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PERSONALIA - KV

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<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 1<br />

JAN./FEB. 2006<br />

AMAKADEMISCHE<br />

MONATSBLÄTTER<br />

Zeitschrift des Kartellverbandes<br />

katholischer deutscher Studentenvereine<br />

<strong>KV</strong> • 118. Jahrgang • Nr. 01<br />

Ein Studium lohnt sich auch<br />

morgen noch TITELTHEMA Seite 04<br />

Auf den Spuren von Konrad Adenauer<br />

<strong>KV</strong>-AKADEMIE Seite 15<br />

Durchstarten mit den besten<br />

Praktika AKTIVITAS Seite 19


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 2<br />

INHALT EDITORIAL<br />

TITELTHEMA<br />

Ein Studium lohnt sich auch morgen noch 04<br />

GEISTLICHES WORT<br />

Fastnacht – eine Herzenssache 03<br />

<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />

Bonn – Die Rheinische Republik.<br />

Ein Rückblick 08<br />

Auf den Spuren Konrad Adenauers 15<br />

DAS INTERVIEW<br />

mit Heiner Timmermann 10<br />

AKTIVITAS<br />

Flandrische Pilger in Köln /<br />

75 Jahre Salzburger Hochschulwochen 14<br />

Grillen im Dezember –<br />

Aktivenfahrt nach Barcelona 16<br />

Durchstarten mit den besten Praktika 19<br />

AGV<br />

Deutschland braucht Studenten –<br />

keine Studiengebühren 20<br />

Klausurtagung in Helmstadt 22<br />

AUS DEM <strong>KV</strong><br />

Neues Ehrenmitglied bei Grotenburg-Lusatia 23<br />

Mehr Freiheit wagen / Wachtwechsel in Kiel 24<br />

Schwacher Sieg nach Punkten /<br />

Rhetorikseminar 25<br />

Männerbündchen / Konkurrenz für Adenauer 26<br />

FORUM<br />

Die Staatverschuldung<br />

und die Ältere Generation 27<br />

Briefmarken für den Missio-Narr 28<br />

MELDUNGEN<br />

Industriepreis für evangelikalen<br />

Unternehmer / Unternehmen Universität 29<br />

E<strong>KV</strong><br />

Geld aus europäischen Quellen 30<br />

<strong>PERSONALIA</strong><br />

Ehrenmitgliedschaft für Abt Wolf<br />

und Staatsminister Goppel 31<br />

Nachruf: Rudi Geil 32<br />

Nachruf: Otto Brodesser / Schäfer wird<br />

Ministerialdirektor / Kläsener wird stellvertretender<br />

Chefredakteur / Spital wird 80 33<br />

Nachruf: Theo Hansen /<br />

Blaser erhält päpstlichen Orden 34<br />

Nachruf: Holger Weyd / Beck wird 100 35<br />

AUS DEN OZ<br />

Staat und Kirche in Europa 36<br />

TERMINE 40<br />

IMPRESSUM<br />

02 AM<br />

Liebe Kartellbrüder,<br />

liebe Leserinnen und Leser,<br />

am 18. Februar 2006 hat die sich Redaktionskonferenz mit den<br />

Themen, die in diesem Jahr in den „Akademischen Monatsblättern“<br />

im Vordergrund stehen werden, beschäftigt. Dabei<br />

soll etwa über Kartellbrüder im Ausland und in der Politik, über<br />

die 68er und wir, über die Katholische Soziallehre und die<br />

Weltkirche, über <strong>KV</strong>-Gedenkstätten u.v.a.m. berichtet werden.<br />

Ziel bleibt immer, das <strong>KV</strong>-Spezifische herauszustellen.<br />

Wir hoffen, Euch interessante Lektüre zu bieten.<br />

Diese Doppelnummer, die leider etwas verspätet erscheint,<br />

dafür aber recht umfangreich geworden ist, stellt einen Artikel<br />

in den Mittelpunkt, der sich mit den Berufsaussichten junger<br />

Akademiker befasst. Er geht zurück auf eine Veranstaltung der uns eng verbundenen<br />

Katholischen Akademikerarbeit Deutschlands (KAD), die dies als Jahresthema gewählt<br />

hatte. Eng verwandt mit dieser Frage ist der Wandel der deutschen Hochschulen im sog.<br />

„Bologna-Prozess“, der auch wegen der verkürzten Studienzeiten und der vermutlich<br />

stärkeren Verschulung für die Zukunft der Korporationen nicht ohne Belang ist. Damit<br />

befasste sich die Zweite Hochschulpolitische Tagung von CV. UV und <strong>KV</strong>, von der wir<br />

ebenfalls berichten.<br />

Wie üblich versuchen wir, durch eine Fülle von Meldungen auf das aktuelle Geschehen im<br />

Verband, in den <strong>KV</strong>-Vereinen, in Staat und Gesellschaft aufmerksam zu machen. Nicht<br />

uninteressant ist in diesem Zusammenhang eine Sendung der Reihe „Hallo Ü-Wagen“ im<br />

WDR und ein Antrag an den SPD-Parteitag. In beiden Fällen wird von einem völlig entstellten<br />

Bild der Korporationen ausgegangen. Sie machen aber deutlich, dass wir immer<br />

noch ein „Stein des Anstoßes“ sind . Darüber erfahrt Ihr mehr in den Artikeln „Schwacher<br />

Sieg nach Punkten“ und „Männerbündchen“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“<br />

leicht spöttisch die Korporationen bezeichnete.<br />

Am Rande sei noch erwähnt, dass wir in der Dezembernummer auf S. 17 einen Beitrag<br />

angekündigt haben, ohne ihn abzudrucken. Wir bitten um Nachsicht.<br />

Mit herzlichen Grüßen bin ich Euer<br />

Akademische Monatsblätter<br />

Herausgeber: Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (<strong>KV</strong>).<br />

V.i.S.d.P: Dr. Wolfgang Löhr, c/o <strong>KV</strong>-Sekretariat.<br />

Kommissionsverlag: Verband alter <strong>KV</strong>er e.V., <strong>KV</strong>-Sekretariat, Postfach 10 16 80, 45746 Marl, Linder Weg 44, 45770 Marl, Telefon (02365) 5729010, Telefax (02365) 5729051, am@kartellverband.de.<br />

Anzeigenverwaltung: <strong>KV</strong>-Sekretariat, Anschrift wie oben. Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 15.<br />

Druck: Pomp, Bottrop.<br />

Die AM werden im Rahmen der Verbandszugehörigkeit allen Kartellangehörigen ohne besondere Bezugsgebühr geliefert.<br />

Redaktion: Prof. Dr. Wilhelm Schreckenberg (Ehrenvorsitzender), Dr. Wolfgang Löhr (Vorsitz und v.i.S.d.P), Thomas Drescher, Stefan Einecke, Siegfried Koß, Dr. Günter Georg Kinzel, Michael Kotulla,<br />

Hans-Joachim Leciejewski, Reinhard Nixdorf, Harald Stollmeier, Prof. Dr. Hans-Georg Wehling. Koordination: Thorsten Malessa.<br />

Die Akademischen Monatsblätter erscheinen zehnmal im Jahr. Es wird gebeten, Manuskripte an die oben genannte E-Mail-Adresse zu senden. Die Redaktion setzt das Einverständnis zu etwaigen<br />

Kürzungen und redaktionellen Änderungen voraus. Die mit Namen versehenen Beiträge geben die Meinung des Verfassers und nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Die Beiträge sind grundsätzlich<br />

in ehrenamtlicher Mitarbeit geschrieben. Der Abdruck ist nur mit Zustimmung der Redaktion gestattet.<br />

Hinweis nach § 4 Abs. 3 PD-SVD.<br />

Gegen das übliche Verfahren der Anschriften-Weitergabe durch die Deutsche Post AG kann der Zeitschriftenempfänger jederzeit Widerspruch beim <strong>KV</strong>-Sekretariat, Postfach 10 16 80, 45746 Marl, einlegen.<br />

ISSN 0002-3000<br />

Internet-Adresse: www.kartellverband.de / am@kartellverband.de<br />

Ausgabe 3/2006: Redaktionsschluss: 01.03.2006, Auslieferung: 13.04.2006<br />

Titelfoto und Fotos Titelthema: Norbert Bach


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 3<br />

Ist Fastnacht eine Herzenssache? Was ist überhaupt eine Herzenssache?<br />

Etwas, das mir wichtig ist, was mich anspricht, worauf ich<br />

nicht verzichten möchte.<br />

Immer wenn ich mit dem Zug nach Mainz fahre, gehe ich zu Fuß<br />

vom Bahnhof zum Dom über den Schillerplatz am Fastnachtsbrunnen<br />

vorbei. Und jedes Mal bleibe ich stehen, schaue und staune,<br />

was der Fastnachtsbrunnen zeigt. Narren und Gecken tanzen und<br />

springen und sind mit Leib und Seele dabei. Elferrat, Till, Musikanten<br />

und Tänzerinnen, 200 Figuren insgesamt, zeugen von Mainzer<br />

Fröhlichkeit.<br />

Aber ganz unten am Brunnen hockt der Geldbeutelwäscher noch<br />

kostümiert. Er hat sein ganzes Geld ausgegeben und wäscht nachdenklich<br />

sein leeres Portmonnaie. Nicht weit von ihm sitzt ein Kater.<br />

Der Katzenjammer ist oft folgenschwer, wenn ein Mädchen<br />

oder junger Mann in den tollen Tagen sein Herz unbedacht verloren<br />

hat. Und wenn das, was so froh begonnen hat – herzlos – endet.<br />

GEISTLICHES WORT<br />

Fastnacht – eine Herzenssache<br />

Gedanken zum Mainzer<br />

Fastnachtsbrunnen<br />

Wohlgemerkt: Geldbeutelwäscher und Kater sitzen ganz unten am<br />

Brunnen. Die fröhlichen Narren sind viel höher und dem Himmel<br />

näher dargestellt. Kater und Katzenjammer sind Missbrauch der<br />

Fastnacht und passen nicht zu einem frohen und echten Narren.<br />

Denn Fastnacht, ist Herzenssache, ist unbeschwerte Fröhlichkeit<br />

ohne bitteren Nachgeschmack. „So ein Tag, so wunderschön wie<br />

heute...“ – Freude und Glücksahnung, Glück, das man nicht festhalten<br />

kann, denn „ach wie bald entschwinden frohe Stunden ...“<br />

Sehnsucht nach Glück ist dem Menschen ins Herz gelegt. Die Freude<br />

in Gott ist unsere Kraft. Am tiefsten froh sind Menschen, die mit<br />

Gott verbunden sind. Nur so versteht man, warum im Gewimmel<br />

der Narren auf dem Fastnachtsbrunnen auch ein Mönch mit einem<br />

Kreuz, der heilige Martin, der den Mantel teilte und eine Figur mit<br />

gefalteten Händen zu sehen sind.<br />

Fastnacht ist Herzenssache, die über sich hinausweist, die nach<br />

oben offen ist wie ein Kelch. Richtige Fastnachtsgecken haben ein<br />

offenes Herz für den Herrgott und die Mitmenschen, für Freud und<br />

Leid, für Lachen und Tränen jeweils am richtigen Platz. Denen wird<br />

alles geschenkt, denen der Herrgott eine Herzenssache ist.<br />

Joseph Müller<br />

AM 03


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 4<br />

04 AM<br />

Titelthema: Julia Sudmann<br />

Ein Studium lo<br />

auch morgen n<br />

Trotz schlechter Wirtschaftslage haben Akademiker nach wie<br />

vor gute Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das<br />

bestätigte Dr. Bernhard Hohn bei einer Vortragsveranstaltung<br />

der KAD in Bonn. Um jedoch auch den Traumberuf ausüben zu<br />

können, müssen die Studierenden schon vor dem Abschluss<br />

Initiative zeigen.<br />

Der deutschen Wirtschaft geht es seit Jahren schlecht, und das<br />

macht sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Die anhaltend hohe<br />

Arbeitslosenquote macht jungen Menschen die Entscheidung<br />

schwer, welchen Berufsweg sie einschlagen wollen. Schließlich<br />

bietet der Traumberuf nicht zwangsläufig traumhafte Aussichten.<br />

Und Arbeitslosigkeit macht auch vor Akademikern nicht halt. Doch<br />

beim Blick auf den Anteil der Hochschulabsolventen unter den Arbeitslosen<br />

bewahrheitet sich: Ein Studium lohnt sich nach wie vor.<br />

Zu diesem Schluss kommt Dr. Bernhard Hohn von der Zentralstelle<br />

für Arbeitsvermittlung (ZAV). Auf Einladung der Katholischen Akademikerarbeit<br />

Deutschlands (KAD) stellte er in einem Vortrag im<br />

November in Bonn dar, wie die Chancen stehen, mit einem Universitäts-<br />

oder Fachhochschulabschluss auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu<br />

fassen, und welche Branchen auch für Akademiker derzeit kaum<br />

Perspektiven bieten.<br />

Mit gerade einmal vier Prozent lag die Quote der Arbeitslosen<br />

mit Hochschulabschluss 2004 im Vergleich zur Quote insgesamt<br />

(11,9 Prozent) extrem niedrig und nahe an der Vollbeschäftigung.<br />

Dieser Trend lässt sich in den vergangenen 30 Jahren durchgehend<br />

beobachten. Die Zahl der Arbeitslosen mit Lehre oder Fachschulabschluss<br />

lag im Vergleich dazu 2004 bei 9,9 Prozent und auf die<br />

vergangenen Jahrzehnte bezogen stets deutlich über der Quote der<br />

arbeitslosen Akademiker. „So gut wie Akademiker stehen keine anderen<br />

Gruppen am Arbeitsmarkt“, bestätigte auch Hohn. Zudem sei<br />

die Zahl der Arbeitslosen mit Hochschulabschluss seit zwei Jahren<br />

bereits wieder im Rückgang. „Umgekehrt melden die Betriebe wieder<br />

mehr Stellen für Akademiker.“ Ein Studium ist demnach offenbar<br />

immer noch eine Eintrittskarte in die Berufswelt.<br />

Bis heute stellen die Universitätsabschlüsse den mit Abstand größten<br />

Teil der akademischen Abschlüsse. 62,3 Prozent waren es etwa<br />

im Jahr 2003, gegenüber 28,5 Prozent Fachhochschulabschlüssen.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 5<br />

hnt sich<br />

noch<br />

TITELTHEMA<br />

Die Grafiken zu diesem Artikel stammen aus einer Präsentation der<br />

Bundesagentur für Arbeit bei der Katholischen Akademikerarbeit<br />

Deutschlands. Die vollständige Präsentation kann im Mitgliederbereich<br />

der <strong>KV</strong>-Internetseite www.kartellverband.de abgerufen<br />

werden.<br />

AM 05


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 6<br />

TITELTHEMA<br />

© 2005, BA-AMS<br />

06 AM<br />

Sonstige<br />

Hochschulen<br />

0,2 %<br />

Durchschnitt<br />

Bachelor<br />

FH-Diplom<br />

Uni.-diplom und<br />

entsprechende Abschlüsse<br />

Lehramt, 1. Staatsexamen<br />

Künstlerischer Abschluss<br />

Master<br />

Promotionen<br />

Andere Uni.-abschlüsse<br />

© 2005, BA-AMS<br />

Hochschulart: Knapp<br />

zwei Drittel absolvieren<br />

ein Universitätsstudium<br />

Alter: Im Schnitt<br />

verlassen Akademiker<br />

mit fast 29 Jahren die<br />

Alma Mater<br />

Danach folgten die Verwaltungs-Fachhochschulen<br />

(5,4%), Kunsthochschulen (2,4%) und Pädagogischen<br />

Hochschulen (1,2%). Dass sich an diesen Verhältnissen<br />

etwas ändern wird, ist bereits abzusehen.„Die FH-Abschlüsse<br />

wachsen an“, erklärte Bernhard Hohn. Zum<br />

Universität<br />

62,3 %<br />

Fachhochschule<br />

28,5 %<br />

Verwaltungs-FH<br />

Kunst- 5,4 %<br />

hochschule<br />

2,4 %<br />

Pädagogische<br />

Hochschule<br />

1,2 %<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Stand: 2003<br />

einen reize die Studierenden der Praxisbezug des Studiums,<br />

zum anderen bauten die Fachhochschulen stärker<br />

aus als die Universitäten. Doch obwohl das paxisbezogene<br />

Studium und die frühen Kontakte zu den jeweiligen<br />

Branchen ein eindeutiger Vorteil sind, haben<br />

es die FH-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt den Zahlen<br />

zufolge schwerer als Absolventen mit Universitätsabschluss.<br />

Ein Grund dafür ist laut Hohn, dass mehr FH-<br />

Absolventen auf den Arbeitsmarkt strömen. Einen weiteren<br />

vermutet der Experte darin, dass Fachhochschulabsolventen<br />

vor allem ins mittlere Management<br />

streben und dieses derzeit verstärkt abgebaut wird.<br />

Auch bei den Universitätsabschlüssen tut sich einiges.<br />

Waren 2003 noch lediglich 1,1 Prozent aller Hochschulabschlüsse<br />

Bachelor- und 1,4 Prozent Master-Abschlüsse<br />

– während die Zahl der Uni-Diplome und vergleichbarer<br />

Abschlüsse bei 40,7 Prozent lag – wird sich dieses<br />

Verhältnis bald grundlegend ändern. Und mit dem<br />

Ausbau der BA- und MA-Studiengänge, wird sich auch<br />

die Studiendauer künftig verkürzen. Denn derzeit dauert<br />

25,9<br />

28,8<br />

28,0<br />

28,3<br />

28,4<br />

28,6<br />

30,4<br />

33,0<br />

35,5<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Stand: 2003<br />

es im Durchschnitt noch fünf bis sechs Jahre bis zum<br />

erfolgreichen Examen. Und weil Studenten in zunehmendem<br />

Maße vor dem Studium zunächst eine Ausbildung<br />

absolvieren, ist das Durchschnittsalter der Absolventen<br />

mit 28,8 Jahren im internationalen Vergleich<br />

recht hoch. „Dabei sind allerdings die Promotionen mit<br />

eingerechnet“, reiativierte Hohn. Den Trend, dem Studium<br />

eine Ausbildung vorauszuschicken, bewertete er<br />

als „durchaus gelungene Strategie“.<br />

Eine Schere tut sich beim Vergleich der beliebtesten<br />

Studienfächer mit den auf dem Arbeitsmarkt gefragtesten<br />

Abschlüssen auf: Während die Studenten des mit<br />

Abstand begehrtesten Fachs Betriebswirtschaftslehre<br />

sowie auch die zweitplatzierten Mediziner noch recht<br />

gute Aussichten haben, gleich nach dem Abschluss –<br />

einen Job zu finden, liegt auch eine Branche unter den<br />

Top Ten, in der Arbeitsplätze äußerst rar sind – die Architektur.<br />

„Architekten sind von eklatanter Arbeitslosigkeit<br />

bedroht“, warnte der Fachmann. Nur auf Platz<br />

sechs findet sich dagegen ein Studienfach, das wiederum<br />

gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet:<br />

Maschinenbauwesen. Weitere Ingenieursstudiengänge<br />

sowie die Biologie haben es gar nur ans Ende der ersten<br />

Zehn geschafft. Hohn betrachtet das mit Sorge.<br />

„Meines Erachtens ist mit der Reihenfolge etwas nicht<br />

in Ordnung“, sagte er. Denn gerade Ingenieure würden<br />

gebraucht. Zudem bieten Ingenieursstellen mehr Sicherheit,<br />

wie die Statistik der Stellen, die befristet ausgeschrieben<br />

werden, zeigt. Bei verschiedenen Ingenieursberufen<br />

und in der IT-Branche bewegen sich die<br />

Zahlen um oder sogar unter zehn Prozent. Hochschulund<br />

Fachhochschullehrer haben demgegenüber mit etwa<br />

drei Viertel (76,3 Prozent) einen extrem hohen Anteil<br />

befristeter Stellen. Ebenfalls weit oben in der Liste:<br />

Sozialpädagogen (64,4%), Sozialarbeiter (60,6%), Chemiker<br />

(46,7 %), Grund- und Hauptschullehrer (45,1%),<br />

Psychologen (42,9%) und Fachschul- und Berufsschullehrer<br />

(42,5%). Wer in diese Berufe strebt, sollte sich<br />

also darüber im Klaren sein, dass ihm große Flexibilität<br />

abgefordert wird.<br />

Anlass zur Sorge gibt auch, dass es besonders die jungen<br />

Akademiker sind, die Schwierigkeiten haben, eine<br />

Anstellung zu finden. Denn die Statistik, die die Gruppe<br />

der unter 30-Jährigen mit gerade einmal 14 Prozent der<br />

arbeitslosen Akademiker angibt, während alle anderen<br />

Altersgruppen sich um die 28/29 Prozent einpendeln,<br />

täuscht: Es sind schlicht nicht so viele junge Menschen<br />

mit Hochschulabschluss am Markt, klärte Hohn in seinem<br />

Vortrag auf. In den vergangenen Jahren ist die<br />

Arbeitslosigkeit bei den unter 30-Jährigen im Gegenteil<br />

sogar drastisch gestiegen, was sich vor allem mit der<br />

mangelnden Berufserfahrung erklären lässt. Hohn rät<br />

daher dringend dazu, sich schon während des Studiums<br />

um praktische Erfahrungen zu bemühen. Praktika und<br />

Diplomarbeiten in den jeweiligen Branchen bieten dazu<br />

Gelegenheit. Und, so der Experte, spätestens im Hauptstudium<br />

sei es an der Zeit, sich auf eine Grundrichtung<br />

festzulegen, die für einen späteren Arbeitgeber auch zu<br />

erkennen sei.<br />

Generell gilt laut Hohn, dass die klassischen Branchen<br />

wie Automobilindustrie und Maschinenbau nach wie<br />

vor die tragenden Säulen des Arbeitsmarktes sind –


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 7<br />

auch des Akademiker-Arbeitsmarktes. Die meisten<br />

Stellenangebote, die bei der Bundesagentur für Arbeit<br />

(BA) eingehen, kommen mit 52,1 Prozent aus Personalvermittlungs-<br />

oder Zeitarbeitsfirmen. „Aus der öffentlichen<br />

Verwaltung kommt zwar noch relativ viel, aber die<br />

Angebote sind rückläufig“, schilderte Hohn. Einen noch<br />

stärkeren Rückgang gebe es allerdings mit minus<br />

8,6 Prozent im Gesundheitswesen.<br />

Während bei der BA technische Berufe die Liste der<br />

offenen Stellen anführen, liegen bei den Zeitungsanzeigen<br />

Hochschulen und Forschungseinrichtungen weit<br />

vorne. Dennoch sollten Arbeitssuchende keine Möglichkeit<br />

der Jobsuche auslassen und neben Arbeitsvermittlung<br />

und Annoncen auch das Internet und Mundpropaganda<br />

miteinbeziehen.<br />

Schwierig wird es, wenn es darum geht, die Anforderungen<br />

der Arbeitgeber zu erfüllen. Wie Hohn bestätigte,<br />

wird da oftmals die berühmte Eier legende Wollmilchsau<br />

gesucht. Der Bewerber sollte nicht nur auf<br />

seinem Fachgebiet über gutes bis sehr gutes Wissen<br />

verfügen, sondern möglichst breit gebildet sein. Zudem<br />

wünschen sich Firmen junge Akademiker mit passender<br />

Berufserfahrung. Hinzu kommen unspezifische Fachkompetenzen<br />

wie wirtschaftliches Grundverständnis,<br />

Englisch- oder anderen Fremdsprachenkenntnisse und<br />

Computerwissen. Und die so genannten Soft Skills –<br />

Mobilität, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit,<br />

selbstständiges Arbeiten und am besten auch<br />

noch bescheidene Einkommenswünsche. Gerade den<br />

letzten Punkt nutzten Unternehmen in zunehmendem<br />

Maße aus, wie Hohn zu Bedenken gab. Denn immer<br />

häufiger würden ganze Projekte und Arbeitsbereiche<br />

schlecht oder gar nicht bezahlten Langzeitpraktikanten<br />

übergeben. „Die Zahl der Praktikumsplätze für Akademiker<br />

ist raketenhaft gestiegen.“ Doch außer moralischen<br />

Appellen an die Unternehmer hätte man in diesem<br />

Punkt keine Handhabe, so Hohn. Und in Sachen<br />

Mobilität machte der Arbeitsvermittler deutlich, dass<br />

eine gute Stelle eben oftmals einen Umzug erforderlich<br />

macht. Schließlich gibt es die meisten Angebote in den<br />

Ballungsräumen. Ganz vorne stehen dabei Städte wie<br />

Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. So wurden<br />

von Januar bis September dieses Jahres etwa in München<br />

mit nahezu 3.000 offenen Stellen für Akademiker<br />

rund fünf Mal so viele Jobs angeboten wie in Saarbrücken,<br />

Essen oder Magdeburg. Studierenden, die in<br />

absehbarer Zeit ihren Abschluss machen werden, gab<br />

der Experte noch einen Tipp mit auf den Weg: „Es ist<br />

nicht unüblich, dass die Unternehmer auf einer Messe<br />

offen sind für Gespräche über Stellen.“ Das gelte nicht<br />

nur für die als Rekrutierungsmessen gedachten Absolventenkongresse,<br />

sondern auch für Fachmessen. Der<br />

Jobsuchende sollte einfach eine Bewerbungsmappe<br />

mitnehmen und interessanten Firmen seinen Lebenslauf<br />

da lassen. Aber auch die Ausstellerverzeichnisse<br />

für solche Messen könnten auf der Suche nach einem<br />

Arbeitsplatz nützlich sein, da sie alle Adressen und Informationen<br />

über die Aussteller enthalten. Außerdem gibt<br />

3 Jahre oder kürzer<br />

länger als 8 Jahre<br />

© 2005, BA-AMS<br />

ohne Angabe<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

4,0 %<br />

5,5 %<br />

6,6 %<br />

9,2 %<br />

13,2 %<br />

Ohne Verwaltungswissenschaften<br />

es unter den Internetadressen www.deutschland.de<br />

(Stichwort: Wirtschaft) oder auch www.regis-online.de<br />

regionale Unternehmensdatenbanken, in denen sich auch<br />

kleinere Unternehmen finden lassen. Bernhard Hohn<br />

wies darauf hin, dass es sich lohnen kann, in die Arbeitssuche<br />

einiges an Zeit und Mühe zu investieren. Denn:<br />

„Die Suche nach einem Job ist quasi der erste Job, den<br />

Sie machen. Sehen Sie es als Herausforderung.“<br />

© 2005, BA-AMS<br />

Informationen zur Jobsuche für Akademiker gibt es im<br />

Internet unter www.ba-bestellservice.de (Suchwort:<br />

Akademiker) oder über die Seite der Bundesagentur für<br />

Arbeit www.arbeitsagentur.de (Informationen für Arbeitnehmer,<br />

Bestimmte Personengruppen, Akademiker).<br />

Hintergründe zu den Chancen in diversen Branchen finden<br />

sich auf der Seite www.uni-magazin.de.<br />

Lehrer Hoch-, höhere Fachhoschule<br />

Sozialpädagogen<br />

Sozialarbeiter<br />

Chemiker<br />

Grund-, Hauptschullehrer<br />

Psychologen<br />

Fachschul-, Berufsschulehrer<br />

Juristen<br />

Deutschland<br />

Architekten<br />

Ärzte<br />

Bauingenieure, allgemein<br />

Betriebswirte<br />

Informatiker<br />

Apotheker<br />

Elektroingenieur<br />

Programmierer<br />

Wirtschaftsingenieure<br />

Übrige Fertigungsingenieure<br />

Maschinenbauingenieure<br />

IT-Vertriebsfachleute<br />

6,4 %<br />

10,5 %<br />

10,3 %<br />

10,1 %<br />

10,1 %<br />

9,6 %<br />

13,1 %<br />

24,8 %<br />

23,2 %<br />

21,8 %<br />

27,3 %<br />

27,1 %<br />

30,3 %<br />

© 2005, BA-AMS Zugänge Januar bis September, Top 20<br />

TITELTHEMA<br />

15,2 %<br />

42,9 %<br />

42,5 %<br />

41,3 %<br />

46,7 %<br />

45,1 %<br />

21,0 %<br />

25,4 %<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Stand: 2003<br />

Studiumdauer bis zum<br />

erfolgreichen Examen:<br />

5 oder 6 Jahre sind<br />

üblich<br />

Top Ten der Studienfächer:<br />

Die meisten<br />

Absolventen sind<br />

Betriebswirte<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Stand: 2003<br />

Ein Drittel der offenen<br />

Stellen für Akademiker<br />

sind befristet<br />

60,6 %<br />

64,4 %<br />

76,3 %<br />

Quelle: BA<br />

Stand: 30.09.2005<br />

AM 07


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 8<br />

<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />

08 AM


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 9<br />

<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />

AM 09


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 10<br />

DAS INTERVIEW<br />

10 AM<br />

Lebenslauf<br />

Name: Heiner Timmermann<br />

Geb.: 26. 4. 1940 in Duisburg<br />

Bildung und Beruf: 1947 – 1955: Volksschule in Duisburg<br />

1955 – 1962: Verwaltungslehre und -tätigkeit bei der<br />

Allgemeinen Ortskrankenkasse Dinslaken/Niederrhein<br />

1960 – 1964: Abendgymnasium der Stadt Duisburg<br />

1964: Abitur<br />

Ziviler Status: Verh., 4 Kinder; röm.-kath<br />

Studium: Geschichte, Englisch, Philosophie, Pädagogik, Geographie<br />

an den Universitäten Köln, Bonn, Tübingen,<br />

Newcastle-upon-Tyne<br />

Sprachen: Englisch, Latein<br />

Heiner Timmermann<br />

Lehre und Forschungsaufenthalte:<br />

Trinity College Dublin; Universitäten Harvard und Yale<br />

(USA); Universität Hull (Großbritannien); Bodleian<br />

Library Oxford; Bibliothek des Britischen Museums;<br />

London School of Economics and Political Sciences,<br />

Public Record Office, London; Nuffield College Oxford;<br />

UNO-Bibliothek und -archiv, New York; Archiv des<br />

Council on Religion and International Affairs, New York;<br />

Ullstein-Bildarchiv, Berlin; Zentrales Parteiarchiv der<br />

SED; Archiv des Außenministeriums der Russischen<br />

Föderation<br />

Akademische Grade:<br />

Dr. phil., Universität Tübingen; Dr. phil., Universität<br />

Krakau; Honorarprofessor für die neue und neueste<br />

Geschichte Europas an der Universität Jena; Honorarprofessor<br />

an der Wirtschaftsuniversität Budapest;<br />

Visiting-Professor an den Universitäten Sundsvall und<br />

Moskau für Europäische Studien;<br />

Ausgeübter Beruf: Professor an den Universitäten Jena und Budapest,<br />

Visiting-Professor an den Universitäten Sundsvall und<br />

Moskau; Vorstandsvorsitzender der Akademie Rosenhof,<br />

Weimar; Mitherausgeber der Zeitschrift „EUROjournal,<br />

Prag<br />

AM<br />

Lieber Kartellbruder, Du bist seit vielen Jahrzehnten<br />

<strong>KV</strong>er, gehörst der Rechberg Tübingen und der<br />

Winfriedia Köln an. Was war seinerzeit der Grund<br />

Für Dich, Korporationsstudent zu werden?<br />

Timmermann<br />

Seit meiner Zeit als Messdiener war ich in der<br />

katholischen Jugend engagiert. Ein Freund, der<br />

schon <strong>KV</strong>er war, nahm mich mit zur Winfridia Köln.<br />

Die Atmosphäre, die Leute, das Programm gefielen<br />

mir. So wurde ich <strong>KV</strong>er.<br />

AM<br />

Was bedeutet Dir heute noch der <strong>KV</strong>?<br />

Timmermann<br />

AH sein, heißt einen Generationenvertrag zu erfüllen.<br />

Darüber hinaus hätte ich manche Studienfreunde,<br />

wenn die Organisation nicht wäre, sicherlich aus den<br />

Augen verloren.<br />

Als engagiertes Katholik finde ich es dienlich, dieses<br />

Engagement durch die lebenslange Mitgliedschaft<br />

auch in einem kath. Verband zu tun.<br />

AM<br />

Du schaust auf ein langes berufliches und wissenschaftliches<br />

Leben zurück. Von Ruhestand kann bei<br />

Dir noch keine Rede sein. 27 Jahre warst Du in der<br />

Leitung der Europäischen Akademie Otzenhausen.<br />

Kannst Du uns Diese Einrichtung kurz vorstellen?<br />

Timmermann<br />

Die Europäische Akademie Otzenhausen, 1954<br />

gegründet, ist eine Einrichtung zur Förderung der<br />

Europäischen Integration, für Grundfragen der politischen<br />

Bildung und der deutsch-französischen<br />

Freundschaft.<br />

AM<br />

Du selbst hast innerhalb dieser Akademie 1991 das<br />

Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut mitbegründet.<br />

Schwerpunkt Deiner Arbeit hier war die<br />

DDR-Forschung. Dem ging – mehr als Zufall – 1984<br />

eine Begegnung mit Erich Honnecker voraus. Wie<br />

kam es dazu?<br />

Timmermann<br />

Schwerpunkte dieses SFI, das im August 2005 aufgelöst<br />

wurde, waren:<br />

– Analyse von Wandlungsprozessen der europäischen<br />

Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart<br />

– Geschichts- und Politikforschung im europäischen<br />

Vergleich


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 11<br />

– Analyse der Europäischen Integration<br />

– Analyse der transatlantischen Beziehungen<br />

– Management von Forschung und Entwicklung<br />

– Kulturbeziehungsforschung<br />

– Demokratieforschung<br />

– DDR-Forschung<br />

Zur Begegnung mit Honecker:<br />

Seit 1982 führte ich Informations- und Begegnungsreisen<br />

für Abiturienten und Lehrer aus dem Saarland<br />

und Rheinland-Pfalz in die DDR durch. Im Rahmen<br />

der Vorbereitung einer Reise im Mai 1984 fragte ich<br />

bei Honecker an, ob er zu einem Informationsgespräch<br />

mit Abiturienten aus Merzig/Saarland bereit<br />

wäre. Innerhalb Tage weniger Tage erhielt ich seine<br />

Zustimmung zu diesem Gespräch.<br />

AM<br />

Hat Dir diese Begegnung die Archive der DDR vor<br />

und nach der Wende geöffnet?<br />

Timmermann<br />

Vielleicht vor der Wende; denn ich war im Februar<br />

und März 1989 im SED-Parteiarchiv. Nach der Wende<br />

gab es einheitliche Regelungen.<br />

AM<br />

Lange vor der DDR-Forschung hast Du Dich schon<br />

Ende der 70er Jahre mit dem deutsch-polnischen<br />

Verhältnis befasst und Dich sogar 1993 als erster<br />

deutscher Historiker nach dem Krieg an der Universität<br />

Krakau habilitiert. Siehst Du auf Grund Deiner<br />

Erfahrungen das deutsch-polnische Verhältnis als<br />

stabil an, oder was müsste getan werden?<br />

Timmermann<br />

Von den Grundgegebenheiten ist das deutsch-polnische<br />

Verhältnis stabil. Dennoch ist es labil, wenn<br />

in Wahlkämpfen jeweils polnische und deutsche<br />

Rechtsparteien um die letzten Wähler kämpfen. Die<br />

Polen sollten mehr beachten, dass die Rechten in<br />

Deutschland keinen politischen Einfluss haben. Die<br />

Rechtsparteien in Polen sollten vermeiden, die rechten<br />

Randparteien in Deutschland für ihre eigennützigen<br />

Interessen zu instrumentalisieren. Ein offenes<br />

Wort: Ein zentrales Denkmal für die Vertriebenen in<br />

Deutschland – sorgfältig, informativ, real, ohne<br />

Revanche- und/oder Restributionsambitionen eingerichtet<br />

– ist allein wegen der Opfer längst überfällig.<br />

AM<br />

Wer Deine Vita liest, verfolgt atemlos Deine wissenschaftlichen<br />

Aktivitäten: Forschungsarbeiten in<br />

Tschechien, Russland, Großbritannien, USA, Belgien,<br />

Deutschland; Honorarprofessuren in Jena,<br />

Moskau und Sundsvall (Schweden), Forschungen zu<br />

DAS INTERVIEW<br />

WissenschaftlicheVortrags- und Archivreisen:<br />

Juni 1985: Universität Krakau<br />

Oktober 1985: Universitäten Southampton, Wolverhampton,<br />

Bristol und Durham<br />

April 1986: Lehrerakademie Marseille, Universität<br />

Aix-en-Provence<br />

Mai 1987: Akademie der Wissenschaften der DDR,<br />

Zentralinstitut für Geschichte<br />

April 1988: Akademie der Wissenschaften der DDR,<br />

Zentralinstitut für Geschichte, Zentralinstitut für Wirtschaftswissenschaften<br />

September 1988: Akademie der Wissenschaften der<br />

DDR, Zentralinstitut für Geschichte, Zentralinstitut für<br />

Wirtschaftswissenschaften, Institut für Allgemeine<br />

Geschichte<br />

Oktober 1988: Lehrerakademie Grado (Italien)<br />

Februar – März 1989: Zentrales Parteiarchiv der SED<br />

(Berlin-Ost) Akademie der Wissenschaften der DDR:<br />

Zentralinstitut für Geschichte; Universitäten: Halle,<br />

Leipzig, Greifswald, Humboldt (Berlin-Ost)<br />

Mai 1989: Lehrerakademie Genua, Lehrerakademie<br />

Marseille, Universität Aix-en-Provence<br />

Juni 1989: Zentrales Parteiarchiv der SED<br />

Juni 1989: Vortragsrundreise durch die USA<br />

September 1989: Public Record Office, London<br />

Oktober 1989: Universität Lublin, Katholische Universität<br />

Lublin<br />

Oktober 1989: Ungarisches Institut für Internationale<br />

Angelegenheiten, Ungarische Akademie der Wissenschaften,<br />

Universität Budapest, Wirtschaftsuniversität<br />

Budapest<br />

November 1989: Universität Krakau<br />

Dezember 1989: Universität Jena<br />

April 1990: Akademie der Wissenschaften der DDR,<br />

Zentralinstitut Wirtschaftswissenschaften, Institut für<br />

Soziologie und Sozialpolitik; Zentrales Parteiarchiv<br />

der SED<br />

Oktober 1990: Ungarisches Staatsarchiv, Wirtschaftsuniversität<br />

Budapest, Universität Budapest, Ungarische<br />

Akademie der Wissenschaften, Ungarisches Institut für<br />

Internationale Angelegenheiten<br />

Oktober 1990: Universität Greifswald<br />

März 1991: Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung<br />

(Berlin)<br />

Juni 1991: Universität Halle<br />

Februar, Juni, Oktober 1992: Brüssel<br />

März 1993: Brüssel<br />

Mai 1993: Wirtschaftsuniversität Budapest, Ungarisches<br />

Institut für Internationale Angelegenheiten<br />

Mai 1993: Universität Krakau<br />

Juni 1993: Brüssel<br />

August 1993: Public Record Office, London<br />

Dezember 1993: Wirtschaftsuniversität Budapest, Ungarisches<br />

Institut für Internationale Angelegenheiten<br />

Dezember 1993: Fachhochschule für Verwaltung, Weimar<br />

Februar, Juni, November 1994: Brüssel<br />

März 1994: Universität Krakau<br />

Mai 1994: Mittelschwedische Universität Sundsvall<br />

Juni 1994: Wirtschaftsuniversität Budapest<br />

Oktober 1994: International University Moskau, Akademie<br />

für Diplomatie, Moskau<br />

März/April 1995: Schlesische Universität Kattowitz<br />

April 1995: International University, Moskau<br />

Mai 1995: Wirtschaftsuniversität Budapest<br />

Juni 1995: Universität Krakau<br />

Juni 1995: Universität Sundsvall<br />

AM 11


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 12<br />

DAS INTERVIEW<br />

12 AM<br />

März und November 1996: Brüssel<br />

Oktober 1996: International University, Moskau<br />

Juni 1999: Brüssel<br />

Oktober 1999: Prag, Brüssel, Innsbruck<br />

März 2000: Brüssel<br />

Juli 2000: Brüssel<br />

Juni 2000: Budapest<br />

März 2001: Brüssel<br />

Mai 2001: Wirtschaftsuniversität Budapest, Institut für<br />

Internationale Beziehungen Budapest,<br />

Oktober 2001: Universität Innsbruck<br />

Oktober 2001: Brüssel<br />

Mai 2002: Universität Krakau<br />

Juni 2002: Brüssel<br />

Februar, Mai, November 2003: Brüssel<br />

Juni 2003: Universität Krakau<br />

März und Oktober 2004: Universität Guam<br />

Mai 2004: Universität Innsbruck<br />

Oktober 2004: Universitäten Yonsei und Sogang, Seoul,<br />

Korea<br />

Mai 2005: Universitäten in Seoul und Pusan, Korea<br />

Juni 2005: Universität Guam<br />

November2005: Universitäten und Institute in Seoul,<br />

Koea<br />

Felder der Forschung und Lehre:<br />

Europäische Integrationsgeschichte; Aufarbeitung der<br />

DDR-Geschichte Internationale Beziehungen im 20.<br />

Jahrhundert; die Idee Europa in Geschichte und Gegenwart;<br />

die Erweiterung transatlantischer und wegungen<br />

in Europa seit dem 18. Jahrhundert; Europäische Geschichte<br />

im 19. und 20. Jahrhundert; deutsch-polnische<br />

Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart;<br />

deutsch-ungarische Beziehungen in Vergangenheit und<br />

Gegenwart; europäisch-amerikanische Beziehungen im<br />

19. und 20. Jahrhundert; Deutsche Geschichte im 19.<br />

und 20. Jahrhundert; die Deutsche Frage und Europa<br />

vom 16. Jahr hundert bis zum 20. Jahrhundert, der Kalte<br />

Krieg Europäische Verfassung, Erweiterung der Europäischen<br />

Union<br />

Auszeichnungen: Merentibus Medaille der Universität Krakau, 1989<br />

International President‘s Award, Lions International, 1997<br />

Hommage des Lions de France, 1998<br />

United States Army in Europe, 1999<br />

Bundesverdienstkreuz am Bande, 2000<br />

Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen<br />

2001<br />

Mitgliedschaften und Ehrenämter:<br />

Seit 1964: Mitglied im Kartellverband Katholischer<br />

Studentenvereine<br />

Seit 1966: Christlich-Demokratische Union Deutschlands<br />

Seit 1978: Europa-Union Deutschland<br />

1983: Lions International<br />

1996/97: District-Governor, Mitte-Süd-Deutschland<br />

1997/98: Vorsitzender des Deutschen Governorrates<br />

Seit 1984: Gesellschaft für Deutschlandforschung;<br />

1996: Mitglied im Vorstand der Gesellschaft<br />

für Deutschlandforschung<br />

den transatlantischen Beziehungen und der Sicherheitspolitik,<br />

aber auch zu dem deutsch-französischen<br />

Miteinander. Diese Vielfalt ist selten. Wie<br />

kam es dazu?<br />

Timmermann<br />

Es entstand, es wurde. Der Historiker muss in die<br />

Archive. Ich habe seit 1978 mehr als 400 Internationale<br />

Kongresse, Konferenzen, Kolloquien konzipiert,<br />

organisiert und durchgeführt. Da lernt man Kollegen<br />

kennen. Der Austausch von Informationen setzt die<br />

Begegnung und Kommunikation voraus. Wer in<br />

einem Bundesland an der deutsch-französischen<br />

Grenze fast 30 Jahre arbeitete, musste sich mit dem<br />

deutsch-französischen Verhältnis auseinandersetzen.<br />

Dieses kann man phasenweise als Modell für<br />

die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu<br />

den Ländern Mittel- und Osteuropas bemühen. Die<br />

neueste Entwicklung: Ich bin Mitglied eines wissenschaftichen<br />

Gremiums in Südkorea, dass sich mit<br />

der Vereingiung von Nord- und Südkorea beschäftigt.<br />

AM<br />

In einem Presseportrait wirst Du mit den Worten<br />

zitiert: „Ich komme leichter an Polen als an Franzosen.<br />

Es gibt keine so scharfe Sprachgrenze in<br />

Europa wie zwischen Deutsch und Französisch.“<br />

Liegen diese Grenzen nur in der Sprache?<br />

Timmermann<br />

Ja, so denke ich. Umso erfreulicher ist es, dass das<br />

deutsch-französische Jugendwerk nach wie vor<br />

große Anstregungen unternimmt, um diese Grenze<br />

zu überwinden.<br />

AM<br />

Ist Deine wissenschafliche Ruhelosigkeit nur in<br />

Deiner Neugier begründet oder sind die Problembereiche<br />

noch nicht abgearbeitet?<br />

Timmermann<br />

Ich bin immer ruhig gewesen, verfüge über eine innere<br />

Autorität und Unabhängigkeit. Doch entdecke<br />

ich pausenlos Forschungsdesiderata, die man sehen<br />

muss, wenn man sich mit den Sachgegenständen<br />

auseinandersetzt.<br />

AM<br />

Ein großes Projekt von Dir ist das „Lexikon des Kalten<br />

Krieges“, wofür Du schon 15000 Namen und<br />

15000 Begriffe zusammengetragen hast. Wird diese<br />

Thematik erstmals in einem Lexikon aufgearbeitet?<br />

Timmermann<br />

Ich gehe davon aus, dass dieses Werk im Jahr<br />

2006/2007 erscheinen wird.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 13<br />

AM<br />

Gibt es bei soviel wissenschaftlicher Tätigkeit eigentlich noch<br />

den Privatmann Heiner Timmermann, der zum Beispiel eine Veranstaltung<br />

der Rechberg besucht?<br />

Timmermann<br />

Ich bin in den letzten Jahren leider nur ab und zu bei Rechberg,<br />

bin dennoch diesem Bund eng verbunden, habe mit Bundesbrüdern<br />

regen Kontakt. Das wird sich in Zukunft ändern; denn ich<br />

habe fest vor, meine Rechberg in Zukunft öfter zu besuchen. Ich<br />

bin auch noch Winfride in Köln. Auch diesen Kontakt habe ich<br />

nie abreißen lassen.<br />

Den Privatmann Heiner Timmermann hat es immer gegeben.<br />

Meine Frau und ich haben engen Kontakt zu unseren vier Kindern<br />

und fünf Enkeln, besuchen unsere in Guam lebenden zwei<br />

Töchter, unseren bei Augsburg wohnenden ältesten Sohn. Den<br />

in der Nähe wohnenden anderen Sohn sehen wir ständig.<br />

AM<br />

Zum Schluss noch eine persönliche Erfahrung: Du warst Messdiener<br />

in der KHG an der Uni Tübingen bei den heutigen Widerstreitern<br />

Hans Küng und Josef Ratzinger. Letzterer ist heute<br />

Papst, ein <strong>KV</strong>er wie Du und ich. Mit Hans Küng hast Du noch<br />

Anfang des Jahres bei einem Forum zusammengearbeitet.<br />

Siehst Du in der Begegnung zwischen dem Papst und Küng eine<br />

Trendwende, und was erwartest Du insgesamt von dem neuen<br />

Papst?<br />

Timmermann<br />

Hans Küng ist ein großer Theologe und Philosoph, Josef Ratzinger<br />

nicht minder. Mit der von Hans Küng initiierten Stiftung<br />

„Weltethos“ arbeite ich zusammen, hatte im Mai 2004 in Innsbruck<br />

eine große Konferenz, im Februar 2005 in der Europäischen<br />

Akademie Otzenhausen ein internationales Kolloquium.<br />

Es kann sein, dass atmosphärische Störungen durch das Gespräch<br />

entkrampft wurden. Man hatte vereinbart, so die Presse,<br />

dass unterschiedliche Auffassungen über theologische Fragen<br />

nicht thematisiert werden sollten und wurden.<br />

Wozu brauchen wir eine Trendwende? Es kann doch nicht sein,<br />

dass wir Leuten wie Drewermann oder Hasenhüttl hinterherlaufen!<br />

Die katholische Kirche ist Weltkirche und kann sich<br />

nicht nach Lehrmeinungen richten, die aus einem Fußballverein<br />

einen Schwimmverein machen wollen, um im Bild zu sprechen.<br />

Ich leide nicht an der Kirche. Ich gehöre ihr freiwillig an. Sie<br />

zwingt keinen zur Mitgliedschaft.<br />

AM<br />

Danke für das Gespräch!<br />

Die Fragen stellte Michael Kotulla.<br />

DAS INTERVIEW<br />

Anzeige<br />

AM 13


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 14<br />

AKTIVITAS<br />

14 AM<br />

Flandrische Pilger in Köln<br />

Eine Nachlese zum Weltjugendtag<br />

196 Nationen waren beim Weltjugendtag in Köln<br />

zu Gast - das hieß, dass für 400.000 Pilger ein<br />

Quartier gefunden werden musste. Da ließen sich<br />

die Winfriden nicht lange bitten und boten umgehend<br />

ihren Aufenthaltsraum als Bleibe an. Das<br />

hörte Kb Rony Hermans (Pfarrer in St.Albertus<br />

Magnus) gern, fühlte er doch, dass seine belgischen<br />

Landsleute bei uns gut aufgehoben wären.<br />

Also ward es beschlossen, und so fanden sich<br />

nicht nur 750 Belgier, sondern auch die Aktiven<br />

Martin Bücker, Dirk Lennartz und Christian Sandkuhle<br />

am „Krieler Dom“ ein, um die Gäste für die<br />

kommende Woche willkommen zu heißen. Zehn<br />

nach langer Busfahrt todmüde, aber trotzdem gut<br />

gelaunte und auf Köln gespannte Belgier ließen<br />

sich erst einmal von Herrn Bohse, unserem Hausmeister,<br />

mit frisch gekochtem Kaffee wiederbeleben,<br />

bevor sie bei uns ihr Quartier für die kommende<br />

Woche bezogen. Das harte Programm der<br />

folgenden Tage nötigte uns ehrlichen Respekt ab<br />

– doch die gute Betreuung der Aktiven, die unsere<br />

Gäste morgens mit frischen Brötchen versorgten<br />

und Herrn Bohse, der den Kaffee beisteuerte,<br />

sorgte stets für einen guten Start in den Tag.<br />

Nachdem sich die Belgier und Winfriden zunächst<br />

sehr freundlich, aber vorsichtig beschnuppert hatten,<br />

erwies sich das Abschiedsgrillen von Moritz<br />

Pöllath, der sich für neun Monate nach Hawaii<br />

verabschiedete, als ideale Gelegenheit, um sich<br />

bei Kölsch und Bratwürstchen besser kennen zu<br />

lernen. Schnell wurde noch ein Kasten Bier in die<br />

Kühlung gestellt, wurden im Supermarkt Hähnchenschenkel,<br />

Koteletts und Würstchen besorgt –<br />

und schon bald saßen Belgier und Winfriden in<br />

fröhlicher Runde im Garten beisammen. Mit jedem<br />

Bier fiel die Kommunikation leichter – und<br />

die Frage, wer eigentlich das bessere Bier braut,<br />

fand eine wahrhaft salomonische Lösung: Wir<br />

waren uns schnell einig, dass französische Biere<br />

untrinkbar seien. Dass der Kicker fröhlich bis spät<br />

in die Nacht bei wechselndem Erfolg klackerte,<br />

störte niemanden. Stattdessen bedauerten alle,<br />

dass die Woche nicht nur mit der Papstmesse auf<br />

dem Marienfeld, sondern insgesamt ihrem Ende<br />

entgegenging. Gäste und Gastgeber hatten sich<br />

jedenfalls ins Herz geschlossen, die begeisternde<br />

Atmosphäre des Weltjugendtages war auch in der<br />

Winfridia lebendig. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen<br />

in Belgien.<br />

Christian Sandkuhle (Winfridia-Köln)<br />

75 Jahre Salzburger Hochschulwochen –<br />

in der Mozartstadt ist „Gott im Kommen“<br />

AGV lädt katholische Studenten ein<br />

Vom 31. Juli bis 6. August finden die Salzburger Hochschulwochen 2006 statt. Die Sommerakademie<br />

kann in diesem Jahr auf ihr 75jähriges Bestehen zurückblicken. Für das Jubiläumsjahr wurde ein<br />

gerade für junge Menschen aktuelles und kirchlich wie auch gesellschaftlich sehr relevantes Thema<br />

gewählt: „Gott im Kommen“. In Vorlesungen, Seminaren und Workshops soll die Thematik aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln behandelt werden.<br />

Neben den Vorträgen und Seminaren mit kompetenten und prominenten Referenten, einem glanzvollen<br />

Pontifikalamt mit dem Salzburger Erzbischof im Dom und einer Festakademie mit dem bekannten<br />

Regisseur Wim Wenders als Redner am Abschlusstag gibt es ein interessantes kulturelles und<br />

liturgisches Rahmenprogramm.<br />

Studierende erhalten einen Freiplatz, also ein „Stipendium“, bei dem die Teilnehmer lediglich die<br />

Kosten für An- und Abreise selbst tragen müssen. Unterkunft und Verpflegung werden von den Trägern<br />

der Hochschulwochen finanziert, die Teilnehmergebühren in Höhe von 55,- € pro Person für die ersten<br />

20 Anmeldungen aus ihren Mitgliedsverbänden übernimmt die AGV.<br />

Interessierte Studierende aus den Mitgliedsverbänden der AGV wenden sich bitte an ihren Vorort oder<br />

direkt an die AGV (eMail: info@agvnet.de). Weitere Informationen über die Salzburger Hochschulwochen<br />

auch direkt aus dem Internet: www.salzburger-hochschulwochen.at.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 15<br />

<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />

AM 15


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 16<br />

AKTIVITAS<br />

Bb Alvaro Parra mit dem Abraxas<br />

Rheinpreussen Farbenkrug.<br />

16 AM<br />

Getrennt marschieren, vereint ankommen. Diese – hier etwas<br />

abgewandelte – Devise von Feldmarschall Moltke machten wir<br />

uns auf unserer Aktivenfahrt nach Barcelona zu AH Alvaro Parra<br />

zu eigen. Denn während mich von Frankfurt aus eine Maschine<br />

der Air Berlin über Palma de Mallorca nach Barcelona brachte,<br />

machten sich die meisten Aktiven und AHAH mit Easyjet von<br />

Berlin aus auf die Reise. Und einen Tag später stieß noch AH<br />

Jürgen Valhaus zu uns: Er kam von London aus angereist.<br />

Katalonien genießt im spanischen Staatsverband innere Autonomie,<br />

die Katalanen sind stolz auf ihre Kultur. Wie sich<br />

Katalanisch und Kastilisch, die spanische Hochsprache, von<br />

einander unterscheiden, darüber konnte ich mich in der Stunde<br />

Wartezeit am Ankunftstor des Flughafens von Barcelona<br />

überzeugen. Doch allzu lange ließen die Aktiven Thomas Engelhardt,<br />

Konstantin Greipelt, Ralph Adner und Ingolf Ruthard sowie<br />

die AHAHs Dominik Gronarz und Dirk Ferse nicht auf sich<br />

warten und schließlich erschien auch Bb und AH Alvaro Parra<br />

und holte uns am Flughafen ab. Die Fahrt ging nach Castelldefels,<br />

einem Vorort von Barcelona, wo Bb Alvaro für uns ein<br />

Hotel gebucht hatte. Zum Dank für seine Organisation überreichten<br />

wir Alvaro einen Krug mit unserem Wappen, füllten<br />

ihn mit deutschem Bier und stießen sogleich an.<br />

Im dezemberfrostigen Deutschland wäre man sicherlich froh<br />

über den Sonnenschein und die frühlingshaften 15 Grad gewesen,<br />

die Barcelona an diesem Tag erwärmten. Kein Wunder,<br />

dass wir uns auf die Terrasse eines Restaurants setzten, um Erzeugnisse<br />

der spanischen Küche – Paella mit Meeresfrüchten,<br />

Schellfisch und Gemüsesuppe – zu kosten. Landesbewohner<br />

dagegen schienen sich bei diesen Temperaturen nicht mehr ins<br />

Freie zu trauen, anders konnten wir uns die ungläubigen Blicke<br />

nicht erklären, die uns entgegenschlugen. Offenbar wunderten<br />

sich die Leute, dass wir nicht foren.<br />

Grillen im<br />

Dezember<br />

Aktivenfahrt zu AH Alvaro<br />

Parra nach Barcelona<br />

9. bis 12. Dezember 2005<br />

Ähnlich ungewohnt dürfte jenseits der Pyrenäen wohl auch der<br />

studentische Brauch des Bierzipfels sein. Am Abend, als die<br />

Eltern Alvaros zu uns stießen, konnten wir dieses Kulturgut in<br />

einem Gasthaus erklären. Der Vater Alvaros sprach ein wenig<br />

Deutsch und fließend Englisch. Da gelang die Unterhaltung<br />

auch jenen von uns, die über keine spanischen oder katalanischen<br />

Sprachkenntnisse verfügten. Gut gestärkt mit Bier,<br />

Tintenfisch, sowie Frankfurter und katalanischer Wurst sanken<br />

die meisten von uns gegen 1 Uhr müde in die Betten.<br />

Mit Bocadillos mit Jambons (Baguettes mit Schinken) am<br />

nächsten Morgen gestärkt, machten wir uns an die Besichtigung<br />

Barcelonas. In einem Touristenbus ging es kreuz und quer<br />

durch die katalanische Metropole. Während der Fahrt werden<br />

in solch einem Touristenbus die Sehenswürdigkeiten der Stadt<br />

erklärt. Wem die Erklärungen aus dem Bus nicht genügen, der<br />

kann an einer der vielen Haltestellen aussteigen, die Sehenswürdigkeit<br />

näher in Augenschein nehmen und beim nächsten<br />

Touristenbus wieder zusteigen. Denn die Busse verkehren im<br />

Pendelverkehr.<br />

Der Weg führte an der Placa de Espana und dem Olympiastadion<br />

vorbei und endete am Nationalmuseum oberhalb der<br />

Stadt, neben dem sich auch das Miro-Museum erhebt. Vom<br />

Nationalmuseum aus hat man einen herrlichen Blick über ganz<br />

Barcelona. Die Rückfahrt führte über den Hafen zur – leider eingerüsteten<br />

– Kathedrale. Überraschend: Auch in Katalanien<br />

gibt es Weihnachtsmärkte, rund um die Kathedrale von Barcelona<br />

gruppierten sich Stände mit Weihnachtsschmuck, Krippen<br />

und Krippenschmuck – gerade wie in Deutschland. Bloß die<br />

Stände mit Glühwein, die suchte man vergebens. Doch Glühwein<br />

bei fünfzehn Grad, wie an diesem Tag in Barcelona,<br />

schmeckt wahrscheinlich auch nicht wirklich gut.<br />

Die „Sagrada Familia“, die Kirche zur Heiligen Familie, das<br />

Lebenswerk des Architekten Antonio Gaudi, war nächster Besichtungspunkt.<br />

1889 begonnen, ist das Bauwerk bis heute<br />

noch nicht vollendet und mancher fürchtet, dass es dazu auch<br />

niemals kommen wird. Der Weiterbau wird, wie der Wiederaufbau<br />

der Dresdner Frauenkirche, komplett aus Spenden finanziert.<br />

Antonio Gaudi baute die Kirche wohl auch deshalb nicht


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 17<br />

fertig, weil er es der kommenden Generation überlassen wollte,<br />

die Kirche in ihrem Stil zu vollenden. So formen Baumeister und<br />

Architekten weiter an der „Sagrada Familia“, die, weithin sichtbar,<br />

eines der Wahrzeichen Barcelonas ist. Die Fahrt ging an<br />

weiteren Bauwerken Gaudis vorbei: der Casa Battlo und der<br />

Casa Mila. Schließlich stiegen wir am Park Güell ab, eine Anlage,<br />

die ein Freund und Mäzen Antonio Gaudis in Auftrag gegeben<br />

hatte – herrlich, die Atmosphäre dieses Parks auf sich<br />

wirken zu lassen.<br />

Für Gäste aus Deutschland, wo 2006 die Fußballweltmeisterschaft<br />

stattfindet, war der nächste Besichtigungspunkt mehr<br />

oder weniger obligatorisch. Denn es handelte sich um den<br />

Barcelona Futbol Club und das Stadion Comp Nou, mit einem<br />

Fassungsvermögen für 98 000 Zuschauer immerhin das größte<br />

Fußballstadion Europas.<br />

Inzwischen war es dunkel, wir fuhren zum Hauptbahnhof, bestiegen<br />

die Bahn nach Castelldels und stärkten uns in einem<br />

Lokal, um für den Abend gerüstet zu sein. Mehrere Lokalitäten<br />

suchten wir heim und schwangen heftig das Tanzbein. Die letzten<br />

von uns, das sei an dieser Stelle verraten, kehrten erst um<br />

fünf Uhr im Hotel an. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen,<br />

im Mittelmehr ein Bad zu nehmen.<br />

hinten: (v. L..): Ralph Adner, Konstantin Greipl, Jürgen Valhaus, Dirk Ferse<br />

vorne: Ingolf Rudat, Thomas Engelhardt, Dominik Gronarz, Alvaro Parra, Rudolf Fiedler<br />

AKTIVITAS<br />

Die iberische Halbinsel ist ein Land des Weines – zumal Katalonien.<br />

Was Wunder, dass es am nächsten Tag in die Wein- und<br />

Sektkellerei Codorniu ging. Das Unternehmen besitzt zwar insgesamt<br />

24 Weingüter in aller Welt. Doch dieser Weinkeller<br />

dürfte die Attraktion der Firma Codorniu sein, handelte es sich<br />

doch nach Angaben des Unternehmens um den größten Weinkeller<br />

der Welt: Vier Stockwerke tief haben die Architekten<br />

Puig und Cadafalch den Keller angelegt. Aneinandergereiht ist<br />

er fast dreißig Kilometer lang, bis zu 25 Millionen Flaschen<br />

können darin gelagert werden. Bei solchen Ausmaßen liegt es<br />

auf der Hand, dass wir die Anlage nicht zu Fuß durchstreiften,<br />

sondern uns mit einer Bahn durch ein Kellergeschoss fahren<br />

ließen. Da mundete der Sekt aus der Kellerei, den wir uns am<br />

Ende der Besichtigung schmecken ließen, besonders köstlich.<br />

Grillen im Dezember – für uns ein seltenes Vergnügen. Hier, im<br />

sonnenerwärmten Barcelona, war das möglich. Der Grillplatz<br />

war dafür bestens ausgerüstet: Tische und Stühle, eine Feuerstelle<br />

und das nötige Holz, sogar eine Toilette standen bereit,<br />

bloß eine Gebühr musste man entrichten, um die Infrastruktur<br />

zu nutzen. Essen und Trinken musste man natürlich auch mitbringen,<br />

was Silvia, die Freundin von Alvaro, freundlicherweise<br />

erledigt hatte. Bis das Essen fertig war, genossen wir die<br />

AM 17


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 18<br />

AKTIVITAS<br />

18 AM<br />

Neuer Bauteil der Sagrada Familia<br />

Abendsonne und gaben durch Absingen der Farbenstrophe dem<br />

Augenblick die nötige feierliche Note. Nach dem Essen verabschiedeten<br />

wir uns noch von Bb Jürgen Valhaus, der nach<br />

London zurückkehrte, da er am Montag arbeiten musste. Wir<br />

dagegen gingen bowlen und nahmen danach noch einen<br />

Schlummertrunk zu uns.<br />

Leider neigte sich am nächsten Morgen unser Besuch in Barcelona<br />

seinem Ende zu. Alvaro brachte uns noch zum Flughafen<br />

und bekräftigte, was für eine schöne Zeit sein Studium in<br />

Deutschland gewesen sei – zumal in Dresden. Dauerhaft in<br />

Deutschland zu leben könne er sich allerdings nicht vorstellen –<br />

die Sonne scheine einfach zu wenig. Davon konnten wir uns<br />

überzeugen, als der Flieger in Deutschland landete: Trübes,<br />

nasskaltes Winterwetter erwartete uns.<br />

Schöne, unvergessliche Stunden haben uns Kb Alvaro Parra<br />

und seine Freundin Silvia in Barcelona bereitet. Dies war ein<br />

Beweis gelebter Bundesbrüderlichkeit. Dafür ein herzliches<br />

„Dankeschön!“ Wir hoffen auf einen Besuch von ihm und Silvia<br />

in Dresden zum Stiftungsfest im Mai.<br />

Ex oriente lux!<br />

Rudolf Fiedler (Abx, Rh-F, Ta)<br />

Stand der Dinge<br />

Die Liste der <strong>KV</strong>-Korporationen (Stand: Sommersemester 2005) ist ab sofort im Internet<br />

abrufbar. Unter www.kartellverband.de findet Ihr alle Infos über Neuzugänge, Abgänge und<br />

die Gründe in einer übersichtlichen Tabelle.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 19<br />

Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) und der <strong>KV</strong> planen für<br />

das Sommersemester 2006 den Start einer gemeinsamen Praktikumsbörse.<br />

Teilnehmen können Studenten mit dem Ziel, in ihrem<br />

späteren Berufsleben unternehmerische Führungsverantwortung zu<br />

übernehmen. Die Praktikumsplätze werden Ende des Wintersemesters<br />

ausgeschrieben. Genauere Informationen hierzu werden<br />

rechtzeitig an alle <strong>KV</strong>-Vereine versendet. Bewerbungen werden erst<br />

danach entgegengenommen.<br />

BKU und <strong>KV</strong> wollen mit ihrer gemeinsamen Initiative einen Beitrag<br />

dazu leisten, eine neue Generation von Unternehmern heranzubilden,<br />

die risikofreudig und ethisch verantwortlich zugleich handeln.<br />

Dazu ist es wichtig, junge Menschen, die die Übernahme von<br />

unternehmerischer Verantwortung anstreben, bereits während ihrer<br />

Ausbildungsphase zu begleiten.<br />

Die Praktikumsplätze sollen für sechs bis zwölf Wochen von<br />

Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, in denen Mitglieder<br />

des BKU verantwortlich tätig sind, die für die Praktikanten eine Art<br />

„Paten-Rolle“ übernehmen. Praktikanten werden nach strengen<br />

Kriterien ausgewählt. „Katholischen Klüngel“ wird es nicht geben.<br />

Gleiches gilt für die Praktikumsplätze und die Paten. Die Praktikan-<br />

AKTIVITAS<br />

Durchstarten mit den besten<br />

Praktika BKU und <strong>KV</strong> vermitteln 20 Stellen –<br />

ab 20. März im Internet<br />

Ab 20. März im Internet – die Praktikumsbörse von<br />

BKU und <strong>KV</strong>:<br />

www.bku.de und www.kartellverband.de<br />

ten sollen echt gefordert und gefördert werden. Es gibt keine „billigen<br />

Ferienjobs“ mit langen „Kopier- und Kaffeeleerlaufzeiten“. Die<br />

Paten verpflichten sich zu einer intensiven Betreuung.<br />

Teil des Praktikumprogramms sind ein Wochenendseminar und<br />

wöchentliche Gruppentreffen jeweils in Frankfurt und Düsseldorf<br />

mit einem der BKU-Paten. Dies soll den Praktikanten die Chance<br />

geben, sich untereinander kennenzulernen, mit möglichst vielen<br />

Führungspersönlichkeiten in ein persönliches Gespräch zu kommen<br />

und über Themen wie Unternehmensethik, Katholische Soziallehre<br />

und Soziale Marktwirtschaft dazuzulernen.<br />

Wer aus den Reihen der <strong>KV</strong>-Altherren ebenfalls einen Praktikumsplatz<br />

im Raum Frankfurt oder Düsseldorf zur Verfügung stellen kann,<br />

ist herzlich eingeladen, sich an der Praktikumsbörse zu beteiligen.<br />

Ansprechpartner sind:<br />

Für den <strong>KV</strong>: Für den BKU:<br />

Michael Kotulla (Gm, Gm-Ho, Bor) Martin J. Wilde (Arm)<br />

Mitglied des <strong>KV</strong>-Rates, BKU-Geschäftsführer<br />

michael.kotulla@kartellverband.de wilde@bku.de<br />

AM 19


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 20<br />

AGV<br />

Deutschland braucht Studenten<br />

– keine Studiengebühren Bericht: Timo Hirte (Cb)<br />

Die Umstellung vieler Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse<br />

ist nur eines der auffälligsten Merkmale des Bologna-<br />

Hochschulreformprozesses. Die zweite gemeinsame Hochschulpolitische<br />

Tagung von CV, <strong>KV</strong> und UV setzte sich im Oktober unter Federführung<br />

des UV im Franz-Hitze-Haus in Münster mit den Auswirkungen<br />

des Bologna-Prozesses auf das deutsche Hochschulsystem<br />

auseinander. In einem Einführungsvortrag zu den „Reformen im<br />

deutschen Hochschulwesen“ legte Prof. Dr. Hubert Braun (UV) die<br />

Grundlage für die anschließende Podiumsdiskussion, in der Vertreter<br />

aus der Politik, der Wissenschaft und der Studentenschaft unter<br />

der Leitung des Geschäftsführers des Forums Hochschule und Kirche<br />

der Deutschen Bischofskonferenz (FHuK), Dr. Lukas Rölli, die<br />

Chancen und Risiken des Bologna-Prozesses diskutierten. Für die<br />

Studentenschaft nahm der stellvertretende AGV-Vorsitzende<br />

Matthias Belafi (<strong>KV</strong>) auf dem Podium Stellung zu dem Reformprozess.<br />

Braun stellte den Bologna-Prozess als Fortsetzung und Wiederbelebung<br />

von Reformbestrebungen im deutschen Hochschulwesen dar.<br />

Er nannte drei maßgebliche Gründe für die Reformbedürftigkeit der<br />

Hochschulen: die weiter steigenden Studierendenzahlenden, die<br />

knappen Finanzen und die Sicherung des Wirtschaftsstandorts<br />

Deutschland durch optimale Erschließung der Ressource Wissen<br />

und Bildung. Gleichzeitig stellte Braun einige verbreitete Vorurteile<br />

20 AM<br />

AGV diskutiert Bologna-Prozess<br />

über das deutsche Hochschulwesen in Frage: Zunächst seien die<br />

Studienabbrecherzahlen in Deutschland als eine normale Entwicklung<br />

bei Lebensentscheidungen einzustufen und keineswegs ein<br />

Alarmzeichen. Weiterhin wandte er sich gegen das Vorurteil, die<br />

Hochschulen bildeten für die Arbeitslosigkeit aus. Vielmehr bewahre<br />

ein Hochschulstudium vor Arbeitslosigkeit, wie die mit vier Prozent<br />

vergleichsweise geringe Akademikerarbeitslosigkeit zeige.<br />

Ganz im Gegenteil benötige der Wirtschaftsstandort Deutschland<br />

10 Prozent mehr Hochschulabsolventen als derzeit. Schließlich<br />

lehnte Braun auch Studiengebühren als „Akademikersteuer“ ab.<br />

Als gravierende Mängel im deutschen Hochschulwesen nannte<br />

Braun die zu langen Studienzeiten und eine Überlastung des Lehrkörpers.<br />

So sei bei gleichbleibender Zahl der Lehrenden die Zahl<br />

der Studierenden seit den 70er Jahren geradezu explodiert. Mitverantwortlich<br />

für schlechte Ergebnisse der Absolventen machte<br />

Braun eine mangelnde Qualität der Lehre an den deutschen Hochschulen.<br />

Für die Zukunft des Hochschulwesens stellte Braun drei entscheidende<br />

Reformstrategien in den Vordergrund: das binäre deutsche<br />

Hochschulsystem aus Universitäten und Fachhochschulen, die Einführung<br />

von Marktelementen in das Hochschulwesen und schließlich<br />

die formale und inhaltliche Erneuerung des Hochschulwesens<br />

durch den so genannten „Bologna-Prozess“. Er bezeichnete die<br />

Fachhochschulen als unverzichtbar für die erfolgreiche Entwicklung<br />

des deutschen Hochschulwesens und forderte eine Steigerung des<br />

Anteils der dort Studierenden auf 40 Prozent und mehr.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 21<br />

Der „Bologna-Prozess“ bedeute eine komplette Hochschulstrukturreform,<br />

erläuterte Braun. Die Kernpunkte der Bologna-Erklärung<br />

von 1999 seien die Einführung eines Systems vergleichbarer Abschlüsse<br />

und eines Leistungspunktesystems in allen 45 Mitgliedsstaaten<br />

bis 2010. Dadurch soll die Mobilität von Studierenden und<br />

Lehrern ebenso gefördert werden, wie die Qualitätssicherung und<br />

die Zusammenarbeit der europäischen Hochschulen. Darüber<br />

hinaus ist eine weltweite Steigerung der Attraktivität der europäischen<br />

Hochschulen für Studierende Ziel des „Bologna-Prozesses“.<br />

In Deutschland haben die 16 zuständigen Minister auf dieses<br />

Programm alle deutschen Reformwünsche, zum Beispiel eine stärkere<br />

Berufsbezogenheit des Studiums und eine Verkürzung der Studienzeiten,<br />

aufgesattelt.<br />

Für Braun lassen der „Bologna-Prozess“ und seine Umsetzung viele<br />

Fragen offen. So verschleierten die „Bologna-Euphorie“ und die Betriebsamkeit<br />

in Deutschland die tatsächliche Komplexität der Probleme<br />

im Hochschulwesen. Jedoch sei das angestrebte Ziel, die<br />

Europäisierung der Hochschulausbildung, die damit verbundene<br />

Mobilität der Studierenden und die Vertiefung der sprachlichen und<br />

kulturellen Zusammengehörigkeit zu begrüßen. Dennoch sieht<br />

Braun in Deutschland ernst zu nehmende Widerstände gegen die<br />

radikale Beseitigung des Diploms oder auch die angestrebte „Berufsfertigkeit“<br />

durch den Bachelor, die eines offenen Diskurses bedürften.<br />

Für die Studierenden eröffnete Matthias Belafi seine Stellungnahme<br />

mit der Feststellung, dass die Universitäten im Rahmen des<br />

„Bologna-Prozesses“ Wunder vollbringen müssten, und dass dieses<br />

Wunder der Student sei, der all die Anforderungen erfülle und die<br />

Veränderungen durch „Bologna“ mitmache. Die größten Risiken<br />

des Prozesses sah Belafi in der Zweistufigkeit der Abschlüsse. Er<br />

kritisierte, dass ohne Not bewährte Abschlüsse wie der Diplomingenieur<br />

abgeschafft würden. Eine tiefere und breitere Diskussion<br />

hätte hier zu mehr Akzeptanz geführt. Auch eine Verkürzung der<br />

Studienzeit sehe er nicht. Belafi warnte weiter vor einer Gefahr der<br />

Verwässerung der Hochschularten durch die einheitlichen Bachelorund<br />

Masterabschlüsse. „Die jeweils eigenen Profile von FH und Uni<br />

müssen erhalten bleiben!“, forderte der stellvertretende AGV-Vorsitzende.<br />

Er kritisierte, dass die Studierenden mit dem Bachelor zu<br />

einem Abschluss verpflichtet würden, für den es keinen Arbeitsmarkt<br />

gebe.<br />

Klaus Oidtmann (CV) vom sächsischen Wissenschaftsministerium<br />

forderte, den Bologna-Prozess in seinem europäischen Kontext zu<br />

betrachten. Dort biete „Bologna“ erhebliche Chancen. Diese sieht<br />

Oidtmann auch in der „Bologna-bedingten“ Neustrukturierung der<br />

Hochschulen. Allerdings warnte auch er davor, sich ganz vom bewährten<br />

Diplom zu verabschieden.<br />

„Was ich bisher höre, führt zu weniger Flexibilität, weil international<br />

und innerdeutsch die Bachelor-Abschlüsse nicht anerkannt werden“,<br />

stellte auch Prof. DDr. Sternberg die Frage nach dem Arbeitsmarkt<br />

für Bachelor-Abschlüsse. Für Sternberg liegt das Hauptproblem<br />

des deutschen Hochschulwesens in der Finanzausgestaltung<br />

der Universitäten und den gravierenden Mängeln in der Lehre. Aufgrund<br />

der dramatischen Unterfinanzierung befürwortete Prof. DDr.<br />

Sternberg die Einführung von nachgelagerten Studiengebühren.<br />

Andrea Frank von der Hochschulrektorenkonferenz bedauerte die<br />

Verkürzung der Debatte auf die Zweistufigkeit der Abschlüsse und<br />

stellte die Chancen mit Blick auf die nationale Diskussion in den<br />

Vordergrund ihrer Stellungnahme. Sie sieht in erster Linie die Chance<br />

einer starken Aufwertung und Auseinandersetzung mit der Lehre.<br />

Die geplante Ergebnisorientierung werde zu einer stärkeren<br />

Auseinandersetzung mit der Qualifizierung führen, die ein Studiengang<br />

bietet, äußerte Frau Frank sich hoffnungsvoll. Einen weiteren<br />

großen Vorteil sah Frau Frank in der Durchlässigkeit sowohl zwischen<br />

den Hochschultypen und Bildungsbereichen als auch zwischen<br />

dem Arbeitsmarkt und der Hochschule. Kritik übte Frau Frank<br />

an der Art und Weise, wie der Bologna-Prozess in Deutschland diskutiert<br />

und umgesetzt wird. So seien nicht alle Beteiligten von Anfang<br />

an mitgenommen worden. Insbesondere die Studierenden seien<br />

viel zu spät in die Diskussion einbezogen worden.<br />

Der vollständige Text des AGV-Positionspapiers ist zu finden<br />

im Internet unter www.agvnet.de oder kann bei der AGV-Geschäftsstelle<br />

(Luisenstr. 36, 53129 Bonn) angefordert werden.<br />

AGV<br />

AM 21


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 22<br />

AGV<br />

Klausurtagung in Helmstadt:<br />

AGV bestätigt Vorsitzenden<br />

im Amt und zieht positive<br />

Jahresbilanz<br />

22 AM<br />

Helmstadt. Anlässlich ihrer jährlichen<br />

Mitgliederversammlung tagte die<br />

Arbeitsgemeinschaft katholischer<br />

Studentenverbände (AGV) vom 9. bis<br />

11. Dezember 2005 in Helmstadt bei<br />

Würzburg. Seit langem nahmen in<br />

diesem Jahr mit CV, <strong>KV</strong>, TCV, UV und<br />

RKDB wieder Vertreter aller fünf<br />

verbindungsstudentischen Dachver-<br />

bände an der Tagung teil.<br />

Auf der Tagungsordnung der Mitgliederversammlung<br />

standen unter anderem auch Neuwahlen zum Vorstand.<br />

Turnusgemäß standen der Vorsitzende und<br />

ein stellvertretender zur Wahl. Die Mitgliederversammlung<br />

bestätigte den bisherigen AGV-Vorsitzenden<br />

Andreas Kraus (CV) für weitere zwei Jahre im<br />

Amt. Zum Nachfolger des stellvertretenden Vorsitzenden<br />

Mark Campbell (UV) wählten die Vororte den<br />

Trierer Rainer Derichs von der Unitas-Rheinfranken<br />

zu Düsseldorf. Andreas Kraus dankte dem scheidenden<br />

Mark Campbell für sein Engagement und seine<br />

Mitarbeit während der vergangenen drei Jahre.<br />

Rückblickend zog der alte und neue Vorsitzende<br />

Kraus eine positive Bilanz über das vergangene Jahr.<br />

Er hob insbesondere die gute Zusammenarbeit mit<br />

dem Forum Hochschule und Kirche der Deutschen<br />

Bischofskonferenz hervor. Darüber hinaus sei es gelungen,<br />

die Medienpräsenz der AGV zu verstärken.<br />

Besonders verwies Kraus auf die neu gestaltete Internetpräsenz<br />

www.agvnet.de.<br />

Nachdem das vergangene Jahr inhaltlich ganz unter<br />

dem Eindruck der Hochschul- und Bildungspolitik gestanden<br />

hatte, soll der thematische Schwerpunkt<br />

des nächsten Jahres auf dem Lebensschutz und der<br />

Sterbehilfe liegen. Der AGV-Vorstand diskutierte mit<br />

den Vororten Eckpunkte eines Positionspapiers mit<br />

dem Titel „In Würde sterben – Lebensschutz am Lebensende“.<br />

Kontakt:<br />

Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände<br />

(AGV) e.V.<br />

AGV Geschäftsstelle, Luisenstraße 36, 53129 Bonn<br />

www.agvnet.de<br />

Referent für Presse und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Timo Hirte<br />

Konradstr. 8, 48145 Münster<br />

Tel.: +49.251.2 00 70 75, Fax: +49.1212.5 69 21 69 81<br />

E-Mail: hirte@agvnet.de


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 23<br />

AUS DEM <strong>KV</strong><br />

Neues Ehrenmitglied<br />

Grotenburg-Lusatia nimmt P. Maximilian Segener SDS auf<br />

Wegen seiner Verdienste um die geistliche und menschliche<br />

Betreuung der Aktivitas des KStV Grotenburg-Lusatia in Aachen<br />

hat der Verein P. Maximilian zu seinem Ehrenmitglied ernannt.<br />

Aufgenommen wurde er auf der Kneipe im Dezember 2004. Im<br />

Rahmen einer kleinen Feierstunde mit Alten Herren und Aktiven<br />

im Kloster Steinfeld im September 2005 überreichte Philistersenior<br />

Heinrich Schürmann Pater Maximilian die Urkunde. Sie<br />

nennt, auf Pergament geschrieben und in lateinischer Sprache<br />

verfasst, die Verdienste von P. Maximilian.<br />

Über seinen Werdegang sagt das neue Ehrenmitglied:<br />

„Jeder Lebenslauf beginnt mit der Geburt der betreffenden<br />

Person, daher freut es mich, darauf verweisen zu können, dass<br />

meine Existenz letztlich in dem Wunsch meiner Eltern nach<br />

einem zweiten Kind begründet liegt. Im Jahr der großen Flut,<br />

1962, erblickte ich in Bremerhaven das Licht der Welt, wo ich in<br />

unmittelbarer Nähe des Hafens aufgewachsen bin. Eine Prägung,<br />

die ich seitdem nicht verloren habe. Nach dem Besuch<br />

der Realschule wechselte ich aufs Gymnasium. Rückblickend<br />

muss ich sagen, dass sich die Jahre der gymnasialen Oberstufe<br />

durch die teils sehr politischen Diskussionen im und neben dem<br />

Unterricht auszeichneten. Mein Hauptinteresse galt dabei geschichtlichen<br />

Fragestellungen. Die Auseinandersetzung mit dem<br />

Mittelalter weckte mein Interesse an der katholischen Kirche.<br />

Die klare Stellungnahme des damals neuen Papstes Johannes<br />

Paul II. gegen Krieg, Gewalt und Unrecht und seine konsequente<br />

Forderung nach Einhaltung und Beachtung der Menschenrechte<br />

haben mich gerade deshalb sehr fasziniert, weil<br />

sie in einem sehr angenehmen Gegensatz zu jenem Bild von<br />

Kirche standen, welches sich zwangsläufig aus dem sehr<br />

triumphalistisch anmutenden Selbstverständnis der mittelalterlichen<br />

Kirche ableitet. Die daraus sich ergebenden Fragen<br />

brachten mich dazu, bei einem Gemeindepfarrer eine Art Glaubensgespräch<br />

zu beginnen, was im Nachhinein durchaus als<br />

eine Art Religionsunterricht gewertet werden kann.<br />

(Laut Landesverfassung ist in Bremen Religionsunterricht an<br />

öffentlichen Schulen nicht vorgesehen.)<br />

Zur selben Zeit fiel mir ein Text über die Ordensgemeinschaft<br />

der Salvatorianer in die Hände, woraus wenig später ein erster<br />

Kontakt entstand. 1982 habe ich dann im Kloster Steinfeld in<br />

der Eifel meine Kandidatur begonnen, an die sich 1984 das<br />

Noviziat in Passau und 1985 der Beginn des Theologiestudiums,<br />

ebenfalls in Passau, anschloss. Aus den katholisch-ländlichen<br />

Regionen Niederbayerns kam ich nach dem Studium als Diakon<br />

nach Berlin. Nach der 1993 im Kloster Steinfeld empfangenen<br />

Priesterweihe war ich kurzzeitig als Kaplan in Mistelbach in<br />

Niederösterreich tätig, bevor ich schon im Sommer 1995 ins<br />

Kloster Steinfeld zurückkehrte, um die Aufgabe eines Schulseelsorgers<br />

an dem von den Salvatorianern geführten Gymnasium<br />

mit 775 Schülern zu übernehmen.<br />

Seit 1988 kommen jedes Jahr im Advent mehrere Aktive und<br />

Alte Herren der Grotenburg-Lusatia aus dem nicht weit entfernten<br />

Aachen zu einem Exerzitienwochenende ins Kloster<br />

Steinfeld.<br />

Meine erste Begegnung mit der Grotenburg-Lusatia fällt in das<br />

Jahr 1993, als ich für einen verhinderten Mitbruder die Gestaltung<br />

des Exerzitienwochenendes übernahm. Da die Chemie zwischen<br />

uns stimmte, habe ich diese Aufgabe fortan beibehalten<br />

und auch während meiner Zeit in Österreich nicht unterbrochen.<br />

Durch zahlreiche persönliche Gespräche und Begegnungen ist<br />

ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis entstanden.“<br />

Die Grotenburg-Lusatia freut sich, mit P. Maximilian ein theologisch<br />

kompetentes und menschlich warmherziges Ehrenmitglied<br />

in ihrer Korporation zu haben.<br />

Heinrich Schürmann (Ph-X Gro-Lu)<br />

Korrektur<br />

In den AM vom November 2005 ist<br />

uns ein Fehler in der Zusammensetzung<br />

des Kartellgerichts unterlaufen:<br />

Ralf Besmehn ist als Mitglied ausgeschieden,<br />

sein Nachfolger ist Stefan<br />

Einecke (Gm).<br />

AM 23


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 24<br />

AUS DEM <strong>KV</strong><br />

24 AM<br />

„Mehr Freiheit wagen“<br />

Daniel Bahr (FDP) auf dem<br />

Markomannenhaus<br />

Daniel Bahr, gesundheitpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im<br />

Deutschen Bundestag, sprach im Januar auf dem Markomannenhaus.<br />

Unter der Überschrift „Mehr Freiheit wagen? – Freiheit, wie<br />

ein junger Abgeordneter sie versteht“ ermutigte er seine Zuhörer.<br />

Eine „Entmündigung des Bürgers“ zeigte der Redner beispielhaft im<br />

Bereich der Sozialversicherungen auf. „Die Folge einer verfehlten<br />

Sozialpolitik ist, dass wir immer mehr vom Staat verlangen („Vater<br />

Staat“) und der einzelne Bürger nicht zuletzt mit einer erhöhten<br />

Abgabenlast immer mehr Freiheit abgibt. Gerade die, denen die<br />

Gesellschaft solidarisch beistehen sollte, haben darunter zu leiden.“<br />

Der Sozialstaat alten Stils, so Bahr, zerstöre seine eigenen<br />

Grundlagen.<br />

Mehr Freiheit zu wagen, gab bereits Abraham Lincoln als politische<br />

Devise vor: „Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die<br />

Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt ver-<br />

dienen müssen, nicht helfen, indem<br />

ihr die ruiniert, die sie bezahlen.<br />

Ihr werdet keine<br />

Brüderlichkeit schaffen, wenn<br />

ihr Klassenhass schürt. Ihr werdet<br />

den Armen nicht helfen,<br />

wenn ihr die Reichen ausmerzt.<br />

Ihr werdet mit Sicherheit in<br />

Schwierigkeiten kommen, wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient.<br />

Ihr werdet kein Interesse an öffentlichen Angelegenheiten und<br />

keinen Enthusiasmus wecken, wenn ihr dem einzelnen seine Initiative<br />

und seine Freiheit nehmt. Ihr könnt Menschen nie auf Dauer<br />

helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selbst für sich tun sollten und<br />

können.“<br />

P. Ridder (MK)<br />

„Schwammig, mehrdeutig, unehrlich“<br />

Claus Jäger zur Abtreibungsfrage<br />

Kb Regierungsdirektor a. D. Claus Jäger (Al), geboren 1932, war<br />

CDU--Bundestagsabgeordneter von 1972 bis 1987 und erneut von<br />

1988 bis 1994. Ab 1971 war er Stellvertretender Bezirksvorsitzender<br />

der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft<br />

Württemberg-Hohenzollern. Der Vater von fünf Söhnen<br />

übte jüngst scharfe Kritik an den Aussagen zum Abtreibungsrecht<br />

im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.<br />

In einem Brief an die „Tagespost" schrieb er, das „winzige Abschnittchen"<br />

zu Spätabtreibungen sei „schwammig, mehrdeutig<br />

und unehrlich". Auch werde in dem Papier der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts<br />

missachtet, das Abtreibungsrecht zu überprü-<br />

fen und gegebenenfalls zu verbessern. Die Aussage im Koalitionspapier,<br />

dass Deutschland ohne Kinder keine Zukunft habe, sei<br />

nichtssagend, „wenn nicht gegen die massenhafte Abtreibung, vor<br />

allem durch die Fristen-Tötung, vorgegangen wird". Es sei zynisch,<br />

wenn die Koalitionäre feststellten, dass sie sich besonders um jene<br />

kümmern wollten, die nicht in der Lage seien, sich selbst zu helfen.<br />

„Wer sind denn die, (...) wenn nicht die ungeborenen Babys?", fragt<br />

Kb Jäger. – Bei rückläufiger Geburtenrate werden dem Statistischen<br />

Bundesamt jährlich ca. 130.000. Abtreibungen gemeldet.<br />

Die Dunkelziffer könnte etwa ebenso hoch sein. - K<br />

Wachtwechsel<br />

in Kiel<br />

Neuer Philistersenior der KAV Baltia Kiel<br />

ist Dr. Guido Pannier. Er tritt die Nachfolge<br />

von Dr. Martin Grütters (links) an, der<br />

nach vielen Jahren nicht mehr kandidierte.<br />

Als Schriftführer bleibt er aber auf<br />

der Brücke.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 25<br />

AUS DEM <strong>KV</strong><br />

Schwacher Sieg nach Punkten<br />

Radiodiskusion zu Studentenverbindungen<br />

Am 26. November hatte der WDR in der Rathausgasse in Bonn-<br />

Beuel einen Über tragungswagen aufgestellt, von wo aus die<br />

Redakteurin Julitta Münch von 11.05 Uhr an zwei Stunden lang<br />

in der Sendung „Hallo Ü-Wagen“ einige Passanten nach Studentenverbindungen<br />

befragte und mit einer Runde von sechs Personen<br />

zum Thema diskutierte: einem Burschenschafter, einem<br />

CVer, dem Referenten für Hochschulpolitik des Bonner AStAs,<br />

der Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth und den<br />

Journalisten Edwin A. Biedermann und Jörg Kronauer, der wie<br />

Frau Kurth durch scharfe Angriffe auf die Korporationen nicht<br />

ganz unbekannt ist. Frau Kurth hat dem <strong>KV</strong> vor einigen Jahren<br />

fälschlicherweise eine Zusammenarbeit mit den schlagenden<br />

Korporationen vorgeworfen und hat dies trotz Aufforderung nie<br />

richtig gestellt, so viel zur Objektivität. Warum nur zwei Korporierte<br />

eingeladen worden waren, die schon zahlenmäßig unterlegen<br />

sein mussten und nicht das breite Spektrum der Korporationen<br />

abdecken konnten, ist nicht bekannt. Aber für eine besondere<br />

journalistische Sorgfalt spricht das nicht.<br />

Die Redaktion der „Akademischen Monatsblätter“ hat die zwei<br />

Stunden der Sendung mitgeschnitten, um einen Eindruck gewinnen<br />

zu können. Wie Edwin A. Biedermann, der 2004 ein unvoreingenommes<br />

Buch über „Logen, Clubs und Bruderschaften“<br />

beim Drosteverlag in Düsseldorf veröffentlicht hat, in einem Interview<br />

im „Studentenkurier“ (Nummer 4 aus dem Jahr 2005)<br />

dem Redakteur dieser Zeitschrift, Detlef Frische, und uns bestätigte,<br />

konzentrierten sich die Fragen auf die Themen Männerbund<br />

und Alkoholkonsum. Es wurde weder ausreichend auf<br />

den Wert der Freundschaft noch auf die basisdemokratischen<br />

Einrichtungen der Korporationen eingegangen. „Jede Differen-<br />

„Ich bin kein Redner, wie es Brutus ist, nur, wie ihr<br />

alle wisst, ein schlichter Mann“ (Shakespeare –<br />

„Caesar“). So oder ähnlich werden sich wohl die<br />

Teilnehmer des Rhetorikseminars, das im November<br />

im Dresdener Hilton-Hotel stattfand, anfangs gefühlt<br />

haben. Viele hatten noch nie an einem Rhetorikseminar<br />

teilgenommen, viele kannten sich gegenseitig<br />

gar nicht; so ist es natürlich verständlich, dass<br />

anfangs eine etwas zurückhaltende Stimmung im<br />

Raum herrschte. Aber das Eis wurde durch die sympathische<br />

und witzige Art des Trainers Kb. Michael<br />

Kramer schnell gebrochen. Der Diplompädagoge ließ<br />

Hemmungen, sich vor so vielen Leuten zu profilieren,<br />

schnell verfliegen. Zugrunde lag dem Rhetorikseminar<br />

vor allem Martin Luthers bekannter Leitsatz:<br />

„Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“.<br />

Schwerpunkt des Trainings waren die „vier Säulen<br />

der guten Rede“: Kurze, einfache und verständliche<br />

Sprache, Struktur und Gliederung und Zusätzliche<br />

Anregung. Neben diesen Grundregeln gab Kramer<br />

noch viele andere wichtige und hilfreiche Ratschlä-<br />

zierung des facettenreichen, heterogen zusammengesetzten<br />

Korporationsmosaiks“ sei „strikt vormieden“ worden, meint Biedermann<br />

in dem Interview. Alle beliebten Vorurteile feierten<br />

fröhliche Urständ: „Old boys Network“, Rechtslastigkeit, Frauenfeindlichkeit,<br />

Trinkgelage.<br />

Die Bemerkung Biedermanns, dass die traditionsreichen Bonner<br />

Korporationen die Chance zu wenig genutzt hätten, „um den<br />

zahlreichen Zuhörern ihre Ideale und ihre Werte näher zu bringen<br />

und die PR-Arbeit „sträflich vernachlässigt“ hätten, muss<br />

uns nachdenklich stimmen. Diskussionserfahrene PR-Profis waren<br />

nach Meinung Biedermanns nicht anwesend.<br />

Dennoch spricht er von einem „schwacher Sieg nach Punkten“.<br />

Immerhin sei die unsachliche Kritik von Frau Kurth, dem Journalisten<br />

Kronauer und dem AStA-Vertreter „stark relativiert, teilweise<br />

deutlich zurückgewiesen und zum Abschluss von niemandem<br />

aus dem Publikum gestützt“ worden. Immerhin seien drei<br />

Korporationsvertreter, kein <strong>KV</strong>er darunter, mit positiven Statements<br />

zu Wort gekommen. Ein Nichtkorporierter hat den Nagel<br />

auf den Kopf getroffen: Man solle nicht über vergangene Zeiten<br />

sprechen und sich bei der Arbeitslosigkeit mancher Hochschulabsolventen<br />

über jeden Job freuen, den ein Alter Herr einem<br />

Bundesbruder beschaffe.<br />

Übrigens: Wenn wir in der Lage wären, allen unseren Kartellbrüdern<br />

den Start in den Beruf zu erleichtern, dann müssten wir<br />

uns eigentlich vor Füchsen nicht mehr retten können.<br />

W. L.<br />

ge, zum Beispiel<br />

zum Anfang<br />

und<br />

Schluss einer<br />

Rede, dem<br />

Blickkontakt<br />

zum Publikum,<br />

der Erstellung eines Redekonzeptes und anderem.<br />

Die Tipps durfte dann natürlich auch jeder vor<br />

achtundzwanzig kritischen Augen ausprobieren, was<br />

in der ganzen Runde hin und wieder für allgemeine<br />

Heiterkeit sorgte. Nach acht kurzweiligen Stundenwaren<br />

sich die Teilnehmer einig: Es hat viel gebracht,<br />

es hat Spaß gemacht und es hätte ruhig etwas<br />

länger dauern können! So ein Rhetorikseminar<br />

ist nicht nur für künftige Bewerbungsgespräche zu<br />

empfehlen, sondern könnte dem einen oder anderen<br />

Korporierten auch durchaus für die Leitung von Veranstaltungen<br />

dienlich sein.<br />

Konstantin Greipl (AR)<br />

Rhetorikseminar<br />

des KStV Abraxas-<br />

Rheinpreußen im<br />

<strong>KV</strong> zu Dresden<br />

AM 25


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 26<br />

AUS DEM <strong>KV</strong><br />

26 AM<br />

Unter der Überschrift „Männerbündchen“ erschien in der<br />

„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 21. Dezember 2005 eine<br />

Bericht von Andreas Rosenfelder über einen Besuch der Kölner<br />

Burschenschaft „Germania“. Anlass war der Antrag des Juso-<br />

Unterbezirksvorstands Göttingen an den SPD-Parteitag vom<br />

November 2005, in dem es hieß: „Die Sozialdemokratische<br />

Partei Deutschlands erklärt die Mitgliedschaft in einer studentischen<br />

Burschenschaft oder Corporation unvereinbar mit der<br />

Mitgliedschaft in der SPD.“ In der Begründung war von „Eliteförderung<br />

und Seilschaften“, von der „Ungleichbehandlung“<br />

von Frauen und Männern, vom „Untertanenprinzip“ und „Geschichtsrevisionismus“<br />

sowie von einem „Brauchtum“ die Rede,<br />

mit dessen Hilfe „die Individualität des/der Einzelnen untergraben“<br />

würden. Was der Journalist bei der Kölner Korporation, an<br />

deren Weihnachtskneipe er teilnahm, vorfand, war nichts mehr<br />

als harmlose Folklore. Deshalb die ironische Headline. Er warnte<br />

vor einer Verschwörungstheorie, „die Burschenschaft als<br />

rechte Geheimlogen mit weitreichenden Einflüssen“ zu verdammen.<br />

Er würde das Gefühl nicht los, dass Jusos versuchten, mit<br />

ihren „Lieblingsfeinden aus alten Asta-Tagen“ abzurechnen.<br />

Doch stände „deren Bedeutung in keinem Verhältnis zum nun<br />

angestrengten Schauprozeß.“ Andreas Rosenfelder riet schließlich<br />

der SPD, in einer freien Gesellschaft mit Gemeinschaften,<br />

„die eigenartige Werte kultivieren, anders umzugehen … als<br />

durch Verbannung.“<br />

Dabei ist es geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, dass der<br />

Vater des Kommunismus, Karl Marx, Mitglied der schlagenden<br />

„Der Herr Professor<br />

aus Heidelberg“<br />

Als der verflossene Bundeskanzler im vergangenen Sommer vergeblich<br />

nach einem Wahlkampfschlager gesucht habe, hätte ihm<br />

Angela Merkel Kb Paul Kirchhof (Rh-P, Sx, Arm) beschert, meinte<br />

kürzlich die „Welt“. Da habe sich die Möglichkeit geboten, ihn als<br />

„Pseudo-Visionär“ und „weltfremden Theoretiker“ darzustellen.<br />

Zum Jahresende hat nun Paul Kirchof mit der Politik abgerechnet.<br />

Er habe im Wahlkampf „menschliche Niedertracht erlebt“, sagte er<br />

dem „Stern“. Das sei für ihn „ein erdrückendes Erlebnis“ gewesen.<br />

Schröders Behauptung, er, Kirchhof, wolle die Deutschen zu Versuchkaninchen<br />

machen, habe ihn tief verletzt. „Das schlimmste<br />

Wort war das von den Menschenversuchen.“ Aber nicht nur mit<br />

dem ehemaligen Kanzler ging Kirchhof scharf ins Gericht. Medien<br />

hätten seine Konzepte nicht geprüft und die unsachliche Kritik „einfach<br />

so nachgeplappert“. Er sei außerdem erstaunt gewesen, wie<br />

einige Politiker aus der Union zu ihm auf Distanz gegangen seien.<br />

Viele Sozialdemokraten hätten sich übrigens bei ihm entschuldigt<br />

(vermutlich nach der Wahl).<br />

PS. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Februar hat sich<br />

Kb Kirchhof noch einmal ausführlich zum Thema geäußert.<br />

Männerbündchen<br />

Parteien und Studentenverbindungen<br />

Landsmannschaft der Trierer in Bonn gewesen ist und der Mitgründer<br />

der SPD, Ferdinand Lassalle, einer Bonner Burschenschaft<br />

angehört hat. Korporiert waren auch, um nur zwei Sozialdemokraten<br />

aus der Zeit der Bundesrepublik zu nennen, der<br />

Regierende Bürgermeister Berlins Ernst Reuter und der niedersächsische<br />

Ministerpräsident Georg Diederichs. Schließlich ist<br />

der der SPD angehörende Präsident des Europäischen Parlaments<br />

von 1994 bis 1997, Klaus Hänsch, ein „bekennender“<br />

Corpsier (Corps Silingia Breslau zu Köln). Auf weitere Namen<br />

kann man hier verzichten. Als der Sturm der entrüsteten Korporierten<br />

losbrach – der CV wies u.a. auf seine Mitglieder Thomas<br />

Gottschalk, von der FAZ als „Ulknudel“ bezeichnet, Claus Kleber,<br />

Chef des „Heute-Journals“, den Bundestagsabgeordneten<br />

Friedrich Merz und den Papst hin, der zwar nur Ehrenbandträger<br />

ist – beeilte sich die SPD zurückzurudern. Ihr neuer Generalsekretär<br />

Hubertus Heil versicherte gegenüber der Katholischen<br />

Nachrichtenagentur, sein Partei wolle „weiter die Parteizugehörigkeit<br />

für Mitglieder katholischer deutscher Studentenverbindungen<br />

nicht untersagen.“ Es dürfe aber kein Mitglied einer<br />

rechtsextremistischen Burschenschaft Mitglied der SPD sein.<br />

Sie grenze sich mit aller Entschiedenheit von deren menschenverachtenden<br />

Gedankengut ab. Das hat der <strong>KV</strong> übrigens schon<br />

2001 getan. Inzwischen hat der Parteivorstand beschlossen,<br />

im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Burschenschafter Mitglied<br />

werden kann. Die Antragsteller sind enttäuscht.<br />

W. L.<br />

Konkurrenz für<br />

Konrad Adenauer<br />

Zu den bekanntesten Deutschen, die zugleich <strong>KV</strong>er sind, zählt neben<br />

Konrad Adenauer seit kurzem Papst Benedikt XV!. (Li, E d Is,<br />

Ale). „Als er gewählt wurde,“ schreibt dazu Gustav Seibt in der<br />

„Süddeutschen Zeitung“, „gab es einen markanten Rülpser der<br />

Bild-Zeitung („Wir sind Papst“) – und danach? Besorgte Fragen, ob<br />

dieser Papst auch „liberal“ und „ökumenisch“ sei. Dabei ist schon<br />

seine äußere Erscheinung – der huschende Gang, die elegante verschliffene,<br />

syntaktisch nie beirrte Sprache, das süddeutsch eingefärbte<br />

Kirchenitalienisch, die eichenhörnchenhafte Geschwindigkeit<br />

der Reaktionen – von größtem Reiz. Dazu ist er ein zeitgenössischer<br />

Intellektueller von umfassender Informiertheit, dessen Stellungnahmen<br />

zu Habermas und Derrida gewiss nicht den Rückhalt<br />

des kirchlichen Lehramts brauchen. Und er verkörpert einen alten<br />

historischen Typus: den katholischen Weltmann mit den weichen<br />

Umgangsformen und der durch untrüglichen Scharfsinn gestählten<br />

geistigen Härte.“ Kb Winfried Hartmann (Ra, Bsg) machte die Redaktion<br />

darauf aufmerksam, dass schon die erste deutsche Gemeinde<br />

einen Platz nach unserem Kartellbruder benannt hat. Das<br />

zeige, „geradezu exemplarisch auf, dass sich auch auf anderer und<br />

von manchem <strong>KV</strong>er vielleicht nicht vermuteter Stelle Landsleute<br />

über unseren neuen Papst“ freuten und „sogar stolz“ auf ihn seien.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 27<br />

Die Staatsverschuldung<br />

und die<br />

Ältere Generation<br />

Stellungnahme zu einer Äußerung des JU-<br />

Bundesvorsitzenden Philipp Missfelder<br />

Brief: Edgar K. Beitzen (Rhein)<br />

Der JU-Bundesvorsitzende Philipp Missfelder ist<br />

bisher schon aufgefallen durch ungewöhnliche<br />

Äußerungen mit einer abfälligen Denkweise u.a. insbesondere<br />

über die sog. Ältere Generation („Keine<br />

Hüftgelenke mehr für Ältere“, Forderung weiterer<br />

„Nullrunden für Rentner“). Ein Jungpolitiker einer<br />

anderen Partei wurde wegen einer ähnlichen, angeblich<br />

missverständlichen Äußerung („Sollen früher<br />

den Löffel abgeben“) von eigener Seite aus zum<br />

Rücktritt veranlasst.<br />

Folgende Äußerung fand sich vor geraumer Zeit in<br />

der Verbandszeitschrift „Akademische Monatsblätter“<br />

AM unseres Kartellverbandes katholischer<br />

deutscher Studentenvereine <strong>KV</strong> in der Ausgabe<br />

Nr. 3/2005 S.15. Dort heißt es: „Übereinstimmung<br />

zwischen JU und AGV herrschte auch zum Thema<br />

Finanzpolitik. Es sei unverantwortlich, dass die<br />

ältere Generation viel Geld zu Lasten der jüngeren<br />

Generation verprasse, unterstrich Missfelder ...“.<br />

Gemeint ist offensichtlich die Altersklasse der Rentner<br />

und Pensionäre. Anm.: Die AGV ist die Arbeitsgemeinschaft<br />

katholischer Studentenver-bände CV,<br />

<strong>KV</strong> und UV. Insofern ist auch die Aussage einer<br />

„Übereinstimmung“ als ärgerlich zu werten. Die <strong>KV</strong>-<br />

Verbandsführung und die AM-Redaktion haben sich<br />

distanziert.<br />

In einer Stellungnahme v. 7.9.05, die in Kopie vorliegt,<br />

versucht Missfelder die Äußerung abzuschwächen<br />

mit der Formulierung „Meine darin zitierten<br />

Worte sind so nicht gefallen – Ich bin falsch<br />

zitiert worden. Was ich jedoch erwähnt habe, war<br />

die überbordende Belastung der jungen Generation,<br />

insbesondere durch die Staatsverschuldung“. Das<br />

angebliche Falschzitieren wurde seitens des Verfasser<br />

des Berichts, Kb Timo Hirte, bis heute nicht<br />

verifiziert.<br />

Dabei übersieht und übergeht er völlig, daß die<br />

Verantwortung für die seiner Äußerung zugrundeliegende<br />

„Staatsverschuldung“ (i. H. v. derzeit rd.<br />

FORUM<br />

7,1 Bill. € insgesamt, davon rd. 1,456 Bill. € sog.<br />

Explizite (Haushalt-)Schulden und rd. 5,7 Bill. € sog.<br />

Implizite Staatsschulden) nicht bei der „Älteren Generation“<br />

liegt oder überhaupt irgendeiner einzelnen<br />

Bevölkerungsgruppe, sondern über die Jahre hinweg<br />

vielmehr bei den für die Finanzpolitik Verantwortlichen:<br />

Die inzwischen gigantisch hohe Staatsverschuldung<br />

liegt nämlich begründet in der betriebswirtschaftlich<br />

mangelhaften „Buchführung des Kameralistischen<br />

Rechnungswesens“, die traditionsverhaftet<br />

(mit den Art. 110 bis 115 Grundgesetz) beibehalten<br />

wurde und immer noch wird (ohne Buchen von Rückstellungen<br />

und Abschreibungen und ohne Bilden von<br />

aktiven Vermögensposten wie u.a. Pensionsfonds<br />

als Rücklagen). Ferner im System der Haushalt- und<br />

Finanzpolitik, das vornehmlich (nur) auf Liquidität<br />

ausgerichtet ist und (ohne eine betriebswirtschaftlich<br />

notwendige „Bilanzierung nach Handelsrecht“)<br />

betrieben wird (s. auch FAZ v.3.4.03 „Unterschlagene<br />

Rückstellungen“).<br />

Hinzu kommt, dass das durch das Umlageverfahren<br />

kapitalmässig ungedeckte Rentensystem (mit jetzt<br />

zunehmend notwendigen Ergänzungszuweisungen<br />

an die Rentenkassen) und ständig (auch sozial)<br />

masslose und nicht tragbare, unverantwortbare<br />

haushaltpolitische Ausgabeentscheidungen nach<br />

Interessenlagen und Wunschvorstellungen bei Bund,<br />

Ländern und Gemeinden das gigantische Anwachsen<br />

zusätzlich verstärkt haben.<br />

Völlig offen ist die konkrete Frage, wie die Staatsverschuldung<br />

in den Griff zu bekommen sein könnte.<br />

Solange keine „Bilanzpolitik“ betrieben und kein<br />

Amt eines „Bundesbilanzministers“ eingerichtet<br />

wird, ist kein neuer Denkansatz zu erkennen. Mit der<br />

traditionellen „Finanzpolitik“ nur als „Haushaltpolitik“<br />

(nur mit „Kassendefiziten“ und deren Ausgleichen<br />

durch „Neuverschuldungen“ und Aufstocken<br />

bei den „Haushaltschulden“) allein ist das Problem<br />

jedenfalls nicht zu schaffen. Die Frau Bundeskanzlerin<br />

und die neue Bundesregierung müssen sich des<br />

Themas annehmen. Auch die traditionelle Finanzwissen-schaft<br />

muß sich nolens volens anschicken,<br />

ans Umdenken heranzugehen, und sich mit Buchführung<br />

und Bilanzierung befassen.<br />

AM 27


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 28<br />

FORUM / MELDUNGEN<br />

28 AM<br />

Briefmarken für den<br />

Missio-Narr<br />

Brief:<br />

Hermann Bickel (Zauberpater und Thuringia-Ehrenmitglied)<br />

Schon zu Lebzeiten ein<br />

Denkmal<br />

Erstmals ein Platz nach Papst Benedikt<br />

benannt - in protestantischem Ort<br />

BUCHVORSTELLUNG<br />

Brief: Winfried Hartmann (Ra, BSG)<br />

Im Nachgang zur Berichterstattung in den AM über Herkunft<br />

und Heimat unseres Papstes fand ich in der Neuen<br />

Osnabrücker Zeitung folgenden Artikel (Auszüge):<br />

„Beethovenstraße, Adenauerallee, Schillerplatz - bedeutende<br />

Persönlichkeiten werden in Deutschland erst<br />

nach ihrem Tod mit einem Straßenschild gewürdigt.<br />

Das ist ungeschriebenes Gesetz. Doch nach der Wahl<br />

von Joseph Ratzinger zum Papst ist alles anders. Seit<br />

kurzem gibt es den vermutlich ersten Papst-Benedikt-<br />

XVI.-Platz in Deutschland. Das Erstaunliche: Nicht in<br />

In der Dezember-Ausgabe der AM gab es einen Hinweis<br />

darauf, Briefmarkensammeln könne eine Hilfe<br />

sein für die Steyler Missionare. In der Hitze der vorweihnachtlichen<br />

Zeit mit vielen Aushilfen und viel Post<br />

habe ich das gar nicht bemerkt, aber einige Kartellbrüder<br />

schickten mir tatsächlich daraufhin Briefmarken,<br />

die ich weiterleite zur Verkaufsstelle, und mit dem Erlös<br />

werden Projekte meiner Mitbrüder in Asien und Afrika<br />

unterstützt. Tolle Sache. Danke!<br />

seiner bayerischen Heimat oder in katholischen Hochburgen<br />

ist man auf die Idee gekommen, sondern in der<br />

tiefsten protestantischen Provinz. In der 6.300 Einwohner<br />

zählenden Gemeinde Wathlingen (Landkreis Celle)<br />

hat die mit absoluter Mehrheit regierende CDU den<br />

Platz vor der katholischen Kirche, der bisher „Am Bahnhof“<br />

hieß, umgetauft. Im bayerischen Erzbistum München<br />

und Freising sowie im Bistum Regensburg, wo Joseph<br />

Ratzinger lange lebte, gibt es nach Auskunft der<br />

Bistums-Pressestellen keine Straße zu Ehren es römischen<br />

Oberhirten.“ – Dieser Artikel zeigt, so meine ich,<br />

doch geradezu exemplarisch auf, dass sich auch auf anderer<br />

und von manchem <strong>KV</strong>er vielleicht nicht vermuteter<br />

Seite Landsleute über unseren Papst freuen, sogar<br />

stolz auf ihn sind und sein Beispiel für gewichtig genug<br />

halten, schon zu Lebzeiten an ihn zu erinnern. Mich hat<br />

diese Entscheidung der Gemeinde Wathlingen menschlich<br />

beeindruckt.<br />

Christliche Frauen in der DDR<br />

Alltagsdokumente einer Diktatur in Interviews<br />

Christliche Frauen – herausragende Einzelgestalten wie Persönlichkeiten des Alltags sind in den letzten Jahren immer<br />

mehr ins Interesse der historischen Forschung gerückt. Studien, die sich mit der Situation von christlichen Frauen in der<br />

DDR auseinandersetzen, gibt es allerdings bisher kaum. Das mehr als 350 Seiten umfassende Buch schließt hier eine<br />

Lücke.<br />

Die Autorin Dr. Sonja Ackermann hat die 97 Interviews mit christlichen Frauen und Mädchen verschiedener Altersstufen<br />

zusammengefasst und der BkdA hat diese Studie bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig herausgegeben.<br />

Hier kommt bei aller Subjektivität in den Erinnerungen der Zeitzeuginnen auf teils beklemmende Weise zum Ausdruck,<br />

mit welchen Belastungen sie im Alltag manchmal zu kämpfen hatten. Gleichermaßen wird deutlich, wie sie sich mit Zivilcourage<br />

und Humor Freiräume erkämpfen konnten.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 29<br />

Unternehmen Universität<br />

– Universität<br />

unternehmen<br />

Festvortrag im Internet abrufbar<br />

Der Festvortrag „Unternehmen Universität - Universität unternehmen<br />

- Deutschland im Paradigmenwechsel des Hochschulsystems“<br />

Industriepreis für evangelikalen Unternehmer<br />

Kirchenleitung gratuliert Knoblauch:<br />

Christliches Menschenbild<br />

prägt Unternehmen<br />

Giengen (idea) – Der evangelikale Unternehmer<br />

Prof. Jörg Knoblauch (Giengen bei Ulm) hat einen<br />

der wichtigsten Industriepreise in Deutschland erhalten.<br />

Der zum ersten Mal in Deutschland vergebene<br />

Preis MX Award 2005 zeichnet Firmen aus, die<br />

neue Ideen auf hervorragende Weise umsetzen. Der<br />

Jury gehören Vorstände großer Unternehmen und<br />

Wirtschaftswissenschaftler an. Im Glückwunschschreiben<br />

des Medienreferenten der württembergi-<br />

100 Worte<br />

Gerechtigkeit<br />

Aufruf zum Katholikentag<br />

Saarbrücken<br />

Unter der Frage „Was ist Gerechtigkeit?“ rufen die Organisatoren<br />

des Deutschen Katholikentages Saarbrücken 2006<br />

auf, persönliche Antworten und Ansichten einzusenden.<br />

MELDUNGEN<br />

von Wolfgang A. Herrmann ist unter www.kartellverband.de im<br />

Internet abrufbar. Kb Herrmann hielt die Rede am 22. Oktober<br />

beim festlichen Übergabekommers im Augustinerkeller. Er geht<br />

darin auf wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche<br />

Zukunftsfragen deutscher Universitäten ein und stellt in pointierten<br />

Thesen neue Lösungen für die aktuellen Probleme der Hochschulen<br />

vor. Da wir den kompletten Vortrag aus Platzgründen nicht<br />

abdrucken können, empfehlen wir dessen Lektüre im Internet.<br />

Wer keinen Zugang zum Internet hat, kann sich den Vortrag auch<br />

als Fotokopie vom <strong>KV</strong>-Sekretariat zuschicken lassen.<br />

schen Kirchenleitung, Kirchenrat Dan Peter<br />

(Stuttgart), heißt es, in der Art, wie<br />

Knoblauch Mitarbeiter in die Informationskreisläufe<br />

der Firma einbinde und damit<br />

kreative Kräfte und eigenverantwortliches<br />

Handeln wecke, spiegele sich das<br />

christliche Menschenbild. Dieses präge<br />

das Unternehmen bis in die Führung und<br />

die alltäglichen Entscheidungen hinein.<br />

Knoblauchs Firma „drilbox“ mit 70 Mitarbeitern bekam<br />

bereits mehrere Preise, zuletzt 2004 den „Best<br />

Factory Award“ und zwei Jahre vorher den begehrten<br />

Ludwig-Erhard-Preis. Anfang November verkaufte<br />

Knoblauch „drilbox“ an die fränkische Unternehmensgruppe<br />

Dinzl in Schillingsfürst, um sich stärker<br />

auf seine Firmen tempus-Consulting, tempus-Zeitplansysteme<br />

und DISG/persolog zu konzentrieren.<br />

Die Beiträge, die nicht länger als 100 Worte sein sollen,<br />

können unter eingestellt werden. Nach redationeller<br />

Durchsicht werden die Antworten auf selbiger Homepage<br />

veröffentlicht. Einsendungen sind außerdem möglich per<br />

E-Mail an presse@katholikentag.de, per Fax an<br />

0681/9351-444 oder per Post an „96. Deutscher Katholikentag<br />

Saarbrücken 2006“, Stichwort „100 Worte Gerechtigkeit“,<br />

Postfach 10 04 52, 66004 Saarbrücken.<br />

AM 29


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 30<br />

EUROPÄISCHER KARTELLVERBAND (E<strong>KV</strong>)<br />

Geld von EU-Kommission, Europarat<br />

oder europäischen Stiftungen?<br />

30 AM<br />

Und was die<br />

Aufnahme von<br />

Studentinnen<br />

damit zu tun hat<br />

Wer nach Zuschüssen von europäischen Institutionen für den<br />

Europäischen Kartellverband (E<strong>KV</strong>) ruft, denkt zumeist an die EU, an<br />

den Europarat oder an europäische Stiftungen als potentielle Donatoren.<br />

Zur Information der Verbandsmitglieder und Spitzenfunktionäre<br />

sowie als allgemeiner Diskussionsbeitrag sei an dieser<br />

Stelle auf folgende Zusammenhänge hingewiesen:<br />

(1.) Der Europarat stellt externen Institutionen keine Finanzmittel<br />

zur Verfügung. Er organisiert aber selber themengebundene Anlässe,<br />

Tagungen und Projekte, an denen Einzelmitglieder und Delegierte<br />

(z.B. des E<strong>KV</strong>) zu vergünstigten Konditionen oder kostenlos teilnehmen<br />

können. Die diesbezüglichen Möglichkeiten und Informationen<br />

werden vom Europaratsdelegierten ausgelotet und regelmässig<br />

kommuniziert. In manchen Fällen tritt der Europarat auch<br />

als Ko-Organisator von Anlässen und Projekten in Erscheinung.<br />

(2.) Die Europäische Union d.h. die Europäische Kommission kann<br />

externe Organisationen und Institutionen nicht direkt unterstützen.<br />

Dagegen bestehen zahlreiche Programme und Aktionen, die teilweise<br />

mit namhaften Finanzmitteln ausgestattet und immer themen-<br />

oder zweckgebunden sind (z.B. Rassismus-Bekämpfung, Förderung<br />

der Multikulturalität, Stärkung des Demokratieverständnisses,<br />

Unterstützung von Bürgerinitiativen etc.). Diese Programme<br />

werden öffentlich ausgeschrieben und haben eine mehrjährige<br />

Laufzeit. Externe Partner (auch der E<strong>KV</strong>) können sich in diesem Rahmen<br />

mit Projekten um Fördermittel bewerben, müssen aber einen<br />

Grossteil der Budgets über Eigen- oder Drittmittel finanzieren. Die<br />

Eingabe der entsprechenden Gesuche bei der Kommission, die Betreuung<br />

der eingegebenen Projekte und das Networking vor Ort<br />

sind sehr aufwändige Tätigkeiten. Weil der diesbezügliche Personalaufwand<br />

sehr hoch ist, unterhalten viele grosse NGOs in Brüssel<br />

ein permanentes Sekretariat, ein Fund-Raising-Büro oder einen directeur<br />

des relations extérieures. Der E<strong>KV</strong> kennt einen derartigen<br />

Posten (noch) nicht.<br />

(3.) Alle Eingaben für EU-Projektfinanzierungen (im NGO-Bereich,<br />

im staatlichen Sektor, in der Wissenschaft etc.) müssen ausserdem<br />

dem standardmässig evaluierten Kriterium des Gender-Mainstrea-<br />

ming genügen. Das bedeutet, dass die gerechte, proportionale oder<br />

gleichwertige Integration und Beteiligung der beiden Geschlechter<br />

auf allen Ebenen des Projekts möglichst optimal (und im Rahmen<br />

des Sinnvollen) gewährleistet sein muss. Hier liegt denn auch das<br />

ganz grosse Handicap für den E<strong>KV</strong>. Der Dachverband ist zwar selbst<br />

nicht direkt betroffen, denn er macht bei der Aufnahme keinen Unterschied<br />

zwischen Landesverbänden und Verbindungen, die sowohl<br />

Studenten als auch Studentinnen aufnehmen, und solchen,<br />

die nur männlichen oder nur weiblichen Studierenden offen stehen.<br />

Es wird aber äusserst negativ bewertet, dass die Mehrheit unserer<br />

Mitgliedsverbände (notabene die grössten und wichtigsten) noch<br />

heute nur Männer als Aktivmitglieder aufnehmen und Frauen ausdrücklich<br />

ausschliessen. Dieser Umstand wurde Vertretern des E<strong>KV</strong><br />

verschiedentlich und ganz klar bedeutet - von amtlicher Seite, wie<br />

auch beim Vorsprechen vor privaten und halb-privaten Stiftungen<br />

auf europäischer Ebene. Es wäre sehr nützlich und äusserst lobenswert,<br />

wenn sich die betroffenen Verbände in Deutschland und in<br />

Österreich in nicht allzu ferner Zukunft zu einer sanften Öffnung<br />

durchringen könnten und ihren Verbindungen/Sektionen die Aufnahme<br />

von Frauen ermöglichen würden. Selbstverständlich können<br />

der E<strong>KV</strong> und seine Organe hier nicht subsidiär eingreifen, denn die<br />

Mitgliedsverbände bleiben in dieser Frage souverän. Genauso, wie<br />

auch in einem Verband, der gemischte Sektionen zulässt, jede Verbindung<br />

souverän über die Aufnahme von Studentinnen zu befinden<br />

hätte. Das Beispiel der EU-Förderbeiträge zeigt aber, dass es<br />

gute (pragmatische und undogmatische) Gründe für diesbezügliche<br />

Reformen gibt. Doch solche Begründungen bräuchte es angesichts<br />

der viel fundamentaleren Elemente eigentlich gar nicht: Die Gleichbehandlung<br />

und Anerkennung von Studentinnen und Akademikerinnen<br />

sollte in der heutigen Zeit – insbesondere für couleurstudentische<br />

Verbände – eine Selbstverständlichkeit sein. Dass damit das<br />

gepflegte, historische Brauchtum weder Schaden nimmt noch zugrunde<br />

geht, zeigen die Verhältnisse im Schweizerischen Studentenverein,<br />

im Katholischen Flämischen Hochschulstudentenverband<br />

oder in Verbindungen wie der KaV Norica/Norica Nova in Wien.<br />

Bernhard Altermatt v/o Nemesis (E<strong>KV</strong> Europaratsdelegierter und<br />

altVizepräsident, Mitglied der GV Zähringia, AV Berchtolida, SA Sarinia)


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 31<br />

Die KSStV Alemannia, eine der derzeit stärksten Korporationen<br />

im <strong>KV</strong>, hat in den verflossenen Jahren sechs<br />

Münchner Kardinälen – darunter Papst Benedikt XVI. –<br />

die Ehrenmitgliedschaft angetragen. Sie ernannte in<br />

einer eindrucksvollen Festveranstaltung am Abend des<br />

22. Novembers 2005 im Alemannenhaus Abtprimas<br />

Prof. Dr. Notker Wolf OSB zum Ehrenmitglied und den<br />

bayerischen Staatsminister für Wissenschaft, Forschung<br />

und Kunst, Kb Dr. Thomas Goppel (Nm-W, Erw,<br />

Alb), zum Ehrenphilister. Philistersenior Bernhard<br />

Gondro hatte durch dauerhafte freundschaftliche Beziehungen<br />

das Interesse an der Korporation geweckt.<br />

Die für die neuen Kartellbrüder gemeinsame politische<br />

Gemeinde Eresing, in der auch die Erzabtei St. Ottilien<br />

liegt, hatte langjährige private Kontakte gefördert.<br />

Im Beisein von Ehrenmitglied Friedrich Kardinal Wetter,<br />

den <strong>KV</strong>-Seelsorgern Prälat Siegfried Schindele und<br />

Prof. Friedo Ricken, des Stadtpfarrers von St. Ludwig,<br />

Dr. Ulrich Babinski, begrüßte der Vorsitzende der<br />

Altherrenschaft mehr als 160 Kartellbrüder und deren<br />

Angehörige.<br />

Der Regens des Priesterseminars, Kb Dr. Franz-Joseph<br />

Baur, würdigte den Abtprimas als weltoffenen Ordensmann,<br />

der von Rom aus der gesamten Benediktinischen<br />

Konföderation vorsteht. Mit Habit und Handy betreut<br />

und berät er rund um den Globus 8.000 Mönche und<br />

doppelt so viele Nonnen und ist doch seinem Heimatkloster<br />

am Ammersee verwurzelt geblieben, „als Bayer<br />

mit Rang und Ansehen im Wertmaßstab“. Scheinbar<br />

die „stabilitas loci“ heimischer Klostermauern missachtend,<br />

sorgt der Geehrte auch im Zeitalter der Globalisierung<br />

für die Blüte eines ortsgebundenen benediktinischen<br />

Mönchtums weltweit. Die fast verbotenen<br />

Forschungsreisen in den achtziger Jahren zu liquidier-<br />

<strong>PERSONALIA</strong><br />

Ehrenmitgliedschaft der KSStV Alemannia München<br />

für Abtprimas Prof. Dr. Notker Wolf OSB<br />

und Staatsminister Kb Dr. Thomas Goppel<br />

ten Ordensniederlassungen im kommunistischen China<br />

oder das Fernost-Engagement bei der kürzlich erfolgten<br />

Einweihung eines Krankenhauses in Nordkorea sind<br />

Kabinettstücke intensiver kluger Diplomatie. Auch die<br />

respektvolle Begegnung mit anderen Menschen und<br />

unterschiedlichen Religionen beweist der seinerzeit in<br />

St. Ottilien von Erzabt Notker initiierte und heute noch<br />

lebendig gepflegte Austausch mit buddhistischen Mönchen<br />

aus Japan. Als Professor für Naturphilosophie und<br />

Wissenschaftstheorie hat der heute 65-Jährige in der<br />

römischen Benediktineruniversität S. Anselmo seinen<br />

wichtigsten Studienort und seine zweite Heimat gefunden.<br />

Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind<br />

international geschätzt. Dass er, nicht nur in seiner<br />

Band, ein begeisterter E-Gitarrist ist und auch das klassische<br />

Repertoire der Querflöte beherrscht, rundet das<br />

Bild eines „vir vere benedictinus“ ab, der mit der Wirkmacht<br />

seiner Ideen, seiner Bescheidenheit und seiner<br />

stets zugewandten Herzlichkeit auch schnell zum kartellbrüderlichen<br />

„Du“ greift.<br />

Den neuen Ehrenphilister aus der <strong>KV</strong>-engagierten<br />

Goppel-Familie würdigte Kb Prof. Dr. Werner Buchner,<br />

selbst einst Amtschef im seinerzeit von Thomas Goppel<br />

geleiteten Bayerischen Umweltministerium. Dessen<br />

Vater, der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel,<br />

hatte genau vor 30 Jahren die Ehrenphilistrierung durch<br />

Alemannia entgegengenommen. Der Laudator unterstrich<br />

das herausragende berufliche und politische Wirken<br />

in maßgeblichen Verantwortungsbereichen in Staat<br />

und Gesellschaft. Nicht unerwähnt blieben die zahlreichen<br />

aus der K.St.V. Erwinia heraus entwickelten<br />

Aktivitäten im Münchner <strong>KV</strong> als Festredner und Festball-Conferencier,<br />

die richtungsweisenden Impulse bei<br />

<strong>KV</strong>-Veranstaltungen bis hin zur Vertreterversammlung<br />

2005 in Paderborn. Religio als Handlungsprinzip gehöre<br />

dabei ebenso zur Maxime gesellschaftspolitischer Entscheidungen<br />

wie gelebte Zeugnisse des Grundwerts<br />

Amicitia. Auch der in den AM 1993 zum sogenannten<br />

Öffnungsantrag des <strong>KV</strong> erschienene Artikel mit der<br />

Überschrift „Den eigenen Standpunkt felsenfest leben“<br />

lässt Thomas Goppels Mut zur Selbstbesinnung erkennen.<br />

Wolfgang Huber (Ale)<br />

AM 31


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 32<br />

<strong>PERSONALIA</strong><br />

Minister in Rheinland-Pfalz<br />

und in Mecklenburg-Vorpommern: Rudi Geil<br />

32 AM<br />

„Eine großartige Persönlichkeit, die sich nicht nur um seine<br />

Heimatstadt; sondern auch um das Land Rheinland-Pfalz in<br />

seiner langiährigen politischen Karriere verdient gemacht<br />

hat" – so nannte der CDU-Politiker Christoph Böhr unseren<br />

Kartellbruder Rudi (Rudolf) Geil (Stf), als diesem am 21. November<br />

2005 die Ehrenbürgerwürde seiner Vaterstadt Lahnstein<br />

verliehen wurde.<br />

Das „fachliche Allroundtalent und der<br />

Allzweckprofi“, wie zwei Tage vor ihrer<br />

Wahl zur Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel ihn nannte, Rudi Geil, wurde<br />

geboren am 25. April 1937 in Lahnstein.<br />

Er legte 1957 die Abiturprüfung ab und<br />

studierte ab demselben Jahr in Bonn<br />

und Frankfurt Wirtschaftspädagogik. In<br />

Frankfurt wurde er Mitglied des KStV<br />

Staufia-Straßburg; die Korporation befand<br />

sich damals auf dem Höhepunkt<br />

ihrer Nachkriegsentwicklung. Das Studium<br />

beendete er 1961 als Diplom-<br />

Handelslehrer. Er trat in den rheinlandpfälzischen<br />

Schuldienst ein. Rudi Geil<br />

heiratete Inge Sarholz, und aus der Ehe<br />

gingen die Söhne Linus (1967) und<br />

Dominik (1969) hervor. 1971 schied er als Oberstudienrat<br />

aus dem Schuldienst aus, weil er in jenem Jahr zum ersten<br />

Mal ein Mandat für den Landtag in Mainz erlangt hatte.<br />

Schon als Student, 1960, war Rudi Geil Mitglied der CDU<br />

geworden, und bald begann die parteipolitische und parlamentarische<br />

„Ochsentour“, bei der sich der junge Mann<br />

Rüstzeug und Erfahrung für den späteren politischen Werdegang<br />

erwerben konnte. Sein Weg sollte exorbitante<br />

Höhen erreichen.<br />

Von 1964 bis 1978 gehörte er dem Lahnsteiner Stadtrat an,<br />

ab 1965 als Fraktionsführer. Seit 1969 war und ist er Mitglied<br />

des Kreistags Rhein-Lahn. 1971 wurde er Kreis-, 1980<br />

Bezirksvorsitzender seiner Partei. 1973, zwei Jahre nach<br />

Einzug in den Landtag, wurde er dort Stellvertretender Fraktionsvorsitzender,<br />

1976 Vorsitzender. Es konnte kaum ausbleiben,<br />

dass der erfahrene Parlamentarier von der Legislative<br />

in die Exekutive wechselte. Von 1981 bis 1985 – in<br />

der Regierungszeit von Ministerpräsident Bernhard Vogel –<br />

war Rudi Geil in Mainz Minister für Soziales, Gesundheit<br />

und Umwelt, von 1985 bis 1987 war er dort Minister für<br />

Wirtschaft und Verkehr, anschließend Minister des Innern<br />

und für Sport. Er diente dem Land Rheinland-Pfalz als<br />

Minister zehn Jahre lang. Nach der sogenannten Wende<br />

stellt er seine immense Erfahrung als Landespolitiker im<br />

äußersten Nordosten der erweiterten Bundesrepublik zur<br />

Verfügung: In Mecklenburg-Vorpommern mit seinen innen-<br />

politisch schwierigen Verhältnissen wurde Rudi Geil für vier<br />

weitere Jahre erneut Innenminister. Er wertet sie als eine<br />

„aufregende, unwiederholbare Zeit“. Die bundespolitische<br />

Ebene schließlich erreichte er gegen Ende der Ära Kohl, als<br />

Kb Geil zum Beauftragten der Bundesregierung für den Aufbau<br />

Ost ernannt wurde. Dieses Amt übte er 1997/98 aus.<br />

Rudi Geil hat seinen Wohnsitz immer in Lahnstein gehabt.<br />

Er hielt bisher auch Kontakt zum dortigen <strong>KV</strong>-Ortszirkel<br />

„Silbernes Mondlicht“. Er besuchte ihn auch in seinen<br />

Politikerjahren, wann immer er nach Lahnstein kam. Auch<br />

der eingangs zitierte Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz,<br />

Christoph Böhr, betonte in seiner Laudatio am 21. November<br />

2005, dass sich Geil seiner festen Wurzeln in Rheinland-Pfalz<br />

immer bewusst gewesen ist. Bei der Feier zur<br />

Verleihung der Ehrenbürgerwürde Lahnsteins an Rudi Geil<br />

ehrten ihn mit ihrer Anwesenheit unter vielen anderen auch<br />

die ehemaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (Rheinland-Pfalz<br />

u. Thüringen), Carl Ludwig Wagner (Rheinland-<br />

Pfalz) und Bernd Seite (Mecklenburg-Vorpommern).<br />

Auf Grund einer schweren Erkrankung hatte Rudi Geil, der<br />

Lehrer aus Lahnstein, im Sommer 2005 alle politischen Ämter<br />

niedergelegt, ein einziges jedoch behalten – das Kreistagsmandat<br />

Rhein-Lahn. Wir wünschen unserem Kartellbruder<br />

noch lange den Genuss seiner Tage.<br />

Der obige Text über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde<br />

im November 2005 wurde geschrieben im Dezember. Er<br />

war vorgesehen für die vorliegende AM-Ausgabe Januar/<br />

Februar 2006. Die Glückwünsche am Schluss des Textes erreichten<br />

Kb Geil nicht mehr. Er erlag am 11. Februar 2006<br />

seinem Krebsleiden. R.i.p.<br />

Staatstrauerakt<br />

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck<br />

(SPD) ordnete für Rudi Geil einen Staatstrauerakt an.<br />

Unser Kartellbruder habe sich „als Parlamentarier<br />

und in Regierungsämtern für die Bürger … engagiert<br />

und Anerkennung erworben.“ Der Landes- und Fraktionsvorsitzende<br />

der CDU Rheinland-Pfalz, Christoph<br />

Böhr, äußerte sich ähnlich: „Rudi Geil hat sich<br />

als Landtagsabgeordneter und … als Staatsminister<br />

große Anerkennung über alle Parteigrenzen hinweg<br />

erworben.“ Der Staatstrauerakt fand statt am 18. Februar<br />

2006 in der St. Martinskirche in Lahnstein.<br />

S. Koß


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 33<br />

Hermann Schäfer wird<br />

Ministerialdirektor<br />

Kb Prof. Dr. phil. habil. Hermann Schäfer (Gm-Ho, Wst), Jahrgang<br />

1942, übernahm am 1. Februar 2006 die Leitung der Abteilung<br />

Kultur und Medien beim Berliner Staatsminister für Kultur, Bernd<br />

Neumann (CDU). Zuvor hatte das Bundeskabinett der Ernennung<br />

Kb Prof. Schäfers zum Ministerialdirektor zugestimmt. Er verließ<br />

damit das „Haus der Geschichte“ an der Bonner Adenauer-Allee.<br />

Seit dessen Gründung 1987 war Kb Prof. Schäfer Präsident der<br />

Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.<br />

Aufgrund von dessen Konzeption und Bestand führte er das „National“-Museum<br />

schnell zu weltweitem Ruf. – K.<br />

Stefan Hans Kläsener (Arm)<br />

ist seit Januar stellvertretender Chefredakteur der „Braunschweiger<br />

Zeitung“. Dort ist er vor allem für die Regionalausgaben in<br />

Braunschweig, Gifhorn, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel<br />

und Wolfsburg zuständig. Zuvor war Kläsener nach Volontariat und<br />

Redakteurstätigkeit bei den „Lübecker Nachrichten“ elf Jahre bei<br />

der „Fuldaer Zeitung“ beschäftigt, davon knapp zehn Jahre als<br />

Redaktionsleiter der „Kinzigtal-Nachrichten“ in Schlüchtern. Der<br />

41-jährige Vater von vier Kindern hat in Bonn, Jerusalem und München<br />

Theologie, Philosophie und Germanistik studiert.<br />

„Medienbischof“ Spital<br />

80 Jahre alt<br />

Kb Hermann Josef Spital (Tsk, Mk), früherer Bischof von Trier,<br />

wurde am 31. Dezember 80 Jahre alt. Von 1989 bis 2001 war er<br />

Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen<br />

Bischofskonferenz (DBK). Unter Hermann Josef Spitals Leitung ist<br />

die „Gemeinsame Erklärung“ der Bischofskonferenz und des Rates<br />

der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über „Chancen und<br />

Risiken der Mediengesellschaft“ entstanden. Auch die Publikationen<br />

zur „Positionierung der katholischen Kirche in den elektronischen<br />

Medien“ (1994) und über „Multimedia. Der Wandel der Informationsgesellschaft“<br />

(1995) hat er verantwortlich begleitet. Bei<br />

seinem Goldenen Priesterjubiläum 2002 hatte Bischof Spital betont,<br />

dass die Kirche nicht zum Selbstzweck werden dürfe. Priester<br />

seien nicht Herren des Glaubens, sondern Diener der Liebe. Mehr<br />

als früher müsse der priesterliche Dienst von der Lebens- und Glaubensbegleitung<br />

her verstanden werden. Ein derart verändertes<br />

Priesterbild könne auch junge Menschen ansprechen.<br />

Otto Brodesser<br />

verstorben<br />

<strong>PERSONALIA</strong><br />

Kb Otto Brodesser, geboren 1925 und gestorben 2005 (Lt, E d<br />

Zo, E d Lt), studierte nach dem Zweiten Weltkrieg in Karlsruhe.<br />

Er beendete das Studium als Diplom-Volkswirt und arbeitete<br />

zuletzt als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />

in einer großen Karlsruher<br />

Kanzlei. Schon ab 1954 war er<br />

tätig als Schriftftührer, dann als Philister-Senior<br />

im Altherren-Vorstand von<br />

Laetitia-Karlsruhe. Bei Zollern-Breslau<br />

zu Karlsruhe wurde er Ehrenphilister,<br />

später auch bei seiner Ur-Korporation<br />

Laetitia. Schon die ganzseitige Abbildung<br />

in der Laetiten-Festschrift von<br />

Otto Brodesser (1966) 1966 war eine Auszeichnung.<br />

Kb Otto Brodessers Verdienste lagen unter anderem im Vorsitz<br />

des Aufsichtsrats der Karlsruher Vincentius-Kliniken, im<br />

Aufsichtsrat von Badenia-Druckerei und Verlag und in der<br />

Freiburger Kirchensteuervertretung. 2005 wurde er Ehrenmitglied<br />

im St. Vincentius-Verein, des Trägers der Vincentius-<br />

Kliniken. Seine ganz persönliche Leidenschaft war der Tanzsport.<br />

1969 errang er in der Seniorenklasse den Titel des<br />

baden-württembergischen Landesmeisters. Er war Mitglied<br />

und dann Vorsitzender des Tanzsportverbandes Baden-Württemberg.<br />

1970 wurde er Schatzmeister des Deutschen Tanzsportverbands.<br />

Kb Brodesser war Träger des Bundesverdienstkreuzes und<br />

des Päpstlichen Silvester-Ordens. Zuletzt verehrte ihm die<br />

Erzdiözese Freiburg ihre höchste Auszeichnung, die Konradsplakette.<br />

R.i.p. – K.<br />

AM 33


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 34<br />

<strong>PERSONALIA</strong><br />

34 AM<br />

†<br />

Trauer um Theo Hansen<br />

Mit tiefer Erschütterung mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass unser verdienter<br />

Kartellbruder Theo Hansen (Vandalia Bonn) am 2. November 2005 im Alter von<br />

74 Jahren nach langer schwerer Krankheit verstorben ist. Jahrzehntelang war<br />

er ein treuer und engagierter Weggefährte seiner Vandalia. Er unterstützte sie mit großzügigen<br />

Spenden, besuchte regelmäßig ihre Veranstaltungen, repräsentierte den Altherrenverein mehrmals<br />

bei den Vertreterversammlungen des Verbandes und erwarb sich vor allem in fast 40 Jahren<br />

als Chronist des Vereins und seiner Mitglieder bleibende Verdienste.<br />

Im Sommersemester 1954, mitten in den turbulenten und aktiven Vandalenjahren der Nachkriegszeit, schloss sich Theo als<br />

Student der Germanistik und Geschichte dem Verein an. Später ergriff er den Beruf des Bibliothekars und war in dieser<br />

Funktion im Bistum Essen tätig.<br />

Diese berufliche Wahl und überhaupt sein Interesse an geschichtlichen Dingen, waren ein besonderer Glücksfall für die<br />

Vandalia: Jahrzehntelang betreute er das Vereinsarchiv und war ständig darum bemüht, dieses mit Fotos und Textdokumenten<br />

anzureichern. Daraus und aus unermüdlichen Recherchen in anderen Quellen gestaltete er detailreiche und interessante<br />

Berichte und Portraits.<br />

Seinen Berichten, den Geburtstagsgrüßen an einzelne Bundesbrüder und den Nachrufen auf verstorbene Vandalen in der<br />

Vereinszeitung „Vandalenblätter“ wie in den „Akademischen Monatsblättern“ merkte man an, dass ihn besonders die<br />

Menschen und ihre Schicksale mit oft überraschenden Lebenswendungen interessierten, was sie prägte und aus welchen<br />

Überzeugungen heraus sie lebten. Zu nennen sind hier beispielsweise seine Beschreibung der frühen Vandalenjahre bis<br />

1935 in der Festschrift zum 75. Stiftungsfest (1979) und sein Bericht „Auf den Spuren unserer 30 Gründer“ in der Festschrift<br />

zum 80. Stiftungsfest. Besondere Charaktere unter den „historischen“ Vandalen wie den Kunstmaler Karl Strunk<br />

(1882-1926), den Fachmann für Weinbau und Weinkultur Robert Michael Barzen (1888-1968) und den Prinzenerzieher am<br />

sächsischen Hof in Dresden und Lehrer der Prinzessinnen, Karl Neuefeind (1886-1918), brachte er uns nahe und machte uns<br />

so bewusst, welch interessante und vielfältige Mischung an Charakteren ein katholischer Studentenverein umfassen kann.<br />

Zuletzt arbeitete Theo engagiert und unermüdlich mit, um die schon zum 100. Stiftungsfest vorgesehene, aber leider noch<br />

nicht vollendete Festschrift über „100 Jahre Vandalia“ fertigzustellen. Er schrieb selber Artikel (Biographien sämtlicher<br />

Ehrenphilister und Ehrenmitglieder Vandaliae) und versorgte die anderen Autoren bereitwillig mit Material aus „seinem“<br />

Archiv.<br />

Theo Hansen gab 1984 erstmals ein Verzeichnis der verstorbenen Vandalen seit der Gründung 1904 heraus, das er später<br />

noch fortschrieb. Die Vandalia trauert darum, dieser Aufstellung nun einen großen Namen hinzufügen müssen. Am 16.<br />

November wurde Theo im engsten Familienkreis auf dem Pfarrfriedhof St. Markus in Essen-Bredeney beigesetzt. Gott, der<br />

Herr, schenke ihm seinen ewigen Frieden!<br />

Christoph Dux (Vd)<br />

Heinz Blaser erhält päpstlichen Orden<br />

Für Verdienste um die Kirche hat Kb Papst Benedikt XVI. Kb Heinz Blaser (FrS+Ebg, Arm) mit dem Gregoriusorden<br />

ausgezeichnet. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode überreichte den Orden am 19. Dezember.<br />

Kb Blaser erhielt die päpstliche Auszeichnung für vielfältige Verdienste, unter anderem gehörte er 1963 zu<br />

den Gründungsmitgliedern des Sozialdienstes katholischer Männer (SkM) in Osnabrück, den er zeitweise als<br />

Vorsitzender leitete. Er organisierte und begleitete mit dem SkM Hilfstransporte nach Polen. Bischof Bode<br />

bezeichnete diese Einsätze als „bewussten Beitrag zur Aussöhnung mit Polen“. Kb Blaser war außerdem<br />

Mitglied im Diözesanpastoralrat und im katholischen Siedlungsdienst „Stephanswerk“ und vermittelte als<br />

Dozent des Sozialen Seminars vielen jungen Menschen die Grundlagen der Katholischen Soziallehre.<br />

Der Gregoriusorden gehört zu den höchsten Auszeichnungen, die der Papst an Laien verleiht.<br />

Frank Wiesemann (Frs + Ebg)


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 35<br />

<strong>PERSONALIA</strong><br />

„Er hatte keine Feinde“<br />

Kb Holger Weyd (Alb) verstorben<br />

Am 30. November trug die Albingia ihren Alten Herrn und Ehrenphilister Holger Weyd auf dem Hamburger<br />

Friedhof Ohlsdorf zu Grabe. Eine heimtückische Krankheit hatte ihn viel zu früh aus ihrer Mitte gerissen.<br />

Holger Weyd wurde am 3. Januar 1943 in Hamburg geboren. Nach dem Besuch der katholischen Grundschule<br />

und des Jesuitengynasiums Hamburg machte er dort 1963 das Abitur und wurde zusammen mit zwei weiteren<br />

Klassenkameraden als einzige ihres Jahrgangs zur Bundeswehr einberufen, wo Holger Weyd bei der Raketenartillerie<br />

seine mathematischen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Gleich zu Beginn seines BWL-Studiums<br />

wurde Weyd für die Albingia gekeilt.<br />

Die Übernahme verschiedener Chargen war für ihn eine Selbstverständlichkeit.<br />

Als Leiter der Abteilung „EDV-Organisation“ war er bei drei großen Industriebetrieben in Hmburg tätig. Trotz starker beruflicher<br />

Auslastung und neben seinen vielfältigen sportlichen Aktivitäten widmete er als Alter Herr einen großen Teil seiner<br />

Freizeit dem <strong>KV</strong>: Von 1987 bis 1991 war er Vorsitzender des Albingenheimvereins, danach bis 2001 Philistersenior des<br />

AHV Albingiae und Vorsitzender des Ortszirkels „Seemöve“ im <strong>KV</strong> zu Hamburg. Er vertrat den AHV bei den Würzburger<br />

<strong>KV</strong>-Tagen, bei Vertreterversammlungen und Hauptausschusssitzungen. Die Albingia dankt seiner lieben Frau Marlies und<br />

seinen drei Kindern, die Holger Weyd großes Engagement ermöglichten und geduldig mittrugen.<br />

Durch seine fröhliche Art, sein freundliches Wesen und seine Lust am Scherz hat er seine Bundes- und Kartellbrüder<br />

immer wieder mitgerissen. Ein Kernsatz der Predigt beim Requiem in der überaus vollen Kirche: „Holger Weyd hatte keine<br />

Feinde“. Und dies war eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften: Alle mochten ihn gern.<br />

Die Albingia verliert einen ihrer engagiertesten Bundesbrüder. Keine Feier, kein Kommers, keine festliche Veranstaltung,<br />

an der er nicht teilgenommen hätte und die er nicht mit launigen Beiträgen zur Freude aller gewürzt hätte. Holger Weyd<br />

wird für immer einen Platz im Herzen seiner Bundes- und Kartellbrüder haben. Ihm zu Ehren schlug die Albingia eine<br />

Trauerkneipe am 10. Februar.<br />

Hans Heinrich Wienemann (Albi, Al)<br />

Anton Beck feierte 100. Geburtstag<br />

In der 135-jährigen Geschichte der Alamannia ist<br />

Dr. Anton Beck, der in Ravensburg hoch über dem<br />

Schussental lebt, der erste, der, soweit es bekannt<br />

ist, seinen 100. Geburtstag feiern konnte.<br />

Am 28. Oktober beging der Jubilar mit seiner Familie<br />

und Verwandten den Festtag im nahen Weingarten.<br />

Freude und Dankbarkeit prägten den Tag bis<br />

zum Abend, an dem die Musikkapelle seiner Heimatgemeinde<br />

Goppertsweiler bei Tettnang dem früheren<br />

Mitbürger ein Ständchen darbot. Die Freude über<br />

das Fest war dem Jubilar auch anderntags noch ins<br />

Gesicht geschrieben, als der Vorsitzende des <strong>KV</strong>-<br />

Zirkels Mehlsack und der Chronist dem „Alterssenior"<br />

der Alamannia und des Ravensburger <strong>KV</strong><br />

herzlich gratulierten.<br />

Beck hatte als promovierter Naturwissenschaftler<br />

nach der Heimkehr aus dem Krieg Biologie und Chemie<br />

in Ravensburg gelehrt, bis er Anfang der 60er<br />

Jahre zum Oberstudiendirektor am Gymnasium in<br />

Ehingen berufen wurde, 1970 in den Ruhestand trat<br />

und sich in sein geliebtes Ravensburg zurückzog.<br />

Auch wenn sein Aktionsradius sich inzwischen auf<br />

das Haus beschränkt, so kann er doch zusammen mit<br />

seiner rüstigen Ehefrau den Alltag noch sichtlich gut<br />

bewältigen. Das Ehepaar Beck wird in seinem hohen<br />

Alter auch getragen von der berechtigten Freude und<br />

großer Dankbarkeit über die beruflich erfolgreichen<br />

Kinder – eine Tochter und zwei Söhne – sowie die<br />

sehr begabten Enkel.<br />

Möge unserem lieben Kartellbruder weiter die Gnade<br />

eines so gesegneten Alters geschenkt bleiben.<br />

Max Gögler (Al, Ale)<br />

AM 35


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 36<br />

AUS DEN ORTSZIRKELN<br />

Von staatskirchlicher Privilegierung<br />

zu pluralistischer Nivellierung?<br />

Vortrag: Felix Hammer<br />

36 AM<br />

I. „Die Autoritäten der Römisch-Katholischen Apostolischen<br />

Kirche haben die Pflicht und das Recht zu<br />

lehren, welche Grundsätze richtig und welche falsch<br />

sind“, dieser Satz findet sich nicht im Katechismus<br />

der Katholischen Kirche, sondern in der Staatsverfassung<br />

Maltas, die zuvor bereits feststellt, dass die<br />

Religion Maltas die Römisch-Katholische Apostolische<br />

Religion ist. Zwar garantiert diese Verfassung<br />

im folgenden umfassende Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit,<br />

so dass sie kein Staatskirchentum<br />

im hergebrachten Sinne konstituiert, das eine<br />

Religion privilegiert und alle übrigen in ihrem Wirken<br />

behindert und ihnen bestenfalls einen geminderten<br />

Rechtsstatus gewährt, sie enthält mit den zitierten<br />

Aussagen aber doch deutliche staatskirchliche<br />

Anklänge. Damit steht sie in Europa jedoch keineswegs<br />

allein: „Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen<br />

und Unteilbaren Dreifaltigkeit“ beginnt die Verfassung<br />

Griechenlands, die sodann feststellt „Vorherrschende<br />

Religion in Griechenland ist die der<br />

Östlich Or-thodoxen Kirche Christi“ und die Verfassung<br />

Norwegens bestimmt „Die evangelisch-lutherische<br />

Konfession verbleibt öffentliche Religion des<br />

Staates. Die Einwohner, die sich zu ihr bekennen,<br />

sind verpflichtet, ihre Kinder in derselben zu erziehen“.<br />

Reste von Staatskirchensystemen finden sich<br />

aber auch im Vereinigten Königreich in England und<br />

Schottland sowie in Dänemark, in Island, im Fürstentum<br />

Liechtenstein sowie in verschiedenen Kantonen<br />

der Schweiz.<br />

Damit gehören enge Verbundverhältnisse von Staat<br />

und Kirche keineswegs der Vergangenheit an, sondern<br />

sind durchaus in Verfassungen der Gegenwart<br />

vorgesehen. Dabei handelt es sich bei den genannten<br />

Staaten durchweg um freiheitliche Demokratien<br />

oder parlamentarische Monarchien, jedenfalls nicht<br />

um Diktaturen, die sich der Religion oder Weltanschauung<br />

als Unterdrückungsinstrument bedienen.<br />

Dementsprechend ist in ihnen stets die Freiheit des<br />

Glaubens, der Religionsausübung und der Weltanschauung<br />

grundrechtlich gewährleistet, so dass sich<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit einerseits, die traditionelle<br />

Bindung eines Staates an eine Religion<br />

oder Konfession andererseits nicht ausschließen,<br />

Überlegungen zum Verhältnis<br />

von Staat und Kirchen in Europa<br />

II. Die Mehrzahl der Staaten Europas sieht in ihren<br />

Verfassungen freilich eine Trennung oder doch eine<br />

rechtliche Selbst- und Eigenständigkeit von Staat<br />

und Kirchen vor. Dabei reicht das Spektrum von<br />

weitgehender Trennung bis hin zu rechtlicher Verselbständigung<br />

unter Beibehaltung einer Vielzahl<br />

verfassungsrechtlich oder – mit Billigung der Verfassung<br />

– durch die Gesetze näher definierter Verbindungen<br />

zwischen beiden. Sehr konsequent ausgebildet<br />

ist die Trennung in Frankreich, den Niederlanden<br />

und in Slowenien. Die meisten Staatsverfassungen<br />

Europas enthalten zwar Normen, die – mit im einzelnen<br />

unterschiedlichem Wortlaut – bestimmen, dass<br />

Staat und Kirche getrennt sind, dass keine Staatskirche<br />

besteht oder dass die Religionsgemeinschaften<br />

oder die religiösen Kulte dem Staat gegenüber unabhängig<br />

oder selbständig sind, sie lassen aber eine<br />

Reihe, manchmal sogar eine Fülle von rechtlich geordneten<br />

oder schon von der Verfassung vorgesehenen<br />

Verbindungen zwischen Staat und Kirche zu, die<br />

Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften<br />

ein umfangreiches Wirken im öffentlichen,<br />

caritativen und kulturellen Bereich sichern und es<br />

dem Staat ermöglichen, sie in ihrer Tätigkeit zu unterstützen.<br />

Diese Brücken zwischen Staat und Kirche<br />

haben – vor allem auch als Ergebnis sehr unterschiedlicher<br />

nationaler geschichtlicher Entwicklungen<br />

– in den verschiedenen europäischen Staaten<br />

ganz verschiedene Ausprägungen gefunden.<br />

Im Kultur-, Sozialfürsorge- und Leistungsstaat der<br />

Gegenwart, der mit einer kaum mehr überschaubaren<br />

Zahl von Finanzhilfen weiteste Bereiche der Kultur,<br />

des Sozialen und der Gesellschaft fördert, sie<br />

aber auch regelnd erfasst, ist es kaum mehr möglich,<br />

dass die Staatstätigkeit kirchliches Wirken vollkommen<br />

ignoriert. Würde der Staat es von seiner<br />

Unterstützung ausnehmen, würde er diejenigen, die<br />

aus religiöser Motivation handeln, diskriminieren<br />

gegenüber denen, die aus anderen Gründen tätig<br />

werden. Zudem ließe er wichtige Teile der Kultur<br />

oder sozialer Betätigung ohne seinen rechtlichen<br />

Schutz und seine Hilfe, obwohl die religiöse Kultur<br />

weit in den Bereich des Weltlichen hineinstrahlt.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 37<br />

So bilden sakrale Denkmale wichtige historische<br />

und künstlerische Zeugnisse und tragen zur kulturellen<br />

Identität des gesamten Staates bei, so dass dieser<br />

seinen Denkmal- und Kulturgutschutz auch auf<br />

sie erstrecken muss. Deshalb sind selbst in Staaten,<br />

deren Verfassung weitgehende Trennungssysteme<br />

vorsehen, inzwischen nicht wenige rechtliche Verbindungslinien<br />

zwischen Staat und Kirche zu finden.<br />

Damit gehört das strenge Trennungssystem jedenfalls<br />

in der Lebenswirklichkeit der freiheitlichen Kultur-<br />

und Sozialstaaten Europas der Geschichte an<br />

und zwar noch stärker als enge Verbundverhältnisse<br />

von Staat und Kirche.<br />

III. Unverkennbar ist in der europäischen und nordamerikanischen<br />

Geschichte eine Entwicklungstendenz,<br />

die ausgehend von der mittelalterlichen Vorstellung,<br />

dass kirchliche und weltliche Gewalt gleichermaßen<br />

von Gott stammten und der Schutz der<br />

einen und wahren Kirche vornehmste Pflicht des<br />

weltlichen Herrschers sei, über das Staatskirchentum<br />

der frühen Neuzeit im Wege einer Säkularisierung<br />

von Staat und Recht zu einer Trennung oder<br />

Verselbständigung von Staat und Kirche, Recht und<br />

Religion führt. Von größter Bedeutung war die Garantie<br />

religiöser Freiheit, wie sie seit den Revolutionen<br />

in Nordamerika und Frankreich zunehmend als<br />

Grund- und Menschenrecht in den Verfassungen erscheint.<br />

Gewährt ein Staat Glaubensfreiheit, kann er<br />

sich nicht mit einer Religion als der allein wahren<br />

AUS DEN ORTSZIRKELN<br />

identifizieren, vielmehr muss zwischen beiden eine<br />

gewisse Distanz entstehen. Über die Gewährung<br />

von Religionsfreiheit hinaus kam es in Europa und<br />

Amerika seit dem späten 18. Jahrhundert in den<br />

meisten Staaten – in einer Entwicklung, die lange<br />

währte und oft unterschiedlich verlief – zu Entstaatlichungsprozessen,<br />

die eine mehr oder weniger<br />

weitreichende Trennung von Staat und Kirche, von<br />

Recht und Religion bewirkten.<br />

Sind in der Geschichte Lösungsprozesse einstiger<br />

staatskirchlicher Verbundverhältnisse vielfältig<br />

nachweisbar, finden sich entgegengesetzte Tendenzen<br />

erst in der jüngsten Geschichte. Nach dem Zusammenbruch<br />

der kommunistischen Weltanschauungsdiktaturen<br />

im östlichen Europa und in Asien ist<br />

zwar nirgends ein ausgeprägtes Staatskirchentum<br />

neu erstanden, wohl aber wurde die einst strikte,<br />

religionsfeindliche Trennung von Staat und Kirche<br />

oftmals zugunsten einer Selbständigkeit beider bei<br />

Ausbildung rechtlich und verfassungsrechtlich definierter<br />

Verbindungen zwischen ihnen aufgegeben,<br />

ja manchmal konnten sich sogar einzelne staatskirchliche<br />

Elemente wieder ausbilden. So stellt die<br />

bulgarische Verfassung fest: „Die traditionelle Religion<br />

in der Republik Bulgarien ist der orthodoxe Kultus“.<br />

Dies lässt entsprechend dem Sinn und Zweck<br />

einer Verfassung, der nicht nur deskriptive, sondern<br />

auch normative Bedeutung zukommt, eine gewisse<br />

Präferenz für die orthodoxe Kirche im öffentlichen<br />

Leben erkennen.<br />

AM 37


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 38<br />

AUS DEN ORTSZIRKELN<br />

38 AM<br />

Diese Entwicklungen können im freiheitlichen Verfassungsstaat<br />

nicht mehr zu einem konsequent ausgebildeten<br />

Staatskirchentum, das nur einer Konfession<br />

uneingeschränkte Entfaltung im Staatsleben<br />

erlaubt, führen. Sie zeigen aber, dass eine zunehmende<br />

Trennung von Staat und Kirche weder eine<br />

zwangsläufige Konsequenz der Ausbildung eines<br />

freiheitlichen, pluralistischen und demokratischen<br />

Staates noch die an der Wende vom 20. zum 21.<br />

Jahrhundert allein mögliche verfassungshistorische<br />

Tendenz bildet. Damit kann man – mit aller Vorsicht<br />

– für die Gegenwart wohl eine Entwicklung zur<br />

rechtlichen Selbständigkeit oder grundsätzlichen<br />

Trennung von Staat und Kirche bei Aufrechterhaltung<br />

oder Ausbildung verschiedener verfassungsrechtlich<br />

definierter oder rechtlich geordneter Verbindungslinien<br />

zwischen beiden feststellen und zwar<br />

sowohl seitens einstiger enger Verbundverhältnisse<br />

von Staat und Kirche als auch seitens früher konsequenter<br />

Trennungssysteme.<br />

IV. In einem zunehmend nicht mehr nur wirtschaftlich,<br />

sondern auch sonst vielfältig rechtlich zusammenwachsenden<br />

Europa sind die Konsequenzen, die<br />

das europäische Recht für die bunte Vielfalt der in<br />

den verschiedenen Ländern überlieferten Staatskirchenrechte<br />

entfaltet, von großer Bedeutung. Zwar<br />

beschränken sich die Rechtsetzungskompetenzen<br />

der EU nach wie vor primär auf den Bereich der<br />

Wirtschaft, doch gehen vom europäischen Recht oft<br />

Ausstrahlungswirkungen aus, die auch Kirchen- und<br />

Religionsgemeinschaften intensiv betreffen (so beim<br />

Antidiskriminierungsrecht, dem Datenschutz und bei<br />

der sozialen Betätigung in der Gesellschaft). Damit<br />

entfaltet das Europarecht erhebliche Bedeutung für<br />

die hergebrachten Staatskirchenrechte und so stellt<br />

sich die Frage, ob sie deshalb tiefgreifender Überformung<br />

bedürfen. Aus diesem Grund erhielt der<br />

Vertrag über eine Verfassung für Europa von 2004<br />

verschiedene Normen, die sowohl den in den EU-<br />

Mitgliedstaaten bestehenden Status von Kirchen-,<br />

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften absicherten<br />

als auch den Bürgern wie deren religiösen<br />

Gemeinschaften Glaubens- und religiöse Betätigungsfreiheit<br />

garantierten. Um sicherzustellen, dass<br />

dies in die Arbeit der EU-Organe angemessen einfließt,<br />

wurde der EU auferlegt, mit Kirchen und weltanschaulichen<br />

Gemeinschaften in Anerkennung ihrer<br />

Identität einen offenen, transparenten und regelmäßigen<br />

Dialog zu pflegen. Nachdem die europäische<br />

Verfassung allenfalls mit Modifikationen in<br />

Kraft treten wird, ist fraglich, wie weit ihre religionsrechtlichen<br />

Normen jemals realisiert werden.<br />

Zu einem guten Teil bedeuten sie aber gar keine<br />

Neuerung, sondern entsprechen Regelungen in bereits<br />

vorhandenen wichtigen Rechtsdokumenten,<br />

allerdings unterschiedlicher und teilweise nicht völlig<br />

eindeutiger Rechtsqualität.<br />

So wurde dem Vertrag von Amsterdam zur Neufassung<br />

des Vertrags über die Europäische Union eine<br />

Erklärung zum Status der Kirchen, religiösen und<br />

weltanschaulichen Gemeinschaften beigefügt, nach<br />

der die EU den Status, den diese in den verschiedenen<br />

Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften<br />

genießen, achtet und nicht beeinträchtigt. Die Charta<br />

der Grundrechte der EU gewährt religiöse und<br />

weltanschauliche individuelle, kollektive und weitgehend<br />

auch korporative Freiheit und ergänzt dies<br />

noch dadurch, dass Diskriminierungen aufgrund der<br />

Religion und Weltanschauung untersagt sind und<br />

dass die EU die Vielfalt der Kulturen, Religionen und<br />

Sprachen achtet. Ihre Regelungen sind zumindest<br />

teilweise auch im EU-Vertrag angelegt. So bestimmt<br />

sein Art. 6, dass die Union die Grundrechte, wie sie<br />

die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet,<br />

achtet. Damit wird ihre Religionsfreiheitsgarantie<br />

Bestandteil des EU-Vertrages.<br />

V. Das Recht der EU akzeptiert mithin eine große<br />

Bandbreite staatskirchenrechtlicher Systeme und<br />

tastet selbst Restbestände staatskirchlicher Privilegierung<br />

nicht an, solange nur umfassende Religionsfreiheit<br />

gewährleistet ist und Diskriminierungen<br />

aus religiösen Gründen ausgeschlossen sind. Andererseits<br />

behindert es nationale Entwicklungen nicht,<br />

die zu einer stärkeren Distanzierung des Staates<br />

gegenüber den Kirchen und einer weitgehenden<br />

rechtlichen Trennung führen, sondern überlässt dies<br />

der einzelstaatlichen Gesetzgebung. Weil alle europäischen<br />

Staaten durch freiheitliche, pluralistische<br />

Ordnungen geprägt sind, können einzelne staatskirchenartige<br />

Sonderrechte jedoch nur dann –<br />

rechtspolitisch – für kommende Jahrzehnte bewahrt<br />

werden, wenn die berechtigten Kirchen das gesellschaftliche,<br />

kulturelle und soziale Leben eines Staates<br />

so stark prägen, etwa indem sie den Bürgern<br />

historische und kulturelle Identität vermitteln, die<br />

über die Kirche selbst hinaus ausstrahlt, dass die<br />

Aufrechterhaltung ihrer Sonderstellung vom Konsens<br />

der Staatsbürger getragen wird. Nur dann kann<br />

ein demokratischer, freiheitlicher Staat ohne Diskriminierung<br />

im Recht einer Kirche eine hervorgehobene<br />

Position im Staatsleben einräumen.


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 39<br />

Die Glaubens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit<br />

muss nicht deshalb zu einer Nivellierung der<br />

rechtlichen Position aller Bekenntnisse und Weltanschauungen<br />

führen, weil der pluralistische Staat<br />

diese exakt gleich behandeln müsste. Insoweit ist zu<br />

unterscheiden zwischen Freiheit zur Entfaltung, die<br />

allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften<br />

in genau derselben Weise zu gewähren ist, und<br />

der Förderung der Religion wegen der von ihr ausgehenden<br />

geistigen, kulturellen und sozialen Leistungen,<br />

die zum einen die kulturelle und historische<br />

Identität des Staates prägen und zum anderen dem<br />

Staat die Werte vermitteln, die er als kulturelle Voraussetzungen<br />

seiner freiheitlichen Verfassungsordnung<br />

benötigt, die er selbst aber nicht schaffen<br />

kann, weil er nur freiheitsverpflichtet, nicht jedoch<br />

freiheitsberechtigt ist. Die staatliche Förderung<br />

kann nach der Bedeutung der Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

für das Leben von Staat und Gesellschaft<br />

differenzieren. Denn Ansatzpunkt der Förderung<br />

ist ihre geistige, kulturelle und soziale Wirksamkeit,<br />

die sehr unterschiedlich ist. Nivellierungen<br />

würden hier sogar Diskriminierungen aus religiösen<br />

Gründen und Verstöße gegen die Religionsfreiheit<br />

bedeuten, weil nur deshalb, weil eine religiöse Prägung<br />

vorliegt, keine sachangemessene Förderung<br />

kultureller oder sozialer Tätigkeit erfolgte. Gebietet<br />

dies zwar nicht besondere rechtliche Beziehungen<br />

zwischen dem Staat und einer Kirche, so erlaubt<br />

dies aber – liegen die entsprechenden Voraussetzungen<br />

vor – deren Aufrechterhaltung.<br />

AUS DEN ORTSZIRKELN<br />

Soweit in europäischen Staaten also noch lebendige<br />

besondere Verbindungen zwischen Staat und Kirchen<br />

bestehen, verlangt weder das Wesen des freiheitlichen<br />

demokratischen Staates noch das Recht<br />

der EU, diese zu beenden, ebenso wenig wie den<br />

Status aller Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften<br />

pluralistisch zu nivellieren.<br />

Notwendig ist andererseits nicht, besondere Verbindungen<br />

zu installieren, wo sie nicht bestehen.<br />

Vielmehr bleiben die nationalen Rechtstraditionen<br />

hiervon unberührt. Das gilt auch für das deutsche<br />

System mit seiner spezifischen Kombination von<br />

Elementen der Trennung von Staat und Kirchen und<br />

einzelner rechtlich geordneter Verbindungslinien<br />

zwischen beiden. Die Entwicklung von staatskirchlicher<br />

Privilegierung zu pluralistischer Nivellierung<br />

muss aus Rechtsgründen in Europa nicht weiter fortgesetzt<br />

werden. Ob sie dem Gang der Geschichte<br />

entspricht, darf nach den neuesten historischen Entwicklungen<br />

bezweifelt werden. Was nicht nur das<br />

Recht der EU, sondern auch die Verfassungen aller<br />

europäischen Staaten aber zwingend fordern, ist<br />

Freiheit zur Entfaltung von Religion und Weltanschauung.<br />

Sie müssen sich damit immer wieder aufs<br />

Neue im öffentlichen Raum bewähren – das aber ist<br />

nach christlichem Glauben auch ihr Auftrag aus dem<br />

Evangelium.<br />

Staat und Kirche in Europa<br />

Vortrag im Internet abrufbar<br />

Der hier gekürzt wiedergegebene Vortrag von Felix Hammer (Rbg, Nm-W) zum Thema<br />

„Staat und Kirche in Europa“, den wir in den AM von Dezember angekündigt hatten, ist ab<br />

sofort unter www.kartellverband.de in ungekürzter Fassung zu finden<br />

AM 39


<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 40<br />

A<br />

Akademische Monatsblätter K 1061 E<br />

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TERMIN ORT TITEL VERANSTALTER<br />

11.04.2006 Starnberg OZ-Treffen gemeinsam mit Edmund Emberger, Sonnwendstraße 22, 82152 Krailing,<br />

den Farbenbrüdern des CV Tel. 089/8573211, emberger@gmx.de<br />

23.-26.04.2006 Straßbourg Europa-Seminar <strong>KV</strong>-Akademie, c/o <strong>KV</strong>-Sekretariat, Postfach 101680, 45746 Marl,<br />

Tel. 02365/5729010, Fax 02365/5729051, Kartellverband-<strong>KV</strong>@t-online.de<br />

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KStV Saxonia Tel. 089/6414157<br />

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Moenania-Starkenburg Tel. 06151/788058, fest-vx@moenania-starkenburg.de,<br />

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KSStV Alemannia Tel. 089/288124-0<br />

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