Männergenesungswerk„Vergesst die Quote!“Unter diesem Titel hat Reinhard K. Sprenger, Managementberater und Autor („Mythos Motivation“;„Das Prinzip Selbstverantwortung“), in der Tageszeitung DIE WELT vom 30. März 2011 in 12 Punktenzum Thema „Frauenquote“ Stellung genommen. Sein Text beginnt mit den Worten: „Heute hat FamilienministerinKristina Schröder die Dax-Unternehmen zum Frauengipfel geladen. Doch brauchenweibliche Führungskräfte wirklich eine bevorzugte Behandlung?“ Sprengers 12 Punkte verdieneneines vor allem: Widerspruch.Der Text von Reinhard K. Sprenger ist im Internet (auch zur Überprüfung der hier folgenden Zitate und der Wertungen)zugänglich unter http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article13009432/Vergesst-die-Quote.htmlvon Siegfried BrockertPunkt 1: Reinhard K. Sprenger beginntmit einer salvatorischen Klausel – wohl,um sich vor Kritik abzusichern:Sprenger konstatiert, dass sich zum Thema„Frauenquote“ entweder ein Mann odereine Frau äußern könnte – und wer sich äußert,sagt er, hat beim anderen Geschlechtein Glaubwürdigkeitsproblem.Ich versuche hier, für jeden der 12 Sprenger-Punkteeine Wertung abzugeben undmeine: Der Punkt 1 geht nicht an Sprenger,denn es gibt zu jeder MeinungsäußerungArgumente „pro“ oder „contra“ – und zwarunabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit.Beispiel: Sprenger und ich sindMänner, und dennoch teile ich seine Meinungnicht.Punkt 2: Sprenger schreibt locker, abernicht immer verständlich. Oder verstehenSie den folgenden Satz (O-TonSprenger):„Was jedem intelligenten Menschen widerstrebt:in allgemeiner Form von „Männern“und „Frauen“ zu sprechen, es muss zulässigsein. Wie soll man sonst diskutieren?Insofern sind auch exemplarische Einzelnevon beschränktem Aussagewert.“Der Punkt 2 geht ebenfalls nicht an Sprenger,denn er scheint das – von Adolph Schopenhauerbereits kritisierte „Helldunkel“ *)zu lieben. Mir ist z.B. nicht wirklich klar,welche „exemplarischen Einzelnen“ ermeint? Und ich vermute, dass er sich selbstdie Erlaubnis gibt, so zu diskutieren, wie es(nach seinen eigenen Worten) intelligentenMenschen widerstrebt.*) siehe „Über Schriftstellerei und Stil“„Zuvörderst gibt es zweierlei Schriftsteller: solche,die der Sache wegen, und solche, die desSchreibens wegen schreiben …… Man erkenntsie (Anmerkung: die zweite Gruppe) daran, daßsie ihre Gedanken möglichst lang ausspinnen undauch halbwahre, schiefe, forcierte und schwankendeGedanken ausführen, auch meistens dasHelldunkel lieben, um zu scheinen, was sie nichtsind; weshalb ihrem Schreiben Bestimmtheit undvolle Deutlichkeit abgeht.“Punkt 3: Sprenger stellt Unternehmensführerals entscheidungs- und handlungsunfähigdar:Er argumentiert, dass er „zu viele Unternehmensführer“kennt, die seit Jahren dieSituation (gemeint: zu wenig Frauen imManagement) „zu verändern suchen. Allerdingshaben auch sie kaum Chancengegen jahrtausendealte anthropologischeWurzeln, die man nicht innerhalb wenigerJahre ausreißt.“Dieser Punkt 3 geht nicht an Sprenger, dennjedes Jahr zeigt zum Beispiel die Top-Job-Aktion (siehe <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> 02/2011),dass männer-, frauen- und familien-gerechteArbeitsstrukturen auch in kurzer Zeit implementiertwerden können. Und übrigensprofitieren die Unternehmen davon.Der Punkt 3 geht auch deshalb nicht anSprenger, weil er die Situation („zu wenigFrauen im Management“) auf „jahrtausendealte anthropologische Wurzeln“ zurückführt.Sprenger müsste erklären, warumund wie jene skandinavischen Staaten, diealle Statistiken über weltweite Lebensqualitätanführen, diese jahrtausende altenanthropologischen Wurzeln zu Wurzelgemüsegemacht haben. Eine Erklärung ist:in neuerer Zeit u.a. mithilfe einer Frauen-Quote.Die Frauen-Quote reißt „jahrtausendealteanthropologische Wurzeln“ aus – ähnlichwie das Rad vor Jahrtausenden bereitsanthropologische Transportprobleme beschleunigthat. Die Quote löst also genaujenes Problem, das Unternehmensführer,die Sprenger kennt „seit Jahren … zu verändernsuchen“ es aber nicht schaffen. Hierkönnte das etwas abgewandelte bekannteChurchill-Zitat über Demokratie helfen.Die Quote ist „die schlechtesten Lösung– mit Ausnahme aller anderen“.Punkt 4: Sprenger erklärt das „Zurückfallenin starre Rollenmuster, sobalddas erste Kind unterwegs ist“ (FamilienministerinKristina Schröder) zur Privatsache.Gut gebrüllt, Salonlöwe. Aber auch dieserPunkt geht nicht an Sprenger, denn mit gleicherLogik sollte neben der Familienpolitikdann auch die Wirtschafts-, Arbeits- undSozial-, Finanz- und jede andere Politikabgeschafft werden, ebenso die Raumordnungs-,die Industrieförderungspolitik, dasStraßenverkehrsrecht und alle anderen Politiken,Institutionen etc. die das „Recht desStärkeren“ (ebenfalls eine jahrtausendealteanthropologische Wurzel) Korrekturenhaben anbringen können.Sprenger verhöhnt zudem jene „60 Prozentder Männer mit Kindern unter drei Jahren“,– April 201124Zurück zum Inhalt
Männergenesungswerkdie „gern etwas weniger arbeiten“ würden.Sprenger: „Kein Mensch kann mir erzählen,es wäre unmöglich. Es ist nicht kostenlos,das ist wahr. Aber die Männer wollenden Preis nicht zahlen.“Was für ein Argument!Die Männer – auch die, die einen Teil-Ausstieg aus dem Arbeitsleben wegen einesKindes finanziell verkraften könnten– wissen, dass sie dadurch rasch auf dieKarriere-Shitlist kommen. Eine Karriereaus so „läppischen“ Gründen zu unterbrechenwie einem Baby die Flasche gebenund die Windeln wechseln zu wollen, isteine „Sünde wider das System“, das alsoberstes Gebot noch immer die Allgemeinverfügbarkeitverlangt, obwohl mit derBauernbefreiung Anfang des 19. Jahrhundertsdie Verbreitung der Leibeigenschaftzurückgegangen ist – aber wir arbeiten janoch daran.Punkt 5: Sprenger wirft der Politik vor,das „Kreuz-Ass“ des Lenkungswillensauszuspielen: die Frauenförderung.Sprenger sagt dazu „contra“ und erklärt:„Ich kenne keine Frau in irgendeinem Unternehmen,die derart behindert wäre, dassda irgendwas zu fördern oder auszugleichenwäre.“Der Punkt 5 geht nicht an Sprenger, weilbereits die Wortwahl nicht etwa nur frauen-,sondern allemein menschenfeindlichist. Laut Sprenger wären zum Beispiel alleHotel-Unternehmer, die die Quote von „7statt 19 Prozent Mehrwertsteuer“ in Anspruchnehmen, entweder „behindert“ oderBetrüger (oder gibt es bei denen nicht dochetwas, das „zu fördern oder auszugleichenwäre“).Sprenger erklärt zudem, er „kenne auchkeine Managerin, die sich – in ihrer Eigenschaftals Frau – in ihrem Karrierewillenausgebremst fühlt.“Mit markigen Sprüchen wie dem, dass nurbehinderte Frauen zu fördern wären, outetsich Sprenger in einer Weise, die mich aneine Karikatur im NEW YORKER erinnert:Ein Mann sitzt nachts mit einem Fernrohrauf dem Balkon, und seine Frau sagt zuihm: „Wenn es im Universum tatsächlichWesen mit einer höheren Intelligenz gäbe– warum sollten sie ausgerechnet mit dirin Kontakt treten?“ Also: Warum solltenFrauen ihre Gedanken über Frauen-Quotenausgerechnet einem Macho-Beraterund Zyniker anvertrauen? Wo Frauen dochwissen, dass eine einzige Sünde gegen denMachismo sie in ihrem Karriere-Strebenausbremst!Ist Reinhard K. Sprenger ein Zyniker?Vielleicht ja. Lesen Sie einmal die folgendePassage (und die auch im Web im Kontext):„… in Unternehmen wären die Frauenlängst oben, wenn man sich von ihnen – alsFrauen! – betriebswirtschaftliche Vorteileverspräche“ Und er setzt noch eins drauf,weil nach seiner Erfahrung „in erster Liniedie Frauen selbst nicht wollen, (weil sie)die zweite Reihe attraktiver fi nden“. Frauensagen nach Sprengers Sicht der Dinge:„Spielt ihr da oben eure Spiele, dafür dürftihr auch ein bisschen früher sterben.“Super!Sprenger und die „da oben“ sind die letztenKavaliere. Sie opfern für die Frauen fünfJahre ihres Lebens und halten so die Frauenvom „Selbstmord durch Karriere“ ab.Und sie opfern sich nicht nur für die Frauen,sondern für die gesamte Gesellschaft,weil die Frauen leider keine „betriebswirtschaftlichenVorteile“ bringen.Punkt 6: Sprenger karikiert die Topmanagerals total rational tickende Kreaturen– also Männer ohne Bauchgefühl.Sprenger erklärt: „Wenn dieser Wandel (inRichtung mehr weibliche Führung) ökonomischnotwendig wäre, dann wäre er längstvollzogen. Niemand verschenkt Produktivitätsreserven.“Sprenger war selbst Manager. Er muss dieemotionalen Seiten des Management alsokennen.Punkt 7: Und nun senkt sich der Sprenger-HammerSprenger droht an (und macht es auchsogleich wahr), sich zu outen: „Ich halteFrauen für die besseren Führungskräfte.“Jetzt sind Sie sprachlos? Halt. Noch nicht.es kommt nämlich noch besser. Heben Siesich also Ihr Tiefbetroffenheitsschweigenfür Sprengers gleich folgende Begründungauf.Auch dieser Punkt geht nicht an Sprenger,denn er untermauert ihn mit einem markantenMännerwort: Es wird „sehr lange dauern,bis genauso viel weibliche SchwachleisterKarriere machen wie männliche“.Sprenger nennt also einen – offenbar relevanten– Teil der Männer in Führungspositionen„Schwachleister“, und auch darauszieht er Honig, um Frauen aus Führungspositionenfernzuhalern.Punkt 8: Sprenger stellt eine eigeneRententheorie aufSprenger argumentiert: Frauen leben imDurchschnitt fünf Jahre länger als Männer,deshalb müssten sie entsprechend mehrin die Rentenversicherung einbezahlen.Klingt logisch?Leider geht aber auch dieser Punkt 7 nichtan Sprenger, denn es wäre ja auch möglich,im Zuge der Globalisierung an Witwenverbrennungzu denken. Wenn der Mannstirbt, darf oder muss die Frau eben auchsterben.Weil das aber nach unserm Verständnis unethischwäre, ist seiner Logik nach „auchder Ruf nach der Quote universalethischunhaltbar“. Denn, wie er meint: „Wer dasGeschlecht zum zentralen Verstärker sozialerUngleichheit erklärt, der muss dafürsorgen, dass Frauen fünf Jahre früher sterben.“Oder, Herr Sprenger, wäre es nicht eine zumindestweniger blutrünstige Lösung, wennman den Durchschnittsmann zwingen würden,eine fünf Jahre ältere Durchschnittsfrauzu heiraten – und diese Durschnittsehemüssten beide so lange aufrecht erhalten,bis dass der Tod sie endgültig vereint.Aber was wäre dann mit den sexuell spezialbegabtenMenschen mit oder ohne eingetragenePartnerschaft? Sollte man für jedenschwulen Toten gleich eine Lesbierin inden Himmel abschieben?Punkt 9: Sprenger erklärt die Gleichberechtigungfür erstritten – er meint: Esgibt sie bereits. Und er folgert daraus,dass aus der Gleichberechtigung keineGleichstellung folgtGleichstellung setzt für ihn „eine Beobachtungvoraus, die eine Gruppe von Menschenerst einmal differenziert, um sie dannanalog zum Differenzmerkmal wiedergleichzustellen. Geschlecht ersetzt dabeiEignung …“Selbst dieser Punkt geht nicht an Sprenger,denn er schüttet das Kind mit dem Badeaus. Es geht bei Quotenregelungen nicht– April 201125Zurück zum Inhalt