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Das „Schwarze Brett“ - Kolbenschmidt Pierburg AG

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Seite 6 Wirtschaft/Messen/Märkte<br />

<strong>Das</strong> Profil 3/2005<br />

Open Community für offene Schnittstellen<br />

Eine Gemeinschaft<br />

von Wettbewerbern<br />

emeinsam mit den Unternehmen<br />

Atos Origin,<br />

Diehl BGT Defence, CO-<br />

NET, CSC Ploenzke, ESG,<br />

IBM Deutschland, Thales<br />

Defence Deutschland und<br />

Unilog Systems gehört<br />

die Rheinmetall Defence Electronics<br />

GmbH (RDE) zur Open Community. Die<br />

beteiligten Firmen sind zum Teil im<br />

Markt Wettbewerber und verpflichten<br />

sich, auf Basis anerkannter, offener ziviler<br />

und militärischer Standards in einem<br />

firmenübergreifenden Ansatz Interoperabilität<br />

zum Nutzen der Bundeswehr<br />

zu realisieren. Grund dafür ist die<br />

Neuausrichtung der Bundeswehr, die<br />

unter anderem mehr interne Kommunikation<br />

erfordert. Waren bisher alle Hersteller<br />

daran interessiert, ihre Eigenentwicklungen<br />

zu schützen, so gilt zunehmend<br />

der Ansatz, militärische Einsätze<br />

teilstreitkraftübergreifend (Joint) und in<br />

Koalitionen durchzuführen (Combined).<br />

Dies bedarf auch industriell einer engeren<br />

Abstimmung zwischen den Unternehmen<br />

und ihren Systemen.<br />

Ein regelrechter Verbund will die<br />

Open Community hingegen nicht sein,<br />

sondern stets eine offene Arbeitsgruppe,<br />

wie Joachim Dierig betont, der bei<br />

Rheinmetall Defence Electronics GmbH<br />

mit dem Thema federführend befasst<br />

ist: „Die Mitglieder werden natürlich<br />

auch künftig bei Ausschreibungen gegeneinander<br />

antreten, ein Zusammengehen<br />

würde aus kartellrechtlichen<br />

Gründen gar nicht möglich sein. Aber<br />

wir müssen alle lernen, nicht mehr nur<br />

unsere Techniken zu schützen, um<br />

möglicherweise Anschlussaufträge zu<br />

erhalten. Denn unsere Auftraggeber<br />

Foto: Marion Schlender<br />

dk Bremen. Unterschiedlichste Systeme, Standards und Techniken für den Informationsaustausch<br />

sind bei den Streitkräften im Einsatz. <strong>Das</strong> Nebeneinander<br />

in den Waffengattungen findet seine Entsprechung in unterschiedlichsten Kommunikationssystemen<br />

der verschiedenen Nationen. Offene Schnittstellen oder<br />

Standards – wie etwa in der Computerbranche üblich – fehlen heute häufig noch.<br />

Der Wunsch nach Interoperabilität nimmt jedoch vor dem Hintergrund multinationaler<br />

und gemischter Verbände zu. Dieser Aufgabe hat sich die Interessengemeinschaft<br />

„Open Community“ verschrieben, in der sich auch die Rheinmetall-DeTec-Firmengruppe<br />

engagiert: Offene Standards für militärische Systemarchitekturen<br />

sind das Ziel der Open Community. Die Bundeswehr und andere<br />

Streitkräfte sollen von leistungsfähigen technischen Lösungen profitieren, die<br />

auf gemeinsamen Standards basieren und dadurch netzwerkfähig werden.<br />

ie Transformation der<br />

Streitkräfte ist in vollem<br />

Gange. Künftig werden<br />

sich die Armeen stärker<br />

daran orientieren, welche<br />

Fähigkeiten sie benötigen,<br />

und daran ihre Beschaffung<br />

ausrichten. Zum Einsatz<br />

kommen gemischte Verbände, die<br />

auch auf unterster Ebene in der Lage<br />

sein müssen, miteinander zu kommunizieren.<br />

Durch Network Enabled Capabilities<br />

(NEC) soll diese Kommunikation<br />

erreicht werden; die Open Community<br />

wiederum schafft die Grundlagen<br />

dafür. Diese Kooperation unterschiedlichster<br />

Hersteller hat auch Konsequenzen<br />

für die Defence-Sparte von Rheinmetall,<br />

so Diplom-Ingenieur Joachim<br />

Dierig, General Manager für NEC bei der<br />

Rheinmetall Defence Electronics und<br />

derzeitig Sprecher der Open Community,<br />

im Gespräch mit „<strong>Das</strong> Profil“.<br />

Profil: Welche Aufgabe haben Sie<br />

übernommen?<br />

Dierig: Ich engagiere mich für Rheinmetall<br />

Defence in der Interessenge-<br />

NEC-Experte Joachim Dierig von der RDE.<br />

wollen offene Schnittstellen.“ Dies gilt<br />

seiner Ansicht nach zuerst für jene Systeme,<br />

die derzeit im Einsatz sind – wegen<br />

der zunehmenden internationalen<br />

Anforderungen an die Bundeswehr.<br />

Deren Einsatzverbände sind heute<br />

über alle Waffengattungen hinweg gemischt<br />

und müssen auch auf den unteren<br />

Führungsebenen kommunizieren<br />

können. „Da will man nicht mehr den<br />

Umweg über höhere Kommandoebenen<br />

wie Brigade, Division oder Korps<br />

nehmen, der umständlich und langsam<br />

ist“, so Dierig. Hinzu kommt die Zusammenarbeit<br />

bei multinationalen Einsätzen.<br />

Waren früher die Kampfverbände<br />

homogen, etwa ein Panzerbataillon,<br />

so besteht heute zum Beispiel das<br />

Problem, dass im Feld ein deutsches<br />

Fahrzeug nicht mit einem französischen<br />

kommunizieren kann. Dies führt<br />

dann in der Realität dazu, dass Informationen<br />

aus einem deutschen Verband<br />

bis zur Gefechtsstandebene<br />

hochlaufen müssen. Dort erst erfolgt<br />

dann der Austausch der Information,<br />

mündlich oder schriftlich, an die Partnerstreitkräfte,<br />

um dann wiederum den<br />

Weg durch deren Instanzen und Kommunikationssysteme<br />

bis ins Feld zu<br />

nehmen – ein denkbar umständliches<br />

Procedere.<br />

„Wir haben sehr viele eingeführte<br />

Systeme bei der Truppe, die keine offenen<br />

Schnittstellen haben. Dafür stets<br />

den Know-how-Schutz als Grund vorzuschieben,<br />

macht heute keinen Sinn<br />

mehr“, so Dierig. Langfristig habe es,<br />

so der gebürtige Westfale weiter, keinen<br />

Nutzen, wenn ein Unternehmen<br />

sich auf diese Weise Folgeaufträge erhoffe. <br />

meinschaft Open Community, die ja<br />

künftig offene Standards für militärische<br />

Systemarchitekturen ermöglichen<br />

soll. Damit hängt eng zusammen,<br />

den Streitkräften die Fähigkeit zu<br />

vernetzter Führung – so genannte Network<br />

Enabled Capabilities – zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

Profil: Ist diese Aufgabe, da es sich<br />

ja vor allem um Kommunikationstechnik<br />

dreht, nur auf die RDE beschränkt?<br />

Dierig: Nein, eben nicht. Die Vision<br />

der Open Community, und damit auch<br />

die Fähigkeit zum vernetzten Handeln<br />

über verschiedene Systeme und Streitkräfte<br />

hinweg, berührt alle unsere Geschäftsbereiche.<br />

Ich bin zwar bei der<br />

RDE angesiedelt, arbeite aber in dieser<br />

Hinsicht eng mit den Bereichen<br />

Landsysteme, Waffe und Munition sowie<br />

Flugabwehrsysteme zusammen.<br />

Profil: Was heißt das genau?<br />

Dierig: Rheinmetall begleitet den<br />

Prozess der Transformation der Streitkräfte<br />

aktiv und gestaltet ihn mit. Es<br />

wird ja künftig nicht mehr so sein, dass<br />

Nachfolgebeschaffungen sich an Plattformen<br />

orientieren – getreu dem Motto:<br />

Ein Kampfpanzer ist 40 Jahre im<br />

Dienst, also wird ein Nachfolger konzipiert<br />

und bestellt. So werden Beschaffungen<br />

in Zukunft nicht mehr laufen.<br />

Eher wird gefragt: Brauchen wir überhaupt<br />

noch ein bestimmtes System?<br />

Profil: Was ändert sich dadurch?<br />

Dierig: In Zukunft wird fähigkeitsorientiert<br />

gedacht. Systeme werden für<br />

bestimmte Aufgaben gebraucht. Die-<br />

Leistungsfähige technische Lösungen: Die neue Open Community setzt sich für offene Schnittstellen in der Wehrtechnnik ein.<br />

Die Open Community wird künftig<br />

auch auf offene Standards setzen, die<br />

aus der zivilen Welt bekannt sind.<br />

Über dringend zu schützende Techniken<br />

könne und müsse man sich dann<br />

auf höherer Ebene wie der Nato einigen,<br />

sagt Joachim Dierig. Ein erster<br />

Ansatz auf diesem Weg ist das Software<br />

Defined Radio: So wie man einen<br />

Videorecorder auf einem PC nachahmen<br />

kann und dies heute breite Anwendung<br />

findet, so lässt sich durch<br />

spezielle Software ein Funkgerät auf<br />

dem Computer in einem Panzer nach-<br />

bilden. Vorteil: Je nachdem, welche<br />

Nationen in einem Verband zusammengefasst<br />

sind, werden die entsprechenden<br />

Konfigurationen ihrer Funkgeräte<br />

durch das Programm aufgerufen<br />

und virtuell nachgebildet. Die<br />

Kommunikation zwischen unterschiedlichen<br />

Funkgeräten und deren<br />

Techniken findet so von Einsatz zu<br />

Einsatz je nach Bedarf statt.<br />

Als Anbieter von Führungssystemen<br />

ist auch Rheinmetall Defence von die-<br />

se Aufgaben könnten durch einen<br />

Schützenpanzer abgedeckt werden,<br />

es kann aber auch ganz andere Möglichkeiten<br />

geben. <strong>Das</strong> heißt für Rheinmetall<br />

Defence, dass wir unsere Sichtweise<br />

bei der Entwicklung neuer Systeme<br />

ändern. Wir gehen also derzeit<br />

weg vom rein plattformorientierten<br />

Denken.<br />

Profil: Aber Plattformen gab es doch<br />

immer und gibt es weiterhin?<br />

Dierig: Ja, aber die militärischen<br />

Doktrinen haben sich geändert. Früher<br />

gab es die drei Gefechtsarten Angriff,<br />

Verteidigung und Verzögerung,<br />

in der beispielsweise die Plattform<br />

Kampfpanzer eine fest umrissene un-<br />

umstrittene Rolle hatte. Operationen,<br />

mit denen Streitkräfte heute konfrontiert<br />

werden, fordern eine deutlich<br />

breitere Fähigkeitspalette. Für zukünftige<br />

Beschaffungen wird grundsätzlich<br />

gefragt, mit welchem System kann ich<br />

optimal und möglichst viele der geforderten<br />

Fähigkeiten abdecken. Ein<br />

Kampfpanzer kann auch hier durchaus<br />

weiterhin eine Rolle spielen. Die Plattformen<br />

der Zukunft können jedoch<br />

auch ganz anders aussehen, als wir es<br />

uns heute vorstellen können.<br />

Profil: Was ergibt sich für Rheinmetall<br />

Defence daraus?<br />

Dierig: Als Rheinmetall Defence<br />

werden wir diese Anforderungen im<br />

sen Entwicklungen betroffen. „Wenn<br />

die Funkschnittstelle nicht offen ist,<br />

können die Daten dahinter nicht kommuniziert<br />

werden. Dies wollen wir mit<br />

der Open Community angehen“, sagt<br />

Joachim Dierig. So sei künftig denkbar,<br />

dass eine Panzerbesatzung nicht von<br />

Hand einen aufgeklärten Feindpanzer<br />

in ihre Karte einträgt und per Funk meldet,<br />

sondern dies in einen Computer<br />

eingibt und diese Meldung automatisch<br />

und online auf den Systemen des<br />

ganzen Verbandes und im Gefechtsstand<br />

erscheint. Transparenz für alle im<br />

Verbund, so lautet das Stichwort.<br />

Derzeit wird vor allem im Rahmen von<br />

Experimenten und Simulationen erprobt,<br />

wie bereits vorhandene Systeme<br />

durch Öffnen und Anpassen der<br />

Schnittstellen vernetzt werden können.<br />

Darüberhinaus können die Fähigkeiten<br />

neuer Systeme frühzeitig überprüft<br />

werden. Durch dieses als CDE (Concept<br />

Development and Experimentation)<br />

bekannte Prinzip lassen sich Möglichkeiten<br />

ausloten, bevor mehr investiert<br />

wird. So wie etwa die Bundeswehr die<br />

Experimentreihe Common Umbrella<br />

aufgesetzt hat.<br />

Die Open Community hat hierzu entsprechende<br />

Konzeptvorschläge unter-<br />

Verbund aller Unternehmensteile erfüllen.<br />

Hier spielen alle Bereiche zusammen:<br />

Fahrzeuge, Flugabwehr,<br />

Waffen und Munition sowie Vernetzungstechnik.<br />

Für uns bedeutet das:<br />

Im Verbund mit der ertragsorientierten<br />

Ausrichtung unserer vier Geschäftsbereiche<br />

kommt künftig deren<br />

intensivere Kooperation untereinander<br />

hinzu. Dies wird dann in Systeme<br />

münden, die die Transformation der<br />

Streitkräfte hin zu neuen Fähigkeiten<br />

wie der vernetzten Operationsführung<br />

ermöglichen.<br />

Profil: Können Sie konkreter werden?<br />

Dierig: Wir werden noch stärker im<br />

Auge haben, dass wir unseren Kun-<br />

den nicht nur Lösungen aus den einzelnen<br />

Bereichen anbieten können,<br />

sondern auch Kombinationen als Gesamtsysteme<br />

– so zum Beispiel Drohnen<br />

inklusive der notwendigen Fahrzeuge<br />

und Führungseinrichtungen.<br />

<strong>Das</strong> möchte ich, gemeinsam mit dem<br />

Vorstand, in die einzelnen Bereiche<br />

hineintragen. Von diesem – wenn Sie<br />

so wollen – fächerübergreifenden<br />

Denken und Handeln hängt zu einem<br />

guten Teil unser Erfolg in der Zukunft<br />

ab.<br />

Profil: Die Einsatzverbände sind bereits<br />

heute über alle Streitkräfte gemischt<br />

und zwar auf Kompanieebene,<br />

und da müssen sie kommunizieren<br />

breitet. „Wir sehen so schnell, ob bei<br />

eingeführten Systemen die Vernetzbarkeit<br />

nachhaltig verbessert werden kann<br />

oder ob ein neues System die gewünschten<br />

Fähigkeiten hat, indem wir<br />

Szenarien durchspielen“, blickt Dierig<br />

in die Zukunft.<br />

Vor allem kommt es zunächst darauf<br />

an, die eingesetzten Altsysteme anzupassen.<br />

Dies macht – auch international<br />

gesehen – Sinn. Viele Standards<br />

werden durch den US-Markt und das<br />

NCOIC (Network Centric Operations Industry<br />

Consortium) vorangetrieben, in<br />

dem Rheinmetall Defence Mitglied ist.<br />

„Mit der Open Community haben wir<br />

in Deutschland und europaweit die<br />

Chance, ein eigenes Gewicht aufzubauen“,<br />

betont Dierig. Dies setze auch<br />

Kreativität frei. Zwar könnten nach der<br />

Offenlegung von Schnittstellen auch<br />

heutige Konkurrenten bei Aufträgen<br />

mitbieten, die vorher durch Eigenentwicklungen<br />

abgeschottet waren. Davor<br />

sollte man aber die Scheu verlieren,<br />

sagt Joachim Dierig: „Denn es<br />

gibt ja auch immer die Chance, gemeinsam<br />

technisch weiterzukommen<br />

– wenn man enger zusammenarbeitet,<br />

auch mit Mitbewerbern.“ (Siehe<br />

auch „Profil“-Seite 7)<br />

können. Klassischerweise läuft die<br />

Kommunikation . . .<br />

Dierig: ...aber noch nach dem Prinzip<br />

der Drehstuhl-Schnittstelle: Ein Soldat<br />

empfängt Informationen einer Waffengattung<br />

am Bildschirm und überträgt<br />

sie manuell in ein anderes System.<br />

Was an Aufklärungsinformationen<br />

in einem Schützenpanzer oder durch eine<br />

Drohne anfällt, wird nur mühsam an<br />

eine Artilleriestellung übertragen. Will<br />

heißen: Wenn wir, wie in der Open<br />

Community, Informationen über Plattformen<br />

hinweg übertragen wollen, um<br />

die Kommunikation der Streitkräfte effizienter<br />

zu gestalten, dann werden wir<br />

das auch intern systematisch angehen.<br />

„Müssen fächerübergreifend arbeiten“<br />

Profil: Wie könnte das aussehen?<br />

Dierig: So wie etwa beim Projekt<br />

Feldlagerschutz. Hier haben wir aus<br />

allen Bereichen der Defence-Sparte<br />

die leistungsfähigen Lösungen aller<br />

vier Geschäftsbereiche zusammengefügt.<br />

Im September dieses Jahres werden<br />

wir in Unterlüß demonstrieren,<br />

wie sich durch eine intelligente Vernetzung<br />

und das Zusammenspiel von<br />

Sensoren und Effektoren Feldlager wesentlich<br />

besser als heute schützen lassen.<br />

Ich denke, es gibt noch viele solcher<br />

Möglichkeiten, Synergien der Bereiche<br />

zu nutzen und nach außen als<br />

Gesamtpaket zu präsentieren.<br />

Detlev Karg<br />

Composing: frei-stil/Fotos: IMZBw-Bildarchiv

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