sind bekannt<br />

Meistens zählen dazu Ermüdung und Erschöpfung, nicht<br />

nur nach der Arbeit, sondern chronisch. Wer beim Ge -<br />

danken an die Arbeit schlechte Laune oder Erschöpfungsgefühle<br />

bemerkt, sollte dies beobachten. »Schlechte Laune«<br />

bedeutet nicht, keine Lust zu haben, zur Arbeit zu gehen,<br />

den wenigsten Menschen ist es vergönnt, eine Arbeit zu<br />

haben, auf die man sich auch noch nach Jahrzehnten aktiv<br />

freut, Gefühle wie Widerstand, Wut oder sogar Angst<br />

beim Gedanken an die Arbeit sind jedoch Warn zeichen.<br />

Auch an dieser Stelle sei wieder auf die persönliche Be -<br />

find lichkeit und Belastbarkeit hingewiesen. Eine exakte<br />

Intensität in den Abstufungen des Unmuts gegenüber der<br />

Arbeit zu nennen, ist aufgrund der großen Variation, die<br />

über Persönlichkeitsmerkmale, Ausbildungsstufen und<br />

z. B. kulturelle Hintergründe stattfindet, nicht möglich.<br />

4<br />

Dadurch, dass Arbeit als<br />

im mer anstrengender empfunden<br />

wird, steigt das Be -<br />

dürfnis nach Anerkennung.<br />

Für eine Arbeit, die dem<br />

Aus brennenden zu neh -<br />

mend schwerfällt, möch te<br />

er entsprechend belohnt<br />

werden. Es kann also sein,<br />

dass öfter der Gedanke auf -<br />

kommt, das Gehalt wäre<br />

unzureichend, die eigene<br />

Firma würde sich finanziell<br />

nicht lohnen oder die Kunden,<br />

Mitarbeiter, Chefs wä -<br />

ren undankbarer ge wor den.<br />

In diesem Zusammenhang werden häufig positive Erlebnisse<br />

schlechter erinnert.<br />

Aus dem gleichen Grund ergibt sich auch die Tatsache, dass<br />

sich oft das Bedürfnis nach Ruhe, nach Komfort und Frei -<br />

zeit hebt. Unternehmungen nach der Arbeit werden also<br />

häufig abgesagt, weil man »wenigstens zu Hause« seine<br />

Ruhe haben will und das subjektive Empfinden der »Ur -<br />

laubs reife« wächst.<br />

Meistens fühlen sich Menschen im Burnoutprozess zuneh -<br />

mend machtlos, gegenüber einer Hierarchie, in der sie viel -<br />

leicht arbeiten, gegenüber dem Überfluss oder dem Ausbleiben<br />

von Aufträgen, gegenüber Mitarbeitern oder An -<br />

ge stellten, der Bürokratie, die unüberschaubar zu werden<br />

scheint, und leider auch gegenüber Bedürfnissen der Fa -<br />

mi lie und dem Freundes- und Bekanntenkreis.<br />

Verständlicherweise resultiert daraus Spannung, die sich<br />

oft in gesteigerter Reizbarkeit aber auch Verletzbarkeit<br />

äußert.<br />

Diese Symptome der ersten Phasen führen Resignation herbei,<br />

die Betroffenen reagieren im nächsten Schritt mit Rückzug. Sie<br />

vermeiden alles, was mit der Arbeit zu tun hat, konkret können<br />

das beispielsweise Kollegen sein, Gespräche, Fortbildungen,<br />

insgesamt kognitive Beschäftigung mit dem Beruf.<br />

Viele Studien belegen, dass an dieser Stelle unmissverständlich<br />

Abschied von den vorher erwähnten hohen Erwartungen ge nommen<br />

werden muss. Diese Desillusionierung erfordert Trauer -<br />

arbeit! Für sie werden kognitive Ressourcen verbraucht, es<br />

kommt zu einer Verflachung des gesamten Verhaltens, auch im<br />

privaten Bereich. Gleichgültigkeit und Apathie sind Symptome<br />

für das Fortschreiten des Burnoutsyndroms und Zynismus, der<br />

im Rückblick auf den anfänglichen Ehrgeiz entsteht.<br />

Um sich kognitiv zu entlasten, wird auf Stereotype und routi -<br />

niertes Verhalten zurückgegriffen. Eingefahrenes Verhalten tilgt<br />

Innovation, Kreativität und Ehrgeiz, durch Mechanisierung ent -<br />

stehen Fehler, auf die Kollegen und/oder Vorgesetzte aufmerksam<br />

werden.<br />

Wird auf Fehler hingewiesen oder bemerkt man sie selbst, steigt<br />

der subjektiv empfundene Druck noch mehr. Gefühle der Insuf<br />

fizienz, Schuld, Verzweiflung sind die Folge, sie führen direkt<br />

zu starken Gefühlen der Angst.<br />

Als Spitze des Burnoutprozesses setzen spätestens jetzt psycho -<br />

somatische Symptome ein, die von Appetitlosigkeit über Überernährung<br />

und Migräne bis zu Übelkeit und Magen ge schwüren<br />

reichen.<br />

Häufig hat sich auch bereits im Vorfeld der Konsum an Genussmitteln,<br />

wie Kaffee, Zigaretten oder Alkohol, stark erhöht, ein<br />

Resultat des enormen Drucks, unter dem Menschen im Burnout<br />

stehen.<br />

Private Kontakte brechen ab, weil Apathie und stereotypes Verhalten<br />

sowie Reizbarkeit überhandnehmen. Verzweiflung und<br />

Schlaflosigkeit bestärken sich gegenseitig, wodurch die An -<br />

spannung sich weiter steigert, bis es zum Nervenzusammenbruch<br />

kommt. Ein solcher hat im besten Fall eine therapeu ti -<br />

sche Intervention zur Folge, eine natürliche Genesung ohne<br />

Maßnahmen gibt es nicht.<br />

Je nachdem, wie weit der Prozess des »Ausbrennens« fortge schrit -<br />

ten ist, kann auch nach einer sehr langen »Auszeit« nur noch mit<br />

Therapie interveniert werden oder die Symptome kehren immer<br />

wieder. In seltenen Fällen besteht sogar Suizidgefahr.<br />

»Nein« ist ein wichtiges Wort<br />

In den Anfangsstadien ist eine Intervention noch mit ver gleichs -<br />

weise kleinem Aufwand verbunden. Es muss gelernt werden,<br />

sich abzugrenzen. Das bedeutet auch, dass Aufgaben an Menschen<br />

delegiert werden müssen, die sie schlechter ausfüh ren<br />

als man selbst, oder dass man jemanden enttäuschen muss.<br />

»Nein« ist ein wichtiges Wort! Perfektionismus und das Verlangen<br />

nach Kontrolle müssen zwangsläufig ignoriert werden.<br />

Es ist außerdem sinnvoll, einen Ausgleich zu schaffen, der einen<br />

Bereich abtrennt, in dem man ganz für sich und mit sich alleine<br />

ist. Bestenfalls hat dieser Bereich nichts mit der Arbeit zu tun,<br />

sondern bildet im Gegenteil das Gegengewicht zu ihr. Beispiele<br />

hierfür sind das Eintreten in einen Sportverein, Hobbys, ehren -<br />

amtliche Tätigkeiten.<br />

MANAGEMENT<br />

Auch hier bestehen interindividuelle Differenzen: Abhängig vom<br />

Persönlichkeitstyp sind unterschiedliche Stimulationsintensitäten<br />

ent spannend. Konkret bedeutet das, dass für den einen<br />

die klassi sche Entspannungsmethode mit einem guten Buch in<br />

der Hän ge matte funktioniert, der andere sich aber erst bei ei -<br />

ner Beschäftigung ent spannen kann, die ihn genügend anregt,<br />

wie z. B. Joggen oder Kochen.<br />

Regelmäßiger Urlaub ist besonders dann wirksam, wenn er nicht<br />

für eine längere Zeit angespart wird, sondern es über das Jahr<br />

verteilt kürzere Urlaubszeiten gibt. Das liefert immer wieder<br />

Lichtblicke im Alltag. Unbedingt aber sollte der Urlaub, der zur<br />

Verfügung steht, genutzt werden, nicht erst als Intervention,<br />

sondern schon als Prävention.<br />

In weiter fortgeschrittenen Phasen des Prozesses Burnout kann<br />

nur noch mittels einer Therapie geholfen werden. Ziel der Thera -<br />

pie ist es, Leidenszustände zu lindern und Kompetenzen zu vermitteln,<br />

um künftig selbst rechtzeitig intervenieren zu können.<br />

Die Therapieformen sind sehr vielfältig. Man will damit sicher -<br />

gehen, dass für jedes Individuum der geeignete Weg dabei ist.<br />

Therapie bedeutet also schon lange nicht mehr aus schließlich<br />

die sprichwörtliche Couch – also die Gesprächstherapie. Es gibt<br />

z. B. Gruppensitzungen, Gestalt- und Körpertherapie formen mit<br />

natürlich völlig unterschiedlichen Therapeuten.<br />

Das Burnoutsyndrom gilt als sich chronifizierende Erkrankung.<br />

Trotz dem muss in der heutigen rechtlichen und psychosozialen<br />

Versor gungssituation und in Anbetracht der vielfältigen Informations-<br />

und Fortbildungsangebote zum Thema niemand mehr<br />

daran scheitern.<br />

Sich über das Burnoutsyndrom sach kun dig zu machen befähigt<br />

schnell und im Verhältnis kostengünstig zur Hilfe und<br />

zur Selbsthilfe.<br />

Amelie Festag<br />

Rueppgasse 27 | 1020 Wien, Österreich<br />

E-Mail amelie.festag@gmx.de<br />

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