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„Magna Charta“ der Erneuerung

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P O W / 49 - 6 - 03.12.2003<br />

Argumentation vieler Caritassammlerinnen und -sammler, die in mühevoller Arbeit kleine Beträge für<br />

soziale Zwecke einholen. Ihre gesammelten Spenden kommen ohne Abzüge dem Dienst <strong>der</strong> Caritas<br />

zugute. Ich darf darauf hinweisen, dass die Diözese in den vergangenen zehn Jahren allein für<br />

Seniorenanlagen über 130 Millionen Mark ausgegeben hat: Sankt Thekla in Würzburg, das Marienstift in<br />

Schweinfurt, Sankt Martin in Lohr am Main o<strong>der</strong> die Seniorenanlage in Großostheim sind nur einige<br />

Beispiele hierfür. Seit <strong>der</strong> Staat die katholische Schwangerenberatung nicht mehr för<strong>der</strong>t, investieren wir<br />

hier jährlich knapp eine Million Euro für Schwangere und Mütter. Hinzu kommt unser Engagement für<br />

Kin<strong>der</strong>gärten, Jugendarbeit, Arbeitslose, Bildungsarbeit, Orgelbau, Kirchenrenovierungen und vieles<br />

mehr. Im Vergleich zu zahlreichen an<strong>der</strong>en Ausgaben im Bistum Würzburg und dem großzügigen<br />

Engagement im sozialen Bereich wie auch in den weltweiten Anliegen scheint mir <strong>der</strong> Erwerb dieses<br />

zweitältesten Kunstwerkes unserer Diözese verantwortbar. Allein das Kreuz in <strong>der</strong> Domkrypta ist älter.<br />

POW: Frage an den Dompropst: Welche Bedeutung hat <strong>der</strong> Löwenkopf für den Dom?<br />

Weihbischof Bauer: Der Löwenkopf ist nicht nur Türknauf. Der Löwenkopf am Hauptportal des Domes<br />

hatte eine solch bedeutsame Aussage für die Menschen des Mittelalters, dass später alle Türen <strong>der</strong><br />

Kathedralkirche damit geschmückt wurden. Der Löwenkopf ist Zeichen für Christus, den Herrn des<br />

Hauses. Von höchster liturgischer Bedeutung war <strong>der</strong> Ring im Maul des Löwen. Er ist nicht nur<br />

Endzeitsymbol, son<strong>der</strong>n ein Vermählungsring geistiger Art. Ausführlich sind in den Berichten <strong>der</strong><br />

mittelalterlichen Bischofsweihen die liturgischen Zeremonien erwähnt, die mit dem Türring verbunden<br />

sind. Bei <strong>der</strong> Weihe eines gewählten Bischofs führte <strong>der</strong> Domdekan den Neugeweihten nacheinan<strong>der</strong> an<br />

die vier Hauptpforten des Domes und reichte ihm dabei den jeweiligen Türring. Dabei sprach er die<br />

Worte: „Ich, <strong>der</strong> Dekan, vermähle – in meinem Namen und in dem des gesamten Domkapitels – dich mit<br />

<strong>der</strong> Kirche des heiligen Kilian, im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“<br />

POW: Hätte ein solcher Ritus heute noch Sinn?<br />

Weihbischof Bauer: Die Vermählung des neuen Bischofs mit <strong>der</strong> Kathedrale war für die Menschen des<br />

Mittelalters ein ungemein sprechendes Zeichen. Es wäre durchaus sinnvoll, vielleicht in einer erneuerten<br />

Liturgie für die Bischofsweihe dieses altehrwürdige Zeichen wie<strong>der</strong> aufzunehmen: dass <strong>der</strong> Bischof an<br />

das Domportal geführt wird und dort seine Finger in den Ring <strong>der</strong> Löwenkopfes gibt. Da aber heute die<br />

Liturgie für die Bischofsweihe festgeschrieben ist, können wir in Würzburg keinen eigenen Ritus<br />

praktizieren.<br />

POW: Hätte die Entscheidung über den Erwerb des Türziehers den Menschen im Bistum besser<br />

vermittelt werden müssen?<br />

Weihbischof Bauer: Als <strong>der</strong>zeitiger Administrator <strong>der</strong> Diözese verstehe ich, dass dieser Vorgang<br />

überhaupt nicht in eine Zeit passt, in <strong>der</strong> im Bistum <strong>der</strong> Prozess „Erneuern und Sparen“ anläuft. Ich bitte<br />

aber zu verstehen, dass <strong>der</strong> einmalige Erwerb eines solchen kunsthistorisch und liturgisch bedeutsamen<br />

Gutes auch zu den Aufgaben <strong>der</strong> Bistumsleitung gehört. Wir stehen in Treue zur Vergangenheit und<br />

wollen die wenigen erhaltenen Schätze unserer reichen Tradition hüten und schätzen. Deshalb bitte ich<br />

darum, unser Handeln beim Rückkauf des Löwenkopfes zu verstehen. Unsere Sorge für die Armen und<br />

Notleidenden bei uns und in <strong>der</strong> ganzen Welt genießt weiterhin oberste Priorität.<br />

POW: Wie würde die Diözese reagieren, falls weitere historische Kunstgegenstände auftauchen?<br />

Weihbischof Bauer: Ich kann mir vorstellen, dass eine <strong>der</strong> bedeutendsten Riemenschnei<strong>der</strong>-Madonnen,<br />

die Himmelsteiner Madonna des Kiliansdoms, irgendwann und irgendwo im Kunsthandel wie<strong>der</strong><br />

auftaucht. Angeblich ist sie im Schutt des Domes gesichtet worden. Selbstverständlich würde wir uns<br />

dann auch um dieses einmalige Kunstwerk bemühen und versuchen, es zu erwerben. Ähnlich habe wir<br />

vor 15 Jahren gehandelt, als wir die heute im Dom stehende Madonna zurückkauften. Es gibt immer<br />

wie<strong>der</strong> Chancen, die sich einem nur einmal bieten und die man deshalb nicht vorüberziehen lassen darf.<br />

Durch die Wirren <strong>der</strong> Kriege im Laufe <strong>der</strong> Geschichte sind wir arm an historischen Werken geworden.<br />

Deshalb haben wir eine Verantwortung, wenn vermisst und verschollen geglaubte Kunstgegenstände<br />

wie<strong>der</strong> auftauchen. Für solche Ausgaben müssen wir auch künftig gerüstet sein.<br />

(95 Zeilen/4903/1661; Telefax voraus)<br />

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet unter<br />

http://www.pow.bistum-wuerzburg.de<br />

Interview: bs (POW)<br />

Presse- und Informationsstelle des Bischöflichen Telefon 0931/386 287<br />

Ordinariats, Domerschulstraße 2, 97070 Würzburg Telefax 0931/386 419<br />

e-mail POW@Bistum-Wuerzburg.de

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