Programmheft - Münchner Stadtmuseum
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8. UNDERDOX Festival<br />
Surfing the Black Wave –<br />
50 Jahre neuer jugoslawischer Film<br />
Sie wurden zum Ende der mythischen Erzählungen<br />
vom Sozialismus – die Filme der jugoslawischen<br />
Schwarzen Welle verabschiedeten sich vom sozialistischen<br />
Helden, sprengten die Grenzen der Sujets und<br />
der Genres und brachen mit den ideologischen Werten<br />
der sozialistischen Doktrin. In den 1960er und 1970er<br />
Jahren entwickelten Regisseure wie Alexander Petrović,<br />
Karpo Godina oder Krsto Papić ein sozialkritisches,<br />
schwarzhumoriges und von allen Normen befreites<br />
Autorenkino zwischen Dokument und Experiment, das<br />
sich gleichermaßen gegen die Restriktionen des sozialistischen<br />
Staates richtete.<br />
UNDERDOX zeigt eine Auswahl von Filmen der Schwarzen<br />
Welle. Der im Februar verstorbene kroatische Cinéma-Vérité-Filmautor<br />
Krsto Papić war Teil des kroatischen<br />
Frühlings zu Beginn der 1970er Jahre. Seine<br />
Filme beschäftigen sich mit der Öffnung und dem Aufbruch<br />
der sozialistischen Gesellschaft. Sie reisen mit<br />
den Menschen in den Westen – und stranden im<br />
Münchner Hauptbahnhof. Sie bringen einen neuen Lebensstil<br />
in die Heimat zurück. Oder sie dokumentieren<br />
sozialistische Schönheitswettbewerbe und Dorfmusikfeste,<br />
die aus dem ideologischen Ruder laufen.<br />
Der 1943 geborene und später international bekannte<br />
Slowene Karpo Godina sprengte mit seinem experimentellen<br />
Kino formal die Grenzen der Wirklichkeit. In seinem<br />
jetzt erst entdeckten und restaurierten Frühwerk<br />
der 1960er Jahre entwickelte er in seinem Filmclub<br />
Odsev in Ljubljana eine dynamische Filmsprache, die<br />
das Kino selbst in Bewegung setzt: »Die Bilder explodieren<br />
regelrecht vor Bewegung, ständige Bewegung<br />
des Blicks, ständige Bewegung vor dem Blick, ständige<br />
Bewegung in alle bekannten und unbekannten Richtungen.«<br />
(Jurij Meden) Sein zentrales Thema ist das klassische<br />
Genre »boy meets girl«. Jurij Meden von der Slovenska<br />
kinoteka und Karpo Godina werden beim Festival<br />
zu Gast sein.<br />
Die serbische Künstlerin Marta Popivoda, Jahrgang<br />
1982, versammelt in ihrer Found-Footage-Collage YU-<br />
GOSLAVIA, HOW IDEOLOGY MOVED OUR COLLECTIVE<br />
BODY Filmmaterial des öffentlichen Fernsehens und<br />
der Propaganda. Es zeigt Aufnahmen von Menschen in<br />
Jugoslawien zwischen 1945 und 2000, die in kollek -<br />
tiven Choreographien den sozialistischen Staat zu offiziellen<br />
Anlässen feiern und sich in Aufmärschen zur<br />
beeindruckenden Masse formen. Dazu kommen Aufnahmen<br />
der 1968er-Demonstrationen, der nationalistischen<br />
Bewegungen der 1990er Jahre und des Zerfalls<br />
des gesellschaftlichen Kollektivs im Krieg. »Ich stellte<br />
mir die unangenehme Frage, warum die Bürger so<br />
leichthin die Ideen des sozialistischen Kollektivs, der<br />
Brüderlichkeit und Einigkeit aufgegeben haben, sie zunächst<br />
durch Nationalismus und Krieg, dann durch die<br />
Verheißung von Freiheit und Demokratie ersetzten, die<br />
sich als bloßer Individualismus und ›wilder‹ Kapitalimus<br />
erwiesen.« (Marta Popivoda). Auch Marta Popivoda<br />
wird zu Gast sein.<br />
Dunja Bialas<br />
▶ Donnerstag, 10. Oktober 2013, bis Sonntag, 13. Oktober<br />
2013<br />
Das genaue Programm von UNDERDOX mit allen Titeln, Spieldaten<br />
und Spielorten finden Sie ab Mitte September unter<br />
www.underdox-festival.de.<br />
Undexdox<br />
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