LeiKom-Handbuch Prozess - Instrumente zur Entwicklung von - IfG
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Nachhaltige und innovative Produktion<br />
<strong>von</strong> Leichtbau-Komponenten<br />
<strong>LeiKom</strong>-<strong>Handbuch</strong> <strong>Prozess</strong><br />
<strong>Instrumente</strong> <strong>zur</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong><br />
Gießereien zu<br />
nachhaltigen Produzenten<br />
Partner im Projekt <strong>LeiKom</strong>:<br />
Eisenwerk Brühl GmbH, Brühl<br />
H-Faktor GmbH, Dortmund<br />
IG Metall Vorstand–Zweigbüro Düsseldorf<br />
<strong>IfG</strong> Institut für Gießereitechnik gGmbH, vorher Verein Deutscher Giessereifachleute e.V., Düsseldorf<br />
NEMAK Wernigerode GmbH, ehemals Rautenbach Aluminium Technologie GmbH<br />
RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V., Kompetenzzentrum<br />
, Eschborn<br />
Februar 2010
Dieses Verbundvorhaben wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschung für<br />
nachhaltiges Wirtschaften“ gefördert.<br />
Die Projektpartner und alle Beteiligten danken dem BMBF und dem Projektträger<br />
im DLR „Umweltforschung und -technik“ für die große Unterstützung.<br />
2
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 Nachhaltiges Wirtschaften in Gießereien und in anderen Zulieferbetrieben ....................7<br />
1.1 Nachhaltiges Wirtschaften und das Projekt Leikom .................................................7<br />
1.2 Zweck dieses Leikom-<strong>Handbuch</strong>s „<strong>Prozess</strong>“..........................................................10<br />
2 Bedienungsanleitung......................................................................................................16<br />
3 Erfolgsfaktoren ...............................................................................................................17<br />
4 Informationsbeschaffung ................................................................................................19<br />
5 Optimierung der Wertschöpfungskette in Gießereien ....................................................27<br />
6 Planung einer zukunftsorientierten Gießerei ..................................................................43<br />
6.1 Planung einer kompletten Gießerei ............................................................................43<br />
6.2 Planung eines Schmelzbetriebs in einer Metallgießerei.............................................50<br />
6. 3 Planung <strong>von</strong> Maßnahmen <strong>zur</strong> Luftreinhaltung in Gießereien .....................................60<br />
7 Hohe <strong>Prozess</strong>fähigkeit als Voraussetzung für gegossene Leichtbau-Komponenten .....66<br />
7.1 Die Beherrschung <strong>von</strong> Streuungen als wichtigste Aufgabe der Gießereitechnik .......66<br />
7.2 <strong>Prozess</strong>datenanalyse und <strong>Prozess</strong>stabilität ...............................................................70<br />
7.3 Ansätze für weitere <strong>Entwicklung</strong>sarbeiten <strong>zur</strong> <strong>Prozess</strong>stabilität und<br />
Qualitätssicherung..................................................................................................................75<br />
7.4 Kennzeichnung <strong>von</strong> Bauteilen ....................................................................................77<br />
7.5 Gussfehlerdiagnose für höhere <strong>Prozess</strong>fähigkeit.......................................................86<br />
8 Hohe Maßgenauigkeit als Voraussetzung für gegossene Leichtbau-Komponenten......91<br />
8.1 Maßhaltigkeit <strong>von</strong> handgeformten Gussstücken ........................................................91<br />
8.2 Vermeidung <strong>von</strong> Maßabweichungen bei Kernen........................................................93<br />
8.3 Verzug und andere Deformationen <strong>von</strong> plattenförmigen Gussteilen..........................95<br />
8.4 Deformation dünnwandiger Gussteile beim Strahlen .................................................96<br />
9 Gefährdungsanalyse in Gießereien................................................................................99<br />
10 Analyse <strong>von</strong> Unfallursachen und Unfallvermeidung in Gießereien ..........................102<br />
11 Energieeffiziente Gussproduktion.............................................................................108<br />
12 <strong>Prozess</strong>integrierter Umweltschutz ...........................................................................116<br />
13 Instandhaltung in Gießereien ...................................................................................121<br />
14 Literaturverzeichnis ..................................................................................................133<br />
3
Verzeichnis der Abbildungen<br />
Abbildung 1-1: Nachhaltigkeit und Innovation ..........................................................................9<br />
Abbildung 1-2: Ablaufdiagramm zum Nachhaltigen Wirtschaften ..........................................15<br />
Abbildung 4-1: Startseite der Datenbank VDGLIT www.vdglit.com .......................................21<br />
Abbildung 4-2: Suchmaske mit Suchfeldern ..........................................................................22<br />
Abbildung 4-3: Trefferanzeige ................................................................................................23<br />
Abbildung 5-1: <strong>Entwicklung</strong>sstufen des Outsourcing .............................................................32<br />
Abbildung 5-2: Zusammenhang zwischen Perfektionsgrad einer Fertigung und den Kosten<br />
...............................................................................................................................................33<br />
Abbildung 5-3: Kostenverlauf bei Überbelegung und Fremdbezug........................................34<br />
Abbildung 5-4: Zeigt die neu entwickelten Straßentransportbehälter mit der Möglichkeit <strong>zur</strong><br />
Einbringung eines Heizsystems zum Warmhalten der Schmelze – hier die<br />
widerstandsbeheizte Variante. ...............................................................................................35<br />
Abbildung 5-5: Wandel der strategischen Anforderungen in der Instandhaltung ...................42<br />
Abbildung 6-1: Symbolische Darstellung der Gießerei als Komplexmaschine aus drei<br />
Aggregaten.............................................................................................................................54<br />
Abbildung 6-2: Beispiel einer Zielhierarchie für das bestmögliche NE-Schmelzverfahren.....56<br />
Abbildung 6-3: Beispiel einer Matrix für die Nutzwertanalyse <strong>zur</strong> Planung eines NE-<br />
Schmelzbetriebes...................................................................................................................59<br />
Abbildung 7-1: Dateneingabe mit Feldern für verschiedene Arten <strong>von</strong> Formstoff-Kenndaten<br />
...............................................................................................................................................71<br />
Abbildung 7-2: Formstoffgrenzen für die relevanten Formstoffparameter, angegeben sind<br />
obere (OEG) und (UEG) Eingriffsgrenzen, die gießereispezifisch zu definieren sind............72<br />
Abbildung 7-3: Diagramm <strong>zur</strong> Darstellung der Ergebnisse <strong>von</strong> Ausgleichsrechnungen, in die<br />
drei Formstoffkenngrößen eingehen ......................................................................................73<br />
Abbildung 7-4: Maske <strong>zur</strong> Erfassung <strong>von</strong> Angaben <strong>zur</strong> Gussqualität bzw. zu<br />
formstoffbedingten Gussfehlern .............................................................................................74<br />
Abbildung 7-5: Hinterlegtes Expertenwissen zu formstoffbedingten Gussfehlern und ihren<br />
Ursachen................................................................................................................................75<br />
Abbildung 7-6:Schematische Darstellung eines durchgängigen Rückverfolgungskonzepts..78<br />
Abbildung 7-7: Gelaserter DMC und Klarschrift auf einer fertig bearbeiteten Kurbelwelle.....83<br />
Abbildung 7-8: Daten und ihre Verwendung im DMC ............................................................85<br />
Abbildung 7-9: Schematische Darstellung der Kennzeichnungs-/Einlesevorgänge...............85<br />
Abbildung 8-1: Einflussgrößen auf die Maßhaltigkeit <strong>von</strong> handgeformten Gusstücken .........98<br />
Abbildung 9-1: Anleitung für die Durchführung <strong>von</strong> Gefährdungsbeurteilungen in Gießereien<br />
...............................................................................................................................................99<br />
4
Abbildung 9-2: Arbeitsblatt für eine Gefährdungsanalyse – Beispiel: Sandaufbereitung und<br />
Aerosole ...............................................................................................................................100<br />
Abbildung 9-3: Arbeitsblatt für eine Gefährdungsanalyse – Beispiel: Sandaufbereitung und<br />
Maschinenteile .....................................................................................................................101<br />
Abbildung 10-1: Formular <strong>zur</strong> Datenerfassung <strong>zur</strong> Unfallstatistik ........................................104<br />
Abbildung 10-2: Vergleich der Unfallhäufigkeit nach Betriebsabteilungen...........................105<br />
Abbildung 10-3: Formular 2 <strong>zur</strong> Datenerfassung <strong>zur</strong> Unfallstatistik .....................................107<br />
Abbildung 11-1: Analyse der Energieströme in einer Gießerei ............................................110<br />
Abbildung 12-1: Minderung <strong>von</strong> Geruchsemissionen einer Eisengießerei durch neue<br />
Kernbindemittel ....................................................................................................................119<br />
Abbildung 12-2: Mehrdimensionale Bewertung <strong>von</strong> betrieblichen prozessintegrierten<br />
Maßnahmen .........................................................................................................................119<br />
Abbildung 12-3: Systematische Bewertung <strong>von</strong> ökologischen Größen bei prozessintegrierten<br />
Maßnahmen .........................................................................................................................120<br />
Abbildung 12-4: Beschreibung der Best Verfügbaren Techniken in Gießereien für eine<br />
umweltverträgliche Produktion [PIU 05] ...............................................................................120<br />
Abbildung 13-1: Die Aufgabengebiete der Instandhaltung...................................................121<br />
Abbildung 13-2: Instandhaltung <strong>zur</strong> Wiederherstellung des Soll-Zustandes........................122<br />
Abbildung 13-3: Aufgabenintegration bei Gruppenarbeit in der Produktion .........................123<br />
Abbildung 13-4: Unterbringung der Instandhaltung in der Firma .........................................124<br />
Abbildung 13-5: Anlässe für die Wahl zwischen Eigen- und Fremdinstandhaltung .............129<br />
Abbildung 13-6: Entscheidungsdiagramm <strong>zur</strong> Auswahl und Bildung <strong>von</strong> Kennzahlen ........130<br />
5
Verzeichnis der Tafeln<br />
Tafel 1-1: Beispiele zu den Vorteilen des Nachhaltigen Wirtschaftens für Unternehmen ......13<br />
Tafel 1-2: Nachhaltigkeitsbegriffe mit Beispielen aus der betrieblichen Praxis ......................14<br />
Tafel 5-1. Spezifische Merkmale der indirekten Beheizungsvarianten für<br />
Straßentransportbehälter .......................................................................................................36<br />
Tafel 5-2: Qualitativer Vergleich - Blockbelieferung vs. Flüssigmetallbelieferung..................36<br />
Tafel 5-3: Ofentypen und technische Daten...........................................................................38<br />
Tafel 7-1: Streuungen der mechanischen Eigenschaften, am Beispiel Gusseisen mit<br />
Kugelgraphit ...........................................................................................................................68<br />
Tafel 7-2: Streuungen der Masse <strong>von</strong> Gussteilen, am Beispiel Gusseisen mit<br />
Lamellengraphit......................................................................................................................69<br />
Tafel 7-3: Streuungen der Maße <strong>von</strong> Gussteilen, am Beispiel Gusseisen mit Lamellengraphit<br />
...............................................................................................................................................69<br />
Tafel 11-1: Energieverbräuche in Eisengießereien (rot: markante Werte)...........................109<br />
Tafel 12-1: Themen des BMBF-Programms „Integrierter Umweltschutz in der<br />
Gießereiindustrie“.................................................................................................................118<br />
Tafel 13-1: Instandhaltungsstrategien bei fünfzehn automatischen Formanlagen...............125<br />
Verzeichnis der Übersichten<br />
Übersicht 3-1: Erfolgsfaktoren für Gussproduktion und -fertigung .........................................17<br />
Übersicht 4-1: Deutsche und internationale Informations- und Datenquellen ........................20<br />
Übersicht 4-2: Wichtige deutsche und internationale Gießereifachzeitschriften ...................24<br />
Übersicht 6-1: Auswahl einiger wichtiger Bewertungskriterien für NE-Schmelzaggregate,<br />
insbesondere für den Aluminiumschmelzbetrieb....................................................................57<br />
Übersicht 7-1: Mit Data Engine beschriebene Zusammenhänge zwischen Kombinationen <strong>von</strong><br />
Gießerei-<strong>Prozess</strong>größen (WENN) und Gießerei-Qualitätsgrößen (DANN) ...........................76<br />
Übersicht 11-1: Handlungsanleitung <strong>zur</strong> Steigerung der Energieeffizienz ...........................110<br />
6
1 Nachhaltiges Wirtschaften in Gießereien und in anderen Zulieferbetrieben<br />
1.1 Nachhaltiges Wirtschaften und das Projekt Leikom<br />
In einer Informationsschrift des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft BMBF aus<br />
2004 heißt es:<br />
Nachhaltigkeit gilt als spröder Begriff. Aber sie hat klare und breit akzeptierte Ziele: Wir wollen<br />
mit dem Blick über eine Generation hinaus die natürlichen Ressourcen schützen, den<br />
sozialen Zusammenhalt erhalten und stärken und die wirtschaftliche Leistungskraft fordern,<br />
die auch für kommende Generationen Wohlstand sichert.<br />
Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung unterstützt das BMBF zielgerichtet<br />
die Erforschung, <strong>Entwicklung</strong> und Vermittlung <strong>von</strong> Innovationen für das nachhaltige<br />
Wirtschaften. Wichtige Ansatzpunkte sind der effiziente Einsatz <strong>von</strong> Rohstoffen und Produktionstechnologien,<br />
Alternativen für umweltschädigende Einsatzstoffe, die Senkung <strong>von</strong><br />
Verbrauch und Emissionen, die <strong>Entwicklung</strong> umweltfreundlicher Produkte und die bessere<br />
Wiederverwendbarkeit <strong>von</strong> Waren und Materialien.<br />
Übergreifendes Ziel ist, den Standort und die Arbeitsplatze besonders der kleinen und mittelständischen<br />
Unternehmen zu sichern und auszubauen. Technologische Innovationen mit<br />
hohen Umweltentlastungspotenzialen benötigen das komplexe fachliche Know-how verschiedener<br />
Disziplinen, aber auch die Akzeptanz der Verbraucher. Wo Wissenschaft und<br />
Unternehmen gemeinsam und interdisziplinär forschen und entwickeln und die Gesellschaft<br />
frühzeitig einbinden, sind Praxisbezug, Zukunft und Nachhaltigkeit gesichert [BMB04].<br />
Die Gewichtsreduzierung bei vielen technischen Produkten, wie Fahrzeugen und Maschinen,<br />
und ihren Komponenten führt unmittelbar zu vielfältigen ökologischen und ökonomischen<br />
Vorteilen in der gesamten Wertschöpfungskette: weniger Rohstoffe, weniger Transport,<br />
energieeffizientere, energieeffizientere Verwendung, weniger <strong>Prozess</strong>rückstände, d.h. weniger<br />
Recycling oder Abfälle <strong>zur</strong> Entsorgung.<br />
Die Hersteller <strong>von</strong> Komponenten und Zulieferer der Endprodukthersteller Automobilindustrie,<br />
Maschinenbau etc. sind typische mittelständisch strukturierte Industriezweige, die sich außer<br />
in der Betriebsgröße auch hinsichtlich Technologie, Arbeitssystemen und Vorgehen bei Produktentwicklung,<br />
Beschäftigtenstruktur etc. ähnlich sind: Gießereiindustrie, Schmiedeindust-<br />
7
ie, Kunststoff-Spritzgießereien u. a. Als Zulieferer nehmen sie eine volkswirtschaftliche<br />
Schlüsselstellung ein.<br />
Im Vorhaben <strong>LeiKom</strong> sind in Gießereien leichtere Komponenten entwickelt worden und mit<br />
neuartigen Technologien realisiert werden. Dabei sind neben technologischen auch wirtschaftliche<br />
und soziale Verbesserungen verfolgt worden.<br />
Es sind dies zwei technologisch sehr fortschrittliche Unternehmen gewesen, die die für die<br />
Gussproduktion typische Verfahrens- und Werkstoffvielfalt widerspiegeln. In der Firma Eisenwerk<br />
Brühl GmbH sind im Sandgießverfahren neuartige Zylinderkurbelgehäuse aus<br />
Gusseisen und in der Firma Nemak Wernigerode GmbH, ehemals Rautenbach-Guss, sind<br />
Zylinderköpfe im Kokillengießverfahren aus Aluminiumguss entwickelt worden.<br />
Die Ergebnisse aus diesen Modellbetrieben und aus betriebsübergreifenden Arbeiten haben<br />
zu Methoden und <strong>Instrumente</strong>n geführt, die für Gießereien - und in entsprechender Nutzung<br />
auch für ähnliche Betriebe - hilfreich sind.<br />
Sie sollen den einzelnen Unternehmen ermöglichen, sich nachhaltig aufzustellen – hinsichtlich<br />
ihrer Erzeugnisse, hinsichtlich der Gestaltung ihrer Arbeitssysteme und ihrer Belegschaft<br />
– um auch für den internationalen Wettbewerb in Zukunft gerüstet zu sein.<br />
Ausgangsbasis für die <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> nachhaltigen <strong>Prozess</strong>en war im Projekt <strong>LeiKom</strong> ein<br />
Ansatz basierend auf drei gleichwertigen und sich gegenseitig beeinflussenden Schnittstellen:<br />
- Technik<br />
- Organisation<br />
- Mensch<br />
Innovationen sind als Dreiklang zwischen technischer, organisatorischer und humaner Innovation<br />
zu gestalten (Abbildung 1-1).<br />
8
Schnittstelle Technik - Organisation<br />
- ressourcenoptimierte <strong>Prozess</strong>e<br />
- stoffkreislaufoptimierte <strong>Prozess</strong>e<br />
- Flexibilität<br />
-Qualität<br />
- Kommunikation/ ... Wissen<br />
- …<br />
Organisation<br />
Technik<br />
Nachhaltigkeit<br />
und<br />
Innovation<br />
Schnittstelle Organisation - Mensch<br />
gesundheitsförderliche Arbeitsorganisation (AO), altersstabile AO<br />
qualifikationsförderliche AO, lernförderliche AO, wissensgenerierende AO<br />
Abbildung 1-1: Nachhaltigkeit und Innovation<br />
9<br />
Schnittstelle Mensch - Technik<br />
- gesundheitsförderliche Technikgestaltung<br />
- altersstabile Anforderungen<br />
- Qualifikationsförderliche Technikgestaltung<br />
- lernförderliche Technikgestaltung<br />
- wissensgenerierende Technikgestaltung<br />
Mensch<br />
Die in Leikom entwickelten <strong>Instrumente</strong>, die den Unternehmen helfen sollen, sich zukunftsfähig<br />
aufzustellen, decken die drei wesentlichen Bereiche Produkt, <strong>Prozess</strong> und Personal ab.<br />
Ausgegangen wird dabei <strong>von</strong> dem Gedanken, dass eine Gießerei – genauso wie ein anderes<br />
ähnliches Zulieferunternehmen - zunächst den zukünftigen Markt für seine Leichtbau-<br />
Produkte erkennen muss. Man muss die Anforderungen an die Art der Bauteile, ihre Qualität<br />
sowie die Konditionen, unter denen sie abgenommen werden, abschätzen. Man muss den<br />
Markt und die Nachfrage nach Leichtbaukomponenten prognostizieren. Für diese anspruchsvolle<br />
Aufgabe bietet der <strong>LeiKom</strong>-Band „<strong>Instrumente</strong> <strong>zur</strong> <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> Gießereien<br />
zu nachhaltigen Produzenten“ vielfältige Hilfen.<br />
Liegt dann die Prognose für die zukünftige Nachfrage vor, so ist für jeden Betrieb, jede Gießerei,<br />
individuell die <strong>zur</strong> Produktion der zukünftig nachgefragten Bauteile notwendige Fertigungstechnik<br />
sowie der Personalbedarf zu entwickeln.<br />
Empfehlungen und Hilfen <strong>zur</strong> zukunftsgerechten Ausrichtung der Fertigungstechnik bietet<br />
der <strong>LeiKom</strong>-Band „<strong>Instrumente</strong> <strong>zur</strong> <strong>Entwicklung</strong> nachhaltiger Leichtbau-Komponenten“ an.<br />
Der <strong>LeiKom</strong>-Band „<strong>Instrumente</strong> <strong>zur</strong> <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> Personalwesen und Ausbildung für<br />
nachhaltige Unternehmen“ bietet Hilfe an, bei der Schaffung eines zukunftsorientierten Personalwesens,<br />
beispielsweise hinsichtlich langfristig angelegter Altersstrukturen und der Qualifikationen<br />
der Beschäftigten. Darüber hinaus gibt der Band Empfehlungen zu einer Neugestaltung<br />
der Ausbildungsinhalte für den Beruf „Gießereimechaniker“.
Die drei Bände sind so gestaltet, dass sie unabhängig <strong>von</strong>einander genutzt werden können.<br />
Trotzdem decken sie nur gemeinsam das breite Arbeitsfeld für den ab, der sein Unternehmen<br />
und seine Belegschaft nachhaltig und zukunftssicher ausrichten möchte.<br />
1.2 Zweck dieses Leikom-<strong>Handbuch</strong>s „<strong>Prozess</strong>“<br />
Im Projekt <strong>LeiKom</strong> hat das RKW im Jahr 2007 eine qualitative Befragung <strong>zur</strong> Zukunftsentwicklung<br />
der Gießerei-Unternehmen in Deutschland durchgeführt [RKW08]. Um eine möglichst<br />
große Bandbreite <strong>von</strong> Fachwissen abzudecken, wurden Experten aus Unternehmen,<br />
Verbänden und Wissenschaft befragt. Zwölf Experten haben sich teilweise sehr ausführlich<br />
zu neun Fragebereichen mit einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 befragt. Die Auswertung<br />
der Fragebögen, zeigt eine Vielzahl <strong>von</strong> interessanten <strong>Entwicklung</strong>en und zu erwartende<br />
Trends auf. Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für die <strong>Entwicklung</strong> der Leikom-<br />
<strong>Instrumente</strong> „Produkt“, „<strong>Prozess</strong>“ und „Personal“ gewesen.<br />
Im Folgenden sind die <strong>Prozess</strong> bezogenen Ergebnisse dargstellt.<br />
Technologieentwicklung – Evolution, statt Revolution<br />
Zukünftig werden für die Gießereiverfahren und für die damit eng verbundenen Werkstoffe<br />
zwar vielfältige Weiterentwicklungen erwartet. Jedoch wird kein vollständiger Einsatz bestehender<br />
und keine <strong>Entwicklung</strong> gänzlich neuer Technologien in der Gießerei-Industrie stattfinden.<br />
Absehbar sind ein ansteigender Automatisierungsgrad und ein zunehmender Robotereinsatz.<br />
Die erwartete Spezialisierung und Konzentration auf höherwertige Produkte - da Standardprodukte<br />
zunehmend durch Importe aus Niedriglohnländern verdrängt werden - erfordert<br />
zukünftig weitere Investitionen in die Fertigungstechnologien. Eine weitere Optimierung der<br />
metallurgischen Eigenschaften der Werkstoffe sollte in Zusammenarbeit mit Zulieferern und<br />
Kunden sowie Hochschulen und Instituten vorangetrieben werden. Eine grundlegende Substitution<br />
der bisherigen Werkstoffe wird ausgeschlossen bzw. für wenig wahrscheinlich<br />
gehalten.<br />
10
Unternehmensstrategie – Kernkompetenzen und Fertigungstiefe<br />
Um strategisch richtig aufgestellt zu sein, müssen die Gießer einerseits die Fertigungstiefe<br />
und damit die Produktwertschöpfung durch die Erschließung vor- und nachgelagerter <strong>Prozess</strong>e<br />
deutlich erhöhen (wie zum Beispiel Bauteilentwicklung und Montage). Auf der anderen<br />
Seite müssen die Unternehmer ihre Kernkompetenzen stärker fokussieren, um wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben. Auch das Angebot <strong>von</strong> Dienstleistungen rund um die Produkte wurde angeregt<br />
(all inklusive– Angebote, Komplettlieferungen). Die strategische Ausrichtung ist natürlich<br />
stark abhängig <strong>von</strong> der Art des Unternehmens, zum Beispiel für Einzel- und Seriengießer<br />
oder Eisen- und Aluminiumgießer. Daher wird eine Differenzierung nach Unternehmenstypen<br />
erforderlich sein. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Einzel- und Kleinserienfertigung vorwiegend<br />
für regionale Märkte und die Fertigung in großen Serien für den Weltmarkt weiterhin<br />
wettbewerbsfähig sein werden.<br />
Energie- und Rohstoffsicherheit<br />
Da die Energiekosten einen hohen Anteil der Produktionskosten darstellen, sind Maßnahmen<br />
<strong>zur</strong> Steigerung der Energieeffizienz zwingend notwendig und tragen somit entscheidend<br />
<strong>zur</strong> Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit bei. Investitionen in CO2-arme und<br />
energieeffiziente Technologien sowie Konzepte <strong>zur</strong> Reduzierung des gesamten Energieverbrauches<br />
sind unumgänglich.<br />
Die Preise für Stahl und NE- Metalle werden weiterhin auf hohem Niveau bleiben. Bei den<br />
Legierungsmetallen wie zum Beispiel Nickel, Chrom und Mangan sind sogar Beschaffungsengpässe<br />
möglich. Mittels langfristigen Lieferverträgen und Beteiligung an den vorgelagerten<br />
Wertschöpfungsstufen kann Problemen vorgebeugt werden. Potenziale in der Steigerung<br />
der Materialeffizienz müssen erkannt und genutzt werden.<br />
Übersicht der Handlungsempfehlungen der Experten:<br />
Produkte / Technologie<br />
• breite Produkt- und Verfahrenspalette anstreben<br />
• verstärkte Anstrengungen <strong>zur</strong> Akquisition hochkomplexer Teile<br />
• aktive Erweiterung der Wertschöpfungskette (Stärken-/ Schwächeprofil erarbeiten)<br />
• Kombination <strong>von</strong> Produktentwicklung und -fertigung im eigenen Hause<br />
• weiterhin hohes Qualitätsbewusstsein und Termintreue<br />
11
Nachdem das zu erarbeitende Instrument aus dem Leikom-Band „Produkt“ <strong>zur</strong> Anwendung<br />
gekommen ist – und damit die zukünftig herzustellenden Bauteile beschrieben sind – sollen<br />
die <strong>Instrumente</strong> aus dem Band „<strong>Prozess</strong>“ einem mittelständischen Bauteilhersteller ermöglichen,<br />
die Frage zu beantworten: „Wie muss die Produktion eines bauteilherstellenden Zulieferbetriebs<br />
hinsichtlich Technologie, Arbeitssystemen, Arbeitsorganisation, Qualifikation der<br />
Beschäftigten, Arbeits- und Umweltschutz etc. realisiert werden, damit dieser Betrieb die<br />
mittel- und langfristigen Vorgaben hinsichtlich seines Produktes erfüllen kann?“<br />
Das <strong>Handbuch</strong> enthält Hinweise auf Trends in Produktionstechnik, <strong>Prozess</strong>steuerung, Arbeitsgestaltung<br />
etc. und Hilfsmittel <strong>zur</strong> eigenen betrieblichen Ausrichtung.<br />
Die Gießereien sollen so ausgerichtet werden, dass sie nachhaltig wirtschaften können. Gießereien<br />
sind in der Mehrzahl kleine und mittelständische Unternehmen, für die Handlungsanleitungen<br />
mit möglichst direkt umsetzbaren <strong>Instrumente</strong>n <strong>von</strong> besonders großer Wichtigkeit<br />
sind.<br />
Die Handlungsanleitung im orientiert sich an dem Begriffsverständnis und an den generellen<br />
Empfehlungen in der Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure VDI 4070, Blatt 1, Februar<br />
2006 mit Titel „Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen;<br />
Anleitung zum Nachhaltigen Wirtschaften“ [NWK06].<br />
„Nachhaltiges Wirtschaften“ ist hier definiert als:<br />
„Nachhaltiges Wirtschaften verknüpft die Vorgehensweisen erfolgreichen Wirtschaftens mit<br />
Forderungen nach ökologischer Verträglichkeit und sozialer Gerechtigkeit und bringt sie in<br />
ein ausgeglichenes Verhältnis.<br />
Beispiele für die Vorteile Nachhaltigen Wirtschaftens zeigt Tafel 1-1.<br />
12
Tafel 1-1: Beispiele zu den Vorteilen des Nachhaltigen Wirtschaftens für Unternehmen<br />
Anspruchsgruppen<br />
Nutzen<br />
im<br />
Ökonomischen Bereich<br />
Kunden Kundenbindung durch<br />
gutes Preis-<br />
Leistungsverhältnis<br />
Mitarbeiter qualifizierte und motivierte<br />
Mitarbeiter<br />
13<br />
Ökologischen Bereich<br />
Umweltschutz in der<br />
Nutzungsphase<br />
geringe Einwirkungen<br />
am Arbeitsplatz<br />
Lieferanten verlässliche Ge- Integration <strong>von</strong> Umschäftspartner,Entweltaspekten<br />
in Prowicklunggemeinsamen<br />
Fachwissens<br />
dukte und Produktion<br />
Teilhaber/Aktionäre attraktive Anlage attraktive Anlage für<br />
öko-logisch bewusste<br />
Anleger<br />
Kreditgeber und Versicherun- günstige Konditionen Risikominderung<br />
gen<br />
durch Vorsorge<br />
Behörden (Genehmigung,<br />
Überwachung)<br />
Öffentlichkeit Image eines ertragsstarken,<br />
Arbeitsplätze<br />
erhaltenden Unternehmens<br />
Sozialen Bereich<br />
Kundenbindung durch<br />
gutes Image<br />
Mitarbeiterbindung<br />
durch Mitarbeiterzufriedenheit<br />
und gute<br />
Arbeitskonditionen<br />
Liefer- und Arbeitsplatzsicherheit<br />
durch<br />
Lieferantenbindung<br />
attraktive Anlage für<br />
ethisch bewusste<br />
Anleger<br />
Arbeitsplatzsicherung<br />
durch Risikominderung<br />
kurze Verfahren verringerte Auflagen gute Kommunikation<br />
und Koordination<br />
Image eines umweltbewusstenUnternehmens<br />
Image eines sozialen<br />
Unternehmens<br />
Zur Planung des Nachhaltigen Wirtschaftens in Unternehmen dient die Festlegung und Nutzung<br />
eines Systems <strong>von</strong> Kenngrößen.
Tafel 1-2: Nachhaltigkeitsbegriffe mit Beispielen aus der betrieblichen Praxis<br />
Begriffe Beispiele<br />
Bereich • Ökonomie<br />
• Ökologie<br />
• Soziales<br />
Aspekt z.B. im Bereich<br />
Ökologie<br />
Teilaspekt z.B. im<br />
Aspekt Energiehaushalt<br />
Kenngröße z.B. im<br />
Teilaspekt Energieeffizienz<br />
Kennwert z.B. <strong>zur</strong><br />
Kenngröße „spezifischerEnergieeinsatz“<br />
Orientierungswert<br />
zum Kennwert „spezifischerEnergieeinsatz“<br />
• Luftreinhaltung<br />
• Wasserwirtschaft<br />
• Abfallwirtschaft<br />
• Energiehaushalt<br />
• u. a.<br />
• Energiemix<br />
• Energieeffizienz<br />
• u. a.<br />
• spezifischer Energieeinsatz<br />
in kWh<br />
pro Rohstoffeinsatz<br />
in kg<br />
• u. a.<br />
10 kWh/kg<br />
8kWh/kg<br />
Ziel Kennwert soll besser<br />
werden als der Orientierungswert.<br />
Dieser in VDI 4070 vorgeschlagenen generellen Systematik, Begrifflichkeit und Vorgehensweise<br />
wird im Leikom-<strong>Handbuch</strong> „<strong>Prozess</strong>“ - soweit zweckmäßig – gefolgt.<br />
Die in den folgenden Abschnitten dieser Ausarbeitung dargestellte Vorgehensweise, die zu<br />
einer zukunftsorientierten Ausrichtung und ggf. zum Ergreifen betrieblicher Maßnahmen<br />
führt, ist als kontinuierlicher Verbesserungsprozess angelegt: eine Überprüfung und ggf. Anpassung<br />
der betrieblichen Ausrichtung – beispielsweise an veränderte Rahmenbedingungen<br />
14
auf dem Markt - sollte in angemessenen Zeiträumen in den Gießereien oder in ähnlichen<br />
Unternehmen durchgeführt bzw. wiederholt werden (Abbildung 1-2).<br />
Check in<br />
regelmäßigen<br />
Zeitabständen<br />
durchführen<br />
Schema für<br />
Bewertung und<br />
Vergleich<br />
Check beginnen<br />
Einführung und Bedienungsanleitung<br />
lesen<br />
Zielgrößen <strong>zur</strong><br />
Bewertung <strong>von</strong><br />
Produktion und<br />
Beschäftigtenstruktur<br />
Informationen über <strong>Entwicklung</strong>en<br />
in Technik,<br />
Organisation und Beschäftigtenstruktur<br />
bzw. Qualifikation<br />
Bedarf hinsichtlich Technik, Organisation<br />
und Beschäftigtenstruktur bzw. Qualifikation<br />
prognostizieren<br />
Eigene Produktion und Beschäftigtenstruktur<br />
bewerten<br />
Bewertung gut<br />
Eigene Bewertung<br />
mit Prognose<br />
vergleichen<br />
Check ist beendet<br />
Abbildung 1-2: Ablaufdiagramm zum Nachhaltigen Wirtschaften<br />
15<br />
Liste <strong>von</strong> Zielgrößen<br />
Liste <strong>von</strong> Informations-<br />
und<br />
Datenquellen<br />
Schema für Erfassung<br />
und Auswertung<br />
<strong>von</strong> Informationen<br />
Bewertung<br />
schlecht
2 Bedienungsanleitung<br />
Diese Handlungsanleitung beinhaltet Angaben und Beschreibungen zu<br />
� dem jeweiligen Stand der Technik<br />
� erkennbaren Trends<br />
� Hinweise auf generelle Strategien für eine <strong>Entwicklung</strong> hin zu einer nachhaltigen<br />
Gussproduktion<br />
� <strong>Instrumente</strong> für die jeweilige betriebliche <strong>Entwicklung</strong> hin zu einer nachhaltigen<br />
Gussproduktion<br />
für die wichtigsten Bereiche der Produktion und Fertigung in einer Gießerei (siehe „Abschnitt<br />
3 Erfolgsfaktoren“).<br />
Beim Stand der Technik wird die IST-Situation in modernen Unternehmen der Gießereiindustrie<br />
dargestellt. Wegen der Internationalisierung des Gussmarktes berücksichtigt diese<br />
Darstellung die Situation im In- und Ausland.<br />
Bei der in <strong>LeiKom</strong> durchgeführten Expertenumfrage sind Trends ermittelt worden. Da man<br />
sich in der Umfrage gezielt an Experten auf verschiedenen Themengebieten gewandt hatte,<br />
ist <strong>von</strong> einer verhältnismäßig großen Sicherheit bei den erkannten und beschriebenen<br />
Trends auszugehen. Dies gilt im Besonderen, bei den sich deckenden Angaben <strong>von</strong> mehreren<br />
Experten.<br />
Aus den beschriebenen Trends können in vielen Fällen generelle Strategien für eine <strong>Entwicklung</strong><br />
hin zu einer nachhaltigen Gussproduktion abgeleitet werden. Um diese strategischen<br />
Vorstellungen auf betrieblicher Ebene und an die jeweiligen Verhältnisse eines speziellen<br />
Betriebes oder Unternehmens angepasst umsetzen zu können, bedarf es möglichst<br />
konkreter Hilfsmittel.<br />
Diese Hilfsmittel sind <strong>Instrumente</strong> – entwickelt für die jeweilige Thematik oder Teilaufgabe.<br />
Es handelt sich neben nützlichen Hinweisen, wie speziellen Informationsquellen, im Wesentlichen<br />
um Systeme <strong>zur</strong> Bewertung des Grades der Nachhaltigkeit der Produktion.<br />
Die Systeme beinhalten Kenngrößen, Kennwerte und Orientierungswerte.<br />
16
Die Bewertung des Grades der Nachhaltigkeit findet durch den Vergleich betrieblicher<br />
Kennwerte mit Orientierungswerten oder durch den Vergleich neuerer mit älteren Kennwerten<br />
statt.<br />
3 Erfolgsfaktoren<br />
Generelle Erfolgsfaktoren für die Gussproduktion sind in der Studie „Gießerei 2010 – Strategie<br />
für die deutsche Gießereiindustrie“ beschrieben worden. Diese Untersuchung ist <strong>von</strong><br />
einer Projektgruppe mit UNITY AG, Heinz Nixdorf Institut und Institut für Gießereitechnik<br />
GmbH im Auftrag des VDG Vereins Deutscher Giessereifachleute e. V. durchgeführt worden.<br />
Übersicht 3-1 enthält die Erfolgsfaktoren, die in direktem Zusammenhang mit der strategischen<br />
Ausrichtung der Produktion und Fertigung einer Gießerei stehen. Die Aufstellung<br />
stützt sich überwiegend auf die Ergebnisse der genannten Studie.<br />
Übersicht 3-1: Erfolgsfaktoren für Gussproduktion und -fertigung<br />
[BAE02]<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
� Kosten<br />
� Erweitere Wirtschaftlichkeitsrechnung<br />
Produktentwicklung<br />
� Problemlösungskompetenz<br />
� Zusammenarbeit mit Konstrukteur<br />
� <strong>Entwicklung</strong> marktgerechter Lösungen, wie Leichtbau oder Gebrauchswert gesteigerte<br />
Lösungen (Produktfunktionalität)<br />
Virtuelle Produktentwicklung<br />
� Simulation <strong>von</strong> Produkt-, Werkzeug – und Verfahrenseigenschaften<br />
� Simultaneous Engineering<br />
� Bauteileigenschaften, wie Toleranzen<br />
� Gefügeausbildung, wie Graphitausbildung<br />
� Dauerhaft sichere Guss-Qualität, Qualitätssicherungssystem (Zertifizierung)<br />
17
Verständnis des Kundengeschäfts<br />
� Verständnis der <strong>Prozess</strong>e und der Organisation des Kunden<br />
Generalunternehmerschaft<br />
� Qualifizierte Beschäftigte, um komplette Bauteile anbieten zu können<br />
Lieferzeit<br />
� Kurz und zuverlässig, Time-to-market<br />
Fähigkeit <strong>zur</strong> Werkstoffentwicklung<br />
Sichere Rohstoff- und Energieversorgung<br />
� Stahlschrott<br />
� Koks<br />
Beherrschen neuartiger und kommender Gieß-, Form- und Fertigungsverfahren<br />
Geschlossene Steuer- und Regelkonzept<br />
Nutzung <strong>von</strong> Skaleneffekten<br />
� Fähigkeit, Vorteile aus Losgröße zu ziehen<br />
<strong>Entwicklung</strong>stiefe; Fertigungstiefe; Wertschöpfungskette:<br />
� Eigene <strong>Entwicklung</strong> bzw. Konstruktion<br />
� Eigene Bearbeitung<br />
� Zulieferung <strong>von</strong> Kernen<br />
� Zulieferung <strong>von</strong> Schmelze<br />
� Externe Gussnachbehandlung<br />
Flexibilität<br />
� Reaktionsgeschwindigkeit und Agilität in der Produktion und bei Dienstleistungen<br />
Qualitätssicherung<br />
Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
� In der Produktion bzw. Fertigung und bei Dienstleistungen<br />
18
Mitarbeiterqualifikation<br />
� In der Produktion bzw. Fertigung und bei Dienstleistungen<br />
Altersstruktur<br />
� In der Produktion bzw. Fertigung und bei Dienstleistungen<br />
Soziale, sichere und umweltverträgliche Produktion<br />
� In der Produktion bzw. Fertigung<br />
� <strong>Prozess</strong>integrierte Maßnahmen<br />
Diese Erfolgsfaktoren stellen den Rahmen und geben Hinweise auf die Bereiche bzw. Aspekte<br />
[NWK06], für die Informationen und unterstützende <strong>Instrumente</strong> und Kenngrößen benötigt<br />
werden.<br />
Mit einer Expertenumfrage, die in <strong>LeiKom</strong> durchgeführt wurde, ist es möglich geworden,<br />
Schwerpunkte für eine inhaltliche Vertiefung auf dem weiten Gebiet der Gussproduktion zu<br />
definieren. Schwerpunkte werden bei den Themen gesetzt, bei denen auch seitens der befragten<br />
Experten Unklarheit über eine zukunftsfähige, nachhaltige Gussproduktion und -<br />
fertigung besteht.<br />
4 Informationsbeschaffung<br />
Die Beschaffung relevanter Informationen und deren Auswertung als Basis für die strategische<br />
<strong>Entwicklung</strong> einer Gießerei hin zu einer nachhaltigen Produktion ist ein Arbeitsschritt,<br />
der im Besonderen für kleine und mittelständische Unternehmen mit geringer Personaldecke<br />
ein Problem darstellen kann.<br />
Die Nutzung des Internets – die häufig zuerst gesehen wird - ist dabei nur bedingt hilfreich.<br />
Die Menge der dort <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Daten ist zwar sehr groß, aber es bedarf einer<br />
systematischen Recherche, um relevante Informationen zu gewinnen.<br />
Daneben gibt es glücklicherweise auf dem Gebiet des Gießereiwesens qualitativ hochwertige<br />
Hilfsmittel, die genutzt werden können.<br />
19
Übersicht 4-1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Arten <strong>von</strong> Informations- und Datenquellen.<br />
Übersicht 4-1: Deutsche und internationale Informations- und Datenquellen<br />
� Persönlicher Kontakt zu Kollegen und anderen Fachleuten, z. B. durch Mitgliedschaft<br />
in Gießereivereinigungen<br />
� Suchprofile für Internetrecherchen<br />
� Angaben zu Datenbanken, wie Literaturdatenbanken, Forschungsdatenbanken, Patentdatenbanken<br />
etc., mit Hinweisen zu Recherchen<br />
� Verfolgen <strong>von</strong> Informationsdienstleistungen der Gießerei-Vereinigungen oder anderer<br />
Institutionen<br />
� Verfolgen <strong>von</strong> einschlägigen Fachzeitschriften auf dem Gebiet der Gießereitechnik<br />
und anderer relevanter Fachrichtungen<br />
� Besuch <strong>von</strong> einschlägigen Messen, Tagungen, Seminaren oder anderen Veranstaltungen<br />
Die folgenden Seiten werden Hinweise auf Veranstaltungen, Datenbanken und andere<br />
Quellen <strong>von</strong> Informationen gegeben, die für die strategische Ausrichtung einer Gießerei auf<br />
Nachhaltiges Wirtschaftens nützlich sind.<br />
Online-Literaturdatenbank VDGLIT<br />
Die Online-Literaturdatenbank VDGLIT wird vom Verein Deutscher Giessereifachleute e.V.<br />
(VDG) erstellt, und unter der Adresse www.vdglit.com für Literaturrecherchen im Internet<br />
angeboten (Abbildung 4-1).<br />
Die Datenbank enthält mehr als 410.000 Literaturhinweise mit aussagekräftigen Inhaltsangaben<br />
über weltweite Veröffentlichungen zum Gießereiwesen sowie den angrenzenden<br />
Fachgebieten Stahl und Fügetechnik ab 1990. Zum Aufbau der Datenbank werden laufend<br />
rund 1.100 Fachzeitschriften, Bücher, Dissertationen, Forschungs- und Tagungsberichte<br />
überwacht, selektiert und ausgewertet. Der Datenbankinhalt wird monatlich aktualisiert.<br />
20
Abbildung 4-1: Startseite der Datenbank VDGLIT www.vdglit.com<br />
Die Datenbank bietet eine Suchmaske für die einfache Suche in einer einzigen Suchzeile.<br />
Bei komplexeren Fragestellungen sollte die Standard-Suchmaske mit der Suchmöglichkeit in<br />
vorgegebenen Datenbankfeldern ausgewählt werden (Abbildung 4-2).<br />
Die Suchbegriffe können dann sowohl innerhalb des jeweiligen Suchfeldes als auch zwischen<br />
den Feldern mit den Boolschen Operatoren (UND, ODER, NICHT) verknüpft werden,<br />
um die gewünschte Literatursuche auszuführen.<br />
21
Abbildung 4-2: Suchmaske mit Suchfeldern<br />
Wichtigstes Hilfsmittel bei der Recherche ist der zu jedem Suchfeld vorhandene Index. Er<br />
zeigt an, welche Begriffe überhaupt in der Datenbank bzw. in einem Suchfeld vorhanden<br />
sind, und ermöglicht darüber hinaus die Überprüfung der Schreibweise <strong>von</strong> Suchbegriffen<br />
vor dem Ausführen der Suche. Durch Anklicken eines Index-Begriffes wird dieser direkt an<br />
die richtige Stelle in der Suchmaske übernommen. Weitere Informationen zu den Recherchemöglichkeiten<br />
sind online über ein Hilfe-Menü abrufbar.<br />
Das Suchergebnis wird in Form einer Trefferliste auf der linken Seite des Bildschirms dargestellt,<br />
welche die ersten 20 Literaturhinweise anzeigt. Neben den Originaltiteln werden in<br />
dieser Trefferliste die Autoren und weitere Kurzinformationen aufgelistet. Ein Klick auf „Dokument<br />
ansehen“ bringt auf der rechten Bildschirmhälfte den vollständigen Literaturnachweis<br />
mit Inhaltszusammenfassung <strong>zur</strong> Anzeige (Abbildung 4-3).<br />
22
Abbildung 4-3: Trefferanzeige<br />
Die Literaturrecherchen sind nicht kostenpflichtig. Gebühren werden für die Lieferung <strong>von</strong><br />
Volltexten <strong>von</strong> ausgewählten Literaturhinweisen erhoben. Diese können über den integrierten<br />
Warenkorb direkt online bestellt werden. Nach Auflistung der anfallenden Kosten und<br />
endgültiger Bestätigung erfolgt die automatische Versendung einer E-Mail an den betreffenden<br />
Datenbankanbieter, der die Bearbeitung des Auftrages übernimmt. Die Volltextlieferungen<br />
erfolgen als Fotokopien per Post oder Fax an den Besteller. Bei der erstmaligen Nutzung<br />
des integrierten Warenkorb-Moduls ist eine Registrierung der Benutzerdaten erforderlich.<br />
Mit der Kombination aus Benutzerkennung und Passwort wird dann bei weiteren Bestellvorgängen<br />
direkt auf die in der Registrierung hinterlegten Benutzerdaten zugegriffen.<br />
Für individuelle Literaturrecherchen, die mit Literaturhinweisen ab 1990 nicht ausreichend zu<br />
beantworten sind oder <strong>von</strong> ihrer Fragestellung zu komplex sind, ist es empfehlenswert, die<br />
professionellen Rechercheangebote der jeweiligen Datenbankanbieter zu nutzen.<br />
Fachzeitschriften bieten die Möglichkeit, sowohl die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungsarbeiten<br />
als auch Kurzinformationen über neue Geräte, Maschinen oder andersartige<br />
Angebote, immer aktuell zugesandt zu bekommen.<br />
23
Eine Zusammenstellung der wichtigen deutschen und internationalen Gießereifachzeitschriften<br />
zeigt die Übersicht 4-2.<br />
Übersicht 4-2: Wichtige deutsche und internationale Gießereifachzeitschriften<br />
Deutschland<br />
• Casting Plant + Technology International CP + T<br />
• Giesserei-Verlag GmbH<br />
www.vdg.de<br />
• Druckguss-Praxis<br />
• Fachverlag Schiele & Schön GmbH<br />
www.druckguss-praxis.de<br />
• Giesserei<br />
• Giesserei-Verlag GmbH<br />
www.vdg.de<br />
• Giesserei-Erfahrungsaustausch<br />
• Giesserei-Verlag GmbH<br />
www.vdg.de<br />
• Giessereiforschung; International Foundry Research<br />
• Giesserei Verlag GmbH<br />
www.vdg.de<br />
• Giesserei-Literaturschau<br />
• Verein Deutscher Giessereifachleute e. V.,<br />
VDG-Informtionszentrum Giesserei,<br />
www.vdglit.com; www.vdg.de<br />
• Giesserei-Praxis<br />
• Fachverlag Schiele& Schön GmbH<br />
www.giesserei-praxis.de<br />
• konstruieren und gießen<br />
• Zentrale für Gussverwendung im DGV<br />
www.dgv.de<br />
24
Frankreich<br />
• Fonderie, Fondeur d’ aujourd’hui<br />
• Editions Techniques des Industries de la Fonderie<br />
www.ctif.com<br />
• Hommes et Fonderie<br />
• Association Technique de Fonderie<br />
www.atf.asso.fr<br />
Großbritannien<br />
• International Journal of Cast Metal Research<br />
• Maney Publishing<br />
www.maney.co.uk<br />
• Diecasting World Foundry Trade Jorunal/Foundryman<br />
• The Institute of Cast Metals Engineers - ICME -<br />
• National Metalforming Centre<br />
www.icme.org.uk; www.foundrytradejournal.com<br />
Indien<br />
Italien<br />
• Indian Foundry Journal<br />
• The Institute of Indian Foundrymen<br />
• IIF-Center<br />
www.indianfoundry.com<br />
• Metallurgical Science and Technology<br />
• Teksid Aluminium S.r.l.<br />
www.teksid.com/science.htm<br />
25
Österreich<br />
Polen<br />
USA<br />
• Giesserei-Rundschau<br />
• Verlag Lorenz<br />
www.verlag-lorenz.at<br />
• Metallurgy and Foundry Engineering<br />
• AGH University of Science and Technology<br />
http://galaxy.uci.agh.edu.pl/~mafe/<br />
• Die Casting Engineer<br />
• North American Die Casting Ass. (NADCA)<br />
• Publications Department<br />
www.diecasting.org/dce<br />
• Foundry Management & Technology<br />
• Penton Media, Inc.<br />
www.foundrymag.com<br />
• Incast<br />
• Investment Casting Institute<br />
www.investmentcasting.org<br />
• Modern Casting<br />
• American Foundry Society, Inc.<br />
www.moderncasting.com<br />
• Transactions of the American Foundrymen’s Scociety<br />
• American Foundry Society, Inc.<br />
www.afsinc.org<br />
26
5 Optimierung der Wertschöpfungskette in Gießereien<br />
Bei der Optimierung der Wertschöpfungskette in Gießereien ist die Frage zu beantworten<br />
„Was ist das zukünftig notwendige und erwartete Leistungsangebot einer Gießerei und welche<br />
Aktivitäten können <strong>von</strong> einem Dienstleister oder Zulieferer erbracht werden?“<br />
Wertschöpfung = Gesamtleistung – Vorleistungen<br />
Die Wertschöpfung ist direkt abhängig <strong>von</strong> der erbrachten Gesamtleistung und den Vorleistungen<br />
innerhalb eines Wertschöpfungssystems, wie z.B. einer Gießerei. Um die Gesamtleistung<br />
zu optimieren, ist es zwingend notwendig den Posten der arbeits-, verwaltungs- und<br />
kostenintensiven Vorleistungen zu optimieren. Dies kann durch Auslagerung <strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>schritten<br />
geschehen, die nicht den Kernkompetenzen einer Gießerei zugeordnet werden<br />
können.<br />
Beim Beauftragen einer Spezialfirma kann die Deckung <strong>von</strong> Kapazitätsengpässen im Vordergrund<br />
stehen, aber auch eine systematische Auslagerung bestimmter <strong>Prozess</strong>schritte<br />
könnte in Betracht gezogen werden. Ein Spezialist kann es evtl. besser und preisgünstiger –<br />
aber geben wir hier nicht auch das Know-how für unsere Kernkompetenzen ab und degradieren<br />
zu einem reinen „Projektmanager“ mit minimaler Wertschöpfung, aber ganzer Lieferund<br />
Kostenverantwortung?<br />
Von der Automobilindustrie kennt man, dass man nicht jede Schraube selber herstellen<br />
muss, wenn man ein Auto bauen möchte. Dies bringt die Frage auf, ob wirklich jedes Modell<br />
oder Werkzeug in der eigenen Gießerei hergestellt wird oder ob es auch kompetente und<br />
preisgünstige Zulieferer im Umfeld der Gießerei gibt.<br />
Das gleiche gilt für die Herstellung <strong>von</strong> Prototypen und Mustern, für die Serienherstellung<br />
<strong>von</strong> Kernen oder der Auslagerung der Instandhaltung zu Serviceanbietern. Es gibt spezialisierte<br />
Zulieferer – mit eigenem Know-how und mit Professionalität.<br />
Die Gießereien werden in der Zukunft ganz eng in ein Produktionsnetzwerk eingebunden<br />
sein. Grundsätzlich wird es in Zukunft so sein, dass die Gießerei als Zulieferer mehr Aufgaben<br />
des Kunden übernimmt, aber gleichzeitig andere Bereiche innerhalb der Gießerei an<br />
Zulieferer oder Dienstleister abgibt.<br />
Es wird <strong>von</strong> Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein, was selbst und was extern gemacht<br />
werden wird. Die eigenen Teilprozesse werden <strong>von</strong> Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein –<br />
27
je nach Produkt, Marktsituation, Kundenstruktur und Finanzlage des Betriebes. Es ist auf<br />
jeden Fall nicht nur eine Frage <strong>von</strong> Betrieben in Hochlohnländern, die mit preiswerten<br />
Dienstleistungen aus Niedriglohnländern ihre Kosten minimieren möchten. Es ist auch eine<br />
Frage <strong>von</strong> Betrieben, die vor Investitionsentscheidungen stehen und sehr genau überlegen<br />
müssen, für welchen Teilprozess sie ihre Investitionsmittel am sinnvollsten einsetzen sollen,<br />
und was sie <strong>von</strong> Dienstleistern zukaufen können. Dies gilt in Zeiten des Wachstums genauso<br />
wie in Zeiten mit angespannter wirtschaftlicher Lage.<br />
Für Gießereien bedeutet dies auf der einen Seite eine große Chance <strong>zur</strong> Übernahme neuer<br />
Wertschöpfungsanteile, auf der anderen Seite aber auch ein Argument für die eigene Auslagerung<br />
bestimmter Tätigkeiten an Zulieferbetriebe, sei es aus Kosten- oder Kapazitätsgründen.<br />
Die Gießereien können daher die Frage nach der optimalen Wertschöpfung in erster<br />
Linie als Chance sehen.<br />
In einer Studie des Verbandes der deutschen Automobilindustrie [VDA04] wurde 2004 untersucht,<br />
wie sich die Automobilhersteller bezüglich ihrer Wertschöpfungsanteile verhalten<br />
werden. In dieser Studie wurde eindeutig festgestellt, dass die Automobilhersteller ihre eigenen<br />
Wertschöpfungsanteile weiter zugunsten der Zulieferer reduzieren werden. Dies gilt insbesondere<br />
für alle Teile und Funktionen, die nicht marktentypisch sind. Für Gießereien bedeutet<br />
dies auf der einen Seite eine große Chance <strong>zur</strong> Übernahme neuer Wertschöpfungsanteile,<br />
auf der anderen Seite aber auch ein Argument für die eigene Auslagerung bestimmter<br />
Tätigkeiten an Zulieferbetriebe, sei es aus Kosten- oder Kapazitätsgründen. Die Gießereien<br />
können daher die Frage nach der optimalen Wertschöpfung in erster Linie als Chance<br />
sehen.<br />
Outsourcing gezielt einsetzen - kein pauschalisieren möglich!<br />
Outsourcing lohnt sich nicht in jedem Fall. Je mehr Geschäftsprozesse Unternehmen outsourcen,<br />
desto geringer ist oft ihre Produktivität. Das ist das Ergebnis einer im Auftrag des<br />
Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Düsseldorf, vom Fraunhofer Institut für System- und<br />
Innovationsforschung, Karlsruhe, erstellten Studie. Betriebe mit einer hohen Fertigungstiefe<br />
erreichen im Gegensatz zum Durchschnitt der Industrie eine höhere Produktivität <strong>von</strong> mehr<br />
als 8 %. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie durch Outsourcing nicht zwingend Kosten<br />
einsparen, so der VDI-Präsident Prof. Bruno O. Braun. Schlanker und schneller ist nicht automatisch<br />
besser. Transaktionskosten mit Zulieferern, Abhängigkeiten und Zulieferermargen<br />
sind häufig Punkte, die Unternehmen un<strong>zur</strong>eichend berücksichtigen, wobei die Betriebsgrö-<br />
28
ße keine Rolle spielt. Zurückhaltung beim Outsourcing oder, wo sinnvoll, aktives Insourcing<br />
steigert lt. Braun die Produktivität dagegen um teilweise mehr als 10 %. Gerade in Zeiten<br />
unausgelasteter Kapazitäten wie in der aktuellen Krise könnte damit das Insourcing eine<br />
strategische Option werden. Allein 2008 hatte das gesamte Outsourcing <strong>von</strong> Geschäftsprozessen<br />
in Deutschland ein geschätztes Volumen <strong>von</strong> 16 Mrd. Euro. Doch damit erhöhen<br />
Unternehmen nicht zwangsläufig ihre Wettbewerbsfähigkeit, meint Dr. Steffen Kinkel vom<br />
Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung. Als Vorteile für das Insourcing<br />
nennt der Wissenschaftler niedrigere Kosten durch verminderte Abstimmungsprozesse, eine<br />
erhöhte Flexibilität in Engpasssituationen, und dass sich die Kapazitäten dynamischer steuern<br />
lassen – eine „atmende“ Struktur wird möglich. Zudem bleiben Kernkompetenzen der<br />
Fertigung im Unternehmen. Gestützt werden diese Aussagen des Wissenschaftlers durch<br />
die Motive der Unternehmen, welche Fertigungskapazitäten wieder ingesourct haben. Denn<br />
da steht an erster Stelle eine Erhöhung der Flexibilität bei 57 % der Betriebe gleichauf mit<br />
einer Verbesserung der Qualität. Auch Kostenaspekte und die Erhöhung der Kompetenz<br />
spielen eine deutliche Rolle. Doch nicht nur durch die aktive Justierung der Fertigungstiefe<br />
kann die Produktivität gesteigert werden. Die Exportquote wirkt sich laut der Studie ebenfalls<br />
auf die Produktivität aus. Firmen, die einen großen Teil ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften,<br />
sind erheblich produktiver als Betriebe, die ihre Abnehmer überwiegend im Inland<br />
finden, so Kinkel. Die Konkurrenz auf den internationalen Märkten scheint Anreiz für die<br />
deutschen Betriebe zu sein, ihre Produktivitätsreserven systematisch auszuschöpfen<br />
[REN09].<br />
Es wird deutlich, dass in Gießereien lediglich die sehr zentralen Fertigungsbereiche „Gießen,<br />
Abkühlen, Ausleeren“ und „Formherstellung“ und in Eisen- und Stahlgießereien der<br />
„Schmelzbetrieb“ immer vorhanden sind.<br />
Die Optimierung der Wertschöpfungskette in den Gießereien führt zu vielfältigeren Formen<br />
als dies früher üblich war.<br />
Die folgenden Produktionsbereiche sind typisch in Gießereien vorhanden und stellen potentielle<br />
Möglichkeiten <strong>zur</strong> Optimierung der Wertschöpfungskette dar:<br />
29
Bauteil-Konstruktion<br />
Die Fähigkeit Bauteile zu entwickeln, ist nur mit erheblichem rechnergestützten und personellen<br />
Aufwand möglich. Für große Gießereien ist der Aufwand beträchtlich. Mittelständische<br />
Gießereien bieten diese Dienstleistung bisher nur in wenigen Fällen an.<br />
Es ist allerdings da<strong>von</strong> auszugehen, dass es zu den zukünftigen Kernkompetenzen einer<br />
Gießerei gehören wird, Gussteile funktionsgerecht auszulegen und berechnen zu können.<br />
Hierdurch wird die Gießerei zu einem langfristigen <strong>Entwicklung</strong>spartner, der nicht mehr beliebig<br />
austauschbar sein wird.<br />
Fachleute sind der Überzeugung, dass die zukünftig wettbewerbsfähige Gießerei ein Leistungsspektrum<br />
<strong>von</strong> der Bauteilkonstruktion bis hin zum fertig bearbeiteten Bauteil anbieten<br />
muss! Hierbei soll die <strong>Entwicklung</strong>skompetenz an erster Stelle stehen.<br />
Es ist erheblicher Aufwand nötig, um sich als <strong>Entwicklung</strong>spartner für seine Kunden zu qualifizieren.<br />
Hierzu ist es unabdingbar erforderlich, nicht nur das gießereispezifische Know-how<br />
zu beherrschen, sondern die Gießerei sollte auch systematisch das technische Know-how<br />
ihrer Kunden beherrschen, nur so können <strong>Entwicklung</strong>sleistungen bis hin <strong>zur</strong> eigenständigen<br />
Bauteilgestaltung und –berechnung übernommen werden. Eine gewaltige Herausforderung<br />
für viele Gießereien, die in der Regel ganz unterschiedliche Kunden beliefern. Hierbei ist<br />
schon in der Vielzahl der unterschiedlichen CAD-Systeme eine erhebliche Schwierigkeit zu<br />
erkennen.<br />
Gießereien sollten in der Lage sein, ein Gussteil zu optimieren. Funktion, Gestalt, Herstellprozess<br />
und Kosten können so optimal aufeinander abgestimmt werden.<br />
Die Ergebnisse der <strong>LeiKom</strong>-Projekte bezüglich der <strong>Entwicklung</strong>en leichterer Zylinderkurbelgehäuse<br />
bei Eisenwerk Brühl GmbH und NEMAK Rautenbach GmbH haben diese gezeigt -<br />
siehe <strong>LeiKom</strong>-Band „Produkt“.<br />
Gussteil- und Werkzeugkonstruktion<br />
Der Einsatz <strong>von</strong> Simulationssoftware <strong>zur</strong> Berechnung <strong>von</strong> Gießformfüllung und Abkühlungsvorgängen<br />
in einer Form sowie <strong>zur</strong> Simulation <strong>von</strong> Gussgefüge und Gusseigenschaften ist in<br />
zahlreichen Gießereien inzwischen typisch geworden, und wird sich noch weiter – auch bei<br />
30
kleineren Gießereien – verbreiten. Es werden immer kleinere Betriebe derartige Berechnungen<br />
<strong>von</strong> Spezialunternehmen anbieten.<br />
Eine vergleichbare <strong>Entwicklung</strong> ist auch bei der Simulation <strong>von</strong> gießereitechnischen <strong>Prozess</strong>en,<br />
wie der Kernfertigung, zu erwarten: zunächst statten sich lediglich die größten Gießereien<br />
und später auch vergleichsweise kleinere mit Rechner, Software und Fachpersonal<br />
aus.<br />
Prototypen-Herstellung<br />
Der Aufwand an Anlagentechnik und an Fachpersonal <strong>zur</strong> Fertigung mit so genannten Rapid-Prototyping-Verfahren<br />
ist erheblich. Außerdem ist die stetige <strong>Entwicklung</strong> neuer und die<br />
Verdrängung früherer Verfahren ein Grund, dass lediglich sehr große Gießereien eigenen<br />
Anlagen betreiben und die anderen Spezialfirmen beauftragen.<br />
Man geht da<strong>von</strong> aus, dass die Fertigung <strong>von</strong> Prototypen und Kleinstserien zunehmen wird,<br />
aber auch zukünftig bei Spezialfirmen bzw. spezialisierten Gießereien.<br />
Modell- und Werkzeugbau<br />
Der seit Jahren bestehende Trend, dass Gießereien Modelle und Werkzeuge bei Modellund<br />
Formenbauern fertigen lassen und lediglich Reparaturarbeiten an den Modellen und<br />
Formen selbst ausführen oder auch diese extern ausführen lassen, wird sich weiter fortsetzen.<br />
Kernmacherei<br />
Die Herstellung <strong>von</strong> Sandkernen ist und wird in den meisten Gießereien ein typischer Fertigungsbereich<br />
bleiben. Denn noch hat sich in der Vergangenheit ein Trend in Richtung teilweiser<br />
bis hin <strong>zur</strong> kompletten Auslagerung der gesamten Kernfertigung (nicht nur <strong>zur</strong> Abdeckung<br />
<strong>von</strong> Produktionsspitzen) angedeutet.<br />
Insbesondere die Automobilindustrie mit ihrer marktgesteuerten Innovationsgeschwindigkeit<br />
stellt sehr hohe Ansprüche an die Zulieferer – vor allem an die Kompetenz der Gießerei, wie<br />
z.B. bei der kernintensiven Produktion <strong>von</strong> Zylinderköpfen oder Motorblöcken. Aufgrund der<br />
unterschiedlich starken Belastungen durch das Gießmetall sind verschiedenartige Kerne<br />
notwendig, die sowohl vom Bindersystem als auch vom Formgrundstoff (Quarz-, Zirkon- und<br />
Chromerzsand) den Anforderungen entsprechen müssen. Die Forderung nach absoluter<br />
31
Fehlerfreiheit der Gussteile, verbunden mit größtmöglicher Reproduzierbarkeit, verlangt umfassende<br />
Kenntnisse über das Formstoffverhalten und den Bildungsmechanismen <strong>von</strong> Ungänzen<br />
im Gussteil.<br />
Mögliche Nutzung der strategischen Auslagerung der Kernfertigung:<br />
o Abdeckung <strong>von</strong> Spitzenkapazitäten<br />
o Kombination zwischen Eigenfertigung <strong>von</strong> wichtigen Kernsortimenten und<br />
Fremdbezug <strong>von</strong> Massenkernen<br />
o Vollkommene Trennung <strong>von</strong> der Eigenfertigung<br />
Abbildung 5-1 zeigt die unterschiedlichen <strong>Entwicklung</strong>sstufen einer Auslagerung der Kernproduktion<br />
in Abhängigkeit mit den betriebwirtschaftlichen Vorteilen auf.<br />
Abbildung 5-1: <strong>Entwicklung</strong>sstufen des Outsourcing<br />
[ELL00]<br />
Oftmals liegt es an der Philosophie einer Gießerei, ob man über eine Auslagerung der Kernkompetenz<br />
„Kernmacherei“ in Betracht zieht oder nicht. Bei dem heutigen Kostendruck und<br />
des immer stärker werdenden Wettbewerbs, kann es aber sinnvoll erscheinen, über eine<br />
Auslagerung der Kernfertigung kalkulatorisch nachzudenken. Abbildung 5-2 zeigt, dass die<br />
Kosten mit steigendem Perfektionsgrad (bei einem Perfektionsgrad <strong>von</strong> z.B. 100% wird jeder<br />
32
einzelne Arbeitsschritt hausintern geleistet) überproportional ansteigen – dies ist aus betriebswirtschaftlicher<br />
Sicht nicht empfehlenswert.<br />
Abbildung 5-2: Zusammenhang zwischen Perfektionsgrad einer Fertigung<br />
und den Kosten<br />
[ELL00]<br />
Ein weiterer Kostenfaktor in der Kernfertigung ist die Abdeckung <strong>von</strong> Produktionsspitzen.<br />
Hier fallen neben den festen Fixkosten zusätzlich Kosten für erhöhten Verschleiß der Anlagen<br />
und erhöhte Personalkosten an. Abbildung 5-3 zeigt die Kernfertigungskosten in Bezug<br />
auf die Produktionsmenge. Im Normalbetrieb steigen die Kosten lediglich linear an, wobei die<br />
Kosten bei einer Produktion, die über die normalen Kapazitäten hinausgeht, überproportional<br />
ansteigen. Dies liegt an den gesteigerten variablen Kosten, wie z.B. für zu zahlende Überstundenzuschläge<br />
und einem höheren Reparaturaufwand. Aber auch an gesteigerten Fixkosten,<br />
wie z.B. für das Leitungspersonal, Gebühren für Genehmigungen, höheren Bereitschaftsgrad<br />
innerbetrieblicher Servicestellen.<br />
33
Abbildung 5-3: Kostenverlauf bei Überbelegung und Fremdbezug<br />
[ELL00]<br />
Bei Auslagerung der Kernfertigung kann die Kernfabrik als Kapazitätsreserve des Kunden<br />
fungieren, da der verstetigte Auslastungsgrad der Kernfertigungszentren eine Zusatzproduktion<br />
mit normalisierten Kosten ermöglicht [ELL00].<br />
Bei jeder strategischen Überlegung über eine teilweise bzw. komplette Auslagerung der<br />
Kernherstellung sollte stets in Betracht gezogen werden, dass der entsprechende Zulieferer<br />
sowohl absolute termintreue, aber auch den hohen Qualitätsanforderungen an das Produkt<br />
jeder Zeit garantieren kann.<br />
Schmelzbetrieb<br />
In Eisen-, Stahl- und Buntmetallgießereien ist der Schmelzbetrieb ein immer vorhandener<br />
Bereich. In Aluminiumgießereien wird die Schmelze vollständig erschmolzen oder teilweise<br />
als Flüssigmetall <strong>von</strong> einem Hüttenbetrieb bezogen. Die Anlieferung <strong>von</strong> Flüssigaluminium<br />
ist energieeffizient und wird in Gießereien mit günstigem Transportweg zu Recycler bzw.<br />
Aluminiumhütten zukünftig intensiver zu prüfen sein.<br />
34
Belieferung mit Flüssigaluminium<br />
Die Beliefermöglichkeit <strong>von</strong> Aluminiumgießereien mit Flüssigaluminium hat im Wesentlichen<br />
den Vorteil, dass die Gießerei im Vergleich zum Einsatz der üblichen Aluminiummasseln die<br />
Energie zum erneuten Schmelzen einspart. Dies spart nicht nur Energiekosten, sondern<br />
auch Investitionskosten in Schmelzöfen, reduziert die Kosten des Zustellens <strong>von</strong> Öfen, reduziert<br />
die ökologische Belastung durch CO2 und auch den Metallabbrand - Abkrätzen oder<br />
weitere Umfüllvorgänge werden reduziert.<br />
Das Einsatzgebiet für die Zulieferung <strong>von</strong> Flüssigaluminium kann <strong>von</strong> der Abdeckung <strong>von</strong><br />
Produktionsspitzen bis hin <strong>zur</strong> vollständigen Versorgung mit Aluminium reichen.<br />
Eine Weiterentwicklung des Transportbehälters ermöglicht nun auch das Warmhalten der<br />
Schmelze ohne weiteres Umfüllen in einen separaten Warmhalteofen. Die Integration <strong>von</strong><br />
passiven Heizsystemen (Tauchrohre) an das vorhandene Straßentransportsystem ermöglicht<br />
das Warmhalten der Aluminiumschmelze in der Gießerei. Es wird zwischen zwei Möglichkeiten<br />
der Beheizung unterschieden. Zum Einen ist es möglich, die Tauchrohre nach dem<br />
Widerstandsprinzip zu beheizen und zum Anderen durch einen indirekt wirkenden Erdgasbrenner.<br />
Der Lieferradius <strong>von</strong> Flüssigaluminium ist durch die Weiterentwickelung der Straßentransportbehälter<br />
in Richtung verbesserte Isolation nicht nur auf das direkte Umfeld einer Aluminiumhütte<br />
bzw. Recycler beschränkt. Moderne Straßentransportbehälter haben lediglich eine<br />
Abkühlrate <strong>von</strong> ca. 10°K/h. Dies ermöglicht auch einen Transport über mittlere Distanzen<br />
(Abbildung 5-4).<br />
Abbildung 5-4: Zeigt die neu entwickelten Straßentransportbehälter mit der Möglichkeit<br />
<strong>zur</strong> Einbringung eines Heizsystems zum Warmhalten der Schmelze – hier die widerstandsbeheizte<br />
Variante.<br />
35
Die technischen Daten der Heizelemente zeigt Tafel 5-1. Hier wird die widerstandsbeheizte<br />
Variante mit der erdgasbeheizten Variante anhand der Merkmale und der technischen Daten<br />
verglichen.<br />
Tafel 5-1. Spezifische Merkmale der indirekten Beheizungsvarianten für Straßentransportbehälter<br />
[KUO07]<br />
Der qualitative Vergleich zwischen der traditionellen Verarbeitung in Blockform und der Verarbeitung<br />
<strong>von</strong> Flüssigaluminium zeigt (Tafel 5-2).<br />
36
Tafel 5-2: Qualitativer Vergleich - Blockbelieferung vs. Flüssigmetallbelieferung<br />
[KUO07]<br />
> Eingesparte Schmelzenergie<br />
Die direkte Belieferung mit Flüssigaluminium und der damit verbundene Wegfall des Wiedereinschmelzens<br />
<strong>von</strong> Aluminium können Einsparungen <strong>von</strong> 700-1200 kWh/t ermöglichen. Bei<br />
Gaskosten <strong>von</strong> 0,04 €/kWh können so 28-48 €/t an Energiekosten eingespart werden.<br />
Tafel 5-3 zeigt einen Vergleich der technischen Daten <strong>von</strong> Ofentypen, die in einer typischen<br />
Aluminiumgießerei zu finden sind. Diese Daten dienen als Grundlage für das angeführte Berechnungsbeispiel.<br />
37
Tafel 5-3: Ofentypen und technische Daten<br />
> Eingesparte Metallverluste<br />
Ausgehend <strong>von</strong> einer direkten Belieferung des Flüssigaluminiums an den Gießtiegel tritt lediglich<br />
ein Metallverlust während des Umfüllvorganges auf, der sich auf ca. 0,2% beläuft.<br />
Dabei kommt es zu einem reinen Metallverlust <strong>von</strong> 2-5% d.h. 20-50 kg/t. Wenn man einen<br />
Metallpreis <strong>von</strong> 2100 €/t ansetzt, können Einsparungen <strong>von</strong> 42-105 €/t erzielt werden.<br />
> Sonstige Kostenersparnis<br />
Die sonstigen Kostenersparnisse müssen <strong>von</strong> Fall zu Fall betrachtet werden, wie z.B. ob<br />
durch den Einsatz <strong>von</strong> Flüssigaluminium auf eine Investition in einen neuen Ofen oder ähnliches<br />
verzichtet werden kann. Allgemein kann man jedoch sagen, dass das Einsparpotential<br />
in Bereichen wie Finanzierung, Umschlag, Lagerhaltung, Genehmigungsaufwand und die<br />
damit verbundene Zeitersparnis bei neuen Anlagen etc. mit einbezogen werden müssen.<br />
38
Ökologische Vorteile der Belieferung mit Flüssigaluminium<br />
Neben den wirtschaftlichen Vorteilen der direkten Belieferung mit Flüssigaluminium kommen<br />
auch ökologische Vorteile hinzu [KU007].<br />
Bei einem spezifischen Energieverbrauch <strong>von</strong> 700 kWh/t Aluminium können demnach 141<br />
kg CO2/t Aluminium, bei 1200 kWh/t 242kg CO2/t Aluminium an Emissionen innerhalb einer<br />
Gießerei vermieden werden.<br />
Für den Metallverlust ist die CO2 Bilanzierung auf die gesamte <strong>Prozess</strong>kette - bis hin <strong>zur</strong> der<br />
Primäraluminiumgewinnung <strong>zur</strong>ückzuführen, da das oxidierte Aluminium unwiderruflich dem<br />
Wirtschaftskreislauf entzogen wird, und so durch Primäraluminium ersetzt werden muss.<br />
Vom Bauxitabbau bis zum Primäraluminium ergibt dies eine CO2-Fracht <strong>von</strong> 10634 kg/t Primäraluminium.<br />
Bei einem Metallverlust <strong>von</strong> 2% entspricht dies 212 kg CO2/t geschmolzener<br />
Masseln, 5% Metallverlust entspricht 532 kg CO2/t.<br />
Aus rein spezifischer Sicht der Aluminiumgießerei ergibt sich somit ein nachhaltiges CO2-<br />
Reduzierungspotential <strong>von</strong> 335-775 kg CO2/t.<br />
Aus Gründen der anhaltenden Debatten über die Nachhaltigkeit und den ökologischen Beitrag<br />
der energieintensiven Industrien (zu denen auch die Gießereiindustrie zählt) ist eine<br />
solche CO2-Bilanzierung nicht nur <strong>von</strong> ökologischem Wert, sondern führt auch zu einer Verbesserung<br />
des Gesamtimages einer Gießerei und somit auch der ganzen Branche [KUO07].<br />
Gießen, Abkühlen, Ausleeren der Form<br />
Das Gießen, Abkühlen und Entleeren der Form wird auch in Zukunft eine unablässige Kernkompetenz<br />
der Gießerei bleiben.<br />
Gussnachbearbeitung<br />
Die Gussnachbearbeitung, wie das Entgraten, wird <strong>von</strong> zahlreichen kleinen oder mittelständischen<br />
Gießereien wegen der Personalkosten zu erheblichem Anteil an Dienstleistungsunternehmen<br />
in Auftrag gegeben. Es ist zu erwarten, dass u. a. wegen der zukünftigen Fortschritte<br />
in der Automatisierungstechnik, derartige Arbeiten in den Gießereien ausgeführt<br />
werden – wie dies bei den großen Automobilzulieferern typisch ist. Ein solch hoher Automatisierungsgrad<br />
ist allerdings zunächst nur bei Gießereien mit Großserien zu erwarten.<br />
39
Ein weiterer Trend bei grenznahen Gießereien ist es, die Gussstücke in Niedriglohnländern<br />
zu transportieren und dort putzen zu lassen, um so eine Steigerung der Wertschöpfung zu<br />
erzielen.<br />
Endbearbeitung<br />
Die Endbearbeitung wird zunehmend Teil der Wertschöpfungsketten in Gießereien. Die Lieferung<br />
einbaufertiger Komponenten verstärkt die Bindung zwischen Gießerei und ihrem Abnehmer.<br />
Es erscheint unabdingbar, das Leistungsangebot der Gießerei auf fertig bearbeiteten Guss<br />
zu erweitern – eine andere Frage ist, ob die Gießerei hier selbst investieren muss oder ob<br />
gerade hier die Kooperation mit einem kompetenten Spezialisten angebracht ist. Dies hängt<br />
in erster Linie vom Produktspektrum der Gießerei ab. Beim Serienlieferant für die Automobilindustrie<br />
mit life-time-Verträgen ist diese Frage anders zu beantworten als bei einer mittelständischen<br />
Kundengießerei mit einer breiten Kundenpalette.<br />
Die Automobilindustrie hat sich in der Regel bereits auf ganz wenige Produktgruppen spezialisiert<br />
und bezieht über Jahre das gleiche Produkt. Mit dieser Investitionssicherheit können<br />
mit einer eigenen Bearbeitung die letzten Rationalisierungspotentiale ausgenutzt werden, der<br />
externe Ausschuss und Schnittstellenprobleme werden minimiert und der Informationsfluss<br />
deutlich verbessert – alles gute Gründe für eine eigene Bearbeitung.<br />
Aber auch eine Kundengießerei muss sich mit der Thematik beschäftigen. Auch sie muss die<br />
Bearbeitung für den Kunden übernehmen können und die Technologie beherrschen. Zumindest<br />
soweit, um als kompetenter Gesprächspartner für den Kunden aber auch für den Bearbeitungsdienstleister<br />
<strong>zur</strong> Verfügung zu stehen. Hier wird in Zukunft der Kunde mehr Wert<br />
darauf legen und neben den Teilekosten auch den Service der Gießerei bei seiner Lieferantenauswahl<br />
mit berücksichtigen. Viele Kunden der Gießereien haben heute weder einen<br />
Gießereispezialisten noch einen Bearbeitungsfachmann – dieses Know-how erwartet der<br />
Abnehmer aber <strong>von</strong> seinen Lieferanten, zumindest in Europa!<br />
Instandhaltung<br />
Die Instandhaltung ist ein Bereich, der in Gießereien typischerweise vorhanden ist. Verbreitung<br />
findet allerdings zunehmend die dauerhafte Beauftragung <strong>von</strong> Dienstleistungsunternehmen,<br />
die sich auf Instandhaltungsmaßnahmen spezialisiert haben.<br />
40
Ausgangssituation und <strong>Entwicklung</strong>strends <strong>zur</strong> Auslagerung der Instandhaltung<br />
Zunehmend verkettete und automatisierte Fertigungsprozesse, höhere Ansprüche an die<br />
Produktqualität sowie die Notwendigkeit höherer Verfügbarkeit <strong>von</strong> Maschinen und Anlagen<br />
haben in den letzen Jahren zu rasant steigenden Anforderungen an die Instandhaltung geführt.<br />
Gleichzeitig verlangt wachsender Kostendruck oft eine deutliche Reduzierung des<br />
Ressourceneinsatzes für erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen.<br />
> Erhöhung der Reaktionsfähigkeit<br />
Technische Probleme müssen kurzfristig und präzise diagnostiziert werden und Maßnahmen<br />
sind unmittelbar zu ergreifen. Das stellt besondere Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit<br />
der Instandhaltung und macht den Faktor Zeit zu einer eigenständigen<br />
Zielgröße. Die spricht für eine eigene, interne Instandhaltung. Am Besten ist, wenn die<br />
Instandhaltung zu einem Teil in die Produktion integriert ist - wie die <strong>LeiKom</strong>-<br />
Ergebnisse aussagen.<br />
> Verbesserung der Ressourcennutzung<br />
Der immer weiter ansteigende Kostendruck durch den Wettbewerb erfordert in jeder<br />
Abteilung der Gießerei qualitativ hochwertige und effiziente Arbeitsmethoden – auch<br />
und gerade in der Instandhaltung.<br />
Hinsichtlich der Instandhaltung äußert sich die Forderung nach Ressourceneffizienz in<br />
wachsenden Qualitätsansprüchen, dem Abbau <strong>von</strong> Puffern bei Personal und technischer<br />
Infrastruktur sowie in wesentlich gesteigerten Anforderungen an die Leistungsmotivation<br />
(siehe auch Kapitel 14 „Instandhaltung in Gießereien“).<br />
> Steigerung der Innovationsfähigkeit durch Erschließung weiterer Aufgabenbereiche<br />
Die Kernkompetenz der Instandhaltung besteht in der Absicherung des Fertigungsprozesses.<br />
Die Instandhaltung hat tiefe Einblicke in die Leistungsfähigkeit und erkennt<br />
auch etwaige Schwachstellen innerhalb der technischen Infrastruktur, aber auch Überorganisation<br />
innerhalb des Fertigungsprozesses.<br />
In einem Wettbewerbsumfeld, in dem die kontinuierliche Verbesserung bestehender<br />
Strukturen, <strong>Prozess</strong>e und Technologien den Unternehmenserfolg bestimmt, gilt es,<br />
dieses Detailwissen zu nutzen, um Potentiale <strong>zur</strong> Effizienzsteigerung zu erkennen und<br />
zu erschließen. Somit erweitert sich der Aufgabenbereich der Instandhaltung über die<br />
traditionell technikzentrierte Fertigungsabsicherung hinaus zu einer ganzheitlichen Fertigungsbetreuung.<br />
Die Instandhaltung sollte sich somit nicht mehr als auftragsbezoge-<br />
41
nen-reaktiven Dienstleister sehen, sondern sollte vielmehr das Selbstverständnis zum<br />
impulsgebenden-initiativen Servicebereich begreifen lernen (Abbildung 5-5).<br />
Abbildung 5-5: Wandel der strategischen Anforderungen in der Instandhaltung<br />
[KOL05]<br />
Praxisbeispiel <strong>zur</strong> Auslagerung der Instandhaltung <strong>von</strong> Putz- und Schleifwerkzeugen:<br />
Eine Schweizer <strong>von</strong>Roll Casting-Gießerei konnteihre Schleifkosten durch ein neues Warenwirtschaftssystem<br />
und einen Vollservicevertrag für alle Gießereiwerkzeuge drastisch verringern.<br />
Bei früherer Vorgehensweise sind die eingesetzten Schleifenmaschinen und Meißelhämmer<br />
auf Crash gefahren worden. Für jedes Werkzeug hielt man deshalb immer wenigstens eines<br />
als Ersatz vor.<br />
Als später ein neues Warenwirtschaftssystem eingeführt wurde, nahmen Gießerei und<br />
Nachbearbeitung das Serviceangebot des Maschinenlieferatnen für eine gemeinsame Analyse<br />
der gesamten Werkzeugkosten und Instandhaltung an. Ein zeitlich befristeter Wartungsvertrag<br />
<strong>zur</strong> „Zustandsbezogenen Instandhaltung aller Materialbearbeitungswerkzeuge“ –<br />
gleich welcher Marke – abgeschlossen.<br />
In den Werksferien wurden binnen zwei Wochen die älteren Maschinen völlig zerlegt und<br />
generalüberholt, gekennzeichnet und alle ausgeführten Arbeiten in eine Servicedatenbank<br />
eingetragen, bevor sie <strong>zur</strong>ückgebracht wurden. Ein Vorgang der sich im Halbjahresrhythmus,<br />
jeweils in Betriebsferien wiederholt. Ergebnis nach dem Testjahr: man spart dabei, hat weniger<br />
Administration und eine höhere Werkzeugverfügbarkeit.<br />
Der Vollservice bietet Kostensicherheit, da alle Dienstleistungen zu Festpreisen abgewickelt<br />
werden.<br />
42
Durch den Umstieg bei Schruppschleifern <strong>von</strong> Hochfrequenz auf Druckluft und das Outsourcing<br />
der Werkzeuginstandhaltung seien allein die Reparaturkosten um 28% <strong>zur</strong>ückgegangen.<br />
Die Schleifproduktivität konnte gesteigert werden und dürfte - wie man in der Gießerei<br />
erwartet - tendenziell weiter zunehmen [STA06].<br />
6 Planung einer zukunftsorientierten Gießerei<br />
Gießereien müssen sich rasch und flexibel den veränderten Marktsituationen anpassen, um<br />
sich zukunftsorientiert darstellen zu können.<br />
Neben der Ausrichtung auf Nachhaltiges Wirtschaften zwingen zunehmender Wettbewerbsdruck,<br />
die Globalisierung der Märkte und die damit einhergehenden Veränderungen der<br />
Marktsituation die Gießereien zum Handeln. Die Abnehmer <strong>von</strong> Gießereiprodukten erwarten<br />
zunehmend .kundenspezifische und innovative Produkte zu günstigen Preisen, mit kurzen<br />
Lieferzeiten und hoher Termintreue. Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen die<br />
Gießereien die bisherigen Fertigungsstrukturen und Produktionsabläufe überdenken. Es gilt,<br />
die Planungsdauer und den Planungsaufwand zu reduzieren und gleichzeitig die Planungsqualität<br />
und Planungssicherheit zu erhöhen.<br />
6.1 Planung einer kompletten Gießerei<br />
Die folgende Empfehlung für eine systematische Planung einer Gießerei unter den Aspekten<br />
Nachhaltigen Wirtschaftens umfasst die Planungsphasen:<br />
>> Zielplanung<br />
>> <strong>Prozess</strong>planung<br />
>> Dimensionierung<br />
>> Strukturierung<br />
>> Ausführungsplanung<br />
43
Zielplanung<br />
+ Die Phase der Zielplanung dient <strong>zur</strong> Klärung der Fragen:<br />
o Welcher Weg führt <strong>zur</strong> Umsetzung der angestrebten Unternehmensstrategie?<br />
o Welche Zielkriterien haben höchste Priorität?<br />
+ Das Ziel dieser Planungsphase ist<br />
o die <strong>Entwicklung</strong> eines Zielkonzeptes und<br />
o die Formulierung einer Aufgabenstellung<br />
+ Das Ergebnis der Zielplanung ist<br />
o ein genehmigtes Zielkonzept<br />
<strong>Prozess</strong>planung<br />
+ Die Phase der <strong>Prozess</strong>planung dient <strong>zur</strong> Klärung der Fragen:<br />
o Welche Funktionen sind zu erfüllen?<br />
o Welche <strong>Prozess</strong>e laufen ab?<br />
+ Das Ziel der <strong>Prozess</strong>planung ist<br />
o die Bestimmung der Folge <strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>schritten und<br />
o die Beschreibung der <strong>Prozess</strong>schritte<br />
+ Das Ergebnis der <strong>Prozess</strong>planung sind<br />
o detaillierte <strong>Prozess</strong>beschreibungen<br />
Dimensionierung<br />
+ Die Phase der Dimensionierung dient <strong>zur</strong> Klärung der Fragen:<br />
o Welche Ressourcen erfüllen die Funktionen bzw. <strong>Prozess</strong>schritte?<br />
o Wie viel Ressourcen werden <strong>zur</strong> Funktionserfüllung benötigt?<br />
+ Das Ziel der Dimensionierung ist<br />
o die Bestimmung der Art und Menge <strong>von</strong> Ressourcen unter technischen und<br />
wirtschaftlichen Aspekten<br />
44
+ Das Ergebnis der Dimensionierung sind detaillierte Angaben zu:<br />
o Art und Menge der Betriebsmittel<br />
o Art und Größe der Flächen sowie<br />
o Qualifikation und Anzahl des Personals<br />
Strukturierung<br />
+ Die Phase der Strukturierung dient <strong>zur</strong> Klärung der Fragen:<br />
o Welche Intensität und welche Richtung haben die Beziehungen zwischen den<br />
Elementen?<br />
o In welcher Struktur laufen die <strong>Prozess</strong>e ab?<br />
+ Das Ziel der Strukturierung ist<br />
o der Entwurf einer durch die <strong>Prozess</strong>e „induzierten“ räumlichen und zeitlichen<br />
Struktur.<br />
+ Das Ergebnis der Strukturierung ist<br />
o für die räumliche Struktur: ein Feinlayout in den Etappen Strukturtypentscheidung,<br />
Blocklayout. Feinlayout und<br />
o für die zeitliche Struktur: Ablaufpläne<br />
Ausführungsplanung<br />
+ Die Phase der Ausführungsplanung dient <strong>zur</strong> Klärung der Frage:<br />
o Wie und in welcher Reihenfolge werden die einzelnen Gewerke ausgeführt?<br />
+ Das Ziel der Ausführungsplanung ist<br />
o die Gewährleistung einer reibungslosen Realisierungsphase des Planungsvorhabens.<br />
+ Das Ergebnis der Ausführungsplanung ist<br />
o ein Projektplan, in dem alle Aufgaben und Termine sowie die jeweilige Verantwortlichkeit<br />
beschrieben werden.<br />
Die Umsetzung der Planung kann zielorientiert mit den im Folgenden beschriebenen Schritten<br />
realisiert werden.<br />
45
Die Projektvorbereitung:<br />
• Projektstruktur festlegen<br />
• Projektteams bilden und Verantwortlichkeit klären<br />
• Qualifizierung der Projekt- und Teilprojektleiter zu den Themen<br />
° Projektmanagement, Steuerung <strong>von</strong> Gruppenprozessen<br />
• Vorbereitung Kick-off Meeting<br />
° Führungskreis, Projektleiter, Teilprojektleiter<br />
° Belegschaft<br />
• Einbeziehung des Betriebsrates<br />
Aufgaben des Projektleiters:<br />
• Teilprojektleiter und Teams koordinieren<br />
• Projektplan und Lastenheft erstellen<br />
• Meilensteine fixieren<br />
• Abgleich der Ressourcen<br />
• Einberufen <strong>von</strong> Teamgesprächen<br />
• Bildung eines Kernteams<br />
Der Projektstart, Kick-off Meeting<br />
• Klare Definition der Projektinhalte<br />
• Vereinbaren <strong>von</strong> Spielregeln<br />
• Commitment auf Termine<br />
• Kapazitätsfreigabe <strong>von</strong> Projektmitarbeitern<br />
• Festlegung der Informationskaskade<br />
Spielregeln der Zusammenarbeit und Informationskaskade<br />
• Offene, ehrliche Kommunikation: kurz und prägnant<br />
• Jeder Projektmitarbeiter hat Bringpflicht für seine Aufgaben<br />
• Regelmäßige Meetings der Teams<br />
• Jedes Meeting wird <strong>von</strong> allen vorbereitet<br />
• Besprechungsdauer max. 2 Stunden mit max. 7 Mitarbeitern<br />
46
• Konflikte zuerst im Projektteam behandeln und lösen<br />
• 14-tägiger Bericht pro Hauptprojekt an Linie und Lenkungskreis<br />
• Regelmäßige Information an Linien- und Projektmitarbeiter<br />
• Lenkungskreis alle 8 Wochen<br />
Wie wird der Betriebsrat einbezogen?<br />
• Vorabinformation<br />
• Einladung <strong>zur</strong> Informationspräsentation<br />
• Einladung zum Workshop<br />
• Einladung <strong>zur</strong> Ergebnispräsentation<br />
• Kontinuierliche Information über den „Stand der Dinge“<br />
Arbeitsfähigkeit der Projektteams herstellen<br />
• alle Teammitarbeiter auf die gleiche Wissensbasis stellen<br />
• Unterziele für das Projektteam definieren<br />
o Minimierung <strong>von</strong> Schnittstellen um 20%<br />
o Reduzierung des Handlingsaufwandes<br />
o Behältersysteme auf 2 reduzieren<br />
o Flächenbedarf um 30% senken<br />
• Projektzeitplan entwickeln und abstimmen<br />
Ein Beispiel für eine Projektplanstruktur ist nachfolgend dargestellt.<br />
Zielplanung<br />
• Aufgabenbeschreibung<br />
• Zeitrahmen<br />
• Investitionsvolumen<br />
• Zielgrößen<br />
• Randbedingungen<br />
<strong>Prozess</strong>planung<br />
• Personalplanung Grob<br />
47
• <strong>Prozess</strong>beschreibung<br />
• Umzugsklasse definieren<br />
• Datenaufnahme Betriebsmittel<br />
• Maschinen-Fördertechnik-Lagerplanung<br />
Groblayoutplanung<br />
• Variantengenerierung<br />
• Variantenbewertung, mögliche Bewertungskriterien, wie<br />
> Erweiterbarkeit<br />
> Flussgrad<br />
> Materialflusslänge<br />
> Flexibilität<br />
> Flächennutzung<br />
> Handhabungsaufwand<br />
> kostengünstiger Umbau<br />
• Variantenauswahl<br />
Feinlayoutplanung<br />
• Variantengenerierung<br />
• Variantenbewertung<br />
• Variantenauswahl<br />
Bauplanung und Ausführung<br />
• IST-Datenaufnahme<br />
• Gebäudestruktur<br />
• Statik<br />
• Ausführungsplanung<br />
• Ausführung<br />
• Brandschutz<br />
• Brandschutzgutachten<br />
• Fluchtwegeplan<br />
• Brandschutzanlagenplanung<br />
• Festlegung der Meldepunkte<br />
• Dimensionierung/Auswahl Feuerlöscher<br />
• Installation Meldepunkte<br />
48
Medienversorgung- und Entsorgungsplanung<br />
Klima-/Lüftungstechnik<br />
Haustechnik<br />
Abwasserplanung<br />
Umzug<br />
Digitale Fabrik und Gießereien<br />
Die vorangehende Aufstellung <strong>von</strong> Arbeitsschritten ist angelehnt an eine Empfehlung des<br />
IFF, Magdeburg.<br />
Ein innovatives Planungskonzept ist die „Digitale Fabrik".<br />
In der VDI-Richtlinie 4499 Blatt 1 „Grundlagen <strong>zur</strong> Digitalen Fabrik" wird ein Überblick über<br />
die Ziele, die Anwendungsgebiete und den Nutzen der „Digitalen .Fabrik" gegeben. Es werden<br />
die Modelle, Methoden und Werkzeuge erläutert. Gerade auch für mittelständische Unternehmen<br />
geben diese Handlungsempfehlungen und Entscheidungshilfen.<br />
Die „Digitale Fabrik" stellt eine ganzheitliche Planung. Realisierung, Steuerung und laufende<br />
Verbesserung aller Fabrikprozesse und -ressourcen in Verbindung mit dem herzustellenden<br />
Produkt dar und steht als Oberbegriff für ein umfassendes Netzwerk <strong>von</strong> digitalen<br />
Modellen, Methoden und Werkzeugen, u. a. der Simulation und 3-D-Visualisierung, die<br />
durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden.<br />
Werden Soll/Ist-Vergleiche innerhalb einzelner Fertigungsbereiche in der Gießerei erstellt,<br />
gelangt man oftmals zu dem Ergebnis, dass zwischen deren installierten Kapazität und ihrer<br />
unter Betriebsbedingungen erreichten Leistung oftmals Diskrepanzen auftreten.<br />
Ein Grund für die Diskrepanzen ist die in Gießereien große Zahl der verschiedenartigen Fertigungsbereichen,<br />
die <strong>von</strong> einander abhängig sind. Wird jeder dieser Fertigungsbereiche mit<br />
einer eigenen optimalen Auslastung betrieben und nicht auf die anderen Bereiche abgestimmt,<br />
kann das Resultat eine suboptimale Gesamtleistung der Anlage sein. Es kann zu<br />
Engpässen oder nicht abgerufenen Teilen innerhalb der Teilprozesse kommen, da diese<br />
unterschiedlich schnell Material verbrauchen oder produzieren.<br />
Soll/Ist-Vergleiche innerhalb einzelner Fertigungsbereiche aufzuzeigen, um eventuelle<br />
Schwankungen aufzudecken, ist unter dem ständig steigenden internationalen Wettbewerbsdruck<br />
notwendig. Mit Hilfe der der <strong>Prozess</strong>optimierung, die sich durch die Digitale Fab-<br />
49
ik" erreichen lässt, kann die Effizienz der Unternehmen und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit<br />
langfristig gesteigert werden. Dabei hängt der Erfolg, der sich durch die „Digitale Fabrik"<br />
erreichen lässt, <strong>von</strong> der Gießereistruktur ab. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Kapazitätsreserven<br />
innerhalb einer Gießerei umso größer sind, je komplexer ein Gießereibetrieb<br />
aufgebaut ist.<br />
Um den Aspekten eines ständig wechselnden Fertigungsprogramms, z. B. Einzel- oder<br />
Kleinserienfertigung, Rechnung zu tragen und die Gesamtheit der Fertigungsprozesse darstellen<br />
zu können bedarf es eines Softwaretool <strong>zur</strong> Simulation <strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>abläufen.<br />
Damit werden folgende Aufgaben übernommen:<br />
• Soll/Ist-Vergleich des derzeitigen Fertigungsablaufes,<br />
• Optimierung der gesamtbetrieblichen Fertigungsorganisation und Logistik,<br />
• Bewertung der Notwendigkeit <strong>von</strong> Investitionen und deren Wirtschaftlichkeit.<br />
Die „Digitale Fabrik" hat sich in der Vergangenheit in der Automobilindustrie als Methodik<br />
und durchgängiges Werkzeug für die Anlagen-, und Produktionsprozessplanung sowie die<br />
virtuelle Inbetriebnahme etabliert.<br />
Durch die Digitalisierung <strong>von</strong> Fertigungsbereichen lassen sich komplexe Produktions- und<br />
Logistikprozesse am Computer planen, effizient modellieren und in kurzer Zeit simulieren,<br />
wodurch realitätsnahe Vorhersagen über die Funktionsfähigkeit <strong>von</strong> Fertigungsanlagen und<br />
Logistiksystemen ermöglicht werden. Durch die Simulation kann in einer Gießerei eine praxisnahe<br />
Prognose der Produktivität und der Leistungsfähigkeit der Fertigungs- und Logistikprozesse<br />
erstellt werden [GDF06].<br />
Detailplanungen einzelner Fertigungsbereiche oder Anlagen schließt an die Feinlayoutplanung<br />
unmittelbar an (Abschnitt 6.2 und 6.3).<br />
6.2 Planung eines Schmelzbetriebs in einer Metallgießerei<br />
Die Planung eines Schmelzbetriebs zeigt beispielhaft, wie im Rahmen einer Anlagenplanung<br />
– noch als Teil der Feinlayoutplanung oder als anschließende Planungsstufe - zielorientiert<br />
und unter nachhaltigen Aspekten innovative <strong>Prozess</strong>e, Anlagen und Arbeitssysteme in Gießereien<br />
eingerichtet werden können.<br />
50
Für die Planung einer speziellen Technik ist der technische Stand darzustellen und eine<br />
kompakte Bewertung als Entscheidungsgrundlage ist durchzuführen.<br />
>> Schmelzbetrieb und Gießerei<br />
Bei der Planung eines NE-Schmelzbetriebs ist zwischen folgenden Betriebsarten mit ihren<br />
unterschiedlichen Anforderungen an die Schmelzaggregate zu unterscheiden:<br />
Unterscheidung nach Gießverfahren:<br />
• Sandguss<br />
• Druckguss<br />
• Niederdruckguss<br />
• Kokillenguss<br />
Unterscheidung nach Fertigungskapazitäten:<br />
• Gießereien mit Großserienfertigung<br />
• Gießereien mit Kleinserienfertigung<br />
• Gießereien mit Einzelstückfertigungen<br />
• Mischbetriebe<br />
Die beschriebenen Betriebsarten erfordern unterschiedlich gestaltete Schmelzbetriebe. Bei<br />
Großserienfertigung, beispielsweise im Druckguss oder Sandguss <strong>von</strong> Aluminiumlegierungen<br />
auf Hochleistungs-Formanlagen, müssen vom Schmelzbetrieb ständig größere Mengen<br />
Schmelze bereitgestellt werden. In diesem Falle kann ein zentrales Schmelzen, beispielsweise<br />
im Schachtofen, oder die Anlieferung <strong>von</strong> Flüssigmetall sinnvoll sein.<br />
>> Einteilung der Schmelzöfen für NE-Gießereien<br />
Schmelzöfen für den NE-Schmelzbetrieb, insbesondere für Aluminium, lassen sich allgemein<br />
in 2 Hauptgruppen unterteilen:<br />
elektrisch beheizte Öfen:<br />
• Induktionsrinnenöfen<br />
• Induktionstiegelöfen<br />
• widerstandsbeheizte Tiegelöfen<br />
brennstoffbeheizte Öfen:<br />
• Herdöfen/Wannenöfen, in der Regel in Form <strong>von</strong> Schachtöfen<br />
51
• gasbeheizte Tiegelöfen<br />
• ölbeheizte Tiegelöfen<br />
Die Eigenschaften der verschiedenen Ofenarten ist hinsichtlich Vor- oder Nachteilen zu diskutieren.<br />
Wichtige Eigenschaften <strong>von</strong> Induktionsrinnenöfen:<br />
• Netzfrequenz<br />
• großes Fassungsvermögen<br />
• gute Energienutzung<br />
• geringe Badbewegung<br />
• gute Temperaturführung<br />
• geringe Emission<br />
• geringer Abbrand<br />
• keine Vorwärmmöglichkeit<br />
• gute metallurgische Eigenschaften<br />
• gute Betriebstechnik<br />
• komplexer Ofenaufbau<br />
• geringe Schmelzleistung<br />
• hohe Investitionskosten<br />
• Sumpffahrweise (geringe Legierungsflexibilität)<br />
• Behandlung im Ofen nur bedingt möglich<br />
• Temperaturgefälle im Metallbad<br />
Wichtige Eigenschaften <strong>von</strong> Induktionstiegelöfen:<br />
• einfacher Ofenbau<br />
• MF oder NF<br />
• hohe Schmelzleistung<br />
• gute Ankopplung an Feststoffeinsatz<br />
• kleine (MF) oder große (NF) Fassungsvermögen<br />
• hohe Schmelztemperatur<br />
• kein Temperaturgefälle<br />
• Behandlungen im Ofen möglich<br />
• geringe Emissionen<br />
• geringer Abbrand<br />
• sehr gute metallurgische Eigenschaften<br />
52
• gute Betriebstechnik (Temperaturführung)<br />
• sehr hohe Investitionskosten<br />
• hoher Anschlusswert<br />
• starke Badbewegung<br />
Wichtige Eigenschaften <strong>von</strong> widerstandsbeheizten Tiegelöfen:<br />
• sehr gute Energienutzung<br />
• gute Temperaturführung<br />
• niedrige Anschlusswerte<br />
• geringe Emissionen<br />
• rein Ohmsche Belastung<br />
• keine Badbewegung<br />
• gute metallurgische Eigenschaften<br />
• niedrige Investitionskosten<br />
• geringe Schmelzleistungen<br />
Wichtige Eigenschaften <strong>von</strong> Herd-/Wannenöfen bzw. Schachtöfen:<br />
• hoher thermischer Wirkungsgrad<br />
• gleichzeitiges Schmelzen und Warmhalten<br />
• Automatisches Chargieren<br />
• hohe Metallqualität<br />
• ölbehaftetes Einsatzmaterial möglich<br />
Wichtige Eigenschaften <strong>von</strong> öl- bzw. gasbeheizten Tiegelöfen:<br />
• mittlere bis hohe Schmelzleistung<br />
• kleiner bis mittlerer Investitionsaufwand<br />
• mäßiger thermischer Wirkungsgrad<br />
• hohe Schmelztemperaturen<br />
• ölbehaftetes Einsatzmaterial möglich<br />
• keine Badbewegung<br />
• metallurgische Probleme möglich<br />
• Temperaturregelung problematisch<br />
• Vorwärmmöglichkeit des Einsatzgutes<br />
• Emissionen höher als bei Elektroofen<br />
>> Einbindung des Schmelzbetriebs in den Gesamtbetrieb<br />
53
Bei der Planung eines Schmelzbetriebs ist nicht nur ein technisch-wirtschaftlicher Kostenvergleich<br />
für die Schmelzaggregate erforderlich, sondern auch die Verknüpfung mit dem gesamten<br />
Betriebssystem der Gießerei zu berücksichtigen.<br />
Die Gießerei kann als ein komplexes System aus drei Aggregaten (Kreisläufen) angesehen<br />
werden, (Abbildung 6-1). An der Stelle G treffen sich der Formen - und der Gießkreis. Bei<br />
der Planung des Schmelzbetriebs ist darauf zu achten, dass dem Bedarf an Formen eine<br />
analoge Menge an Flüssigmetall zu Verfügung steht. Eventuell sind Speicheröfen als Puffer<br />
zwischen Gieß- und Formenkreis vorzusehen. Werden ausschließlich Dauerformen verwendet,<br />
gibt es in (Abbildung 6-1) einen geschlossenen Formenkreis und keinen Formstoffkreis.<br />
Abbildung 6-1: Symbolische Darstellung der Gießerei als Komplexmaschine aus drei<br />
Aggregaten<br />
Neben der Abstimmung des Schmelzbetriebs auf die Formerei (bzw. die Kokillen- oder<br />
Druckgießformen) ist als weiterer Punkt bei der Planung eines Schmelzbetriebs die Materiallogistik<br />
der jeweiligen Gießerei zu beachten. So ist die Größe des Materiallagers, die Zahl<br />
und Anordnung der Lagerplätze sowie der Transport aus diesen Lagerplätzen zum Schmelzbetrieb<br />
<strong>von</strong> Bedeutung. Weiterhin ist der Transport des flüssigen Metalls - in der Regel mit<br />
ausgekleideten Pfannen - <strong>von</strong> den Schmelzöfen <strong>zur</strong> Abnahmestelle (Gießplatz bzw. Warmhalte-<br />
oder Gießöfen) ausschlaggebend.<br />
54
Bewertungsmethoden <strong>von</strong> Investitionsplanungen<br />
Die übliche Form der Bewertung geplanter Investitionen oder Verfahrenstechniken ist der<br />
Wirtschaftlichkeitsvergleich. Dies allein reicht aber für die Entscheidungsfindung nicht aus,<br />
weil viele subjektive oder unternehmensspezifische Kriterien nicht erfasst werden. Subjektive<br />
Kriterien sind z.B.:<br />
• Investitionshöhe: Entspricht die Investition den Vorstellungen der Unternehmensführung<br />
und ihrer Risikobereitschaft?<br />
• Flexibilität: Wie ist die Flexibilität des Schmelzverfahrens zu beurteilen?<br />
• Unternehmensspezifische Kriterien können teils subjektiv, teils objektiv sein:<br />
• Sind das Know How und das notwendige Personal vorhanden oder zu beschaffen?<br />
• Passt das Verfahren in den langfristigen Gesamtplan für Kapazitätserweiterung und Ausbau?<br />
• Wird das Verfahren auch in Zukunft die Qualitätsanforderungen an das Gussprogramm<br />
erfüllen?<br />
Die Antworten auf diese Fragen sind nur schwer zu quantifizieren; nicht zuletzt deshalb, weil<br />
diese Bewertung selbst bei gleichem Gussprogramm <strong>von</strong> Unternehmen zu Unternehmen<br />
unterschiedlich ausfallen muss.<br />
Als brauchbare Methoden, komplexe Entscheidungen zu finden, haben sich<br />
• Nutzwertanalysen<br />
• Entscheidungstabellen<br />
• Entscheidungsbaumverfahren<br />
gut bewährt. Von diesen drei Entscheidungsverfahren eignet sich für Investitionsplanungen<br />
und -entscheidungen die Nutzwertanalyse besonders gut. Zur Durchführung einer Nutzwertanalyse<br />
ist es wichtig, zunächst eine Zielhierarchie aufzustellen. Das Oberziel „Bestmögliches<br />
Schmelzverfahren“ gliedert sich in Knoten und Einzelziele. Eine solche Zielhierarchie<br />
könnte für einen NE-Schmelzbetrieb wie in Abbildung 6-2 aussehen:<br />
55
Abbildung 6-2: Beispiel einer Zielhierarchie für das bestmögliche NE-<br />
Schmelzverfahren<br />
Eine Auswahl detaillierter Bewertungskriterien für Einzelziele bei der Planung <strong>von</strong><br />
NE-Schmelzaggregaten zeigt Abbildung 6-1. Diese Bewertungskriterien sind <strong>von</strong> jeder Gießerei<br />
individuell entsprechend dem jeweiligen Bedarf und der Anforderungen an den<br />
Schmelzbetrieb zu definieren.<br />
56
Übersicht 6-1: Auswahl einiger wichtiger Bewertungskriterien für NE-<br />
Schmelzaggregate, insbesondere für den Aluminiumschmelzbetrieb<br />
Die Einzelziele ergeben sich aus den Knotenzielen. Aus diesen Einzelzielen, die so vollständig<br />
wie möglich definiert werden müssen, wird eine Zielwertmatrix entwickelt. Der nächste<br />
Schritt ist die Wichtung der Teilwünsche, die üblicherweise in Form <strong>von</strong> Prozentzahlen erfolgt.<br />
Diese Wichtung ist rein subjektiv und <strong>von</strong> Gießerei zu Gießerei unterschiedlich. Die<br />
Summe aller Wichtungen muss 100% ergeben. Die Bewertung der Alternativen kann nominal,<br />
ordinal oder kardinal erfolgen. Bei der nominalen Bewertung wird das Einzelziel lediglich<br />
57
mit "geeignet" oder "nicht geeignet" bewertet. Diese Methode ist ungenau und eignet sich nur<br />
für Vorentscheidungen. Bei der ordinalen Bewertung werden die Alternativen in Rangfolgen<br />
eingestuft unter der Annahme, dass die Abstände zwischen den Rängen gleich sind, was<br />
nicht immer zutreffen muss. Rangfolgen können z.B. sein: schlecht, mittel, gut - entsprechend<br />
z.B. 1,2,3.<br />
Nach erfolgter Wichtung und Bestimmung der Rangfolge wird die Wertsynthese erstellt.<br />
Hierbei werden die Prozentzahlen der Wichtung mit den Rangfolgeziffern multipliziert und die<br />
Ergebnisse addiert. In diesem Fall schneidet das Schmelzverfahren mit der höchsten Punktzahl<br />
am günstigsten ab. Ein Beispiel einer Zielwertmatrix für die ordinale Bewertung, die allerdings<br />
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ist in Abbildung 6-2 für die Planung<br />
eines Aluminiumschmelzbetriebs wiedergegeben. Die ordinale Methode ist genauer als die<br />
nominale, bedarf aber eines höheren Informations- und Zeitaufwandes. Bei sehr vielen Einzelzielen<br />
(> 10), deren Summe 100 % ergeben muss, wird die Wichtung kompliziert. Es empfiehlt<br />
sich dann, die Einzelziele in Kriterienbereiche aufzugliedern, deren Summe das Oberziel<br />
ausmacht. Die Wichtung der Knotenziele soll in der Summe 100 Prozent ergeben, desgleichen<br />
die Zusammenfassung der Knotenziele zum Oberziel.<br />
Einen noch höheren Aussagewert erhält die Nutzwertanalyse, wenn die Alternativen nicht<br />
nach Rangplätzen bewertet werden, sondern in Richtung und quantitativem Abstand definiert<br />
werden. Diese sogenannte kardinale Präferenzordnung setzt einen funktionalen Zusammenhang<br />
zwischen Nutzwert und einer Messgröße für die Eigenschaftsanforderungen voraus.<br />
Diese Funktion transformiert die Messgröße in ein für alle Eigenschaftsanforderungen gleiches<br />
Punkt- oder Prozentsystem. Die Punktzahlen der Alternativen werden wiederum mit der<br />
Wichtung multipliziert. Der Informationsaufwand für die kardinale Methode ist sehr hoch und<br />
kaum zu bewältigen. Diese Methode hat daher bisher in der Praxis keine Bedeutung erlangt.<br />
58
Abbildung 6-3: Beispiel einer Matrix für die Nutzwertanalyse <strong>zur</strong> Planung eines NE-<br />
Schmelzbetriebes<br />
59
6. 3 Planung <strong>von</strong> Maßnahmen <strong>zur</strong> Luftreinhaltung in Gießereien<br />
Die Planung <strong>von</strong> Umweltschutzanlagen zeigt beispielhaft, wie im Rahmen einer Anlagenplanung<br />
– noch als Teil der Feinlayoutplanung oder als anschließende Planungsstufe - zielorientiert<br />
und unter nachhaltigen Aspekten innovative <strong>Prozess</strong>e, Anlagen und Arbeitssysteme<br />
in Gießereien eingerichtet werden können.<br />
Für die Planung einer speziellen Technik ist der technische Stand darzustellen und eine<br />
kompakte Bewertung als Entscheidungsgrundlage ist durchzuführen.<br />
>> Maßnahmen <strong>zur</strong> Emissionsminderung<br />
Neben der Feststoffabscheidung (Mechanische Abscheider) werden bei der Reinigung <strong>von</strong><br />
luftfremden Stoffen verschiedene andere Verfahren eingesetzt, so z. B.<br />
• Thermische Reinigungsverfahren<br />
• Sorptionsverfahren<br />
• Biologische Abgasreinigungsverfahren<br />
Der heutige Stand der Abgasreinigungstechnik in Gießereien ist beschrieben in der EU-<br />
Ausarbeitung über die Best Verfügbaren Techniken (siehe Abschnitt „<strong>Prozess</strong>integrierter<br />
Umweltschutz“) [INT05]. Als gesetzgeberischen Bestimmungen sei im Besonderen verwiesen<br />
auf die in Deutschland gültige Technische Anleitung Luft TA Luft 2002 [BOL 04].<br />
>> Abscheidung <strong>von</strong> Feststoffen<br />
Die Staubabscheider lassen sich grundsätzlich in vier Hauptgruppen einteilen:<br />
• Massenkraftabscheider<br />
• Nassabscheider<br />
• Filternde Abscheider<br />
• Elektrische Abscheider<br />
Als Auswahlkriterien für den Einsatz dieser Staubabscheider gelten dabei unter anderem der<br />
Reingasstaubgehalt, die Betriebskosten sowie die Betriebssicherheit der Anlage.<br />
60
Filternde Abscheider<br />
Filternde Abscheider werden dadurch gekennzeichnet, dass das zu reinigende Staub-Gas-<br />
Gemisch durch die Filterelemente wie Gewebe, Filze, Schüttschichten, Keramik u. a. geleitet<br />
wird. Der Staub wird dabei aufgrund <strong>von</strong> Diffusions- und Trägheitseffekten auf der Filteroberfläche<br />
und/oder in den Poren des Filtermediums selbst abgeschieden. Die Gewebeart und<br />
das Filtermaterial selbst werden <strong>von</strong> verschiedenen Faktoren bestimmt, so z. B.:<br />
• Chemische Zusammensetzung des Trägergases<br />
• Gastemperatur<br />
• Gasfeuchtigkeit<br />
• Art des anfallenden Staubes<br />
• Korngrößenzusammensetzung des Staubes.<br />
Die einzusetzenden Filtermaterialien müssen eine hohe Form-, Temperatur- und chemische<br />
Beständigkeit besitzen. Neben Baumwoll- und Wollgeweben entwickelte man Gewebe und<br />
Filze aus synthetischen Fasern (Nomen). Mit diesen Geweben können gute Abscheideleistungen<br />
bei sehr unterschiedlichen Betriebsbedingungen (hohe Gastemperatur, Gasfeuchte,<br />
Säureanteile im Gas usw.) erzielt werden.<br />
Neuere <strong>Entwicklung</strong>en zielen daraufhin ab, Filtermaterialien bei hohen Temperaturen einzusetzen<br />
(Hochtemperaturgewebefilter).<br />
Die Einteilung der Gewebefilter kann nach unterschiedlichen Gesichtspunkten vorgenommen<br />
werden. Man unterscheidet je nach Anordnung des Ventilators zwischen Saug- und Druckfiltern.<br />
Je nach Bauweise können die Filter weiterhin in Schlauch- und Flächenfilter unterteilt<br />
werden. Daneben unterscheidet man Reihen- und Rundfilter.<br />
In verschiedenen Kammern hängen <strong>von</strong> oben nach unten Gewebeschlauche in Stützkörben.<br />
Durch diese Gewebeschläuche wird das Gas-Staub-Gemisch in den meisten Fällen <strong>von</strong> innen<br />
nach außen hindurchgeleitet. Wenn sich ein entsprechender Filterkuchen gebildet hat,<br />
muss dieser <strong>von</strong> den Schläuchen entfernt werden, da sonst eine weitere Filtration nicht mehr<br />
möglich ist. Dieser Vorgang wird als Reinigungsvorgang des Gewebes bezeichnet. Bei der<br />
Abreinigung wird Spülluft im Gegenstrom in die zu reinigende Schlauchkammer geführt.<br />
Mit Hilfe <strong>von</strong> mechanischen und/oder strömungstechnischen Mitteln wird dabei der Filterkuchen<br />
zerstört und gelangt in den Staubsammelbehälter. Nach Beendigung der Abreinigung<br />
wird erneut der Beladevorgang der Kammer eingeleitet.<br />
61
Nassabscheider<br />
Aus der Sicht der abzuscheidenden Stoffe ergeben sich bei der Nassabscheidung zwei Möglichkeiten:<br />
• die Niederschlagung <strong>von</strong> Feststoffpartikeln<br />
• die als Sorption bezeichnete Abtrennung gasförmiger Schadstoffkomponenten<br />
Staubabscheidung und Schadstoffabsorption können prinzipiell gleichzeitig in einem Nassabscheider<br />
erfolgen.<br />
Man unterscheidet grundsätzlich vier Einzelvorgänge, die <strong>zur</strong> Abtrennung <strong>von</strong> Staubpartikeln<br />
aus Gasen durch Nassabscheidung erforderlich sind:<br />
• Verteilung der Waschflüssigkeit in dem zu reinigenden Gas<br />
• Zusammenführen der Staubteilchen mit dem Waschmedium<br />
• Anlagerung und Bindung der Feststoffpartikel an die Flüssigkeit<br />
• Entfernung des Staub-Flüssigkeits-Gemisches aus dem Gas.<br />
Problematisch und schwer überschaubar ist der Vorgang der Zusammenführung <strong>von</strong> Staubteilchen<br />
und Waschflüssigkeit im Reinigungsraum eines Abscheiders. Dabei lassen sich im<br />
Wesentlichen vier beteiligte Elemente nennen:<br />
• Diffusionseffekte<br />
• Elektrostatische Effekte<br />
• Kondensationseffekte<br />
• Massenkrafteffekte infolge Trägheitskraft und / oder Schwerkraft.<br />
Bekannte Nassabscheidesysteme kann man grundsätzlich zwei Gruppen zuordnen. Die erste<br />
Gruppe umfasst Nassabscheider, bei denen vor allem eine hohe Verweilzeit des Staub-<br />
Gas-Gemisches im Waschraum bei niedriger Relativgeschwindigkeit zwischen dem zu reinigenden<br />
Gas und der Waschflüssigkeit vorliegt. Zur zweiten Gruppe gehören alle Nassabscheider<br />
mit hoher Relativgeschwindigkeit, aber kleinerer Verweilzeit.<br />
Zur ersten Gruppe zählen die Wäscher und Wirbelwäscher. Insbesondere beim Wäscher ist<br />
die Verweilzeit des Staub-Gas-Gemisches im Abscheideraum groß. Infolge niedriger Relativgeschwindigkeit<br />
wird aber zumeist keine sehr weitgehende Staubabscheidung erzielt, so<br />
dass diese Nassreiniger oft nur als Vorabscheider oder Gaskühler verwendet werden.<br />
62
Bei Rotationswäschern, als deren charakteristischer Vertreter der Desintegrator angesehen<br />
werden kann, ist eine hohe Relativgeschwindigkeit, die <strong>von</strong> häufigem Richtungswechsel begleitet<br />
wird, zusammen mit der intensiven Waschflüssigkeitsverteilung, für eine gute Staubabscheidung<br />
verantwortlich.<br />
Die Zuführung des Rohgases bei einem Radialdesintegrator erfolgt axial durch den Gaseintrittsstutzen.<br />
Danach wird das Gas umgelenkt und strömt radial durch den Reinigungsraum<br />
nach außen.<br />
Die Waschflüssigkeit, zumeist Wasser, wird in direkter Nachbarschaft der Rotorwelle mittels<br />
eines so genannten Spritzkegels aufgegeben und in Tropfen zerteilt.<br />
Das gereinigte Gas verlässt den Waschraum zusammen mit der Feststoff beladenen Waschflüssigkeit<br />
durch den Gasaustrittstutzen an der Gehäuseunterseite.<br />
Es sind grundlegende Untersuchungen an Radialdesintegratoren vorgenommen worden.<br />
Hinsichtlich der vorteilhaften Eigenschaften lassen sich bei Radialintegratoren nennen:<br />
• hohe Betriebssicherheit<br />
• Weitergehende Wartungsfreiheit<br />
• Geringer Platzbedarf<br />
• Niedrige Anschaffungskosten.<br />
Elektrische Abscheider<br />
Die elektrischen Abscheider gehören, ähnlich wie die filternden Abscheider, zu den wirksamsten<br />
Gasreinigungsapparaten. Im Allgemeinen kann man da<strong>von</strong> ausgehen, dass in elektrischen<br />
Staubabscheidern feinste Korngrößen erfasst werden. Es werden Abscheidegra-<br />
de <strong>von</strong> η ≥ 99 % erreicht.<br />
Ein Elektrofilter besteht prinzipiell aus folgenden Hauptbestandteilen:<br />
• dem Elektrofilter, als eigentlichen Abscheideapparat<br />
• der Hochspannungsanlage.<br />
63
Der Elektrofilter besteht aus sogenannten Gassen, die durch Niederschlagselektroden begrenzt<br />
sind. In deren Mitte sind Sprühelektroden angeordnet, die unter eine negative Hochspannung<br />
gesetzt werden.<br />
Grundsätzlich kann man die elektrische Staubabscheiderwirksamkeit in vier Teilvorgänge<br />
untergliedern:<br />
a) Aufladung der Partikel im elektrischen Feld,<br />
b) Transport der Partikel <strong>zur</strong> Niederschlagselektrode,<br />
c) Auftreffen der Partikel an der Niederschlagselektrode,<br />
d) Abtrennen des Staubes und Transport in den Staubsammelbunker<br />
Die Abtrennung erfolgt beim Trockenelektrofilter über Klopfung der Elektroden, beim Nasselektrofilter<br />
durch Spülung.<br />
Die Wirksamkeit <strong>von</strong> Nasselektrofiltern ist in sehr vielen Falten größer, als die <strong>von</strong> Trockenelektrofiltern,<br />
da infolge der niedrigen Gastemperaturen und der hohen Gasfeuchtigkeit bei<br />
der Nassfiltration die elektrische Leitfähigkeit höher ist.<br />
Nachteilig ist, dass der Nasselektrofilter teurer ist als ein Trockenelektrofilter, da eine oft aufwendige<br />
Wasseraufbereitung durchgeführt werden muss.<br />
>> Vergleich der Verfahren <strong>zur</strong> Staubabscheidung<br />
Vergleicht man die unterschiedlichen Staubabscheide-Systeme, so kann man feststellen,<br />
dass der Wirkungsgrad verschiedener Abscheidetypen begrenzt ist. Diese werden dann als<br />
Vorabscheider in Kombination mit anderen Abscheidern eingesetzt.<br />
Im Gegensatz zu nassarbeitenden Abscheidern, deren Effektivität vom Energieaufwand abhängig<br />
ist, werden Weiterentwicklungen bei Elektrofiltern und bei filternden Abscheidern betrieben.<br />
Für filternde Abscheider lagen in den letzten Jahren die interessanten technologischen Aspekte<br />
darin, Filtermaterialien zu entwickeln, die möglichst langlebig sind und hohen Temperaturen<br />
standhalten.<br />
Neben dem Gesamtabscheidegrad ist die Feinstaubabscheidung <strong>von</strong> besonderem Interesse.<br />
Feinstaub kann bevorzugter Träger bestimmter anorganischer Spurenelemente sein. Zur<br />
Beurteilung der toxischen Wirkung <strong>von</strong> Feinstäuben sind eine Reihe <strong>von</strong> Parameter <strong>von</strong> Bedeutung,<br />
die Je nach Art der Einwirkung und physikalisch-chemischen Effekten unterschieden<br />
werden müssen.<br />
64
Vergleicht man die Fraktionsabscheidegrade verschiedener Abscheider in Abhängigkeit vom<br />
aerodynamischen Durchmesser, erkennt man, dass im Gegensatz zu Hochleistungsnassabscheidern<br />
Elektrofilter und filternde Entstauber hohe Fraktionsentstaubungsgrade aufweisen.<br />
Bei nass arbeitenden Abscheidern ist das nur der Fall, wenn der Energieverbrauch sehr<br />
stark gesteigert wird.<br />
>> Investitions- und Betriebskosten bei Enstaubungsanlagen<br />
Die erforderlichen Investitionen und Betriebskosten für Abluftreinigungsverfahren sind für<br />
den Produktionsprozess im Hinblick auf Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen <strong>von</strong> besonderer<br />
Bedeutung. Es ist daher in vielen Fällen erforderlich, eine Kostenanalyse für die Entstaubungs-<br />
und Gasreinigungsanlagen durchzuführen.<br />
Die Investitionskosten für eine Gasreinigungsanlage umfassen prinzipiell folgende Einzelpositionen:<br />
• Gasreinigungsanlage, dazu gehören u. a. Vorabscheider, Gaskonditionierung,<br />
Staubaustrag,<br />
• Wasserkreislauf, Rohrleitungen, Gebläse etc.<br />
Die Betriebskosten setzen sich zusammen aus:<br />
• Abschreibung und Zinsdienst<br />
• Instandhaltung und Wartung<br />
• Betriebsstoffe<br />
• elektrische Energie<br />
Die Gewährleistungen im Hinblick auf Grenzwerte, stationäre und instationäre Betriebsphasen<br />
etc. sind einzubeziehen.<br />
Die notwendigen Aufwendungen für ein Entstaubungssystem sind jeweils gesondert für den<br />
Einzelfall zu bestimmen; es existieren Normierungsmöglichkeiten, diese sind jedoch nicht<br />
allgemein anwendbar im Hinblick auf erhebliche Differenzen wie z. B. Wartungs- und Reparaturdiensten,<br />
Abschätzung der Standzeiten etc.<br />
65
Vergleicht man diie spezifischen Gasreinigungskosten in Abhängigkeit vom Gasvolumenstrom<br />
dargestellt, so ist ersichtlich, dass bei ansteigenden Abluftvolumenströmen die Betriebskosten<br />
bei einem Radialdesintegrator wesentlich teurer sind als bei anderen Abscheidern.<br />
Wesentlich höhere Kosten entstehen z. B. bei Verwendung <strong>von</strong> hochtemperaturbeständigen<br />
Filtermaterialien.<br />
>> Schlussbetrachtung<br />
Die Staubminderungstechnologien sind im Vergleich <strong>zur</strong> Gasreinigungstechnik in der Bundesrepublik<br />
Deutschland nicht mehr wesentlich verbesserungsfähig.<br />
Im Gießereibereich werden hauptsächlich filternde Abscheider, zum Teil jedoch auch nassarbeitende<br />
Abscheider eingesetzt. Je nach Abscheidebedingungen werden für beide Systeme<br />
Abscheidegrade <strong>von</strong> über 99 % erreicht.<br />
<strong>Entwicklung</strong>en <strong>zur</strong> Reinigung <strong>von</strong> Gießgasen laufen und werden voraussichtlich in wenigen<br />
Jahren - in den Biofiltern u. a. derzeitigen Maßnahmen, <strong>zur</strong> Verfügung stehen, beispielsweise<br />
Reinigungssysteme mit Niedertemperaturkatalysator.<br />
7 Hohe <strong>Prozess</strong>fähigkeit als Voraussetzung für gegossene Leichtbau-<br />
Komponenten<br />
7.1 Die Beherrschung <strong>von</strong> Streuungen als wichtigste Aufgabe der Gießereitechnik<br />
Höhere Maßgenauigkeit ermöglicht die Fertigung gegossener Leichtbauteile: Soweit es möglich<br />
ist, Maßungenauigkeiten oder Festigkeitsstreuungen dauerhaft sicher in einer Produktion<br />
auszuschließen oder zu begrenzen, soweit kann bei der Konstruktion gegossener Bauteile<br />
auf „Sicherheitszuschläge“ verzichtet werden. Die Bauteile können mit geringeren Wanddicken<br />
ihre Funktion sicher erfüllen.<br />
Bei jeder Gussteilfertigung gibt es Streuungen bei <strong>Prozess</strong>- und bei Qualitätskenngrößen.<br />
Die Bestimmung und Bewertung dieser Streuungen bilden die Grundlage für das Ergreifen<br />
<strong>von</strong> den <strong>Prozess</strong> verbessernden Maßnahmen.<br />
Das Messen und Bewerten <strong>von</strong> Streuungen bei Maßen oder bei mechanischen Eigenschaften<br />
stellt den ersten Schritt dar. Hierbei ist die Erstellung <strong>von</strong> Streuungskatalogen<br />
eine empfehlenswerte Methode.<br />
66
Es liegt auf der Hand, dass Streuungen umso ausgeprägter sind, je schlechter ein <strong>Prozess</strong><br />
unter Kontrolle zu bringen ist. Schnell ablaufende Vorgänge, komplizierte, unüberschaubar<br />
vielgliedrige Vernetzungen, weit außerhalb einer stabilen Gleichgewichtslage<br />
ablaufende <strong>Prozess</strong>e und "naturbelassene" Ausgangspositionen erfordern offensichtlich<br />
einen hohen Aufwand <strong>zur</strong> Einengung <strong>von</strong> Streuungen. Zur Fertigung dünnwandigerer<br />
Gussteile ist die Einengung der Streubereiche unbedingte Voraussetzung.<br />
Konkurrenzfähiger Leichtbau ist nur möglich, wenn man Streuungen bei den Maßen und<br />
mechanischen Eigenschaften, dazu aber auch bei der chemischen Zusammensetzung, den<br />
Formstoffeigenschaften und in der gesamten Verfahrenstechnik einengt. Nur so wird es<br />
möglich, die mittleren Wanddicken ohne Steigerung des Risikos, ohne Verringerung des Sicherheitsabstandes<br />
zu verringern, Gewicht und Energie einzusparen, konkurrenzfähig zu<br />
bleiben. Eine bloße Abschätzung der sich überhaupt bietenden Möglichkeiten ist ohne<br />
Kenntnis der Streuungen undenkbar. Erst recht erfordert eine Abschätzung des Verhältnisses<br />
<strong>von</strong> Aufwand (<strong>zur</strong> Streuungseinengung) und Einsparung (an Gewicht) eingehende<br />
Kenntnisse der beteiligten Streuungen.<br />
Bei den vielschichtigen Zusammenhängen zwischen allen die Gussteilqualität beeinflussenden<br />
Größen muss eine Untersuchung <strong>von</strong> Ursachen für Fehler oder der Folgen <strong>von</strong> Abweichungen<br />
unabdingbar die Streuungen berücksichtigen. Streuungsfortpflanzung (Gauß: "Fehlerfortpflanzung")<br />
und Streuungszerlegung (Varianzanalyse, Streufeldanalyse, Entmischung<br />
<strong>von</strong> Mischverteilungen) sind Schlagworte für das Handwerkszeug solcher Untersuchungen.<br />
Keinesfalls erbringen systematische Veränderungen <strong>von</strong> Einflussgrößen eine Einengung <strong>von</strong><br />
Streuungen, es sei denn, dass damit gleichzeitig eine Verschiebung in gegen die Streuungsfortpflanzung<br />
empfindliche Bereiche verbunden wäre. Auch das weithin übliche Ignorieren<br />
<strong>von</strong> Streuungen macht sie nicht kleiner!<br />
Schleichende Veränderungen in der Serienfertigung lassen sich nur frühzeitig erkennen,<br />
wenn man Streuungen kennt und weiß, was sie bedeuten. Solche Veränderungen können<br />
wegen der unter Umständen beträchtlichen Zeitverschiebung zwischen Verursachung und<br />
dem Sichtbarwerden der Folgen oft beträchtliche finanzielle Folgen haben. Ein Beispiel dafür<br />
ist ein sehr langsamer Anstieg des Cr-Gehaltes bei thermisch belastetem Gusseisen mit Lamellengraphit.<br />
Die Auswirkungen un<strong>zur</strong>eichender Haltbarkeit zeigten sich erst nach Monaten,<br />
und dann auch nicht mit einem Schlage, sondern ebenfalls langsam ansteigend. Eine<br />
Warnung durch die Reklamation selbst kommt um Monate zu spät. Die Kenntnis <strong>von</strong> der<br />
<strong>Entwicklung</strong> der Ausgangsstreuungen hätte großen Schaden verhüten können.<br />
67
Versuche, streuungsabhängige Größen ohne Statistik, also mit (bloßem) Ingenieurwissen "in<br />
den Griff zu bekommen“, müssen zwangsläufig fehlschlagen. Erst die Kenntnis <strong>von</strong> den<br />
Streuungen unserer Verfahren, Werkstoff- und Werkstückeigenschaften<br />
• macht Risiken berechenbar,<br />
• bringt eine reale Abschätzung <strong>von</strong> Grenzen und Möglichkeiten unserer <strong>Prozess</strong>e,<br />
erlaubt Aussagen über die Auswirkung auf abhängige Größen und auf Ursachen für<br />
Abweichungen und Fehler,<br />
• lässt sichere Aussagen über das Ausmaß <strong>von</strong> Toleranzüberschreitungen zu,<br />
ermöglicht Unterscheidungen zwischen zufälligen und systematischen Veränderungen,<br />
zeigt schleichende Veränderungen an und<br />
gibt auch Hinweise auf den notwendigen Prüfaufwand.<br />
Der beste Streuungskatalog für jeden Betrieb ist natürlich ein solcher mit betriebsinternen<br />
Daten. Die in Tafel 7-1 bis Tafel 7-3 dargestellten sollen demnach hauptsächlich als Anregung<br />
verstanden werden, Kataloge mit eigenen Daten zu erstellen.<br />
Tafel 7-1: Streuungen der mechanischen Eigenschaften, am Beispiel Gusseisen mit<br />
Kugelgraphit<br />
68
Tafel 7-2: Streuungen der Masse <strong>von</strong> Gussteilen, am Beispiel Gusseisen mit Lamellengraphit<br />
Tafel 7-3: Streuungen der Maße <strong>von</strong> Gussteilen, am Beispiel Gusseisen mit Lamellengraphit<br />
69
7.2 <strong>Prozess</strong>datenanalyse und <strong>Prozess</strong>stabilität<br />
Zusammenhänge zwischen Formstoffkenngrößen und Qualitätsmerkmalen der Gussteile<br />
quantitativ zu beschreiben, ist eine betriebsspezifische Aufgabe.<br />
Es bedarf einer Sammlung <strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>- und Qualitätsdaten über einen längeren Zeitraum,<br />
um eine entsprechende Datenbasis für das Erkennen dieser Zusammenhänge möglich zumachen.<br />
Das entwickelte Rechnersystem „<strong>IfG</strong>-ProABS“ beinhaltet alle Leistungsmerkmale für eine<br />
Kontrolle und Korrektur eines Formstoffkreislaufs.<br />
Das System ist in mehreren Gießereien <strong>zur</strong> <strong>Entwicklung</strong> und Erprobung eingesetzt worden.<br />
Um auch längerfristige Trends in die Auswertung <strong>von</strong> Formstoffdaten einbeziehen zu können,<br />
sind aus den Gießereien verfügbare, teilweise mit der Datenbank EXCEL gespeicherte<br />
Daten, in <strong>IfG</strong>-ProABS übernommen worden.<br />
<strong>IfG</strong>-ProABS basiert auf der Software Labview und ist auf allen Rechnern unter dem Betriebssystem<br />
Microsoft Windows XP lauffähig.<br />
Im Bereich der Dateneingabe sind Felder für alle üblichen Arten <strong>von</strong> Formstoffkenngrößen<br />
eingerichtet. Abbildung 7-1 zeigt einen Ausschnitt aus dem weiten Feld der Dateneingabe.<br />
Bei jeder Dateneingabe werden zugehörige Kenndaten, wie Daten der Probenahme, Beginn<br />
und Ende der Formstoffprüfungen, Probenummer und anderes mit eingegeben.<br />
70
Abbildung 7-1: Dateneingabe mit Feldern für verschiedene Arten <strong>von</strong> Formstoff-<br />
Kenndaten<br />
Zusätzlich zu den an einer Formstoffprobe gemessenen Werten, können für jeden relevanten<br />
Parameter die obere (OEG) und die (UEG) Eingriffsgrenze eingegeben werden (Abbildung<br />
7-2). Diese Eingriffsgrenzen basieren auf dem jeweiligen Kenntnisstand des für die Formstoffqualität<br />
Verantwortlichen. Je ausgeprägter die Erfahrungen über die Zusammenhänge<br />
zwischen Formstoff- und Gussqualität sind, umso größer ist die Sicherheit, dass die, für die<br />
einzelnen Formstoff-Kenndaten definierten Toleranzbereiche, ausreichend genau sind und,<br />
eine gleich bleibende konstante, hohe Gussqualität sicherstellen.<br />
71
Abbildung 7-2: Formstoffgrenzen für die relevanten Formstoffparameter, angegeben<br />
sind obere (OEG) und (UEG) Eingriffsgrenzen, die gießereispezifisch zu definieren<br />
sind.<br />
<strong>IfG</strong>-ProABS enthält mehrere Module, die eine Auswertung der erfassten Daten ermöglichen.<br />
Für anspruchsvollere Auswertungen bietet <strong>IfG</strong>-ProABS Möglichkeiten der Ausgleichsrechnung<br />
(Fit-Methoden). Bei diesen Auswertungen werden Korrelationen zwischen drei verschiedenen<br />
Formstoffkenngrößen mathematisch beschrieben (Abbildung 7-3).<br />
72
Abbildung 7-3: Diagramm <strong>zur</strong> Darstellung der Ergebnisse <strong>von</strong> Ausgleichsrechnungen,<br />
in die drei Formstoffkenngrößen eingehen<br />
Ziel beim Einsatz <strong>von</strong> <strong>IfG</strong>-ProABS ist neben der Überwachung der Formstoffqualität, eine<br />
Analyse des Zusammenhangs zwischen Formstoffqualität und Formstoff beeinflusster Gussqualität<br />
zu ermöglichen. Hierfür bietet das System die Möglichkeit, Ergebnisse einer Bewertung<br />
der Gussqualität, wie sie beispielsweise täglich in Gießereien bei der so genannten<br />
„Ausschussbesprechung“ stattfindet, zu erfassen und mit Formstoff-Kennwerten zu korrelieren.<br />
Abbildung 7-4 zeigt die Erfassungsmaske, der ein Katalog <strong>von</strong> Fehlerarten mit Fehlerbeschreibungen,<br />
wie sie bei Gussteilen auftreten können, hinterlegt ist.<br />
73
Abbildung 7-4: Maske <strong>zur</strong> Erfassung <strong>von</strong> Angaben <strong>zur</strong> Gussqualität bzw. zu formstoffbedingten<br />
Gussfehlern<br />
Die Auswertung der Angaben <strong>zur</strong> Gussqualität werden unterstützt durch Fachinformationen,<br />
die im Hintergrund liegen und <strong>zur</strong> Unterstützung aufgerufen werden können (Abbildung<br />
7-5). Der hinterlegte Gussfehleratlas, der <strong>von</strong> <strong>IfG</strong> gGmbH und DK Roheisen GmbH erstellt<br />
worden ist, basiert auf Expertenwissen und gibt Hinweise auf Zusammenhänge zwischen<br />
Gussfehlern und ihren möglichen Ursachen.<br />
74
Abbildung 7-5: Hinterlegtes Expertenwissen zu formstoffbedingten Gussfehlern und<br />
ihren Ursachen<br />
[IFG09]<br />
7.3 Ansätze für weitere <strong>Entwicklung</strong>sarbeiten <strong>zur</strong> <strong>Prozess</strong>stabilität und Qualitätssicherung<br />
Die Verbesserung der <strong>Prozess</strong>fähigkeit ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess in der<br />
Gießereitechnik. Es gibt unter der Bezeichnung Data-Mining mathematische <strong>Instrumente</strong>,<br />
umgesetzt in Rechnerprogramme, die es vermutlich ermöglichen, noch komplexere Beziehung<br />
zwischen <strong>Prozess</strong>parametern und Qualitätsparametern erkennen und quantitativ beschreiben<br />
zu können.<br />
Es ist aus vielen Gießereien das Phänomen bekannt, dass Änderungen der Gussqualität<br />
auftreten, ohne dass <strong>Prozess</strong>parameter erkennbar in kritischen Bereichen gewesen sind.<br />
Anzunehmen ist, dass die gemeinsame Wirkung mehrerer <strong>Prozess</strong>parameter hierfür die Ursache<br />
ist. Bei diesen <strong>Prozess</strong>parametern handelt es sich um Formstoff-Kenndaten, Kenn-<br />
75
werte der Schmelze, anlagentechnische <strong>Prozess</strong>daten (wie Verdichtungsdruck der Formmaschine)<br />
– bis hin zu klimatischen Größen, wie Lufttemperatur oder relative Luftfeuchte.<br />
Die Auseinandersetzung mit derartigen Phänomenen sollte in Zukunft intensiv betrieben<br />
werden.<br />
Aus dem Data-Mining können für bestimmte Aufgabenstellungen gegebenenfalls auch Expertensysteme<br />
entwickelt werden. Hierbei ist wichtig, dass die Auswertungen <strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>daten<br />
und Qualitätsdaten mittels Data-Mining nicht vorab durch Expertenwissen eingeengt<br />
wird.<br />
Im <strong>IfG</strong> wurden erste Erfahrungen mit der Software Data Engine gemacht (Übersicht 7-1).<br />
Dabei hat sich die Vermutung bestätigt, dass bei einer Beschreibung des Zusammenhangs<br />
<strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>- und Qualitätsparametern in einer Gießerei ein unmittelbarer Zusammenhang<br />
zwischen der Anzahl der verarbeiteten Arten <strong>von</strong> <strong>Prozess</strong>kenndaten und der erfassten Anzahl<br />
an Datensätzen besteht. Um Zusammenhänge zwischen ca. 20 <strong>Prozess</strong>daten und ca.<br />
10 Qualitätsmerkmalen rechnerisch ermitteln zu können, bedarf es einer langfristigen Ermittlung<br />
und Erfassung <strong>von</strong> Betriebsdaten.<br />
Übersicht 7-1: Mit Data Engine beschriebene Zusammenhänge zwischen Kombinationen<br />
<strong>von</strong> Gießerei-<strong>Prozess</strong>größen (WENN) und Gießerei-Qualitätsgrößen (DANN)<br />
>>> WENN Dichte_Schicht_4-9_Min < 0.3 DANN Ges.Einsch = Ges.Einsch:Tief; Stützung<br />
= 25.0000; Evidenz = 0.9600; Anzahl Fehler = 1.0000;<br />
>>> WENN Dichte_Schicht_4-9_Min > 0.3 UND TZ7_Min < 0.096518 UND Dichte_Schicht_1_Mittelwert<br />
< 0.354727 UND DLZ_Schicht_1_Mittelwert < 0.188841 DANN<br />
Ges.Einsch = Ges.Einsch:Mittel; Stützung = 3.0000; Evidenz = 1.0000; Anzahl Fehler =<br />
0.0000;<br />
>>> WENN Dichte_Schicht_4-9_Min > 0.3 UND TZ7_Max < 0.338446 UND TZ7_Min<br />
> 0.096518 UND Dichte_Schicht_1_Mittelwert < 0.354727 UND<br />
DLZ_Schicht_1_Mittelwert < 0.188841 DANN Ges.Einsch = Ges.Einsch:Hoch; Stützung =<br />
9.0000; Evidenz = 1.0000; Anzahl Fehler = 0.0000;<br />
>>> WENN Dichte_Schicht_4-9_Min > 0.3 UND Giesstemp_Mittelwert < 0.807404 UND<br />
TZ7_Max > 0.338446 UND TZ7_Min > 0.096518 UND Dichte_Schicht_1_Mittelwert <<br />
0.354727 UND DLZ_Schicht_1_Mittelwert < 0.188841 DANN Ges.Einsch =<br />
Ges.Einsch:Hoch; Stützung = 2.0000; Evidenz = 1.0000; Anzahl Fehler = 0.0000;<br />
76
Dabei ist eine zu bewältigende Aufgabe, die Bereitstellung eines betriebstauglichen, in Gießereien<br />
heißt das robusten, Systems <strong>zur</strong> Datenerfassung. Eine andere ist eine intensive<br />
Motivation und ein gründliches Training der Mitarbeiter, die für die Datenerhebung und -<br />
erfassung verantwortlich sind.<br />
Die <strong>Entwicklung</strong> eines noch höherwertigen Systems <strong>zur</strong> <strong>Prozess</strong>datenanalyse ist eine wichtige<br />
Aufgabe für die Zukunft – eine Aufgabe, die dazu führen soll, zukünftig noch dünnwandigere,<br />
leichtere Gussteile dauerhaft sicher fertigen zu können.<br />
Eine wichtige Voraussetzung, um <strong>Prozess</strong>daten einzelnen Qualitätsausprägungen <strong>von</strong><br />
Gusstücken individuell zuordnen zu können, ist die individuelle Markierung <strong>von</strong> Gussteilen.<br />
7.4 Kennzeichnung <strong>von</strong> Bauteilen<br />
Eine teilspezifische Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken ist die Grundlage einer optimierten<br />
<strong>Prozess</strong>steuerung bzw. <strong>Prozess</strong>reglung. Es wird dadurch möglich, einen Zusammenhang<br />
zwischen der Qualität des einzelnen Gussstücks und den relevanten Fertigungsparametern<br />
herzustellen. Dadurch wird die <strong>Prozess</strong>sicherheit in einem erheblichen Maße erhöht.<br />
Eines der Motive <strong>zur</strong> Kennzeichnung ist die Möglichkeit einer gezielten Rückverfolgung bestimmter<br />
Bauteile im Schadensfall, wie z.B. in der Automobilindustrie. Hierbei kann durch<br />
genaue Kennzeichnung der verbauten Teile auf groß angelegte Rückrufaktionen, <strong>von</strong> der<br />
unter Umständen mehrere Hunderttausend Fahrzeuge involviert, aber nur ein Bruchteil wirklich<br />
betroffen sind, verzichtet werden. Dies spart nicht nur Kosten, sondern verhindert auch<br />
eine Belastung des Images des jeweiligen Kunden.<br />
Motivation der Gießerei <strong>zur</strong> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken<br />
Ein wesentlicher Nutzen ist die <strong>Prozess</strong>sicherheit. Markierungsverfahren und Datenaufnahme<br />
sind der Schlüssel zu erhöhter <strong>Prozess</strong>sicherheit und für die Reduzierung <strong>von</strong> Ausschussquoten.<br />
Dabei geht es um die Fähigkeit, den <strong>Prozess</strong> umfassender zu analysieren, zu<br />
verstehen und ihn mit diesen neuen Kenntnissen zu verbessern. Ein umfassendes Konzept<br />
<strong>zur</strong> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken gewährleistet eine durchgängige Teile- und <strong>Prozess</strong>rückverfolgbarkeit<br />
und – steuerung, sowie die Sicherstellung einer wirtschaftlichen, systematischen<br />
Qualitätsanalyse.<br />
77
Das Ziel der Kennzeichnung ist ein durchgängiges Rückverfolgungskonzept, das schematisch<br />
in Abbildung 7-6 dargestellt wird. Beispielhafte Grundlage hierfür ist die Motorenproduktion<br />
der Volkswagen AG. In der Motorenproduktion wird die Strategie einer eindeutigen<br />
Teilekennzeichnung mit motorbezogener Datenzuordnung und -speicherung verfolgt und<br />
umgesetzt.<br />
Abbildung 7-6:Schematische Darstellung eines durchgängigen Rückverfolgungskonzepts<br />
Durchführung der Gussteilkennzeichnung<br />
Zur Durchführung der Gussteilkennzeichnung wurde bereits erstmalig in 1985 im VDG-<br />
Merkblatt P 701 „Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussteilen“ ein Standart formuliert [KGU 85].<br />
Es ist aber nicht nur die Markierung auf jedes Teil aufzubringen, sondern auch eine gigantische<br />
Datenorganisation zu bewerkstelligen. Riesige Datenmengen sind zu speichern, zu<br />
verwalten und auszuwerten. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die Daten so auszuwerten,<br />
dass diese auf das Wesentliche reduziert werden, aber dennoch der Zusammenhang<br />
zwischen <strong>Prozess</strong>daten und einem „Gut-Stück“ und „Ausschuss“ deutlich macht.<br />
78
Für eine erfolgreiche Gussstückkennzeichnung sollten die folgenden Fragestellungen berücksichtigt<br />
werden:<br />
• Wie soll die Kennzeichnung der Gussbauteile durchgeführt werden?<br />
Diese ist möglich:<br />
• direkt durch Kennzeichnung des Bauteils oder<br />
• indirekt durch Kennzeichnung der Form<br />
durch:<br />
• Zahlen, Buchstaben, Symbole und Codes<br />
• Erhebungen oder Vertiefungen auf der Gussteiloberfläche.<br />
Die Kennzeichengröße sollte dem Gusstück angepasst sein und nach Möglichkeit 6 mm<br />
nicht unterschreiten. Wenn Größe und Form des Gussteils eine Kennzeichnung nicht zulassen,<br />
dürfen die Kennzeichen auf dem Behälter oder auf einem an dem Behälter sorgfältig<br />
befestigten Anhängeschild aufgebracht werden.<br />
Das Aufbringen einer Markierung kostet Zeit; ob Prägen oder Ritzen. Die Zeit die <strong>zur</strong> Verfügung<br />
steht um die Kennzeichnung anzubringen hängt <strong>von</strong> der jeweiligen Taktrate ab. Neben<br />
dem DataMatrix-Code (ein <strong>von</strong> Maschinen lesbarer Code ähnlich dem Strichcodeprinzip auf<br />
Verpackungen im Einzelhandel) sollte immer auch eine Kennzeichnung in einer für den<br />
Menschen lesbaren Form z.B. in Klartext angebracht werden. Der DataMatrix-Code (DMC)<br />
bietet eine sehr hohe Informationsdichte bei geringem Platzbedarf und integrierter Fehlerkorrektur.<br />
Diese Art der Markierung kann sowohl im Dauerformguss als auch im Sandguss angewandt<br />
werden.<br />
79
Verfahren und Geräte für das Markieren <strong>von</strong> Gussstücken<br />
> Chargen weises Markieren <strong>von</strong> Gussstücken mittels eingegossener Gießuhr<br />
Die eingegossene Gießuhr enthält Schicht und Datum an dem das Bauteil abgegossen wurde.<br />
Seriennummer oder Herstellerzeichen können ggf. hinzugefügt werden. Hierbei ist die<br />
Informationsdichte jedoch sehr gering, so dass die Technik der Kennzeichnung mittels Gießuhr<br />
für eine Einzelteilmarkierung ungeeignet ist.<br />
> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken mittels Lasermarkierung<br />
Die Lasermarkierung ist ein berührungsloses und permanentes Kennzeichnungsverfahren.<br />
Je nach Material und Eindringtiefe erfolgt die Werkstückkennzeichnung mit bis zu 100 Zeichen/Sekunde.<br />
Die Kennzeichnung mittels Laser kann zum einen direkt auf dem Gussstück<br />
erfolgen, wobei die Markierung <strong>von</strong> der Anlassverfärbung bis zu einer Tiefe <strong>von</strong> mehreren<br />
zehntel Millimetern reichen kann. Und zum anderen indirekt durch das Lasern <strong>von</strong> Kernen<br />
bzw. Form. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass der heraus getrennte Formstoff<br />
durch eine ausreichend dimensionierte Entstaubung möglichst nah am Entstehungsort abgesaugt<br />
wird. Andernfalls könnten Sandrückstände im Formhohlraum verbleiben, die sich wiederum<br />
negativ auf die Gussqualität auswirken.<br />
Die Laserbeschriftung bietet sich bei höheren Fertigungsstückzahlen, gehärteten<br />
Oberflächen und bei nicht zugelassener Krafteinwirkung auf das Werkstück an.<br />
Die Vorteile der Laserkennzeichnung sind die hohe Beschriftungsgeschwindigkeit, hoher<br />
Automatisierungsgrad, lange Lebensdauer sowie der Wegfall jeglicher Krafteinwirkung auf<br />
das Werkstück.<br />
Dem gegenüber stehen die hohen Anschaffungskosten <strong>von</strong> meist mehreren zehntausend<br />
Euro und die relative Empfindlichkeit gegen äußere Einwirkungen wie Staub und Schmutz.<br />
Zu dem bringt die Lasertechnik noch weitere Problemstellungen mit sich, wie z.B. das komplette<br />
Einhausen des Lasers, Bereitstellung <strong>von</strong> speziell ausgebildetem Personal für die Betriebssicherheit,<br />
etc.<br />
80
Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken mittels Nadelpräger<br />
Nadelpräger sind elektronisch gesteuerte „Prägeplotter“ zum vertieften Prägen variabler alphanumerischer<br />
Texte mit einer Geschwindigkeit <strong>von</strong> bis zu 3 Zeichen/Sekunde.<br />
Eine Prägenadel mit Diamant oder Hartmetallspitze wird durch eine Koordinateneinheit in<br />
Form der Schriftzeichen bewegt. Schriftgröße und Schriftlage sind dabei frei programmierbar.<br />
Beim Nadelprägen wird mit Hilfe eines in einer Führung oszillierenden spitzen Schlagkolbens<br />
ein Punktmuster auf die Oberfläche geprägt. Die Prägefrequenz liegt meistens im Bereich<br />
<strong>von</strong> ca. 250 bis 400 Hz.<br />
Durch die minimale Krafteinwirkung ist selbst das Prägen <strong>von</strong> fertig bearbeiteten Werkstücken<br />
und Hohlkörpern möglich.<br />
> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken mittels Ritzpräger<br />
Der Ritzpräger ist ähnlich aufgebaut wie der Nadelpräger – die Beschriftung erfolgt durch ein<br />
Diamant- oder Hartmetall-Ritzwerkzeug. Das Werkzeug ist mittels Motoren in Y oder X Koordinaten<br />
beweglich.<br />
Die häufigste Anwendung des Ritzprägers arbeitet mit einer Diamantnadel, die über einen<br />
Pneumatikzylinder auf das Werkstück gedrückt und dann verfahren wird. Innerhalb des Beschriftungsfeldes<br />
können beliebige Texte, Ziffern, Sonderzeichen und Logos aufgebracht<br />
werden.<br />
> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken mittels Fräsgravieren<br />
Beim Fräsgravieren wird die gewünschte Beschriftung direkt in die Oberfläche hineingefräst.<br />
Das Werkstück muss hierzu fixiert werden. Das Fräsgravieren ist eine sehr langsame und<br />
Zeitintensive Art des Markierens und ist damit in vielen Anwendungsfällen unwirtschaftlich.<br />
> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken mittels Tintenstrahldrucker<br />
Der Drucker besteht aus einem Grundgerät und einem separaten Druckkopf. Im Druckkopf<br />
wird kontinuierlich ein Tintenstrahl erzeugt. Zum Erzeugen der Schrift werden einzelne Tropfen<br />
gezielt durch ein elektrisches Feld abgelenkt. Die nicht benutzte Tinte wird abgesaugt<br />
und fließt <strong>zur</strong>ück in den Vorratsbehälter.<br />
81
Das System arbeitet berührungslos und kann fast jede beliebige Stelle beschriften. Allerdings<br />
muss hierzu das Werkstück relativ zum Druckkopf bewegt werden. In Sonderfällen<br />
kann das System auch so angepasst werden, dass sich der Druckkopf relativ zum Gussstück<br />
bewegt.<br />
> Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussstücken durch Labeln bzw. Aufkleber<br />
Vorgefertigte Aufkleber werden per Laserdrucker bzw. Tintenstrahldrucker mit einem entsprechenden<br />
Code (DMC, Barcode oder auch Klartext) versehen und auf das Bauteil geklebt.<br />
Das Anspruchsvolle bei dieser Methode der Gussteilkennzeichnung ist es, einen Klebstoff<br />
auszuwählen, der genau auf die Bedarfsansprüche des jeweiligen Untergrundes bzw. möglichen<br />
Umwelteinflüssen, wie z.B. Lagerung bei tiefen Temperaturen außerhalb beheizter<br />
Räumlichkeiten oder erhöhter Feuchtigkeit zugeschnitten ist. Da in der Praxis nicht immer<br />
gewährleistet werden kann, dass Gussstücke unter Abschluss <strong>von</strong> UV-Licht (Sonnenlicht)<br />
gelagert werden können, ist unter anderem auch darauf zu achten, dass der Aufdruck auch<br />
unter Einfluss <strong>von</strong> UV-Licht beständig bleibt.<br />
Die Methode der Kennzeichnung durch Labeln schließt Behandlungen, wie Strahlen oder<br />
Waschen aus.<br />
> Kennzeichnung durch RFID-Transponder<br />
Diese Kennzeichnungsmethode befindet sich noch in der vorindustriellen Testphase und<br />
basiert auf dem Einsatz <strong>von</strong> passiven Transpondern, bei dem die Daten mittels Radiowellen<br />
übertragen werden. In dem vom Frauenhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte<br />
Materialforschung hergestellten Demonstrator wurde ein Transponder in eine speziell ausgearbeitet<br />
Tasche der Form im Aluminium-Druckgussverfahren vergossen.<br />
Die Herausforderung beim Einbinden <strong>von</strong> Transpondern in den Gießprozess, ist die entstehende<br />
Wärme durch das eingebrachte Metall, die dazu führt, dass der Transponder ausfällt<br />
bzw. zerstört wird. Um dieses Problem zu umgehen, wird der Transponder in ein spezielles<br />
Epoxidharz eingegossen, und führt zu einer wesentlichen Erhöhung der möglichen Temperaturbelastung.<br />
Der Einsatz <strong>von</strong> RFID-Transpondern ist z. Zt. noch nicht im industriellen Maßstab erprobt<br />
und aufgrund der hohen Stückkosten relativ kostspielig, doch bringt auch potentielle Vorteile<br />
mit sich. Zum einen wird das Ein- und Auslesen der Daten sehr erleichtert, da die Daten mittels<br />
Radiowellen übertragen werden, und kein direkter Sichtkontakt zum Gussstück notwen-<br />
82
dig ist. Zum anderen ist das Strahlen, Lackieren o. ä. denkbar und es ist theoretisch möglich<br />
ganze Chargen an Gussstücken (Palette oder Gitterbox) auszulesen.<br />
Abbildung 7-7 zeigt ein Beispiel für eine gekennzeichnete Kurbelwelle. Der gelaserte DMC<br />
ist in einer quadratischen Form auf der linken Seite erkennbar. Direkt daneben ist die Kennzeichnung<br />
im Klartext aufgebracht.<br />
Abbildung 7-7: Gelaserter DMC und Klarschrift auf einer fertig bearbeiteten Kurbelwelle<br />
Wo am Gussteil soll die Kennzeichnung angebracht werden?<br />
Aus Gründen der Rückverfolgbarkeit sollten die Identifikationsmerkmale dort angebracht<br />
werden, wo sie durch nachfolgend Bearbeitungsschritte nicht entfernt werden. Die Position<br />
der Kennzeichnung am Bauteil wird in der Zeichnung oder nach Vereinbarung mit dem Auftraggeber<br />
festgelegt.<br />
83
Wie erfolgt die Identifizierung, das Lesen der gekennzeichneten Gussteile?<br />
> Überwachung der Gussteilkennzeichnung<br />
Die Kennzeichnung <strong>von</strong> Bauteilen stellt ein Qualitätsmerkmal dar und bedarf ständiger<br />
Überwachungen. Wichtige Aspekte, die bei der Überwachung berücksichtigt werden müssen,<br />
sind:<br />
• Art und Lesbarkeit der Markierung<br />
• Überprüfung der korrekten Datenerfassung und -wiedergabe<br />
• Positionierung der Kennzeichnung.<br />
• Merkmale <strong>zur</strong> Identifizierung <strong>von</strong> Gussbauteilen<br />
> Zur Identifizierung <strong>von</strong> Gussbauteilen müssen nachfolgende Daten dauerhaft angebracht<br />
werden:<br />
• Herstellercode oder Zeichen<br />
• Positionsnummer<br />
• Fertigungszeitraum oder Charge<br />
> Das Aufbringen folgender Merkmale als Ergänzung kann vereinbart werden:<br />
• Kundennummer oder -zeichen<br />
• Zeichnungsnummer<br />
• Bauteilnummer (Modellnummer)<br />
• Werkstoff und<br />
• Hinweise <strong>zur</strong> Verarbeitung und/oder Verwendung<br />
Weitere Merkmale <strong>zur</strong> internen und/oder externen Abnahme, Rückverfolgbarkeit oder Eingrenzung<br />
bei Reklamationen können Markierungen sein, die einzelne Fertigungsschritte<br />
und/oder Prüfungen kennzeichnen, wie z. B.:<br />
• Prüferzeichen oder -nummer<br />
• Prüfgerätekennzeichnung<br />
Die Kennzeichnung kann grundsätzlich durch Codes verschlüsselt erfolgen.<br />
84
Abbildung 7-8 zeigt die Inhalte des eingesetzten DMC-Codes und dessen Nutzen für die<br />
Rückverfolgung und <strong>Prozess</strong>teuerung. Zum einen besteht dieser aus dem eindeutigen Zeitstempel,<br />
der das Bauteil unverwechselbar macht, und zum anderen aus spezifischen Daten,<br />
mit denen nachfolgende <strong>Prozess</strong>e gesteuert werden.<br />
Abbildung 7-8: Daten und ihre Verwendung im DMC<br />
Die Kennzeichnungs- und Einlesevorgänge in den durchlaufenen Produktionsabschnitten<br />
werden schematisch im Abbildung 7-9 am Beispiel der Motorenproduktion der Volkswagen<br />
AG dargestellt.<br />
Abbildung 7-9: Schematische Darstellung der Kennzeichnungs-/Einlesevorgänge<br />
85
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bauteil- und <strong>Prozess</strong>rückverfolgung als<br />
übergreifender <strong>Prozess</strong> zwischen Lieferant und Kunde ein einheitliches, effizientes System<br />
erfordert, das mit dem Rohteil in der Gießerei beginnt und über die mechanische Bearbeitung,<br />
die Montage bis zum Verbau hinaus wirkt. Damit steht ein Tool <strong>zur</strong> Verfügung, um<br />
Qualitätsstandards und Kundenzufriedenheit nachhaltig zu verbessern [BAE04].<br />
7.5 Gussfehlerdiagnose für höhere <strong>Prozess</strong>fähigkeit<br />
Nur selten ist die Ursache eines Gussfehlers <strong>von</strong> vorneherein offensichtlich, z.B. wenn man<br />
weiß, dass ein Speiser vergessen, oder dass eine Form mit Unterbrechung gegossen wurde.<br />
Häufig gestaltet sich die Diagnose schwieriger. Dann muss der gesamte Betrieb in die Betrachtung<br />
einbezogen werden.<br />
Dies ist <strong>von</strong> besonderer Wichtigkeit, wenn neuartige dünnwandigere Leichtbauteile in der<br />
Serienfertigung anlaufen.<br />
Die Diagnose selbst muss methodisch erfolgen, wenn sie kein Zufallsergebnis sein soll. Mit<br />
der der Reihe einzelner Arbeitsschritte wird deutlich gemacht, wo überall Schwierigkeiten<br />
und Schwachstellen in der Diagnosemethodik verborgen sein können.<br />
> Bereich, Gussfehler<br />
• Fehlersammlung und Statistik:<br />
Umschließt die Erfassung der gefundenen Fehler und deren Dokumentation für<br />
betriebliche und verwaltungsmäßige Zwecke.<br />
• Nur wenige Fehler?<br />
In diesem Fall sind keine Fehlerbekämpfungsmaßnahmen notwendig.<br />
• Günstigen Zustand dokumentieren:<br />
Es sind Niveau und Streuung der üblichen Prüfgrößen zu dokumentieren, für seltenere<br />
Untersuchungen sind Proben zu nehmen und in Auftrag zu geben, Werkstoff,<br />
Formstoffen und anderen Hilfsstoffen sind Proben für evtl. spätere Vergleichsuntersuchungen<br />
zu deponieren und zu registrieren (ggf. Austausch veralteter<br />
Proben gegen neue).<br />
• Offensichtliche Fehlerursache erkennbar?<br />
86
Die Ursache bei einer Reihe <strong>von</strong> Fehlern erkennt der Fachmann sehr schnell; z.B.<br />
Kern fehlt, Modellbeschädigungen, zerschlagene dünnwandige Teile u. a.<br />
In diesem Fall muss natürlich nicht ein langatmiger formalisierter Diagnosegang<br />
durchlaufen werden. Rasche AD HOC-Lösungen sind zweckmäßig.<br />
• AD HOC-Lösung?<br />
Falls bei Gussfehlern die Ursache offensichtlich erkennbar ist, muss entschieden<br />
werden, ob eine AD HOC-Lösung riskiert werden kann.<br />
Falls eine AD HOC-Lösung möglich ist, muss in den Bereich Stellgrößen des Regelkreises<br />
verzweigt werden.<br />
• Probeabguss?<br />
Treten an Probeabgüssen Fehler auf, so muss in jedem Fall eine Diagnose<br />
durchgeführt werden, auch wenn der Probeabguss für den Gesamtbetrieb<br />
nur <strong>von</strong> geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist.<br />
• Schwerpunktanalyse.<br />
Sie dient dazu, wirtschaftlich bedeutsame <strong>von</strong> wirtschaftlich unbedeutenden Fehlern<br />
zu trennen.<br />
• Ausgeprägte Schwerpunkte?<br />
Falls das Ergebnis der Schwerpunktanalyse keinen eindeutigen Schwerpunkt<br />
ausweist, wird <strong>zur</strong> Begleitfehleranalyse übergeleitet.<br />
• Begleitfehleranalyse.<br />
Mit Hilfe <strong>von</strong> Begleitfehler-Listen und/oder statistischen Sonderuntersuchungen<br />
(Untersuchung verschiedener Fehlerarten am selben Stück) werden Begleitfehler<br />
gesucht.<br />
• Schwerpunkt jetzt erkennbar?<br />
Falls die Summe <strong>von</strong> Begleitfehlern zusammengelegt werden kann, ist möglicherweise<br />
ein Schwer punkt jetzt erkennbar.<br />
• Katastrophaler Fehlerbefall?<br />
Bei besonders starkem Fehlerbefall sind auch<br />
verstärkt diagnostische Maßnahmen erforderlich.<br />
87
• Alarmstufenplan, ggf. externe Hilfe anfordern.<br />
Sowohl bei schwer erkennbaren Schwerpunkten, als auch bei ungewöhnlich starkem<br />
Fehlerbefall sind die Maßnahmen <strong>zur</strong> Fehlerbekämpfung zu verstärken. Dies<br />
betrifft verstärkten Einsatz <strong>von</strong> qualifiziertem Personal, ggf. auch externe Hilfe.<br />
• Bedeutsamste Fehlerart auswählen;<br />
Diagnostische und therapeutische Maßnahmen sollen sich um die wirtschaftlich<br />
wichtigsten Fehler kümmern.<br />
• Stückbeteiligungsanalyse;<br />
Feststellung, welche Stücke <strong>zur</strong> Entstehung einer bestimmten Fehlerart beitragen.<br />
• Nur eine Stückart befallen?<br />
Es kann sich um jeweils nur einen einzelnen Stücktyp handeln oder ggf. auch um<br />
Teilefamilien (z.B. alle Pumpengehäuse).<br />
• Unterschiede zu anderen Stücken feststellen:<br />
Die Unterschiede zwischen befallenen Stücken und nicht befallenen Stücken<br />
erleichtern die Auswahl <strong>von</strong> in Frage kommenden Einflussgrößen auf die Fehlerentstehung.<br />
• Prüfgrößen zusammenstellen.<br />
Arten <strong>von</strong> Prüfgrößen:<br />
o Routinekontrollen (z.B. Laborwerte)<br />
o Sonderuntersuchungen<br />
o Sollwertvorgaben für Stellgrößen (z.B. 3 min. Mischzeit)<br />
• Weitere bedeutsame Fehler?<br />
o Fehler, die sich im Häufigkeitsspektrum <strong>von</strong> der Masse abheben<br />
o Begleitfehler<br />
o Fehler unabhängig <strong>von</strong> ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, wenn sie aus juristischen<br />
Gründen wichtig sind (z.B. Sicherheitsteile, Lieferverpflichtung oder garantierte<br />
Qualitätszusagen).<br />
88
Bereich, Prüfgroßen<br />
• Aktueller Wert der Prüfgröße bekannt?<br />
Aktualität ist nicht gewahrt, wenn<br />
1. zu selten geprüft wird,<br />
2. die zeitliche Zuordnung <strong>zur</strong> Fehlerentstehung nicht gesichert ist.<br />
• Anweisung für Prüfung bzw. Sonderuntersuchung:<br />
Aktualität kann hergestellt werden durch nachträgliche Untersuchung an gesichertem<br />
Material (z.B. Gussstück selbst, oder zufällig noch vorhandene Hilfsstoffe).<br />
• Soll-Ist - Vergleich der Prüfgröße.<br />
• Abweichende Prüfgröße merken:<br />
Prüfgrößen, die im Soll-Bereich liegen, werden übergangen.<br />
• Weitere Prüfgrößen vorhanden?<br />
Zusätzliche zu den üblich verwendeten?<br />
• Stellgrößen für abweichende Prüfgrößen zusammenstellen:<br />
> Bereich, Stellgrößen<br />
• Weicht die Stellgröße vom üblichen Bereich ab?<br />
Bewusst wurde hier nicht "Soll-Ist - Vergleich" geschrieben. Grund: Stellgrößen<br />
können in bestimmten Bereichen frei variieren. Dennoch gibt es Grenzen, die nicht<br />
plausibel sind.<br />
Beispiel: Ziel; bei Kupolofeneisen hoher Kohlenstoffgehalt. Stellgröße: je nach<br />
Marktlage "weicher" Gussbruch und 25 - 35 % Roheisen.<br />
Wenn <strong>zur</strong> Erreichung hohen Kohlenstoffgehaltes plötzlich oder allmählich 60%<br />
Roheisen erforderlich sind, hat sich etwas verändert, was über den ursprünglich üblichen<br />
Bereich hinausgeht.<br />
Es gibt sehr wohl Stellgrößen, die in ähnlich klarer Weise einen Soll-Ist - Vergleich<br />
ertragen, wie bestimmte Prüf großen (z.B. Mischzeit beim Kernsandmischen).<br />
89
• Von Stellgröße beeinflusste Prüfgrößen auflisten.<br />
• Von Stellgröße beeinflusste Gussfehler auflisten.<br />
• Unverträgliche Wirkung zu erwarten?<br />
Bisherige Ergebnisse lassen Bewertung zu, ob Stellgröße unerwünschte Wirkung<br />
haben kann.<br />
• Noch Stellgroßen vorhanden?<br />
Falls unverträgliche Wirkung zu erwarten, weitere Stellgrößen abfragen.<br />
• Ist Stellgröße zu verändern?<br />
Es muss geprüft werden, ob es ratsam oder überhaupt möglich ist, die Stellgröße<br />
zu verändern. Es gibt technische Gründe dagegen, z.B. keine andere Wahl wegen<br />
Rohstoffmarkt, oder Abweichung ist nur unbedeutend gegenüber den üblichen Einstellungen<br />
in der Vergangenheit.<br />
• Maßnahme dokumentieren.<br />
Jede Veränderung muss aktenkundig gemacht werden. Nur so können Kontrollen<br />
über Wirksamkeit später nachgewiesen werden.<br />
• Ggf. Prüffrequenz für beeinflusste Prüfgrößen erhöhen. Sofern die Routinekontrolle <strong>zur</strong><br />
Überwachung der Wirkung <strong>von</strong> Maßnahmen nicht ausreicht, müssen entsprechende<br />
Kontrollen zusätzlich veranlasst werden.<br />
• Fehlersammlung ggf. um spezifische Fehler erweitern:<br />
Sofern eine Veränderung einer Stellgröße Auswirkungen auf bestimmte Gussfehler<br />
erwarten lässt, kann die routinemäßige Gussfehlererfassung für die folgenden Tage<br />
in geeigneter Weise verändert werden: Anweisung <strong>zur</strong> Beobachtung <strong>von</strong> spezifisch<br />
beschriebenen Fehlererscheinungen.<br />
• Regelkreis mehrfach wirkungslos durchlaufen?<br />
Je nach Wirkungsweise der verschiedenen Stellgrößen müssen Wirkungen mehr<br />
oder weniger schnell auftreten (z.B. Verzögerungen bei allmählichen Anreicherungen<br />
oder Abmagerungen). Wenn eine angemessene Zahl <strong>von</strong> Regelkreisdurchläufen<br />
überschritten ist, muss die Wirkung <strong>von</strong> Maßnahmen erneut kritisiert werden.<br />
90
• Sonderuntersuchungen - ggf. mit externen Kräften.<br />
Wenn Regelkreis mehrfach wirkungslos durchlaufen oder wenn keine wirksame<br />
Stellgröße entdeckt werden konnte, sind gesonderte Maßnahmen erforderlich, vorrangig<br />
Begleitfehleranalyse.<br />
• Ggf. Qualitätsaudit.<br />
Sofern bisher alle Maßnahmen ergebnislos verlaufen sind, müssen grundsätzliche<br />
Überlegungen <strong>zur</strong> allgemeinen Qualitätsüberwachung angestellt werden.<br />
• Ggf. Korrektur des Diagnoseverfahrens.<br />
Ggf. sind Korrekturen des gesamten Diagnosesystems erforderlich (z.B. wenn sich<br />
die Theorie über eine Fehlerentstehung grundsätzlich geändert hat).<br />
8 Hohe Maßgenauigkeit als Voraussetzung für gegossene Leichtbau-<br />
Komponenten<br />
Die Verminderung <strong>von</strong> Wanddicken in Gießereien hängt da<strong>von</strong>, ob die Maßgenauigkeit<br />
in der Gussteilfertigung gesteigert werden kann:<br />
Bei der Gusskonstruktion wird berücksichtigt, ob Maßungenauigkeiten in einer<br />
Fertigung auftreten können. Die Höhe <strong>von</strong> Sicherheitszuschlägen hängt <strong>von</strong> der<br />
Streuung der Qualitätskennwerte ab. Je höher die Streuungen oder je größer<br />
auftretende Abweichungen <strong>von</strong> der angestrebten Geometrie eines gegossenen<br />
Bauteils sind, je größer werden in der Konstruktionsphase die Wanddicken definiert.<br />
Je stabiler der Fertigungsprozess in einer Gießerei ist, umso höher ist die Fähigkeit<br />
Gussteile mit noch geringeren Wanddicken fertigen zu können.<br />
Im Folgenden werden Strategien und Handlungshilfen für die Herstellung noch dünnwandigerer<br />
Gussteile empfohlen.<br />
8.1 Maßhaltigkeit <strong>von</strong> handgeformten Gussstücken<br />
Abweichungen vom Sollmaß führen zu vermeidbar höherem Gewicht der Gussstücke.<br />
91
Außerdem zwingen die Kosten für spanende Bearbeitung, der Einsatz <strong>von</strong> NC-Maschinen,<br />
der Trend zu engeren Toleranzen sowie der Wettbewerb gegenüber der Schweißtechnik,<br />
die Maßhaltigkeit <strong>von</strong> Gussstücken zu verbessern.<br />
> Ursachen für Maßabweichungen am Gussstück<br />
Maßabweichungen am Gussstück werden verursacht durch:<br />
• Ungenaue Maße oder Verzug am Modell.<br />
• Ungenaue Maße oder Verzug am Kernkasten.<br />
• Zu kleine Kernmarken am Kern.<br />
• Verzogene Modellplatten und Aufstampfböden<br />
(auch maßgenaue Modelle verziehen sich hierdurch)<br />
Gemessen: 10 mm Verzug auf 1,5 m 2 Fläche!<br />
Bereits realisiert für Guss mit engen Toleranzen:<br />
0,2 mm Unebenheit auf 1 m 2 -Fläche.<br />
• Verzogene oder zu wenig steife Formkästen (verändern die Form im Hebezeug, beim<br />
Verklammern oder auf dem Gießbett).<br />
• Abgeriebene Kernmarken (sind oft ein Zeichen für Verzug <strong>von</strong> Modelleinrichtung oder<br />
Form).<br />
• Zu schlecht verdichtete Form (treibt).<br />
• Seitlich nachgiebige Formkästen (federn nach dem Entfernen des Modells <strong>zur</strong>ück und<br />
geben dem Gießdruck nach).<br />
• Zu wenig steife Scheren (6 mm Durchbiegung des Oberkastens beim Gießen auf 1,5 m<br />
Länge gemessen!).<br />
• Un<strong>zur</strong>eichende Verklammerung (führt zu Gratbildung und Übermaß durch Anheben<br />
des Ober-Kastens).<br />
• Zu schwaches Beschweren sowie un<strong>zur</strong>eichenden Kontakt zwischen Form und Beschwereisen<br />
• Hohles, nachgiebiges oder ungleichmäßig verdichtetes Gießbett(Durchbiegung der Form<br />
nach unten).<br />
Zweckmäßige, d.h. vor allem gleichmäßige Herstellungsbedingungen führen auch zu geringeren<br />
Streuungen der Stückgewichte. Deshalb unbedingt Gussstücke einzeln wiegen und<br />
Gewichte in Qualitätsregelkarten (früher: Kontrollkarten) registrieren. Abweichungen vom<br />
gewohnten Gewichtsniveau signalisieren nachgiebige Formen, noch oft, bevor sich unverkäuflicher<br />
Ausschuss einstellt.<br />
92
Ursachen un<strong>zur</strong>eichender Maßhaltigkeit sind gleichzeitig bedeutende Ursachen überhöhten<br />
Putzaufwandes (Grate, Metallauswüchse und Sandeinschlüsse).<br />
Eine Übersicht über die Einflussgrößen auf die Maßhaltigkeit <strong>von</strong> handgeformten Gussteilen<br />
zeigt Abbildung 8-1.<br />
8.2 Vermeidung <strong>von</strong> Maßabweichungen bei Kernen<br />
Veränderungen <strong>von</strong> Kernabmessungen können zu Unterschieden in der Gussstückwanddicke<br />
und zu Vergeudung <strong>von</strong> Rohmaterial führen. Dies kann bei kritischen Teilen Gussfehler<br />
oder Ausschuss verursachen.<br />
>> Ursachen für Veränderungen <strong>von</strong> Kernmaßen<br />
Die Kernabmessungen im ausgehärteten Zustand können sich aus folgenden Gründen verändern:<br />
• ungenaues oder unwirksames Verklammern der Kernkästen<br />
• unangemessene Überwachung der Fertigung<br />
• Änderungen des Kernbindemittel-Typs oder der Zusammensetzung<br />
• Unterschiede in der Verdichtung<br />
• Schwierigkeit beim Entkernen oder<br />
• Zusammensacken des Kernes nach dem Entkernen<br />
Außerdem können Verformungen entstehen, wenn sich die Form mit Gießmetall füllt.<br />
>> Empfehlung für sachgerechtes Arbeiten<br />
Verdichtung<br />
Kerne sind gleichmäßig und gut zu verdichten. Ein mangelhaft verdichteter Kern kann wegen<br />
zu geringer Festigkeit zerstört werden.<br />
• Versichern Sie sich bei der Handverdichtung, dass alle Stellen im Kernkasten sorgfältig<br />
verdichtet sind.<br />
• Versichern Sie sich bei geschossenen Kernen, dass die Einrichtung ordnungsgemäß<br />
instand gehalten ist, halten Sie den Schießdruck unter Kontrolle und stellen angemesse-<br />
93
ne Entlüftung sicher. Setzen Sie den Kernkasten nötigenfalls instand.<br />
Entkernen<br />
Kerne haben schlechten Oberflächenzustand und Maßabweichungen, wenn sie schwer aus<br />
dem Kernkasten zu entnehmen sind oder wenn der Kernkasten stark gerüttelt werden muss,<br />
um sie freizugeben. Nachstehende Maßnahmen sollen das Entkernen erleichtern.<br />
Halten Sie die Arbeitsfläche des Kernkastens in einem guten und sauberen Zustand.<br />
Verwenden Sie Gleitmittel nach der Empfehlung der Bindemittel-Lieferanten.<br />
Stellen Sie sicher, dass bei kalthärtenden Kernen der Kernkasten und der gemischte Sand<br />
auf gleichmäßiger Temperatur <strong>von</strong> 20 - 25°C sind.<br />
Kontrollieren Sie streng den Zeitpunkt für das Entkernen. Wenn die Zeit zu kurz ist, sind die<br />
Kerne nicht hinreichend gehärtet und Kernstoffreste können im Kernkasten hängen bleiben.<br />
Wenn die Zeit zu lang ist, können die Kerne Im Kernkasten festsitzen. Einmal festgelegt, sind<br />
die Zeiten für das Entkernen strikt unter Kontrolle zu halten.<br />
Maßliche Änderungen beim Härten<br />
Beim Aushärten schrumpfen chemisch gebundene Sande in der Größenordnung <strong>von</strong> 0,1 %<br />
linear. Diese Änderung ist nur klein, aber wenn der Entkernungszeitpunkt zu spät ist,<br />
schrumpft der Kern auf das Modell, das Entfernen wird schwierig. Unterschiedliche Binder<br />
haben unterschiedliche Schwindung.<br />
Durchbiegung beim Gießen<br />
Kerne können sich unter der kombinierten Wirkung <strong>von</strong> Hitze und ferrostatischen Druck<br />
verwerfen, wenn der Formhohlraum mit flüssigem Metall gefüllt wird.<br />
Folgende Maßnahmen vermindern die Durchbiegung <strong>von</strong> Kernen bei hoher Temperatur:<br />
• Stellen Sie sicher, dass die Kerne vollständig ausgehärtet sind.<br />
• Verwenden Sie Kerneisen oder Kernstützen, um Durchbiegen zu verhindern.<br />
• Stellen Sie sicher, dass die Kerne sachgerecht in die Form eingefügt<br />
sind.<br />
• Wenden Sie bei Maskenkernen größere Maskendicke an.<br />
94
8.3 Verzug und andere Deformationen <strong>von</strong> plattenförmigen Gussteilen<br />
Deformationen <strong>von</strong> Gussteilen sind auf vielfältige Ursachen <strong>zur</strong>ückzuführen, die in folgenden<br />
Bereichen liegen können:<br />
>> Modellbau und -zustand<br />
• unstabile Modelle oder unstabile Modellplatten<br />
• deformiertes Modell oder deformierte Modellplatte<br />
• Spalt in der Formteilung<br />
>> Formanlage, Formen<br />
• instabiler Pressholm<br />
• ungenügende Verdichtung<br />
• Modelldurchbiegung beim Formen<br />
• Spalte in der Form<br />
• Schwindungsbehinderung durch Kerne und Formballen<br />
>> Formkasten<br />
• zu geringe Steifigkeit des Formkastens<br />
• schwache Kastenschoren<br />
• nachgebende, durchgebogene Klammern und Zapfen<br />
>> Beschweren<br />
• ungenügendes Abfangen <strong>von</strong> Auftriebskräften<br />
• ungleichmäßiges Beschweren der Formen<br />
• beschweren der Form am Kastenrand<br />
• zu frühes Abheben <strong>von</strong> Beschwereisen<br />
>> Ausleeren<br />
• zu früh ausgeleert<br />
>> Putzen<br />
• zu hohe Strahlenergie bei dünnwandigen Gussstücken<br />
>> Metallurgie<br />
• ungünstige, zu großer Schwindung führende Metallzusammensetzung<br />
95
Bearbeitung<br />
• unsachgerechtes Spannen bei Bearbeitung<br />
• einseitige Überhitzung z.B. beim Schnellfräsen<br />
• zu geringe Wanddicke im Spannbereich<br />
>> Nachbehandlung<br />
• unsachgemäße Wärmbehandlung (zu schnelles Aufheizen bzw. Abkühlen<br />
Gefügeumwandlungen)<br />
• zu starke Aufheizung bei der Oberflächenbehandlung (Nitrieren oder Verzinken)<br />
• Spannungsaufbau durch Schweißen<br />
>> Gusskonstruktion<br />
• ungünstige, zu Spannungen führende Verrippung<br />
• sprunghafte Wanddickenunterschiede<br />
8.4 Deformation dünnwandiger Gussteile beim Strahlen<br />
Die Kaltverformung, <strong>von</strong> den Strahlmittel- und Strahlanlagen-Herstellern als "Verdichtung"<br />
der Gussoberfläche bezeichnet, ist in erster Linie <strong>von</strong> der Aufprallkraft des einzelnen Strahlkorns<br />
abhängig, d.h. <strong>von</strong> Korngröße und Strahlgeschwindigkeit. Der Einfluss der Strahlzeit<br />
spielt eine untergeordnete Rolle, weil die für das Putzen notwendige Strahlzeit fast immer<br />
wesentlich größer ausfällt als die relativ kurze Zeit für die Stauchung der Oberflächenzone.<br />
Die Gussoberfläche wird schon vor dem gänzlichen Abtragen der Verunreinigungen verformt:<br />
Die üblichen Strahlzeiten liegen zwischen 3 und 10 min; eine wesentliche Verformung erfolgt<br />
häufig schon nach 0,5 min.<br />
Der Putzbedarf, d.h. die zu beseitigenden Anhaftungen bestimmen die Strahlzeit, die andererseits<br />
<strong>von</strong> der Aufprallkraft des Strahlkorns abhängig ist.<br />
Um Verzug bei dünnwandigem Guss zu vermeiden, muss in den meisten Fällen die Aufprallkraft<br />
des einzelnen Korns soweit gesenkt werden, dass unabhängig <strong>von</strong> der Strahlzeit keine<br />
bedeutende Verfestigung und Verformung der Gussoberfläche stattfindet.<br />
Abhilfemaßnahmen gegen Verzug durch eine Kaltverfestigung bestehen im Herabsetzen der<br />
Strahlkorngröße und/oder der Strahlgeschwindigkeit:<br />
96
Ein kleineres Strahlkorn kann nur dann wirtschaftlich eingesetzt werden, wenn für die übrige<br />
Gusspalette die reduzierte Strahlleistung und die damit verbundenen längeren Strahlzeiten<br />
akzeptabel sind. In den meisten Fällen ist das Gegenteil, d.h. eine durch größeres Strahlkorn<br />
erhöhte Strahlleistung erstrebenswert. Der wahlfreie Einsatz unterschiedlicher, an das jeweilige<br />
Gussstück angepasster Korngrößen, ist nur mit außerordentlichem Aufwand möglich.<br />
Das Herabsetzen der Strahlgeschwindigkeit für dünnwandige Gussstücke ist optimal, jedoch<br />
heute noch fast immer mit einem Umbau des Schleuderräder-Antriebs verbunden. Zu empfehlen<br />
ist eine variable, mittels Frequenzumwandler einstellbare Strahlgeschwindigkeit, was<br />
schon bei der Planung der Strahlanlage berücksichtigt werden sollte. Der Grund für un<strong>zur</strong>eichende<br />
Strahlleistungen vieler Strahlanlagen liegt im Fehlen einstellbarer Strahlgeschwindigkeiten.<br />
Man wählt bei der Anlagenplanung kleinere Korngrößen und kleinere Strahlgeschwindigkeiten,<br />
um auch empfindlichen Guss ohne Deformationen strahlen zu können.<br />
Dieser unnötige Kompromiss reduziert die optimale Strahlleistung für robusten Guss und<br />
schließt Deformationen empfindlichen Gusses nicht aus, weil die Aufprallkraft des Strahlkorns<br />
für empfindlichen Guss in den meisten Fällen immer noch zu groß ist. (Zu Umbaukosten<br />
des Schleuderrad-Antriebs und zum notwendigen Einstellbereich der Strahlgeschwindkeit.<br />
In einem Fall gelang es durch Wenden des Gussstücks in der Strahl-Halbzeit, größeren Verzug<br />
zu verhindern. Die Schleuderräder der Hängebahnanlage waren auf einer Seite der Anlage<br />
placiert, die gefährdete Stelle des Gussstücks war <strong>von</strong> beiden Seiten für das Strahlkorn<br />
gleichermaßen gut zugänglich, gestrahlt wurde im rotierendem Strahlkorb Dmr. 1300 mm.<br />
Durch diese Maßnahme konnte die Durchbiegung <strong>von</strong> 3,7 auf 0,5 mm reduziert werden, das<br />
Richten war nicht mehr notwendig.<br />
97
Maßabweichungen am Gusstück Maßabweichungen bei Kernen<br />
Verzogene Modellplatten<br />
und Aufstampfböden<br />
Verzogene bzw. zu wenig<br />
steife Formkästen<br />
Zu kleine Kernmarken am Kern<br />
Ungenaue Maße oder Verzug<br />
am Modell bzw. Kernkasten<br />
Ungleichmäßiges beschweren der Form<br />
Unstabile Modelle bzw. Modellplatten<br />
Modelldurchbiegung beim Formen<br />
Deformiertes Modell od. Platten<br />
Ungenügende Verdichtung<br />
Spalt in der Formteilung<br />
Instabiler Pressholm<br />
Verzug und andere Deformationen<br />
<strong>von</strong> plattenförmigen Bauteilen<br />
Maßhaltigkeit <strong>von</strong> handgeformten Gussstücken<br />
Abgeriebene Kernmarken<br />
Schlecht verdichtete Form<br />
Zu wenig steife Scheren<br />
Un<strong>zur</strong>eichende Verklammerung<br />
Un<strong>zur</strong>eichende Beschwerung<br />
Spalte in der Form<br />
Schwindungsbehinderung<br />
durch Kerne und Formballen<br />
Zu geringe Steifigkeit des<br />
Formkastens<br />
Schwache Kastenschoren<br />
Durchgebogene Klammern<br />
Zu frühes Abheben <strong>von</strong><br />
Beschwereisen<br />
Inhomogene<br />
Verdichtung<br />
Schwierigkeiten<br />
beim Entkernen<br />
Zusammensack<br />
en des Kerns<br />
Deformation dünnwandiger<br />
Gussteile beim Strahlen<br />
Abbildung 8-1: Einflussgrößen auf die Maßhaltigkeit <strong>von</strong> handgeformten Gusstücken<br />
98<br />
Ungenaues bzw. unwirksames<br />
Verklammern <strong>von</strong> Kernkästen<br />
Unangemessene<br />
Überwachung der Fertigung<br />
Strahlkörner haben eine zu<br />
hohe Geschwindigkeit<br />
Zu lang gewählte Strahlzeit<br />
Zu hohe Strahlkorngröße<br />
Änderung des Kernbindemittels od.<br />
Zusammensetzung
9 Gefährdungsanalyse in Gießereien<br />
Bei der Durchführung <strong>von</strong> Gefährdungsanalysen in Arbeitsbereichen in Gießereien werden<br />
systematisch und umfassend alle potentiellen Gefährdungen ermittelt und Maßnahmen zum<br />
Gesundheits- und Arbeitsschutz werden definiert und umgesetzt.<br />
Die Durchführung <strong>von</strong> Gefährdungsanalysen ist im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben.<br />
Eine empfehlenswerte Anleitung für Eisen- und Stahlgießereien, die in weiten Bereichen<br />
auch unmittelbar für Nichteisenmetallgießereien nutzbar ist, hat die Vereinigung der Metall-<br />
Berufsgenossenschaften erstellt und herausgegeben (Abbildung 9-1).<br />
Abbildung 9-1: Anleitung für die Durchführung <strong>von</strong> Gefährdungsbeurteilungen in Gießereien<br />
Seitens des Instituts für Gießereitechnik gGmbH sind Hilfsmittel <strong>zur</strong> Anwendung der Handlungsanleitung<br />
der Metall-BGen entwickelt worden.<br />
Abbildung 9-2 und Abbildung 9-3 zeigen Arbeitsblätter, mit denen eine Gefährdungsbeurteilung<br />
in einer Gießerei in allen Arbeitsbereichen einer Gießerei und mit Einbeziehen aller<br />
Arbeitsplatzfaktoren und Gefährdungen durchgeführt werden kann.<br />
99
Gefährdungsbeurteilung - arbeitsbereichsbezogen<br />
Betriebsinterne Nr.: BBG-<br />
Unternehmen:<br />
Betriebsart: Gießerei<br />
Arbeitsbereich Sandaufbereitung<br />
Gefährdungs-/<br />
Belastungsschlüssel: 3.3<br />
Gefährdungs-/<br />
Belastungsfaktor: Aerosole<br />
Arbeitsplatz Sandaufbereitung<br />
Teilgefährdung/Teilbelastung: Staub<br />
Handlungsbedarf: Ja. Starke Staubbelastung im gesamten Bereich.<br />
………………………………………………………………………….<br />
Beratung: Nein<br />
Rang .<br />
Schutzziel normiert: .<br />
Schutzziel sonstiges: Insbesondere Langzeitschäden verhindern.<br />
Beschreibung des Schutzzieles: Lungenschädigung vermeiden.<br />
………………………………………………………………………….<br />
Maßnahme technisch: .<br />
Maßnahme organisatorisch: .<br />
Maßnahme personenbezogen: Ja<br />
Beschreibung der Maßnahme: P: PSA (Staubschutzmasken) <strong>zur</strong> Verfügung stellen. Regelmäßige<br />
Vorsorgeuntersuchungen. Regelmäßige Sicherheitsunterweisungen.<br />
……………………………………………………………………………<br />
Maßnahme abgearbeitet: .<br />
Zyklus der Maßnahme: .<br />
Prüfer für Wirkungskontrolle: .<br />
Termin der Wirkungskontrolle: .<br />
Wirkungskontrolle abgearbeitet: .<br />
Zyklus der Wirkungskontrolle: .<br />
Ist die Maßnahme wirksam?: .<br />
Sonstiges: .<br />
Erfasst durch: <strong>IfG</strong> gGmbH, Düsseldorf: Team Helber/Lindhauer<br />
Erfasst am: 12./13.11.2007<br />
Abbildung 9-2: Arbeitsblatt für eine Gefährdungsanalyse – Beispiel: Sandaufbereitung<br />
und Aerosole<br />
100
Gefährdungsbeurteilung - arbeitsbereichsbezogen<br />
Betriebsinterne Nr.: BBG-<br />
Unternehmen:<br />
Betriebsart: Gießerei<br />
Arbeitsbereich Sandaufbereitung<br />
Gefährdungs-/<br />
Belastungsschlüssel: 1.1<br />
Gefährdungs-/<br />
Belastungsfaktor: ungeschützt bewegte Maschinenteile<br />
Arbeitsplatz Sandaufbereitung<br />
Teilgefährdung/Teilbelastung: Insbes. Einziehen an den Bandenden<br />
Handlungsbedarf: Ja. Die meisten Bandenden sind ungeschützt.<br />
Beratung: Evtl. wegen Bauausführung<br />
Rang .<br />
Schutzziel normiert: .<br />
Schutzziel sonstiges: Verletzungsgefahr vermeiden<br />
Beschreibung des Schutzzieles:<br />
………………………………………………………………………….<br />
………………………………………………………………………….<br />
………………………………………………………………………….<br />
Maßnahme technisch: Ja.<br />
Maßnahme organisatorisch: .<br />
Maßnahme personenbezogen: .<br />
Beschreibung der Maßnahme: Abdeckungen aus Gitterblech o. ä. anbringen.<br />
Maßnahme abgearbeitet: Nein<br />
Zyklus der Maßnahme: .<br />
Prüfer für Wirkungskontrolle: .<br />
Termin der Wirkungskontrolle: .<br />
Wirkungskontrolle abgearbeitet: .<br />
Zyklus der Wirkungskontrolle: .<br />
Ist die Maßnahme wirksam?: .<br />
Sonstiges: .<br />
Erfasst durch: <strong>IfG</strong> gGmbH, Düsseldorf: Team Helber/Lindhauer<br />
Erfasst am: 12./13...2007<br />
Abbildung 9-3: Arbeitsblatt für eine Gefährdungsanalyse – Beispiel: Sandaufbereitung<br />
und Maschinenteile<br />
101
10 Analyse <strong>von</strong> Unfallursachen und Unfallvermeidung in Gießereien<br />
Im Vergleich mit anderen Industriezweigen ist die Unfallhäufigkeit in Gießereien vergleichsweise<br />
hoch. Statistischen Angaben hierzu werden <strong>von</strong> den Berufsgenossenschaften bereitgestellt.<br />
Für die Analyse <strong>von</strong> Unfallursachen und die Ergreifung <strong>von</strong> präventiven Maßnahmen <strong>zur</strong><br />
Unfallvermeidung liefern diese statistischen Daten wenig. Es bedarf einer systematischen<br />
Erfassung und Auswertung <strong>von</strong> Betriebsdaten einer Gießerei, um Unfallgefahren und Risikoschwerpunkte<br />
zu ermitteln. Anschließend können geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen definiert<br />
und umgesetzt werden.<br />
Unfallaufnahme und Untersuchungen<br />
Die Unfallaufnahme sollte möglichst unmittelbar nach Eintritt des Unfallereignisses<br />
durchgeführt werden.<br />
Betriebliche Unfalluntersuchungen sind als Grundlage für weitere Auswertungen mit großer<br />
Sorgfalt vorzunehmen. Sie dienen u. a. den Zwecken:<br />
• Ursachen und Umstände, die zu einem Unfallereignis führten, zu erkennen (Gefährdungsermittlung).<br />
• das Schutzziel neu festzulegen und die sich hieraus ergebenden Maßnahmen zu<br />
planen und durchzuführen.<br />
• der Datensammlung für betriebliche und überbetriebliche Unfallstatistiken <strong>zur</strong> Ermittlung<br />
und Analyse <strong>von</strong> Schwerpunkten. Die Unfalluntersuchung soll grundsätzlich<br />
durch den betrieblichen Vorgesetzten zusammen mit dem Sicherheitsbeauftragten<br />
(früher Unfallvertrauensmann) und dem Betriebsrat erfolgen.<br />
Statistische Darstellung <strong>von</strong> Unfallereignissen<br />
Die Statistik ist eine Hilfswissenschaft, die Methoden für die Sammlung, Aufbereitung, Analyse<br />
und Interpretation <strong>von</strong> Daten bereithält.<br />
Jede Unfallursachenstatistik soll gezielte Sicherheitsmaßnahmen auslösen. Eine Unfall-<br />
Folgenstatistik zeigt Maßnahmen auf, wie Schäden verhindert oder zumindest vermindert<br />
werden können. Schon die einfache Darstellung der Unfallhäufigkeit vermittelt erste Aufschlüsse<br />
über Arbeitssicherheitsmängel.<br />
102
Grundlagen und Datenerfassung<br />
Wird die Unfallzahl auf eine festliegende Größe bezogen, so ergibt sich bereits eine Unfallhäufigkeit.<br />
Größen, die das Unfallgeschehen und somit die Häufigkeit beeinflussen, sind:<br />
- Zeitraum (Monat, Jahr)<br />
- Belegschaftsstärke (1000-Mann-Quote pro Monat oder Jahr)<br />
- Geleistete Arbeitsstunden (1 Mio. Std. pro Monat oder Jahr)<br />
Für eine statistische Betrachtung führt die Einbeziehung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden<br />
zu einer besonders geeigneten Vergleichskenngröße.<br />
Zur Datenerfassung dient der Vordruck nach Abbildung 10-1. Darin sind die wichtigsten<br />
Gießereiabteilungen aufgeführt. Einzufügende Freizeilen erlauben weitere Differenzierungen.<br />
Ebenso können durch Eintragungen in Summenfelder oder mit Hilfe <strong>von</strong> Klammern Werte<br />
zusammengefasst werden.<br />
103
Abbildung 10-1: Formular <strong>zur</strong> Datenerfassung <strong>zur</strong> Unfallstatistik<br />
104
Unfallhäufigkeitsstatistik<br />
Abbildung 10-2 zeigt die Unfallstatistik für eine Anzahl Gießereien und macht den Schwerpunkt<br />
des Unfallgeschehens in den verschiedenen Betriebsabteilungen deutlich. Diese Darstellung<br />
weist Ansatzpunkte für eine Unfallursachenermittlung auf. Zudem besteht die Möglichkeit<br />
eines anonymen Vergleichs mittels Firmenschlüsselnummern zwischen verschiedenen<br />
Unternehmen.<br />
Es sind Konzepte in der <strong>Entwicklung</strong> zukünftig auch sogenannte Beinaheunfälle zu erfassen<br />
und für die <strong>Entwicklung</strong> präventiver Maßnahmen nutzbar zu machen.<br />
Abbildung 10-2: Vergleich der Unfallhäufigkeit nach Betriebsabteilungen<br />
>> Analyse der Unfallfolgen<br />
Die Unfallhäufigkeitsstatistik zeigt die Unterschiede bezogen auf die Zeiteinheit und/oder die<br />
verfahrenen Arbeitsstunden und ermöglicht, gezielte Fragen nach der Verletzungsart und<br />
dem verletzten Körperteil - also den Unfallfolgen - zu stellen.<br />
Statistiken über verletzte Körperteile (Kopf, Augen, Arm, Hand, Finger, Oberkörper, Unterkörper,<br />
Beine, Füße, Zehen) für ganze Unternehmen oder gar Branchen sind mehr oder weniger<br />
wertlos. Es ist vielmehr erforderlich, die verletzten Körperteile statistisch nach gleichartigen<br />
Arbeitsplätzen oder überschaubaren Betriebsbereichen zu betrachten. Hieraus ergeben<br />
sich Hinweise auf<br />
• Fehler an Anlagen, Maschinen und Einrichtungen,<br />
• fehlende, defekte oder unvollständige Schutzvorrichtungen,<br />
• Mängel bei der Arbeitsplatzgestaltung,<br />
105
• erforderliche bzw. zu verbessernde Körperschutzmaßnahmen etc.<br />
Die Analyse der verletzten Körperteile ist nur in Verbindung mit dem Wissen über die Verletzungsarten<br />
aussagefähig (Abbildung 10-3). Dazu gehören auch Angaben <strong>zur</strong> Dauer der<br />
Arbeitsunfähigkeit.<br />
106
Abbildung 10-3: Formular 2 <strong>zur</strong> Datenerfassung <strong>zur</strong> Unfallstatistik<br />
Hiernach sind Schutzziele zu bestimmen und die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten<br />
[UIG79].<br />
107
11 Energieeffiziente Gussproduktion<br />
Gießereien sind prozessbedingt (Schmelzen <strong>von</strong> Metall) vergleichsweise energieintensive<br />
Betriebe. Nach derzeitigen Erfahrungen gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass ein großes Potential an<br />
technischen und organisatorischen Maßnahmen vorhanden, aber noch nicht erschlossen<br />
sind.<br />
Im Vergleich zu anderen Fertigungsverfahren, mit denen metallische Bauteile gefertigt werden,<br />
hat das Gießen allerdings auch deutliche Vorteile und Potentiale hinsichtlich des Materialeinsatzes<br />
und der Energieeffizienz:<br />
• Gussteile werden endkonturnah gefertigt - d. h. eine vergleichsweise geringe Bearbeitung<br />
und Abtragung <strong>von</strong> Material ist notwendig, um die Endkontur des Bauteiles<br />
zu erreichen.<br />
• Die hinsichtlich Werkstoffwahl und Design außerordentlich vielfältigen Möglichkeiten<br />
des Gießens erlauben es, Bauteile hinsichtlich Materialeinsatz und Energieeffizienz<br />
für jeden Anwendungsfall zu optimieren. Mit komplexen, teilweise nach bionischen<br />
Konstruktionsprinzipien gestalteten Bauteilen können diese in höchstem Maße anwendungs-<br />
und anforderungsgerecht als Leichtbaukonstruktionen gefertigt werden.<br />
Die Fertigung derartiger Leichtbaukonstruktionen ist aber sowohl bei der Fertigung<br />
der Bauteile als auch bei deren Verwendung – beispielsweise als Automobilbauteile –<br />
material- und energieökonomisch.<br />
• Die besonders hohe Gestaltungsfreiheit beim Bauteildesign ermöglicht es außerdem,<br />
nahezu jede noch so komplizierte Geometrie als Bauteil zu realisieren. Dies ermöglicht,<br />
neuartige gegossene Bauteile herzustellen, die mehrere Funktionen erfüllen und<br />
mehrere zuvor verwendete Bauteile ersetzen – dies trägt ebenfalls <strong>zur</strong> Erhöhung <strong>von</strong><br />
Material- und Energieeffizienz bei.<br />
Leichtbau- und funktionsintegrierte gegossene Bauteile ermöglichen Materialeinsparungen –<br />
d. h. weniger Material für die Herstellung eines Bauteils ist energieintensiv zu schmelzen und<br />
bei der Verwendung des Gussteils, beispielsweise im PKW, führt die Gewichtseinsparung zu<br />
einem geringerem Kraftstoffverbrauch eines PKW (oder anderen Fahrzeuges).<br />
Die Ansätze zu gegossenen Leichbaukonstruktionen liegen<br />
� im Guss-Design, beispielsweise nach bionischen Prinzipien,<br />
� in einer höheren <strong>Prozess</strong>fähigkeit beim Fertigungsverfahren Gießen, was ermöglicht,<br />
geringere Toleranzen und geringere Wanddicken, d. h. masseärmere, Gussteile prozesssicher<br />
zu fertigen,<br />
108
� in einer innovativen Werkstoffwahl, beispielsweise kann man Bauteile gießen, bei denen<br />
innerhalb eines Gusswerkstoffes verschiedenartige, den ortspezifischen Anforderungen<br />
angepasste Werkstoffeigenschaften erreicht werden (Gradientenguss).<br />
Ziel im Verbundvorhaben <strong>LeiKom</strong> ist es gewesen, diese Ansätze zu umsetzbaren betrieblichen<br />
Maßen zu entwickeln. Eine ausführliche Darstellung enthält der <strong>LeiKom</strong>-Band „Produkt“.<br />
Tafel 11-1 zeigt die Ergebnisse aus Erhebungen <strong>zur</strong> Energieeffizienz in mehreren Eisengießereien.<br />
Die unterschiedlichen Fertigungstechniken und unterschiedliche Grade der Energieeffizienz<br />
führen zu deutlich unterschiedlichen Energieverbräuchen.<br />
Tafel 11-1: Energieverbräuche in Eisengießereien (rot: markante Werte)<br />
Abbildung 11-1 zeigt eine Methode und Form der Darstellung, die sich bei Analysen in Gießereien<br />
<strong>zur</strong> Bewertung der Energieeffizienz und <strong>zur</strong> Erschließung <strong>von</strong> Potentialen <strong>zur</strong> Verbesserung<br />
der Energieeffizienz bewährt hat.<br />
109
Abbildung 11-1: Analyse der Energieströme in einer Gießerei<br />
Eine Handlungsanleitung <strong>zur</strong> systematischen Bewertung und Verbesserung der Energieeffizienz<br />
in einer Gießerei – mit einer Checkliste, mit einem Katalog mit Maßnahmen <strong>zur</strong> Erhöhung<br />
Energieeffizienz und mit Empfehlungen für ein Energiemanagement in einer Gießerei<br />
ist im Folgenden ausführlich dargestellt.<br />
Übersicht 11-1: Handlungsanleitung <strong>zur</strong> Steigerung der Energieeffizienz<br />
Allgemeine Überprüfung des Betriebes anhand einer Checkliste<br />
>> Allgemeines<br />
• Energieverbrauch erfassen und überwachen.<br />
• Leistungs-Maximum für elektrische Energie und Gas überwachen und steuern<br />
(Spitzen abschneiden).<br />
>> Nutzung der bezahlten Leistung:<br />
• Benutzungsstunden verbessern.<br />
• Strom- und Gasverträge überprüfen, mit anderen vergleichen; Starklastzeitenregelung<br />
nutzen.<br />
• Bei Gas leistungsfreien Bezug durch 'unterbrechbaren' Vertrag prüfen.<br />
110
• Spezifische Verbrauchsdaten erfassen und vergleichen (Verbrauchsunterschiede über<br />
mehrere Jahre überprüfen).<br />
• Energiebilanzen einzelner Anlagen und ganzer Produktionszweige erstellen, um daraus<br />
Energieverluste zu ermitteln bzw. Schwerpunkte für Sparmaßnahmen festzulegen.<br />
• An Wochenenden Funktion der Heizungsabsenkung und der Anordnungen zum Abschalten<br />
der Energieverbraucher überprüfen.<br />
• Energiekosten einschl. Druckluft und Wasser verbrauchsabhängig der verursachenden<br />
Betriebsabteilung berechnen.<br />
• Im Betrieb 'Energiebeauftragte' <strong>zur</strong> Verfolgung eines rationellen Energieverbrauchs<br />
einsetzen.<br />
>> Elektrische Energie<br />
• Nutzung <strong>von</strong> verbilligtem Wärme- und Nachtstrom (Schmelzen in der Nachtzeit,<br />
Warmhalten am Tage).<br />
• Blindstromkompensation möglichst beim Verbraucher.<br />
• Überdimensionierung <strong>von</strong> Elektroantrieben vermeiden.<br />
• Leerlaufverluste <strong>von</strong> Trafos vermeiden.<br />
• Installierte Lichtleistung prüfen bzw. anpassen.<br />
• Dämmerungsschalter einsetzen.<br />
• Beleuchtung in geeigneten Gruppen abschaltbar machen.<br />
• Wahl der wirtschaftlichsten Beleuchtungskörper (Leuchtstofflampen, Hochdruckdampflampen).<br />
• Fenster reinigen. Hallen und Anlagen lichtfreundlich streichen.<br />
• Antriebe in den Pausen möglichst abschalten (besonders bei Entstaubungen wegen<br />
gleichzeitigem Abzug geheizter Luft im Winter).<br />
• Notstromaggregate <strong>zur</strong> Leistungsspitzenregelung einsetzen<br />
• Automatische Abschaltuhren einbauen.<br />
>> Wärme<br />
• Temperaturregelung über Thermostat mit Nacht- und Wochenendabsenkung und<br />
Frostschutzsicherung, Thermostatventile in Büros.<br />
• Wahl der richtigen Kesselgröße und des Standortes (Teillastbetrieb vermeiden).<br />
111
• Regelmäßige Kesselreinigung und Brennerüberprüfung (Rußzahl, CO, Abgastemperatur,<br />
Kesselwirkungsgrad) verschmutzte Kesselflächen ergeben Minderleistung bis<br />
30 %. verschmutzte Brenner ergeben Minderleistung bis 20 %.<br />
• Gegebenenfalls Kessel und Brenner erneuern.<br />
• Einsatz bivalenter Brenner (Gas/Öl) <strong>zur</strong> Verbesserung der Benutzungsstunden - Vorsicht:<br />
Betriebssicherheit geht vor.<br />
• Spezifischen Wärmeverbrauch pro beheizte Fläche oder Raumvolumen ermitteln und<br />
vergleichen (Abhängigkeit <strong>von</strong> den Gradtagen, d.h. Tage x (20°C - effektive Tagesdurchschnittstemperatur)<br />
berücksichtigen).<br />
• Bei Dampfheizung Kondensat <strong>zur</strong>ückführen.<br />
• Einzelplatzheizung vor Hallenheizung.<br />
• Einsatz <strong>von</strong> Strahlungsheizung prüfen.<br />
• Kontrollierte Lüftung und Ersatz <strong>von</strong> abgesaugter Luft,<br />
• Einbau <strong>von</strong> Torschleusen.<br />
• Prüfung der Möglichkeit, gereinigte Abluft in Hallen <strong>zur</strong>ückzuführen.<br />
• Isolation <strong>von</strong> Leitungen und Gebäuden (mögliche Schwitzwasserbildung beachten).<br />
• Verbraucher mit niedrigerem Temperaturniveau getrennt versorgen.<br />
• Soweit möglich ganze Leitungsstränge abstellen und Einzelverbraucher im Sommer<br />
und in der Übergangszeit getrennt versorgen, um Leitungsverluste zu verringern.<br />
• Sozialräume und Verbraucher <strong>von</strong> Warmwasser an wenigen Stellen zusammenfassen<br />
und möglichst dicht an den Wärmeerzeuger legen (Sommerverbraucher mit kurzen<br />
Leitungen).<br />
>> Wasser<br />
• Trinkwassereinsatz in der Produktion vermeiden.<br />
• Trinkwasser nicht zum Kühlen <strong>von</strong> Getränken verwenden (Kühlschränke).<br />
• Abwassergebühr entfällt, wenn das verbrauchte Wasser nicht in den öffentlichen Kanal<br />
abgeleitet wird (Eingang in das Produkt und Verdampfung), zusätzlich Verhandlung<br />
mit Abwasserentsorger.<br />
• Kühlwasser im Kreislauf nutzen.<br />
• Wasserkühlung bei kleinen Anlagen durch Luftkühlung ersetzen.<br />
• Kühlung temperaturabhängig steuern und in Betriebspausen abstellen.<br />
• Mehrfachnutzung des Wassers prüfen (Werkskläranlage).<br />
112
Druckluft<br />
• Abgabemengen messen und verbrauchsbezogen die Abteilungen mit den Kosten belasten.<br />
• Erfassung und Beseitigung <strong>von</strong> Leckagen (Leckrate im Stillstand oder im laufenden<br />
Betrieb mit Ultraschall-Lecksuchgerät überprüfen).<br />
• Kompressoren nachts und am Wochenende abstellen (evtl. kleinen Kompressor vor<br />
Ort einsetzen).<br />
• Optimalen Betriebsdruck für bestimmte Arbeitsaufgaben festlegen und einstellen.<br />
• Für Blaspistolen Düsen hinsichtlich Druck und Lärm mit günstigstem Bohrungsdurchmesser<br />
wählen.<br />
• Richtige Dimensionierung der Kompressoren und Anpassung an schwankenden<br />
Verbrauch (mehrere Einheiten).<br />
• Einsatz <strong>von</strong> Druckluft soweit wie möglich vermeiden bzw. durch Hochfrequenz ersetzen<br />
oder Lüfter einsetzen.<br />
• Druckluft nicht zum Kühlen und Reinigen verwenden.<br />
• Verwendung der Abwärme aus Kompressoren prüfen.<br />
>> Gebäude<br />
• Flächen-Raum-Verhältnis optimieren.<br />
• Sozialräume, Büros etc. über Fertigungsstätten einrichten.<br />
• Hallenhöhe optimal auslegen und nutzen.<br />
• Tore mit Schleusen versehen.<br />
• Getrennte Personentüren einbauen (Servicetore).<br />
• Häufig befahrene Tore mit automatischer Steuerung ausrüsten.<br />
• Luftschleier nur dort, wo unvermeidbar und dann mit Kaltluft (wichtig ist richtige<br />
Auslegung).<br />
• Im Sommer geöffnete Hallenfenster und Oberlichter im Winter schließen.<br />
• Dächer und ggf. Wände isolieren.<br />
• Fenster mit Isolierverglasung, bei Industrieverglasung z.B. doppelschalige Acryl-<br />
Lichtplatten verwenden (sind gleichzeitig schlagfest).<br />
>> Fertigungseinrichtungen<br />
• Überprüfen der Verfahren hinsichtlich Energieträger und Verbrauch unter Berücksichtigung<br />
der Gesamtkosten und Qualität.<br />
• Entstaubungsanlagen nicht überdimensionieren.<br />
113
• Abzug der beheizten Raumluft mindern durch geeignete Absaughauben (Punktabsaugung)<br />
und bei Entstaubungen Teilstromrückführung in die Anlage als Trägerluft.<br />
• Bei Wärmebehandlungsöfen Ofenfüllung verbessern. Betriebspausen verringern.<br />
• Ofenisolierung optimal auslegen.<br />
• Verbrennungsluftvorwärmung oder Einsatz <strong>von</strong> Rekubrennern.<br />
• Abwärme aus Abgas und Kühlwasser nutzen.<br />
• Pfannenfeuer mit modernen Hochdruckbrennern ausrüsten (Verbrennungsluftvorwärmung<br />
oder Rekubrenner).<br />
• Pfannen abdecken (z. B. in Aluminiumgießereien bringt das Abdecken <strong>von</strong> Warmhalteöfen<br />
rd. 12 %, bei Schmelzöfen rd. 3 % Energieeinsparung).<br />
• Pfanneneinsatz optimieren und Stillstandzeiten vermeiden.<br />
• Pfannentrocknungs- und Vorwärmzeiten vorgeben.<br />
• Hilfsanlagen elektrisch mit der Hauptanlage verriegeln, um Weiterlaufen in Pausen<br />
zu verhindern.<br />
• Fertigungsfluss optimieren; Überstunden an wenigen Arbeitsplätzen vermeiden.<br />
• Materialeinsatz verbessern (Formkastenausnutzung und Ausbringen optimieren).<br />
• Hydraulikanlagen mit auf den jeweiligen Anwendungsbereich abgestimmten Druck-<br />
Systemen wählen und mit Regelpumpen ausrüsten; zu hohe Betriebsdrucke machen<br />
Investitionskosteneinsparungen durch höhere Energiekosten zunichte.<br />
• Heizeinrichtungen über Zeitschaltuhren und Thermostate schalten.<br />
• Gebläse für regelbaren Luftbedarf (z.B. Kupolofenwind) auch mit drehzahlgeregeltem<br />
Antrieb ausrüsten.<br />
• Fahrzeugeinsatz optimieren, Transportwege stets freihalten.<br />
• Bei Transportfahrzeugen Fahrzeiten über Stundenzähler überwachen (Nutzungsgrad<br />
prüfen).<br />
• Bei Dieselfahrzeugen kleinere Düsen einsetzen und Einstellung regelmäßig kontrollieren,<br />
Erstellung <strong>von</strong> Energieanalysen und –bilanzen<br />
>> Zweck<br />
• Ermittlung <strong>von</strong> Schwerpunkten.<br />
• Schaffung <strong>von</strong> Unterlagen, anhand derer eine langfristige Überwachung <strong>von</strong><br />
Verbrauch und Kosten möglich ist, aber auch <strong>zur</strong> Kontrolle des Erfolgs <strong>von</strong> Maßnahmen.<br />
• Aufstellung eines Energiesparprogramms mit konkreten Zielvorgaben.<br />
114
Durchführung<br />
• Analyse des Ist-Zustandes.<br />
• Erfassung und Auswertung des Energieverbrauchs <strong>von</strong> Heizungsanlagen (als Beispiel<br />
siehe Beiblatt "Monatsbericht Heizenergie"), Produktionsanlagen, Fertigungsbereichen,<br />
Produktgruppen usw.<br />
• Erstellen <strong>von</strong> Energiebilanzen<br />
• Bewertung des Verbrauchs durch Vergleiche einzelner Monatswerte (z. B. Sommer/Winter)<br />
bzw. mit bekannten Werten aus anderen Fertigungen. Bei Vergleichen<br />
stets auf ähnliche Betriebszustände und gleiche Einzelkostenerfassung achten.<br />
• Energiebilanzen periodisch graphisch darstellen, um Trends beobachten zu können.<br />
• Erarbeitung <strong>von</strong> Einzelmaßnahmen mit Investitionskosten und Abschätzung der Einsparungen.<br />
Motivation der Belegschaft <strong>zur</strong> Vermeidung <strong>von</strong> Energievergeudung und <strong>zur</strong> Durchsetzung<br />
eines Sparprogramms<br />
>> Psychologische und organisatorische Grundlagen<br />
• Energiesparen bedeutet Verzicht, z.B. auf Gewohnheiten, Kornfort, Prestige usw.<br />
• Privates Sparverhalten ist im Betrieb oft vergessen (Trittbrettfahrerphänomen ist ein<br />
Hindernis zum Sparen im Betrieb),<br />
• Zwang in allen möglichen Formen lässt sich nicht vermeiden, wird aber akzeptiert,<br />
wenn nach entsprechender Aufklärung die Notwendigkeit erkannt wird; ein Zustand<br />
der Selbstverwirklichung muss erreicht werden.<br />
• Vorrangiges Ziel muss die Vermeidung unnötigen und unzweckmäßigen Energieverbrauchs<br />
und erst in zweiter Linie die Einführung sparsamerer Technologien sein.<br />
>> Mittel und Wege <strong>zur</strong> Motivation<br />
• Information über Verbrauch und Kosten möglichst mit Vergleichen zum besser verstandenen<br />
Privatbereich.<br />
• Information über Werkszeitschrift, Betriebsversammlung, Meister- und Vorarbeitergespräch.<br />
• Einsetzen <strong>von</strong> Betriebsbeauftragten für Energie.<br />
• Vorbildliches Energiesparen durch die Vorgesetzten.<br />
• Sonderaktion im Verbesserungsvorschlagswesen (ggf. mit Sonderprämien).<br />
• Information und Ansprache über Plakate und Aufkleber.<br />
115
• Vorgaben <strong>zur</strong> Energieeinsparung für einzelne Bereiche machen und über Ergebnis<br />
informieren.<br />
Erstellung und Durchführung eines Energiesparprogramms<br />
>> Chef des Unternehmens<br />
• setzt das Sparziel, gibt es bekannt und erklärt warum<br />
• nennt organisatorische und personelle Maßnahmen<br />
• zeigt laufend Interesse<br />
• bekommt laufend Berichte<br />
• gibt Ergebnisse bekannt - würdigt Erfolg<br />
• setzt die Befugnisse fest für den Chef des Programms<br />
>> Chef des Programms<br />
• schafft die Unterlagen <strong>zur</strong> Einführung des Programms in organisatorischer Sicht (Arbeitsplan,<br />
Zeitplan. Berichtswesen, Kontrollen)<br />
• in fachlicher Sicht (eigenes Fachpersonal, Berater, Ingenieurbüros)<br />
• in psychologischer Sicht (Motivierung, Anreize, Schulung)<br />
motiviert Mitarbeiter, lässt Mitarbeiter ausbilden,<br />
holt Vorschläge ein, lässt sie prüfen und bewerten,<br />
entscheidet über Ausführung, setzt Prioritäten,<br />
kontrolliert Erfolg [EEG85]<br />
12 <strong>Prozess</strong>integrierter Umweltschutz<br />
Mit dem Fertigungsverfahren „Gießen“ ist ein nahezu vollständiges Metall-Recycling möglich<br />
und als endkonturnahes Fertigungsverfahren ist es vergleichsweise energiesparend. Jedoch<br />
steigen die Anforderungen des Umweltschutzes stetig weiter: Nachbarschaft und Umfeld <strong>von</strong><br />
Gießereien erwarten eine weitere Reduzierung der Emissionen und die Verknappung <strong>von</strong><br />
Deponieraum fordert noch intensiveres Recycling.<br />
Als vor einiger Zeit deutlich geworden ist, dass „klassische“ Umweltschutzmaßnahmen, wie<br />
Abluftreinigung, die gestellten Anforderungen nicht mehr erfüllen können, ist der „Integrierte<br />
Umweltschutz“ <strong>zur</strong> Strategie geworden. Es sind Maßnahmen entwickelt und erprobt worden,<br />
die negative Umweltauswirkungen an der Quelle verhindern.<br />
116
Die Fertigungsprozesse und Einsatzstoffe müssen so gestaltet werden, dass Emissionen gar<br />
nicht entstehen oder möglichst minimiert werden. Umweltunverträgliche Stoffe sollten durch<br />
umweltverträgliche Stoffe substituiert werden. Durch effizientere Produktion sollten Energieund<br />
Materialverbrauch reduziert werden.<br />
Dabei sollte die Wirkung <strong>von</strong> Produkten auf die Umwelt in die Betrachtung als produktintegrierter<br />
Umweltschutz mit einbezogen werden. Der gesamte Lebenszyklus eines Produktes ist<br />
zu betrachten: Emissionen und Abfälle bei der Rohstoffgewinnung, der Herstellung, dem<br />
Gebrauch und der Entsorgung.<br />
Die Gießereiindustrie betrachtet den integrierten Umweltschutz als strategisches Ziel.<br />
Die strategische Richtung, Umweltschutz in den Fertigungsprozess oder in die Produkte/Gussteile<br />
zu integrieren, wurde dankenswerterweise vom Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) und dem Projektträger DLR „Umweltforschung und –technik“ mit<br />
dem Förderprogramm „Integrierter Umweltschutz in der Gießereiindustrie“ maßgeblich unterstützt.<br />
Die Titel der Verbundvorhaben sind in Tabelle 18 zusammengestellt. In diesen Verbundvorhaben<br />
sind modellhaft und für die Umweltaufgaben der Gießereien mit höchstem Handlungsbedarf<br />
betriebliche Maßnahmen erarbeitet worden.<br />
117
Tafel 12-1: Themen des BMBF-Programms „Integrierter Umweltschutz in der Gießereiindustrie“<br />
Die Ergebnisse aus dem Programm „Integrierter Umweltschutz in der Gießereiindustrie“, hier<br />
am Beispiel der Minderung <strong>von</strong> Geruchsemissionen durch neuartige verbesserte Kernbindemittel,<br />
sind auch in technische Standards, wie VDI-Richtlinie 4075, aufgenommen worden<br />
(Abbildung 12-1).<br />
118
Geruchseinheiten je m 3<br />
70000<br />
60000<br />
50000<br />
40000<br />
30000<br />
20000<br />
10000<br />
0<br />
Frühere Kernbindemittel<br />
Neuere Kernbindemittel<br />
5 30<br />
Zeit nach Abguss (min)<br />
60<br />
Abbildung 12-1: Minderung <strong>von</strong> Geruchsemissionen einer Eisengießerei durch neue<br />
Kernbindemittel<br />
Aus einzelnen modellhaft entwickelten prozessintegrierten Maßnahmen ist ein System <strong>zur</strong><br />
Bewertung (Abbildung 12-2 und Abbildung 12-3) und <strong>zur</strong> Vorgehensweise entwickelt worden.<br />
Abbildung 12-2: Mehrdimensionale Bewertung <strong>von</strong> betrieblichen prozessintegrierten<br />
Maßnahmen<br />
119
Abbildung 12-3: Systematische Bewertung <strong>von</strong> ökologischen Größen bei prozessintegrierten<br />
Maßnahmen<br />
Eine ausführliche Darstellung der prozessintegrierten und der nachgeschalteten Maßnahmen<br />
des betrieblichen Umweltschutzes in Gießereien mit Hinweisen auf technisch-wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen gibt die umfassende Darstellung zu den Best Verfügbaren Techniken<br />
in Gießereien (Abbildung 12-4) mit einem Umfang <strong>von</strong> rund 400 Seiten und zahlreichen<br />
Quellen.<br />
Dieser Ausarbeitung zu Grunde liegen Arbeiten vieler europäischer Institute und Unternehmen.<br />
Abbildung 12-4: Beschreibung der Best Verfügbaren Techniken in Gießereien für eine<br />
umweltverträgliche Produktion [PIU 05]<br />
120
13 Instandhaltung in Gießereien<br />
Ziele und Aufgaben der Instandhaltung<br />
Die Instandhaltung umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen, die <strong>zur</strong> Bewahrung und Wiederherstellung<br />
des Sollzustandes des Betriebsmittels sowie <strong>zur</strong> Festlegung und Beurteilung<br />
des Ist-Zustandes <strong>von</strong> technischen Mitteln eines Systems erforderlich sind (Abbildung<br />
13-1).<br />
Abbildung 13-1: Die Aufgabengebiete der Instandhaltung<br />
Unter Wartung sind alle Maßnahmen <strong>zur</strong> Bewahrung des Sollzustandes <strong>von</strong> technischen<br />
Mitteln eines Systems zu verstehen. Der Begriff der Inspektion vertritt alle Tätigkeiten, die<br />
<strong>zur</strong> Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes dienen. Die Instandsetzung schließlich<br />
beschäftigt sich geplant oder ausfallbedingt mit der Wiederherstellung des Sollzustandes <strong>von</strong><br />
technischen Mitteln (Abbildung 13-2).<br />
121
Abbildung 13-2: Instandhaltung <strong>zur</strong> Wiederherstellung des Soll-Zustandes<br />
Aufgabe und Ablauf der Instandhaltung<br />
Damit ist zu unterscheiden zwischen den eigentlichen Aufgaben der Instandhaltung und den<br />
Aufgaben, die betriebsabhängig meist zusätzlich wahrgenommen werden. Es lassen sich<br />
allgemeine Unterziele für die Instandhaltung ableiten:<br />
• Sicherstellen einer hohen Maschinen-, bzw. Anlagenverfügbarkeit<br />
• Verhinderung <strong>von</strong> Produktionsausfällen<br />
• Verlängerung der Lebensdauer<br />
• Frühes Erkennen <strong>von</strong> sich anbahnenden Schäden, damit Verhinderung <strong>von</strong> größeren<br />
Folgeschäden<br />
• Schwachstellenerkennung<br />
• Vermeidung <strong>von</strong> Unfallrisiken<br />
• Erhöhung der Arbeits- und Anlagensicherheit<br />
• Vermeidung <strong>von</strong> Umweltbelastungen oder Schäden.<br />
122
Heute sind in den Gießereien vorwiegend drei Organisationsformen anzutreffen:<br />
• Zentrale Organisationsstruktur: Hier sind die disziplinarische und fachliche Verantwortung<br />
aller Instandhaltungsaktivitäten in einer Hand.<br />
• Dezentrale Organisationsstruktur: In dieser Form heißt das, dass das Instandhaltungspersonal<br />
dem Anlagenbetreiber fachlich und disziplinarisch zugeordnet ist.<br />
• Integrierte Instandhaltung: Bei dieser Organisationsform nimmt das Instandhaltungspersonal<br />
sowohl instandhalterische wie auch produktive Aufgaben wahr.<br />
Weitere Mischformen als Kombination der drei Organisationsstrukturen sind<br />
gebräuchlich, aber sehr stark auf die jeweilige Anlagen- und Betriebssituation<br />
ausgerichtet. Die Tendenzen gehen im Sinn <strong>von</strong> „lean" eindeutig in Richtung auf die<br />
integrierten Organisationsformen, Wie später noch gezeigt wird, wird teilweise in<br />
Maschinenbaubetrieben schon die „absolute" Integration dadurch angestrebt, indem<br />
die Produktionsmitarbeiter mögliche Instandhaltungsarbeiten selbst ausführen.<br />
Abbildung 13-3 zeigt die zukünftig zu bewältigenden Aufgaben der Produktionsmitarbeiter:<br />
Abbildung 13-3: Aufgabenintegration bei Gruppenarbeit in der Produktion<br />
123
Physikalische Einordnung der „Instandhaltung" im Unternehmen<br />
Aus rein theoretischen Ansätzen ergeben sich grundsätzlich drei verschiedene Unterbringungsvarianten<br />
der Instandhaltung auf einem Firmengelände, die im Abbildung 13-4 dargestellt<br />
sind:<br />
Abbildung 13-4: Unterbringung der Instandhaltung in der Firma<br />
Mögliche Lagen <strong>von</strong> Instandhaltungsbetrieben<br />
Aus diesen Betrachtungen lassen sich eindeutig Vorteile zunächst für eine<br />
zentral liegende Instandhaltungswerkstatt ableiten. Die Vorteile liegen zunächst „nur"<br />
im Bereich der unproduktiven Wegezeiten der Instandhaltungsmitarbeiter. Diese<br />
Zeit- und Wegevorteile erhöhen sich weiter bei der Aufteilung der zentralen Einheit<br />
in mehrere kleinere dezentrale Instandhaltungsbereiche. Wie bereits erwähnt<br />
werden neuere „Lean-Überlegungen" auch aus anderen Gründen zu diesen kleinen<br />
Instandhaltungsgruppen „vor Ort" führen.<br />
124
Mögliche Instandhaltungsstrategien<br />
In der Praxis sind mehrere grundlegende Strategien der Instandhaltung anzutreffen. Sie beginnen<br />
beim „Nichtstun" (die Anlagen werden solange betrieben, bis ein Reparaturfall eintritt)<br />
und enden bei einer planmäßigen Wartung, planmäßiger Inspektion und planmäßiger Instandsetzung,<br />
so dass eine störungsbedingte Instandsetzung vermieden werden soll.<br />
Die in Gießereien anzutreffenden Strategien <strong>zur</strong> Instandhaltung sind in zehn <strong>von</strong> fünfzehn<br />
untersuchten Gießereien ausfallbedingt (Tafel 13-1). Weitere vier Gießereien betreiben Instandhaltung<br />
nach vorausberechneten Zeitintervallen. Nur eine der untersuchten fünfzehn<br />
betreibt vorbeugende Instandhaltung.<br />
Tafel 13-1: Instandhaltungsstrategien bei fünfzehn automatischen Formanlagen<br />
125
Generelle Instandhaltungsstrategie<br />
Durch zielgerichtete Auswahlkriterien gilt es, die optimale Strategie der Instandhaltungstaktik<br />
für jedes Unternehmen neu zu bestimmen im Hinblick auf eine optimale Nutzung der Betriebseinrichtungen.<br />
Nicht zuletzt, aber spätestens nach einer Entscheidung für eine bestimmte<br />
(höhere) Instandhaltungsstrategie muss die Frage nach der „geplanten Instandhaltung"<br />
oder nach der Arbeitsvorbereitung in der Instandhaltung aufgegriffen werden.<br />
Arbeitsvorbereitung in der Instandhaltung<br />
Der Dienstleister „Instandhaltung" soll <strong>von</strong> seiner Zielsetzung her so rationell wie möglich<br />
arbeiten. Die Aufgabenstellung und das Ziel einer Arbeitsvorbereitung ist es, mit Planung<br />
und Steuerung zu gewährleisten, dass wirtschaftliche und humane Arbeitsmethoden in der<br />
Instandhaltung angewendet und nicht notwendige Arbeiten vermieden werden. Dabei ist<br />
selbstverständlich die Arbeitssicherheit zu gewährleisten und Umweltbelastungen sind zu<br />
vermeiden. Es gibt Erkenntnisse, danach ist die Haupttätigkeit der Instandhalter in Betrieben<br />
nach einer Multimomentaufnahme nur ca. 51%. Die Effektivität dieser Instandhaltungsbetriebe<br />
wurde durch den Aufbau einer Arbeitsvorbereitung im Minimum auf ca. 65%, im Maximum<br />
auf ca. 71% Haupttätigkeiten verbessert.<br />
Die Effizienzsteigerung in der Instandhaltung hat, wie eingangs bereits aufgezeigt, enorme<br />
wirtschaftliche Bedeutung für ein Unternehmen. Durch Einführen <strong>von</strong> planmäßigem Handeln<br />
wird diese Effizienzsteigerung erkennbar durch:<br />
>> Erfolgskriterien:<br />
• Sicherstellen der Standzeiten <strong>von</strong> Maschinen und Anlagen, bzw. Erhöhen<br />
der Standzeiten<br />
• Minimieren der störungsbedingten Stillstandszeiten<br />
• verbesserte Qualität der Produktion<br />
• niedrigere Kosten<br />
• weniger Umweltbelastungen<br />
• geringere Unfallzahlen<br />
>> Erreicht werden kann dies durch:<br />
• technische Festlegung der Arbeit<br />
126
• Materialplanung und Disposition<br />
• Optimierung des Arbeitsablaufes<br />
• Information aller Beteiligten (<strong>von</strong> Produktion bis Einkauf)<br />
• Festlegen des entsprechenden Arbeitschutzes<br />
Neben einer funktionierenden Planung ist die anschließende Steuerung der<br />
Tätigkeiten in der Instandhaltung <strong>von</strong> hervorzuhebender Bedeutung. Der zu<br />
treibende Aufwand hängt naturgemäß <strong>von</strong> der Größe des Unternehmens ab. Mit der<br />
Steuerung sollen folgende Punkte erreicht werden:<br />
• Realisieren der vorgegebenen Solldaten<br />
• Einhalten der Termine<br />
• Auslasten der Kapazitäten<br />
• Senken der Kosten<br />
>> Als Hilfsmittel dienen dabei:<br />
• termingerechte Bereitstellung <strong>von</strong> Menschen, Betriebsmitteln, Material und<br />
allen sonstigen Eingaben (z. B. Informationen)<br />
• rechtzeitiges Veranlassen, Überwachen und Sichern der vorgeplanten Aufgaben.<br />
• Absprachen mit allen Beteiligten, insbesondere der Produktion<br />
Die systematische Planung der Aufgaben der Instandhaltung führt zum nächsten<br />
Untersuchungspunkt, der Entscheidung „Make or Buy".<br />
„Make or Buy" <strong>von</strong> Instandhaltungsleistungen<br />
Wichtig aber ist die exakte Vorgabe für den externen Dienstleister (Abbildung 13-5) die<br />
exakte Planung und Beschreibung der auszuführenden Tätigkeiten.<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt liegt in einer zuverlässigen Kostenaussage über bestimmte,<br />
anfallende Tätigkeiten der eigenen Instandhalter. Nur auf der Basis der Kostentransparenz.<br />
bei exakt vorgegebenem Arbeitsinhalt lässt sich ein Kostenvergleich „intern- extern ermit-<br />
127
teln. Aber auch hier sind wir in der primären Aufgabenstellung einer Arbeitsvorbereitung in<br />
der Instandhaltung.<br />
Der letzte, aber nicht unwesentliche Aspekt, der bei Fremdvergabe <strong>von</strong> Instandhaltungsleistungen<br />
beachtet werden sollte, liegt in der terminlichen Durchführung der Arbeiten. Ist eine<br />
schnelle, pünktliche Erledigung der Arbeiten durch den Anbieter gewährleistet, so steht der<br />
Vergabe prinzipiell nichts mehr im Wege. Ein „Notdienst“ eigenen Instandhalter wird dennoch<br />
kaum zu umgehen sein.<br />
Doch Achtung, werden Teile der Instandhaltungsleistungen fremd vergeben, so tauchen<br />
auch schon die ersten juristischen Stolperfallen auf! Sobald ein eigener Mitarbeiter (Vorgesetzter)<br />
einem Mitarbeiter einer beauftragten Fremdfirma unmittelbar Weisungen erteilt, sei<br />
es auch noch so richtig, werden die Grenzen des Auftragsrechtes überschritten, und rein<br />
juristisch handelt es sich dann um Arbeitnehmerüberlassung mit allen Konsequenzen. Dies<br />
ist oftmals den Betroffenen gar nicht klar.<br />
128
Abbildung 13-5: Anlässe für die Wahl zwischen Eigen- und Fremdinstandhaltung<br />
Kostentreiber in der Instandhaltung - Ansätze <strong>zur</strong> Beseitigung<br />
Wenn <strong>von</strong> Kostentreibern die Rede ist, muss begonnen werden zunächst festzustellen, welches<br />
überhaupt die „normalen Kosten“ sind. Dazu bietet das VDI-Merkblatt [VDI06] „Bildung<br />
<strong>von</strong> Kennzahlen für die Instandhaltung“ direkte Hilfestellung. Neben den eigentlichen Definitionen<br />
der Kennzahlen wird ein methodischer Weg aufgezeigt, um zu diesen Kennzahlen zu<br />
gelangen, der im folgenden Flussdiagramm dargestellt ist (Abbildung 13-6).<br />
129
Abbildung 13-6: Entscheidungsdiagramm <strong>zur</strong> Auswahl und Bildung <strong>von</strong> Kennzahlen<br />
Mit diesen „herkömmlichen" Methoden des Vergleichens <strong>von</strong> Kennzahlen lassen sich sehr<br />
leicht zunächst Kostentrends aufzeigen oder eine Fremdvergabe steuern. Bedeutungsvoll<br />
ist aber das Sammeln <strong>von</strong> Daten, das auch bei anderer Vorgehensweise (in Richtung<br />
„lean") an Bedeutung gewinnt.<br />
130
Die eigentlichen Kostentreiber liegen jedoch verborgen „hinter" der Qualität der Instandhaltungsoperationen:<br />
angefacht durch das Denken in „Lean-<strong>Prozess</strong>en" zeigt sich auch in der<br />
Instandhaltung, dass sehr viel mehr erreicht werden kann, wenn die Menschen, die Instandhalter<br />
mit einbezogen werden in das, was sie tun sollen.<br />
Dann werden plötzlich<br />
• verkrustete Aufbauorganisationen<br />
• veraltete Arbeitsmethoden<br />
• mangelnde Produktivität des einzelnen Mitarbeiters<br />
• mangelnde Arbeitsplatzgestaltung<br />
• schleppende Auftragsabwicklung und<br />
• der fehlende Wille <strong>zur</strong> grundlegenden Veränderung aufgebrochen, und alle<br />
Mitarbeiter gehen gemeinsam einen neuen Weg.<br />
Die Integration <strong>von</strong> bisher externen Arbeitsaufgaben in Gruppen <strong>von</strong> Produktionsmitarbeitem,<br />
lässt auch die Überlegung zu, Instandhaltungsaufgaben in diesen Bereich <strong>zur</strong>ück zu<br />
delegieren. Der Vorteil im organisatorischen Bereich liegt auf der Hand; der Instandhalter<br />
braucht nicht gerufen zu werden, sondern ist vor Ort. Er kennt seine Anlage, weiß um die<br />
verschiedenen Gefahrenpunkte. Er kennt Zusammenhänge mit anderen Produktionsstätten<br />
und kann so die Folgen besser abschätzen. Es entsteht bei der Integration der Instandhaltungsaufgaben<br />
in das Produktionsteam eine Aufgabenanreicherung, die letztendlich weiter in<br />
Richtung Selbstkontrolle und Selbstorganisation der Gruppe führt. Doch ohne Vorbereitung<br />
fassen sich die Aufgaben nicht direkt übertragen.<br />
Zur Vorbereitung eines solchen Vorhabens müssen zunächst Daten erhoben und ausgewertet<br />
werden, mit dem Ziel die „übertragbaren Instandhaltungsaufgaben" aufzudecken. Eine<br />
wichtige Voraussetzung ist, dass Produktion und Instandhaltung kooperativ zusammenarbeiten.<br />
Das Fachwissen und das Problembewusstsein müssen zusammenfließen. Keiner darf<br />
dem anderen eine Falle stellen wollen, denn die gibt es genügend.<br />
Die Basis für alle Entscheidungen bildet eine Klassifizierung der Tätigkeiten, die bisher<br />
<strong>von</strong> der Instandhaltungsgruppe ausgeführt wurden. Dabei darf nicht nur nach den Tätigkeiten<br />
unterschieden werden, sondern die zu übertragenden Aufgaben sollten eine gewisse<br />
Wiederholungsfrequenz aufweisen, damit durch „dauernde Übung" auch das übertragene<br />
Wissen vertieft wird. In Diskussionsrunden wird im nächsten Schritt gemeinsam<br />
festgelegt, welche Tätigkeiten:<br />
131
• komplett übertragbar sind, d.h. direkt durch das Bedienpersonal ausgeführt werden<br />
können (nach entsprechender Anlernphase), zusammen (Instandhaltung und Produktion)<br />
durchgeführt werden können, mit dem Ziel, langfristig auch diese Arbeiten <strong>von</strong><br />
der Produktion zu übernehmen,<br />
• überhaupt nicht durch die Produktionsmitarbeiter ausgeführt werden<br />
können, da Spezialwissen erforderlich ist oder Vorschriften (z.B. der UW)<br />
dem entgegenstehen.<br />
In der Praxis gibt es noch Fälle, die eine Übernahme der Instandhaltungstätigkeiten<br />
durch die Produktion ermöglichen würden, wenn technische Änderungen an Anlagen<br />
oder Einrichtungen vorgenommen würden. Hier ist eine Kosten-Nutzen-Analyse über die<br />
entsprechenden Arbeiten auszuführen bevor eine endgültige Aussage über den Verbleib<br />
der Arbeiten getroffen werden kann.<br />
Bevor die Instandhaltung weitestgehend auf die Produktionsgruppen übertragen werden<br />
kann, muss sicherlich eine weitere Qualifizierung der Mitarbeiter in dieser Richtung erfolgen.<br />
Eine vollständige Übertragung aller Tätigkeiten der Instandhaltung wird wohl nicht<br />
stattfinden, wohl eine Personalkostenreduzierung.<br />
Sicher wird in den nächsten Jahren eine Veränderung im Bereich der Instandhaltung einsetzen,<br />
wie sie bereits im produktiven Bereich stattfindet. Auch die Instandhaltung wird sich<br />
„lean" ausrichten müssen. Wie diese <strong>Entwicklung</strong> aussieht, lässt sich nur aus Sicht des einzelnen<br />
Unternehmens sagen.<br />
132
14 Literaturverzeichnis<br />
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Erfahrungsaustausch, 2002, Heft 7, S. 327-328<br />
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2010. Strategie für die deutsche Gießereiindustrie“; Düsseldorf (2002)<br />
[BAE04] Bähr, R.; Ernst, W.; Schütze, O.; Winter, J.: „Teilespezifische Kennzeichnung<br />
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Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat Publikationen;<br />
Internetredaktion, Bonn, Berlin (2004)<br />
[BOL04] Bolwerk, R.; Kruber, H.; Terfort, W.; Winters, R.: „Die TA Luft 2002. <strong>Handbuch</strong><br />
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Praxis“; 2004<br />
[EEG85] VDG-Merkblatt G 801 : „Energiekostensenkung und Energieeinsparung in<br />
Gießereien. Checkliste und Leitfaden für Energiesparprogramme. Mit Beiblatt:<br />
Monatsberichte Heizenergie“; 1985<br />
[ELL00] Ellinghaus, W.; Caspers, K.-H.: , „Outsourcing als Bestandteil der Unternehmensstrategie<br />
am Beispiel der Kernherstellung. Teil 2. Betriebwirtschaftliche<br />
Betrachtungen“ aus Giesserei, 2000, Heft 10, S. 30-33<br />
[GDF06] VDI-Richtlinie 4499 Blatt 1, „Grundlage <strong>zur</strong> digitalen Fabrik“, Düsseldorf (2006)<br />
[IFG09] http://www.ifg-proabs.de/ ; Produktionsdaten Austausch und Bewertungssystem<br />
[INT05] Reference Document on Best Available Techniques in the Smitheries and<br />
Foundries Industry. European Commission, May 2005.<br />
[KGU85] VDG-Merkblatt P 701 : „Kennzeichnung <strong>von</strong> Gussteilen“; VDG-Merkblatt P<br />
701/85.03, 1985<br />
[KOL05] Koll, M.: „Outsourcing der Instandhaltung. Strategische Anforderungen und<br />
Erfolgsfaktoren“ aus Gießerei, 2005, Heft 12, S. 56-59<br />
[KUO07] Kuom, M.; Urbach, R.: „Erweiterte Belieferungsmöglichkeiten <strong>von</strong> Aluminiumgießereien<br />
mit Flüssigaluminium“ aus Gießerei, 2007, Heft 6, S.162-171<br />
[NWK06] VDI 4070, Blatt 1, „Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen<br />
Unternehmen; Anleitung zum Nachhaltigen Wirtschaften“, Düsseldorf (2006)<br />
[PIU05] VDI-Richtlinie 4075 Blatt 1: „Produktionsintegrierter Umweltschutz -PIUS-.<br />
Grundlagen und Anwendungsbereich/Cleaner production -PIUS-. Basic principles<br />
and area of application“; VDI-Richtlinie 4075. Blatt 1. Stand: März 2005<br />
[REN09] Renkel, S.: „Outsourcing ist kein Königsweg“; Hannover/Düsseldorf (2009)<br />
133
[RKW08] Studie <strong>zur</strong> Zukunft der deutschen Gießereiindustrie. Ergebnisse einer Expertenumfrage.<br />
RKW Arbeitspapier. Eschborn, Juni 2008.<br />
[STA06] Stapel, A.: „Schleifkosten drastisch gesenkt“ aus Gießerei-<br />
Erfahrungsaustausch, 2006, Heft 3, S.4-6<br />
[UIG79] VDG-Merkblatt G 641 : „Unfallstatistik in Gießereien. Grundlagen und Ursachen-Analyse<br />
(mit Beiblatt: Datenerfassung)“; VDG-Merkblatt G 641/79.12;<br />
1979<br />
[VDA04] VDA, Verband der Automobilindustrie: Materialien <strong>zur</strong> Automobilindustrie, Bd.<br />
32: Future Automotive Industry Structure (FAST) 2015 - die neue Arbeitsteilung<br />
in der Automobilindustrie, 2004.<br />
[VDI06] VDI-Richtlinie 2893; Auswahl und Bildung <strong>von</strong> Kennzahlen für die Instandhaltung,<br />
Mai 2006.<br />
134