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RECHT RECHT<br />

Die Streitverkündung –<br />

RÜDIGER HOLTHAUSEN | KÖLN<br />

das unbekannte Wesen<br />

Insbesondere für Baubeteiligte – aber auch darüber hinaus – ist die Streitverkündung ein probates<br />

Mittel, um häufig unübersichtlichen Haftungsverhältnissen im Rahmen eines Rechts -<br />

streits Rechnung zu tragen. Sie existiert allein im Zivilprozessrecht; der Verwaltungsprozess kennt<br />

keine Streitverkündung, dort erfüllt die Beiladung teilweise die Funktion der Streitverkündung.<br />

Streitverkündung bedeutet, dass eine Partei einem anderen, der bisher am Rechtsstreit nicht be tei -<br />

ligt ist, förmlich von diesem schwebenden Prozess benachrichtigt. Zweck der Streitverkündung ist:<br />

dem Dritten Gelegenheit zu geben, den Streitverkünder im Prozess gegen<br />

dessen Prozessgegner zu unterstützen<br />

eine spätere Rechtsverfolgung des Streitverkünders gegenüber dem Dritten vorzubereiten<br />

sich für den Fall dieser späteren Rechtsverfolgung des Streitverkünders gegen<br />

den Dritten gegen dessen etwaigen Einwand zu schützen, der Streitverkünder<br />

habe den Erstprozess mangelhaft geführt<br />

die Verjährungsfrist zu hemmen (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB)<br />

4<br />

Typische Konstellationen einer Streitverkündung sind etwa<br />

folgende Sachverhalte:<br />

(Nachfolgend: Fall A) Der Vermessungsingenieur erstellt<br />

einen (nichtamtlichen) Lageplan auf die Aufforderung<br />

des Architekten hin. Seine Leistung rechnet der Ingenieur<br />

ge gen über dem Bauherrn ab.<br />

Im Prozess bestreitet der Bau herr, dem Ingenieur einen Auftrag<br />

erteilt zu haben. Auf den Einwand des Ingenieurs, der<br />

Architekt habe ihn im Namen und auf Rechnung des Bau -<br />

herrn beauftragt, er klärt der Bauherr, der Architekt sei dazu<br />

gar nicht be voll mächtigt gewesen.<br />

(Nachfolgend: Fall B) Dem Vermessungsingenieur unterläuft<br />

bei der Gebäudeabsteckung ein Fehler, so dass<br />

die Baugrube zu tief ausgeschachtet wird. Den Fehler des<br />

Ingenieurs hätte der Bauunternehmer bemerken müssen.<br />

Gegenüber dem Bauherrn haften für den Fehler der Vermessungsingenieur<br />

und der Bauunternehmer als Gesamt -<br />

schuldner. Der Bauherr verklagt jedoch allein den Vermessungsingenieur<br />

und nimmt ihn in vollem Umfang auf<br />

Schadensersatz in Anspruch.<br />

Im Fall A stellt sich für den Vermessungsingenieur als Auftragnehmer<br />

das Problem, dass er die Vollmacht des Architekten<br />

zu seiner, des Ingenieurs, Beauftragung nachweisen muss.<br />

Gelingt ihm das nicht und unterliegt er deshalb in dem Rechts -<br />

streit gegen den Bauherrn, kommt eine Haftung des Archi -<br />

tekten als so genannter Vertreter ohne Vertretungsmacht (vgl.<br />

§ 179 BGB) in Betracht.<br />

Im Fall B hat der Vermessungsingenieur für den Fall seiner allei -<br />

ni gen Inanspruchnahme durch den Bauherrn einen internen<br />

Ausgleichsanspruch gegen den Bauunternehmer; grundsätz -<br />

lich haf ten Gesamtschuldner untereinander zu gleichen Teilen<br />

(§ 426 BGB).<br />

Im Fall A wird also der Ingenieur in seinem Honorarprozess<br />

gegen den Bauherrn dem Architekten und im Fall B in dem<br />

Haf tungsprozess des Bauherrn gegen ihn dem Bauunter neh -<br />

mer den Streit verkünden. Damit bewirkt er praktisch,<br />

dass im Fall A und unter der Voraussetzung, dass er den<br />

Honorarprozess gegen den Bauherrn deshalb verliert, weil<br />

der Architekt keine Vollmacht zur Beauftragung des Ingenieurs<br />

hatte, der Architekt im Folgeprozess gegen ihn<br />

selbst nicht behaupten kann, er sei sehr wohl durch den<br />

Bau herrn bevollmächtigt gewesen und der Ingenieur<br />

hätte den Vorprozess gegen den Bauherrn gewinnen können,<br />

wenn er ihn nur richtig geführt hätte.<br />

im Fall B und unter der Voraussetzung, dass der Ingenieur<br />

im Rechtsstreit des Bauherrn gegen ihn in vollem<br />

Umfange unterliegt, der Bauunternehmer im Folgepro -<br />

zess des Ingenieurs gegen ihn nicht behaupten kann, dass<br />

der Vermessungsingenieur bei richtiger Prozessführung<br />

eine Haftung hätte abwenden können.<br />

In beiden Fällen sind also die Streitverkündeten (Archi tekt/Bau -<br />

unternehmer) an das Ergebnis des Erstprozesses gebunden (so<br />

genannte Interventionswirkung, § 68 Zivilprozessord nung –<br />

ZPO).<br />

Die Streitverkündung erfolgt formal in der Weise, dass im<br />

Erstprozess – also im Fall A im Prozess des Ingenieurs gegen<br />

den Bauherrn und im Fall B im Prozess des Bauherrn gegen<br />

den Ingenieur – der Ingenieur einen formlosen Schriftsatz<br />

(hierfür besteht auch kein Anwaltszwang) bei Gericht mit der<br />

Benennung des Streitverkündeten und des Grundes der Streit -<br />

ver kündung einreicht.<br />

Beim Amtsgericht kann die Streitverkündung auch durch Er -<br />

klärung zu Protokoll des Urkundsbeamten erfolgen.<br />

Die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Dritten hat<br />

das Gericht von Amts wegen vorzunehmen; über den Zeitpunkt<br />

der Zustellung an den Streitverkündeten hat das Ge richt auf<br />

Antrag eine Bescheinigung zu erstellen, § 169 Abs. 1 ZPO.<br />

Der Streitverkündete ist frei in seiner Entscheidung darin,<br />

ob er sich an dem Rechtsstreit beteiligen will. Allerdings<br />

treten die oben beschriebenen Wirkungen der Streitverkündung<br />

ganz unabhängig davon ein, ob der Dritte dem Rechts -<br />

streit zur Unterstützung des Streitverkünders beitritt.<br />

Geschieht das, tritt der Streitverkündete also dem Rechts streit<br />

bei, wird er zum so genannten Streithelfer. Erfolgt der Bei -<br />

tritt,<br />

wird der Streithelfer nicht zur Prozesspartei, er kann also<br />

nach wie vor z. B. Zeuge sein.<br />

hat der Streithelfer aber die Möglichkeit, wie eine Pro zesspartei<br />

schriftsätzlich vorzutragen. Er ist zur münd lichen<br />

Verhandlung zu laden und kann daran teilnehmen. Insbesondere<br />

hat er die Möglichkeit, gegen das Urteil selbst<br />

und unabhängig von einem Rechtsmittel der von ihm unterstützten<br />

Partei Rechtsmittel einzulegen.<br />

darf er aber keine Erklärungen oder Handlungen vor neh -<br />

men, die im Widerspruch zu denen der von ihm unterstützten<br />

Hauptpartei stehen.<br />

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