Charles Dickens Essay von Andreas Isenschmid - Neue Zürcher ...
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Sachbuch<br />
Geschichte Lange schwankte das historische Urteil über den<br />
preussischen König Friedrich II. zwischen Verehrung und<br />
Verdammung. Heute steht seine Ambivalenz im Vordergrund<br />
Friedrich<br />
der Grosse<br />
Christian Graf <strong>von</strong> Krockow: Friedrich der<br />
Grosse. Ein Lebensbild. Lübbe, Köln 2012<br />
(Neuauflage). 224 Seiten, Fr. 31.50.<br />
Ute Frevert: Gefühlspolitik. Friedrich II.<br />
als Herrscher über die Herzen?<br />
Wallstein, Göttingen 2012. 159 S., Fr. 24.50.<br />
Johannes Bronisch: Der Kampf um<br />
Kronprinz Friedrich. Wolff gegen Voltaire.<br />
Landt, Berlin 2011. 125 Seiten, Fr. 28.50.<br />
Von Kathrin Meier-Rust<br />
Philosophenkönig mit Flöte oder zynischer<br />
Machtpolitiker, der Adolf Hitler<br />
zum Präventivkrieg inspirierte – lange<br />
schwankte das Urteil über Friedrich den<br />
Grossen zwischen kultischer Verehrung<br />
und absoluter Verdammung. Noch Helmut<br />
Schmidt liess als frischgekürter<br />
Verteidigungsminister die Büste Friedrichs<br />
aus seinem Büro entfernen. Doch<br />
mit den grossen preussischen Jubiläumsjahren<br />
– zum 200-jährigen Todestag<br />
des Königs 1986, zum 300-jährigen Jubiläum<br />
des preussischen Königtums 2001<br />
Friedrich der Grosse<br />
Friedrich II. wird am 24. Januar 1712 als<br />
ältester Sohn des preussischen Königs<br />
Friedrich Wilhelm I. und seiner Gattin<br />
Sophie Dorothea in Berlin geboren.<br />
1736 bezieht der Kronprinz das Schloss<br />
Rheinsberg und widmet sich dem<br />
Studium der Philosophie, Geschichte<br />
und Poesie. 1740 wird er zum König <strong>von</strong><br />
Preussen gekrönt.<br />
Friedrich II., auch Friedrich der Grosse<br />
genannt, gilt als Repräsentant des aufgeklärten<br />
Absolutismus. Er führt zahlreiche<br />
Reformen in Justiz und Verwal tung<br />
durch und versteht sich als «Erster<br />
Diener des Staates». Unter seiner<br />
Herrschaft etabliert sich Preussen als<br />
europäische Grossmacht. Am 17. August<br />
1786 stirbt Friedrich in Potsdam.<br />
16 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 29. Januar 2012<br />
und nun zum 300-jährigen Geburtstag<br />
des Königs am 24. Januar 2012 – ist das<br />
Urteil der Historiker ausgewogener geworden,<br />
steht die abgründige Ambivalenz<br />
dieser Figur im Vordergrund.<br />
Geblieben ist die Faszination des Königs<br />
und seines an Drama so reichen Lebens.<br />
Rund zwei Dutzend <strong>Neue</strong>rscheinungen<br />
sollen es sein in diesem Winter:<br />
nebst mehreren Biografien etwa die<br />
Erstpublikation der Vortragsnotizen des<br />
grossen Basler Historikers Jacob Burckhardt<br />
zu seiner Vorlesung über «Das<br />
Zeitalter Friedrichs des Grossen» (C. H.<br />
Beck), neue Darstellungen des Vater-<br />
Sohn-Konfliktes (Pieper) oder <strong>von</strong><br />
Friedrich als Musiker (C. H Beck) bis<br />
hin zum Friedrich-der-Grosse-Gedächtnisspiel.<br />
Wo also anfangen?<br />
Empfehlenswerter Klassiker<br />
Wer einen ersten Zugang sucht greift<br />
mit Gewinn zu einem preussischen<br />
Klassiker, wie ihn nebst Sebastian Haffner<br />
(«Preussen ohne Legende») oder<br />
Marion Gräfin Dönhoff («Preussen –<br />
Mass und Masslosigkeit») auch Christian<br />
Graf <strong>von</strong> Krockow verfasst hat (1986,<br />
Neuauflage Lübbe 2012). Der aus pommerschem<br />
Adel stammende Historiker<br />
lehrte an verschiedenen deutschen Universitäten.<br />
In seinem «Lebensbild»<br />
Friedrichs II. versteht er es auf glänzende<br />
Weise, das biografische Drama dieses<br />
Königs mit seiner überragenden Bedeutung<br />
für die europäische Geschichte<br />
immer neu zu verflechten.<br />
Hier findet sich alles: Die Kindheit<br />
und Jugend im Zeichen des gewalttätigen<br />
«Soldatenkönigs» Friedrich Wilhelm<br />
I., dem sein intellektuell und musisch<br />
begabter Sohn geradezu physisch<br />
zuwider ist; nach dem Fluchtversuch<br />
des 18-Jährigen lässt er diesen in den<br />
Kerker werfen und die Hinrichtung des<br />
Freundes Katte mit ansehen. Die weitgehend<br />
autodidaktische Bildung des Kronprinzen<br />
zum schöngeistigen Aufklärer,<br />
der in den ersten Tagen seiner Regierung<br />
Folter und Zensur abschafft (nicht<br />
für lange allerdings) und in Preussen<br />
Religionstoleranz verkündet, nach dem<br />
berühmten Motto «Ein jeder muss nach<br />
seiner Façon selig werden». Und der<br />
dann wenige Monate später mit der<br />
Armee, die sein Vater geschaffen hatte,<br />
das österreichische Schlesien überfällt.<br />
Der diesen Raub durch drei Kriege hindurch<br />
gegen eine Übermacht der europäischen<br />
Grossmächte verteidigt und<br />
doch den Siebenjährigen Krieg nur dank<br />
einem Wunder übersteht: dem «Mirakel<br />
des Hauses Brandenburg», das darin besteht,<br />
dass die Zarin Elisabeth rechtzeitig<br />
stirbt.<br />
Es findet sich die Freundschaft des<br />
Königs mit Voltaire, die mit der Flucht<br />
des Spötters ein bitteres Ende nimmt.<br />
Sein tiefgründiger Hass auf Frauen,<br />
nicht nur weil mit Maria Theresia in Österreich,<br />
Elisabeth in Russland und Madame<br />
Pompadour in Frankreich Preussens<br />
Erzfeinde sozusagen ein weibliches