PERSONALIA - KV
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PERSONALIA - KV
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<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 1<br />
JAN./FEB. 2006<br />
AMAKADEMISCHE<br />
MONATSBLÄTTER<br />
Zeitschrift des Kartellverbandes<br />
katholischer deutscher Studentenvereine<br />
<strong>KV</strong> • 118. Jahrgang • Nr. 01<br />
Ein Studium lohnt sich auch<br />
morgen noch TITELTHEMA Seite 04<br />
Auf den Spuren von Konrad Adenauer<br />
<strong>KV</strong>-AKADEMIE Seite 15<br />
Durchstarten mit den besten<br />
Praktika AKTIVITAS Seite 19
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 2<br />
INHALT EDITORIAL<br />
TITELTHEMA<br />
Ein Studium lohnt sich auch morgen noch 04<br />
GEISTLICHES WORT<br />
Fastnacht – eine Herzenssache 03<br />
<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />
Bonn – Die Rheinische Republik.<br />
Ein Rückblick 08<br />
Auf den Spuren Konrad Adenauers 15<br />
DAS INTERVIEW<br />
mit Heiner Timmermann 10<br />
AKTIVITAS<br />
Flandrische Pilger in Köln /<br />
75 Jahre Salzburger Hochschulwochen 14<br />
Grillen im Dezember –<br />
Aktivenfahrt nach Barcelona 16<br />
Durchstarten mit den besten Praktika 19<br />
AGV<br />
Deutschland braucht Studenten –<br />
keine Studiengebühren 20<br />
Klausurtagung in Helmstadt 22<br />
AUS DEM <strong>KV</strong><br />
Neues Ehrenmitglied bei Grotenburg-Lusatia 23<br />
Mehr Freiheit wagen / Wachtwechsel in Kiel 24<br />
Schwacher Sieg nach Punkten /<br />
Rhetorikseminar 25<br />
Männerbündchen / Konkurrenz für Adenauer 26<br />
FORUM<br />
Die Staatverschuldung<br />
und die Ältere Generation 27<br />
Briefmarken für den Missio-Narr 28<br />
MELDUNGEN<br />
Industriepreis für evangelikalen<br />
Unternehmer / Unternehmen Universität 29<br />
E<strong>KV</strong><br />
Geld aus europäischen Quellen 30<br />
<strong>PERSONALIA</strong><br />
Ehrenmitgliedschaft für Abt Wolf<br />
und Staatsminister Goppel 31<br />
Nachruf: Rudi Geil 32<br />
Nachruf: Otto Brodesser / Schäfer wird<br />
Ministerialdirektor / Kläsener wird stellvertretender<br />
Chefredakteur / Spital wird 80 33<br />
Nachruf: Theo Hansen /<br />
Blaser erhält päpstlichen Orden 34<br />
Nachruf: Holger Weyd / Beck wird 100 35<br />
AUS DEN OZ<br />
Staat und Kirche in Europa 36<br />
TERMINE 40<br />
IMPRESSUM<br />
02 AM<br />
Liebe Kartellbrüder,<br />
liebe Leserinnen und Leser,<br />
am 18. Februar 2006 hat die sich Redaktionskonferenz mit den<br />
Themen, die in diesem Jahr in den „Akademischen Monatsblättern“<br />
im Vordergrund stehen werden, beschäftigt. Dabei<br />
soll etwa über Kartellbrüder im Ausland und in der Politik, über<br />
die 68er und wir, über die Katholische Soziallehre und die<br />
Weltkirche, über <strong>KV</strong>-Gedenkstätten u.v.a.m. berichtet werden.<br />
Ziel bleibt immer, das <strong>KV</strong>-Spezifische herauszustellen.<br />
Wir hoffen, Euch interessante Lektüre zu bieten.<br />
Diese Doppelnummer, die leider etwas verspätet erscheint,<br />
dafür aber recht umfangreich geworden ist, stellt einen Artikel<br />
in den Mittelpunkt, der sich mit den Berufsaussichten junger<br />
Akademiker befasst. Er geht zurück auf eine Veranstaltung der uns eng verbundenen<br />
Katholischen Akademikerarbeit Deutschlands (KAD), die dies als Jahresthema gewählt<br />
hatte. Eng verwandt mit dieser Frage ist der Wandel der deutschen Hochschulen im sog.<br />
„Bologna-Prozess“, der auch wegen der verkürzten Studienzeiten und der vermutlich<br />
stärkeren Verschulung für die Zukunft der Korporationen nicht ohne Belang ist. Damit<br />
befasste sich die Zweite Hochschulpolitische Tagung von CV. UV und <strong>KV</strong>, von der wir<br />
ebenfalls berichten.<br />
Wie üblich versuchen wir, durch eine Fülle von Meldungen auf das aktuelle Geschehen im<br />
Verband, in den <strong>KV</strong>-Vereinen, in Staat und Gesellschaft aufmerksam zu machen. Nicht<br />
uninteressant ist in diesem Zusammenhang eine Sendung der Reihe „Hallo Ü-Wagen“ im<br />
WDR und ein Antrag an den SPD-Parteitag. In beiden Fällen wird von einem völlig entstellten<br />
Bild der Korporationen ausgegangen. Sie machen aber deutlich, dass wir immer<br />
noch ein „Stein des Anstoßes“ sind . Darüber erfahrt Ihr mehr in den Artikeln „Schwacher<br />
Sieg nach Punkten“ und „Männerbündchen“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“<br />
leicht spöttisch die Korporationen bezeichnete.<br />
Am Rande sei noch erwähnt, dass wir in der Dezembernummer auf S. 17 einen Beitrag<br />
angekündigt haben, ohne ihn abzudrucken. Wir bitten um Nachsicht.<br />
Mit herzlichen Grüßen bin ich Euer<br />
Akademische Monatsblätter<br />
Herausgeber: Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (<strong>KV</strong>).<br />
V.i.S.d.P: Dr. Wolfgang Löhr, c/o <strong>KV</strong>-Sekretariat.<br />
Kommissionsverlag: Verband alter <strong>KV</strong>er e.V., <strong>KV</strong>-Sekretariat, Postfach 10 16 80, 45746 Marl, Linder Weg 44, 45770 Marl, Telefon (02365) 5729010, Telefax (02365) 5729051, am@kartellverband.de.<br />
Anzeigenverwaltung: <strong>KV</strong>-Sekretariat, Anschrift wie oben. Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 15.<br />
Druck: Pomp, Bottrop.<br />
Die AM werden im Rahmen der Verbandszugehörigkeit allen Kartellangehörigen ohne besondere Bezugsgebühr geliefert.<br />
Redaktion: Prof. Dr. Wilhelm Schreckenberg (Ehrenvorsitzender), Dr. Wolfgang Löhr (Vorsitz und v.i.S.d.P), Thomas Drescher, Stefan Einecke, Siegfried Koß, Dr. Günter Georg Kinzel, Michael Kotulla,<br />
Hans-Joachim Leciejewski, Reinhard Nixdorf, Harald Stollmeier, Prof. Dr. Hans-Georg Wehling. Koordination: Thorsten Malessa.<br />
Die Akademischen Monatsblätter erscheinen zehnmal im Jahr. Es wird gebeten, Manuskripte an die oben genannte E-Mail-Adresse zu senden. Die Redaktion setzt das Einverständnis zu etwaigen<br />
Kürzungen und redaktionellen Änderungen voraus. Die mit Namen versehenen Beiträge geben die Meinung des Verfassers und nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Die Beiträge sind grundsätzlich<br />
in ehrenamtlicher Mitarbeit geschrieben. Der Abdruck ist nur mit Zustimmung der Redaktion gestattet.<br />
Hinweis nach § 4 Abs. 3 PD-SVD.<br />
Gegen das übliche Verfahren der Anschriften-Weitergabe durch die Deutsche Post AG kann der Zeitschriftenempfänger jederzeit Widerspruch beim <strong>KV</strong>-Sekretariat, Postfach 10 16 80, 45746 Marl, einlegen.<br />
ISSN 0002-3000<br />
Internet-Adresse: www.kartellverband.de / am@kartellverband.de<br />
Ausgabe 3/2006: Redaktionsschluss: 01.03.2006, Auslieferung: 13.04.2006<br />
Titelfoto und Fotos Titelthema: Norbert Bach
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 3<br />
Ist Fastnacht eine Herzenssache? Was ist überhaupt eine Herzenssache?<br />
Etwas, das mir wichtig ist, was mich anspricht, worauf ich<br />
nicht verzichten möchte.<br />
Immer wenn ich mit dem Zug nach Mainz fahre, gehe ich zu Fuß<br />
vom Bahnhof zum Dom über den Schillerplatz am Fastnachtsbrunnen<br />
vorbei. Und jedes Mal bleibe ich stehen, schaue und staune,<br />
was der Fastnachtsbrunnen zeigt. Narren und Gecken tanzen und<br />
springen und sind mit Leib und Seele dabei. Elferrat, Till, Musikanten<br />
und Tänzerinnen, 200 Figuren insgesamt, zeugen von Mainzer<br />
Fröhlichkeit.<br />
Aber ganz unten am Brunnen hockt der Geldbeutelwäscher noch<br />
kostümiert. Er hat sein ganzes Geld ausgegeben und wäscht nachdenklich<br />
sein leeres Portmonnaie. Nicht weit von ihm sitzt ein Kater.<br />
Der Katzenjammer ist oft folgenschwer, wenn ein Mädchen<br />
oder junger Mann in den tollen Tagen sein Herz unbedacht verloren<br />
hat. Und wenn das, was so froh begonnen hat – herzlos – endet.<br />
GEISTLICHES WORT<br />
Fastnacht – eine Herzenssache<br />
Gedanken zum Mainzer<br />
Fastnachtsbrunnen<br />
Wohlgemerkt: Geldbeutelwäscher und Kater sitzen ganz unten am<br />
Brunnen. Die fröhlichen Narren sind viel höher und dem Himmel<br />
näher dargestellt. Kater und Katzenjammer sind Missbrauch der<br />
Fastnacht und passen nicht zu einem frohen und echten Narren.<br />
Denn Fastnacht, ist Herzenssache, ist unbeschwerte Fröhlichkeit<br />
ohne bitteren Nachgeschmack. „So ein Tag, so wunderschön wie<br />
heute...“ – Freude und Glücksahnung, Glück, das man nicht festhalten<br />
kann, denn „ach wie bald entschwinden frohe Stunden ...“<br />
Sehnsucht nach Glück ist dem Menschen ins Herz gelegt. Die Freude<br />
in Gott ist unsere Kraft. Am tiefsten froh sind Menschen, die mit<br />
Gott verbunden sind. Nur so versteht man, warum im Gewimmel<br />
der Narren auf dem Fastnachtsbrunnen auch ein Mönch mit einem<br />
Kreuz, der heilige Martin, der den Mantel teilte und eine Figur mit<br />
gefalteten Händen zu sehen sind.<br />
Fastnacht ist Herzenssache, die über sich hinausweist, die nach<br />
oben offen ist wie ein Kelch. Richtige Fastnachtsgecken haben ein<br />
offenes Herz für den Herrgott und die Mitmenschen, für Freud und<br />
Leid, für Lachen und Tränen jeweils am richtigen Platz. Denen wird<br />
alles geschenkt, denen der Herrgott eine Herzenssache ist.<br />
Joseph Müller<br />
AM 03
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 4<br />
04 AM<br />
Titelthema: Julia Sudmann<br />
Ein Studium lo<br />
auch morgen n<br />
Trotz schlechter Wirtschaftslage haben Akademiker nach wie<br />
vor gute Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das<br />
bestätigte Dr. Bernhard Hohn bei einer Vortragsveranstaltung<br />
der KAD in Bonn. Um jedoch auch den Traumberuf ausüben zu<br />
können, müssen die Studierenden schon vor dem Abschluss<br />
Initiative zeigen.<br />
Der deutschen Wirtschaft geht es seit Jahren schlecht, und das<br />
macht sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Die anhaltend hohe<br />
Arbeitslosenquote macht jungen Menschen die Entscheidung<br />
schwer, welchen Berufsweg sie einschlagen wollen. Schließlich<br />
bietet der Traumberuf nicht zwangsläufig traumhafte Aussichten.<br />
Und Arbeitslosigkeit macht auch vor Akademikern nicht halt. Doch<br />
beim Blick auf den Anteil der Hochschulabsolventen unter den Arbeitslosen<br />
bewahrheitet sich: Ein Studium lohnt sich nach wie vor.<br />
Zu diesem Schluss kommt Dr. Bernhard Hohn von der Zentralstelle<br />
für Arbeitsvermittlung (ZAV). Auf Einladung der Katholischen Akademikerarbeit<br />
Deutschlands (KAD) stellte er in einem Vortrag im<br />
November in Bonn dar, wie die Chancen stehen, mit einem Universitäts-<br />
oder Fachhochschulabschluss auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu<br />
fassen, und welche Branchen auch für Akademiker derzeit kaum<br />
Perspektiven bieten.<br />
Mit gerade einmal vier Prozent lag die Quote der Arbeitslosen<br />
mit Hochschulabschluss 2004 im Vergleich zur Quote insgesamt<br />
(11,9 Prozent) extrem niedrig und nahe an der Vollbeschäftigung.<br />
Dieser Trend lässt sich in den vergangenen 30 Jahren durchgehend<br />
beobachten. Die Zahl der Arbeitslosen mit Lehre oder Fachschulabschluss<br />
lag im Vergleich dazu 2004 bei 9,9 Prozent und auf die<br />
vergangenen Jahrzehnte bezogen stets deutlich über der Quote der<br />
arbeitslosen Akademiker. „So gut wie Akademiker stehen keine anderen<br />
Gruppen am Arbeitsmarkt“, bestätigte auch Hohn. Zudem sei<br />
die Zahl der Arbeitslosen mit Hochschulabschluss seit zwei Jahren<br />
bereits wieder im Rückgang. „Umgekehrt melden die Betriebe wieder<br />
mehr Stellen für Akademiker.“ Ein Studium ist demnach offenbar<br />
immer noch eine Eintrittskarte in die Berufswelt.<br />
Bis heute stellen die Universitätsabschlüsse den mit Abstand größten<br />
Teil der akademischen Abschlüsse. 62,3 Prozent waren es etwa<br />
im Jahr 2003, gegenüber 28,5 Prozent Fachhochschulabschlüssen.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 5<br />
hnt sich<br />
noch<br />
TITELTHEMA<br />
Die Grafiken zu diesem Artikel stammen aus einer Präsentation der<br />
Bundesagentur für Arbeit bei der Katholischen Akademikerarbeit<br />
Deutschlands. Die vollständige Präsentation kann im Mitgliederbereich<br />
der <strong>KV</strong>-Internetseite www.kartellverband.de abgerufen<br />
werden.<br />
AM 05
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 6<br />
TITELTHEMA<br />
© 2005, BA-AMS<br />
06 AM<br />
Sonstige<br />
Hochschulen<br />
0,2 %<br />
Durchschnitt<br />
Bachelor<br />
FH-Diplom<br />
Uni.-diplom und<br />
entsprechende Abschlüsse<br />
Lehramt, 1. Staatsexamen<br />
Künstlerischer Abschluss<br />
Master<br />
Promotionen<br />
Andere Uni.-abschlüsse<br />
© 2005, BA-AMS<br />
Hochschulart: Knapp<br />
zwei Drittel absolvieren<br />
ein Universitätsstudium<br />
Alter: Im Schnitt<br />
verlassen Akademiker<br />
mit fast 29 Jahren die<br />
Alma Mater<br />
Danach folgten die Verwaltungs-Fachhochschulen<br />
(5,4%), Kunsthochschulen (2,4%) und Pädagogischen<br />
Hochschulen (1,2%). Dass sich an diesen Verhältnissen<br />
etwas ändern wird, ist bereits abzusehen.„Die FH-Abschlüsse<br />
wachsen an“, erklärte Bernhard Hohn. Zum<br />
Universität<br />
62,3 %<br />
Fachhochschule<br />
28,5 %<br />
Verwaltungs-FH<br />
Kunst- 5,4 %<br />
hochschule<br />
2,4 %<br />
Pädagogische<br />
Hochschule<br />
1,2 %<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
Stand: 2003<br />
einen reize die Studierenden der Praxisbezug des Studiums,<br />
zum anderen bauten die Fachhochschulen stärker<br />
aus als die Universitäten. Doch obwohl das paxisbezogene<br />
Studium und die frühen Kontakte zu den jeweiligen<br />
Branchen ein eindeutiger Vorteil sind, haben<br />
es die FH-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt den Zahlen<br />
zufolge schwerer als Absolventen mit Universitätsabschluss.<br />
Ein Grund dafür ist laut Hohn, dass mehr FH-<br />
Absolventen auf den Arbeitsmarkt strömen. Einen weiteren<br />
vermutet der Experte darin, dass Fachhochschulabsolventen<br />
vor allem ins mittlere Management<br />
streben und dieses derzeit verstärkt abgebaut wird.<br />
Auch bei den Universitätsabschlüssen tut sich einiges.<br />
Waren 2003 noch lediglich 1,1 Prozent aller Hochschulabschlüsse<br />
Bachelor- und 1,4 Prozent Master-Abschlüsse<br />
– während die Zahl der Uni-Diplome und vergleichbarer<br />
Abschlüsse bei 40,7 Prozent lag – wird sich dieses<br />
Verhältnis bald grundlegend ändern. Und mit dem<br />
Ausbau der BA- und MA-Studiengänge, wird sich auch<br />
die Studiendauer künftig verkürzen. Denn derzeit dauert<br />
25,9<br />
28,8<br />
28,0<br />
28,3<br />
28,4<br />
28,6<br />
30,4<br />
33,0<br />
35,5<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
Stand: 2003<br />
es im Durchschnitt noch fünf bis sechs Jahre bis zum<br />
erfolgreichen Examen. Und weil Studenten in zunehmendem<br />
Maße vor dem Studium zunächst eine Ausbildung<br />
absolvieren, ist das Durchschnittsalter der Absolventen<br />
mit 28,8 Jahren im internationalen Vergleich<br />
recht hoch. „Dabei sind allerdings die Promotionen mit<br />
eingerechnet“, reiativierte Hohn. Den Trend, dem Studium<br />
eine Ausbildung vorauszuschicken, bewertete er<br />
als „durchaus gelungene Strategie“.<br />
Eine Schere tut sich beim Vergleich der beliebtesten<br />
Studienfächer mit den auf dem Arbeitsmarkt gefragtesten<br />
Abschlüssen auf: Während die Studenten des mit<br />
Abstand begehrtesten Fachs Betriebswirtschaftslehre<br />
sowie auch die zweitplatzierten Mediziner noch recht<br />
gute Aussichten haben, gleich nach dem Abschluss –<br />
einen Job zu finden, liegt auch eine Branche unter den<br />
Top Ten, in der Arbeitsplätze äußerst rar sind – die Architektur.<br />
„Architekten sind von eklatanter Arbeitslosigkeit<br />
bedroht“, warnte der Fachmann. Nur auf Platz<br />
sechs findet sich dagegen ein Studienfach, das wiederum<br />
gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet:<br />
Maschinenbauwesen. Weitere Ingenieursstudiengänge<br />
sowie die Biologie haben es gar nur ans Ende der ersten<br />
Zehn geschafft. Hohn betrachtet das mit Sorge.<br />
„Meines Erachtens ist mit der Reihenfolge etwas nicht<br />
in Ordnung“, sagte er. Denn gerade Ingenieure würden<br />
gebraucht. Zudem bieten Ingenieursstellen mehr Sicherheit,<br />
wie die Statistik der Stellen, die befristet ausgeschrieben<br />
werden, zeigt. Bei verschiedenen Ingenieursberufen<br />
und in der IT-Branche bewegen sich die<br />
Zahlen um oder sogar unter zehn Prozent. Hochschulund<br />
Fachhochschullehrer haben demgegenüber mit etwa<br />
drei Viertel (76,3 Prozent) einen extrem hohen Anteil<br />
befristeter Stellen. Ebenfalls weit oben in der Liste:<br />
Sozialpädagogen (64,4%), Sozialarbeiter (60,6%), Chemiker<br />
(46,7 %), Grund- und Hauptschullehrer (45,1%),<br />
Psychologen (42,9%) und Fachschul- und Berufsschullehrer<br />
(42,5%). Wer in diese Berufe strebt, sollte sich<br />
also darüber im Klaren sein, dass ihm große Flexibilität<br />
abgefordert wird.<br />
Anlass zur Sorge gibt auch, dass es besonders die jungen<br />
Akademiker sind, die Schwierigkeiten haben, eine<br />
Anstellung zu finden. Denn die Statistik, die die Gruppe<br />
der unter 30-Jährigen mit gerade einmal 14 Prozent der<br />
arbeitslosen Akademiker angibt, während alle anderen<br />
Altersgruppen sich um die 28/29 Prozent einpendeln,<br />
täuscht: Es sind schlicht nicht so viele junge Menschen<br />
mit Hochschulabschluss am Markt, klärte Hohn in seinem<br />
Vortrag auf. In den vergangenen Jahren ist die<br />
Arbeitslosigkeit bei den unter 30-Jährigen im Gegenteil<br />
sogar drastisch gestiegen, was sich vor allem mit der<br />
mangelnden Berufserfahrung erklären lässt. Hohn rät<br />
daher dringend dazu, sich schon während des Studiums<br />
um praktische Erfahrungen zu bemühen. Praktika und<br />
Diplomarbeiten in den jeweiligen Branchen bieten dazu<br />
Gelegenheit. Und, so der Experte, spätestens im Hauptstudium<br />
sei es an der Zeit, sich auf eine Grundrichtung<br />
festzulegen, die für einen späteren Arbeitgeber auch zu<br />
erkennen sei.<br />
Generell gilt laut Hohn, dass die klassischen Branchen<br />
wie Automobilindustrie und Maschinenbau nach wie<br />
vor die tragenden Säulen des Arbeitsmarktes sind –
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 7<br />
auch des Akademiker-Arbeitsmarktes. Die meisten<br />
Stellenangebote, die bei der Bundesagentur für Arbeit<br />
(BA) eingehen, kommen mit 52,1 Prozent aus Personalvermittlungs-<br />
oder Zeitarbeitsfirmen. „Aus der öffentlichen<br />
Verwaltung kommt zwar noch relativ viel, aber die<br />
Angebote sind rückläufig“, schilderte Hohn. Einen noch<br />
stärkeren Rückgang gebe es allerdings mit minus<br />
8,6 Prozent im Gesundheitswesen.<br />
Während bei der BA technische Berufe die Liste der<br />
offenen Stellen anführen, liegen bei den Zeitungsanzeigen<br />
Hochschulen und Forschungseinrichtungen weit<br />
vorne. Dennoch sollten Arbeitssuchende keine Möglichkeit<br />
der Jobsuche auslassen und neben Arbeitsvermittlung<br />
und Annoncen auch das Internet und Mundpropaganda<br />
miteinbeziehen.<br />
Schwierig wird es, wenn es darum geht, die Anforderungen<br />
der Arbeitgeber zu erfüllen. Wie Hohn bestätigte,<br />
wird da oftmals die berühmte Eier legende Wollmilchsau<br />
gesucht. Der Bewerber sollte nicht nur auf<br />
seinem Fachgebiet über gutes bis sehr gutes Wissen<br />
verfügen, sondern möglichst breit gebildet sein. Zudem<br />
wünschen sich Firmen junge Akademiker mit passender<br />
Berufserfahrung. Hinzu kommen unspezifische Fachkompetenzen<br />
wie wirtschaftliches Grundverständnis,<br />
Englisch- oder anderen Fremdsprachenkenntnisse und<br />
Computerwissen. Und die so genannten Soft Skills –<br />
Mobilität, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit,<br />
selbstständiges Arbeiten und am besten auch<br />
noch bescheidene Einkommenswünsche. Gerade den<br />
letzten Punkt nutzten Unternehmen in zunehmendem<br />
Maße aus, wie Hohn zu Bedenken gab. Denn immer<br />
häufiger würden ganze Projekte und Arbeitsbereiche<br />
schlecht oder gar nicht bezahlten Langzeitpraktikanten<br />
übergeben. „Die Zahl der Praktikumsplätze für Akademiker<br />
ist raketenhaft gestiegen.“ Doch außer moralischen<br />
Appellen an die Unternehmer hätte man in diesem<br />
Punkt keine Handhabe, so Hohn. Und in Sachen<br />
Mobilität machte der Arbeitsvermittler deutlich, dass<br />
eine gute Stelle eben oftmals einen Umzug erforderlich<br />
macht. Schließlich gibt es die meisten Angebote in den<br />
Ballungsräumen. Ganz vorne stehen dabei Städte wie<br />
Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. So wurden<br />
von Januar bis September dieses Jahres etwa in München<br />
mit nahezu 3.000 offenen Stellen für Akademiker<br />
rund fünf Mal so viele Jobs angeboten wie in Saarbrücken,<br />
Essen oder Magdeburg. Studierenden, die in<br />
absehbarer Zeit ihren Abschluss machen werden, gab<br />
der Experte noch einen Tipp mit auf den Weg: „Es ist<br />
nicht unüblich, dass die Unternehmer auf einer Messe<br />
offen sind für Gespräche über Stellen.“ Das gelte nicht<br />
nur für die als Rekrutierungsmessen gedachten Absolventenkongresse,<br />
sondern auch für Fachmessen. Der<br />
Jobsuchende sollte einfach eine Bewerbungsmappe<br />
mitnehmen und interessanten Firmen seinen Lebenslauf<br />
da lassen. Aber auch die Ausstellerverzeichnisse<br />
für solche Messen könnten auf der Suche nach einem<br />
Arbeitsplatz nützlich sein, da sie alle Adressen und Informationen<br />
über die Aussteller enthalten. Außerdem gibt<br />
3 Jahre oder kürzer<br />
länger als 8 Jahre<br />
© 2005, BA-AMS<br />
ohne Angabe<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
4,0 %<br />
5,5 %<br />
6,6 %<br />
9,2 %<br />
13,2 %<br />
Ohne Verwaltungswissenschaften<br />
es unter den Internetadressen www.deutschland.de<br />
(Stichwort: Wirtschaft) oder auch www.regis-online.de<br />
regionale Unternehmensdatenbanken, in denen sich auch<br />
kleinere Unternehmen finden lassen. Bernhard Hohn<br />
wies darauf hin, dass es sich lohnen kann, in die Arbeitssuche<br />
einiges an Zeit und Mühe zu investieren. Denn:<br />
„Die Suche nach einem Job ist quasi der erste Job, den<br />
Sie machen. Sehen Sie es als Herausforderung.“<br />
© 2005, BA-AMS<br />
Informationen zur Jobsuche für Akademiker gibt es im<br />
Internet unter www.ba-bestellservice.de (Suchwort:<br />
Akademiker) oder über die Seite der Bundesagentur für<br />
Arbeit www.arbeitsagentur.de (Informationen für Arbeitnehmer,<br />
Bestimmte Personengruppen, Akademiker).<br />
Hintergründe zu den Chancen in diversen Branchen finden<br />
sich auf der Seite www.uni-magazin.de.<br />
Lehrer Hoch-, höhere Fachhoschule<br />
Sozialpädagogen<br />
Sozialarbeiter<br />
Chemiker<br />
Grund-, Hauptschullehrer<br />
Psychologen<br />
Fachschul-, Berufsschulehrer<br />
Juristen<br />
Deutschland<br />
Architekten<br />
Ärzte<br />
Bauingenieure, allgemein<br />
Betriebswirte<br />
Informatiker<br />
Apotheker<br />
Elektroingenieur<br />
Programmierer<br />
Wirtschaftsingenieure<br />
Übrige Fertigungsingenieure<br />
Maschinenbauingenieure<br />
IT-Vertriebsfachleute<br />
6,4 %<br />
10,5 %<br />
10,3 %<br />
10,1 %<br />
10,1 %<br />
9,6 %<br />
13,1 %<br />
24,8 %<br />
23,2 %<br />
21,8 %<br />
27,3 %<br />
27,1 %<br />
30,3 %<br />
© 2005, BA-AMS Zugänge Januar bis September, Top 20<br />
TITELTHEMA<br />
15,2 %<br />
42,9 %<br />
42,5 %<br />
41,3 %<br />
46,7 %<br />
45,1 %<br />
21,0 %<br />
25,4 %<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
Stand: 2003<br />
Studiumdauer bis zum<br />
erfolgreichen Examen:<br />
5 oder 6 Jahre sind<br />
üblich<br />
Top Ten der Studienfächer:<br />
Die meisten<br />
Absolventen sind<br />
Betriebswirte<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
Stand: 2003<br />
Ein Drittel der offenen<br />
Stellen für Akademiker<br />
sind befristet<br />
60,6 %<br />
64,4 %<br />
76,3 %<br />
Quelle: BA<br />
Stand: 30.09.2005<br />
AM 07
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 8<br />
<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />
08 AM
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 9<br />
<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />
AM 09
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 10<br />
DAS INTERVIEW<br />
10 AM<br />
Lebenslauf<br />
Name: Heiner Timmermann<br />
Geb.: 26. 4. 1940 in Duisburg<br />
Bildung und Beruf: 1947 – 1955: Volksschule in Duisburg<br />
1955 – 1962: Verwaltungslehre und -tätigkeit bei der<br />
Allgemeinen Ortskrankenkasse Dinslaken/Niederrhein<br />
1960 – 1964: Abendgymnasium der Stadt Duisburg<br />
1964: Abitur<br />
Ziviler Status: Verh., 4 Kinder; röm.-kath<br />
Studium: Geschichte, Englisch, Philosophie, Pädagogik, Geographie<br />
an den Universitäten Köln, Bonn, Tübingen,<br />
Newcastle-upon-Tyne<br />
Sprachen: Englisch, Latein<br />
Heiner Timmermann<br />
Lehre und Forschungsaufenthalte:<br />
Trinity College Dublin; Universitäten Harvard und Yale<br />
(USA); Universität Hull (Großbritannien); Bodleian<br />
Library Oxford; Bibliothek des Britischen Museums;<br />
London School of Economics and Political Sciences,<br />
Public Record Office, London; Nuffield College Oxford;<br />
UNO-Bibliothek und -archiv, New York; Archiv des<br />
Council on Religion and International Affairs, New York;<br />
Ullstein-Bildarchiv, Berlin; Zentrales Parteiarchiv der<br />
SED; Archiv des Außenministeriums der Russischen<br />
Föderation<br />
Akademische Grade:<br />
Dr. phil., Universität Tübingen; Dr. phil., Universität<br />
Krakau; Honorarprofessor für die neue und neueste<br />
Geschichte Europas an der Universität Jena; Honorarprofessor<br />
an der Wirtschaftsuniversität Budapest;<br />
Visiting-Professor an den Universitäten Sundsvall und<br />
Moskau für Europäische Studien;<br />
Ausgeübter Beruf: Professor an den Universitäten Jena und Budapest,<br />
Visiting-Professor an den Universitäten Sundsvall und<br />
Moskau; Vorstandsvorsitzender der Akademie Rosenhof,<br />
Weimar; Mitherausgeber der Zeitschrift „EUROjournal,<br />
Prag<br />
AM<br />
Lieber Kartellbruder, Du bist seit vielen Jahrzehnten<br />
<strong>KV</strong>er, gehörst der Rechberg Tübingen und der<br />
Winfriedia Köln an. Was war seinerzeit der Grund<br />
Für Dich, Korporationsstudent zu werden?<br />
Timmermann<br />
Seit meiner Zeit als Messdiener war ich in der<br />
katholischen Jugend engagiert. Ein Freund, der<br />
schon <strong>KV</strong>er war, nahm mich mit zur Winfridia Köln.<br />
Die Atmosphäre, die Leute, das Programm gefielen<br />
mir. So wurde ich <strong>KV</strong>er.<br />
AM<br />
Was bedeutet Dir heute noch der <strong>KV</strong>?<br />
Timmermann<br />
AH sein, heißt einen Generationenvertrag zu erfüllen.<br />
Darüber hinaus hätte ich manche Studienfreunde,<br />
wenn die Organisation nicht wäre, sicherlich aus den<br />
Augen verloren.<br />
Als engagiertes Katholik finde ich es dienlich, dieses<br />
Engagement durch die lebenslange Mitgliedschaft<br />
auch in einem kath. Verband zu tun.<br />
AM<br />
Du schaust auf ein langes berufliches und wissenschaftliches<br />
Leben zurück. Von Ruhestand kann bei<br />
Dir noch keine Rede sein. 27 Jahre warst Du in der<br />
Leitung der Europäischen Akademie Otzenhausen.<br />
Kannst Du uns Diese Einrichtung kurz vorstellen?<br />
Timmermann<br />
Die Europäische Akademie Otzenhausen, 1954<br />
gegründet, ist eine Einrichtung zur Förderung der<br />
Europäischen Integration, für Grundfragen der politischen<br />
Bildung und der deutsch-französischen<br />
Freundschaft.<br />
AM<br />
Du selbst hast innerhalb dieser Akademie 1991 das<br />
Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut mitbegründet.<br />
Schwerpunkt Deiner Arbeit hier war die<br />
DDR-Forschung. Dem ging – mehr als Zufall – 1984<br />
eine Begegnung mit Erich Honnecker voraus. Wie<br />
kam es dazu?<br />
Timmermann<br />
Schwerpunkte dieses SFI, das im August 2005 aufgelöst<br />
wurde, waren:<br />
– Analyse von Wandlungsprozessen der europäischen<br />
Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart<br />
– Geschichts- und Politikforschung im europäischen<br />
Vergleich
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 11<br />
– Analyse der Europäischen Integration<br />
– Analyse der transatlantischen Beziehungen<br />
– Management von Forschung und Entwicklung<br />
– Kulturbeziehungsforschung<br />
– Demokratieforschung<br />
– DDR-Forschung<br />
Zur Begegnung mit Honecker:<br />
Seit 1982 führte ich Informations- und Begegnungsreisen<br />
für Abiturienten und Lehrer aus dem Saarland<br />
und Rheinland-Pfalz in die DDR durch. Im Rahmen<br />
der Vorbereitung einer Reise im Mai 1984 fragte ich<br />
bei Honecker an, ob er zu einem Informationsgespräch<br />
mit Abiturienten aus Merzig/Saarland bereit<br />
wäre. Innerhalb Tage weniger Tage erhielt ich seine<br />
Zustimmung zu diesem Gespräch.<br />
AM<br />
Hat Dir diese Begegnung die Archive der DDR vor<br />
und nach der Wende geöffnet?<br />
Timmermann<br />
Vielleicht vor der Wende; denn ich war im Februar<br />
und März 1989 im SED-Parteiarchiv. Nach der Wende<br />
gab es einheitliche Regelungen.<br />
AM<br />
Lange vor der DDR-Forschung hast Du Dich schon<br />
Ende der 70er Jahre mit dem deutsch-polnischen<br />
Verhältnis befasst und Dich sogar 1993 als erster<br />
deutscher Historiker nach dem Krieg an der Universität<br />
Krakau habilitiert. Siehst Du auf Grund Deiner<br />
Erfahrungen das deutsch-polnische Verhältnis als<br />
stabil an, oder was müsste getan werden?<br />
Timmermann<br />
Von den Grundgegebenheiten ist das deutsch-polnische<br />
Verhältnis stabil. Dennoch ist es labil, wenn<br />
in Wahlkämpfen jeweils polnische und deutsche<br />
Rechtsparteien um die letzten Wähler kämpfen. Die<br />
Polen sollten mehr beachten, dass die Rechten in<br />
Deutschland keinen politischen Einfluss haben. Die<br />
Rechtsparteien in Polen sollten vermeiden, die rechten<br />
Randparteien in Deutschland für ihre eigennützigen<br />
Interessen zu instrumentalisieren. Ein offenes<br />
Wort: Ein zentrales Denkmal für die Vertriebenen in<br />
Deutschland – sorgfältig, informativ, real, ohne<br />
Revanche- und/oder Restributionsambitionen eingerichtet<br />
– ist allein wegen der Opfer längst überfällig.<br />
AM<br />
Wer Deine Vita liest, verfolgt atemlos Deine wissenschaftlichen<br />
Aktivitäten: Forschungsarbeiten in<br />
Tschechien, Russland, Großbritannien, USA, Belgien,<br />
Deutschland; Honorarprofessuren in Jena,<br />
Moskau und Sundsvall (Schweden), Forschungen zu<br />
DAS INTERVIEW<br />
WissenschaftlicheVortrags- und Archivreisen:<br />
Juni 1985: Universität Krakau<br />
Oktober 1985: Universitäten Southampton, Wolverhampton,<br />
Bristol und Durham<br />
April 1986: Lehrerakademie Marseille, Universität<br />
Aix-en-Provence<br />
Mai 1987: Akademie der Wissenschaften der DDR,<br />
Zentralinstitut für Geschichte<br />
April 1988: Akademie der Wissenschaften der DDR,<br />
Zentralinstitut für Geschichte, Zentralinstitut für Wirtschaftswissenschaften<br />
September 1988: Akademie der Wissenschaften der<br />
DDR, Zentralinstitut für Geschichte, Zentralinstitut für<br />
Wirtschaftswissenschaften, Institut für Allgemeine<br />
Geschichte<br />
Oktober 1988: Lehrerakademie Grado (Italien)<br />
Februar – März 1989: Zentrales Parteiarchiv der SED<br />
(Berlin-Ost) Akademie der Wissenschaften der DDR:<br />
Zentralinstitut für Geschichte; Universitäten: Halle,<br />
Leipzig, Greifswald, Humboldt (Berlin-Ost)<br />
Mai 1989: Lehrerakademie Genua, Lehrerakademie<br />
Marseille, Universität Aix-en-Provence<br />
Juni 1989: Zentrales Parteiarchiv der SED<br />
Juni 1989: Vortragsrundreise durch die USA<br />
September 1989: Public Record Office, London<br />
Oktober 1989: Universität Lublin, Katholische Universität<br />
Lublin<br />
Oktober 1989: Ungarisches Institut für Internationale<br />
Angelegenheiten, Ungarische Akademie der Wissenschaften,<br />
Universität Budapest, Wirtschaftsuniversität<br />
Budapest<br />
November 1989: Universität Krakau<br />
Dezember 1989: Universität Jena<br />
April 1990: Akademie der Wissenschaften der DDR,<br />
Zentralinstitut Wirtschaftswissenschaften, Institut für<br />
Soziologie und Sozialpolitik; Zentrales Parteiarchiv<br />
der SED<br />
Oktober 1990: Ungarisches Staatsarchiv, Wirtschaftsuniversität<br />
Budapest, Universität Budapest, Ungarische<br />
Akademie der Wissenschaften, Ungarisches Institut für<br />
Internationale Angelegenheiten<br />
Oktober 1990: Universität Greifswald<br />
März 1991: Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung<br />
(Berlin)<br />
Juni 1991: Universität Halle<br />
Februar, Juni, Oktober 1992: Brüssel<br />
März 1993: Brüssel<br />
Mai 1993: Wirtschaftsuniversität Budapest, Ungarisches<br />
Institut für Internationale Angelegenheiten<br />
Mai 1993: Universität Krakau<br />
Juni 1993: Brüssel<br />
August 1993: Public Record Office, London<br />
Dezember 1993: Wirtschaftsuniversität Budapest, Ungarisches<br />
Institut für Internationale Angelegenheiten<br />
Dezember 1993: Fachhochschule für Verwaltung, Weimar<br />
Februar, Juni, November 1994: Brüssel<br />
März 1994: Universität Krakau<br />
Mai 1994: Mittelschwedische Universität Sundsvall<br />
Juni 1994: Wirtschaftsuniversität Budapest<br />
Oktober 1994: International University Moskau, Akademie<br />
für Diplomatie, Moskau<br />
März/April 1995: Schlesische Universität Kattowitz<br />
April 1995: International University, Moskau<br />
Mai 1995: Wirtschaftsuniversität Budapest<br />
Juni 1995: Universität Krakau<br />
Juni 1995: Universität Sundsvall<br />
AM 11
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 12<br />
DAS INTERVIEW<br />
12 AM<br />
März und November 1996: Brüssel<br />
Oktober 1996: International University, Moskau<br />
Juni 1999: Brüssel<br />
Oktober 1999: Prag, Brüssel, Innsbruck<br />
März 2000: Brüssel<br />
Juli 2000: Brüssel<br />
Juni 2000: Budapest<br />
März 2001: Brüssel<br />
Mai 2001: Wirtschaftsuniversität Budapest, Institut für<br />
Internationale Beziehungen Budapest,<br />
Oktober 2001: Universität Innsbruck<br />
Oktober 2001: Brüssel<br />
Mai 2002: Universität Krakau<br />
Juni 2002: Brüssel<br />
Februar, Mai, November 2003: Brüssel<br />
Juni 2003: Universität Krakau<br />
März und Oktober 2004: Universität Guam<br />
Mai 2004: Universität Innsbruck<br />
Oktober 2004: Universitäten Yonsei und Sogang, Seoul,<br />
Korea<br />
Mai 2005: Universitäten in Seoul und Pusan, Korea<br />
Juni 2005: Universität Guam<br />
November2005: Universitäten und Institute in Seoul,<br />
Koea<br />
Felder der Forschung und Lehre:<br />
Europäische Integrationsgeschichte; Aufarbeitung der<br />
DDR-Geschichte Internationale Beziehungen im 20.<br />
Jahrhundert; die Idee Europa in Geschichte und Gegenwart;<br />
die Erweiterung transatlantischer und wegungen<br />
in Europa seit dem 18. Jahrhundert; Europäische Geschichte<br />
im 19. und 20. Jahrhundert; deutsch-polnische<br />
Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart;<br />
deutsch-ungarische Beziehungen in Vergangenheit und<br />
Gegenwart; europäisch-amerikanische Beziehungen im<br />
19. und 20. Jahrhundert; Deutsche Geschichte im 19.<br />
und 20. Jahrhundert; die Deutsche Frage und Europa<br />
vom 16. Jahr hundert bis zum 20. Jahrhundert, der Kalte<br />
Krieg Europäische Verfassung, Erweiterung der Europäischen<br />
Union<br />
Auszeichnungen: Merentibus Medaille der Universität Krakau, 1989<br />
International President‘s Award, Lions International, 1997<br />
Hommage des Lions de France, 1998<br />
United States Army in Europe, 1999<br />
Bundesverdienstkreuz am Bande, 2000<br />
Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen<br />
2001<br />
Mitgliedschaften und Ehrenämter:<br />
Seit 1964: Mitglied im Kartellverband Katholischer<br />
Studentenvereine<br />
Seit 1966: Christlich-Demokratische Union Deutschlands<br />
Seit 1978: Europa-Union Deutschland<br />
1983: Lions International<br />
1996/97: District-Governor, Mitte-Süd-Deutschland<br />
1997/98: Vorsitzender des Deutschen Governorrates<br />
Seit 1984: Gesellschaft für Deutschlandforschung;<br />
1996: Mitglied im Vorstand der Gesellschaft<br />
für Deutschlandforschung<br />
den transatlantischen Beziehungen und der Sicherheitspolitik,<br />
aber auch zu dem deutsch-französischen<br />
Miteinander. Diese Vielfalt ist selten. Wie<br />
kam es dazu?<br />
Timmermann<br />
Es entstand, es wurde. Der Historiker muss in die<br />
Archive. Ich habe seit 1978 mehr als 400 Internationale<br />
Kongresse, Konferenzen, Kolloquien konzipiert,<br />
organisiert und durchgeführt. Da lernt man Kollegen<br />
kennen. Der Austausch von Informationen setzt die<br />
Begegnung und Kommunikation voraus. Wer in<br />
einem Bundesland an der deutsch-französischen<br />
Grenze fast 30 Jahre arbeitete, musste sich mit dem<br />
deutsch-französischen Verhältnis auseinandersetzen.<br />
Dieses kann man phasenweise als Modell für<br />
die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu<br />
den Ländern Mittel- und Osteuropas bemühen. Die<br />
neueste Entwicklung: Ich bin Mitglied eines wissenschaftichen<br />
Gremiums in Südkorea, dass sich mit<br />
der Vereingiung von Nord- und Südkorea beschäftigt.<br />
AM<br />
In einem Presseportrait wirst Du mit den Worten<br />
zitiert: „Ich komme leichter an Polen als an Franzosen.<br />
Es gibt keine so scharfe Sprachgrenze in<br />
Europa wie zwischen Deutsch und Französisch.“<br />
Liegen diese Grenzen nur in der Sprache?<br />
Timmermann<br />
Ja, so denke ich. Umso erfreulicher ist es, dass das<br />
deutsch-französische Jugendwerk nach wie vor<br />
große Anstregungen unternimmt, um diese Grenze<br />
zu überwinden.<br />
AM<br />
Ist Deine wissenschafliche Ruhelosigkeit nur in<br />
Deiner Neugier begründet oder sind die Problembereiche<br />
noch nicht abgearbeitet?<br />
Timmermann<br />
Ich bin immer ruhig gewesen, verfüge über eine innere<br />
Autorität und Unabhängigkeit. Doch entdecke<br />
ich pausenlos Forschungsdesiderata, die man sehen<br />
muss, wenn man sich mit den Sachgegenständen<br />
auseinandersetzt.<br />
AM<br />
Ein großes Projekt von Dir ist das „Lexikon des Kalten<br />
Krieges“, wofür Du schon 15000 Namen und<br />
15000 Begriffe zusammengetragen hast. Wird diese<br />
Thematik erstmals in einem Lexikon aufgearbeitet?<br />
Timmermann<br />
Ich gehe davon aus, dass dieses Werk im Jahr<br />
2006/2007 erscheinen wird.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 13<br />
AM<br />
Gibt es bei soviel wissenschaftlicher Tätigkeit eigentlich noch<br />
den Privatmann Heiner Timmermann, der zum Beispiel eine Veranstaltung<br />
der Rechberg besucht?<br />
Timmermann<br />
Ich bin in den letzten Jahren leider nur ab und zu bei Rechberg,<br />
bin dennoch diesem Bund eng verbunden, habe mit Bundesbrüdern<br />
regen Kontakt. Das wird sich in Zukunft ändern; denn ich<br />
habe fest vor, meine Rechberg in Zukunft öfter zu besuchen. Ich<br />
bin auch noch Winfride in Köln. Auch diesen Kontakt habe ich<br />
nie abreißen lassen.<br />
Den Privatmann Heiner Timmermann hat es immer gegeben.<br />
Meine Frau und ich haben engen Kontakt zu unseren vier Kindern<br />
und fünf Enkeln, besuchen unsere in Guam lebenden zwei<br />
Töchter, unseren bei Augsburg wohnenden ältesten Sohn. Den<br />
in der Nähe wohnenden anderen Sohn sehen wir ständig.<br />
AM<br />
Zum Schluss noch eine persönliche Erfahrung: Du warst Messdiener<br />
in der KHG an der Uni Tübingen bei den heutigen Widerstreitern<br />
Hans Küng und Josef Ratzinger. Letzterer ist heute<br />
Papst, ein <strong>KV</strong>er wie Du und ich. Mit Hans Küng hast Du noch<br />
Anfang des Jahres bei einem Forum zusammengearbeitet.<br />
Siehst Du in der Begegnung zwischen dem Papst und Küng eine<br />
Trendwende, und was erwartest Du insgesamt von dem neuen<br />
Papst?<br />
Timmermann<br />
Hans Küng ist ein großer Theologe und Philosoph, Josef Ratzinger<br />
nicht minder. Mit der von Hans Küng initiierten Stiftung<br />
„Weltethos“ arbeite ich zusammen, hatte im Mai 2004 in Innsbruck<br />
eine große Konferenz, im Februar 2005 in der Europäischen<br />
Akademie Otzenhausen ein internationales Kolloquium.<br />
Es kann sein, dass atmosphärische Störungen durch das Gespräch<br />
entkrampft wurden. Man hatte vereinbart, so die Presse,<br />
dass unterschiedliche Auffassungen über theologische Fragen<br />
nicht thematisiert werden sollten und wurden.<br />
Wozu brauchen wir eine Trendwende? Es kann doch nicht sein,<br />
dass wir Leuten wie Drewermann oder Hasenhüttl hinterherlaufen!<br />
Die katholische Kirche ist Weltkirche und kann sich<br />
nicht nach Lehrmeinungen richten, die aus einem Fußballverein<br />
einen Schwimmverein machen wollen, um im Bild zu sprechen.<br />
Ich leide nicht an der Kirche. Ich gehöre ihr freiwillig an. Sie<br />
zwingt keinen zur Mitgliedschaft.<br />
AM<br />
Danke für das Gespräch!<br />
Die Fragen stellte Michael Kotulla.<br />
DAS INTERVIEW<br />
Anzeige<br />
AM 13
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 14<br />
AKTIVITAS<br />
14 AM<br />
Flandrische Pilger in Köln<br />
Eine Nachlese zum Weltjugendtag<br />
196 Nationen waren beim Weltjugendtag in Köln<br />
zu Gast - das hieß, dass für 400.000 Pilger ein<br />
Quartier gefunden werden musste. Da ließen sich<br />
die Winfriden nicht lange bitten und boten umgehend<br />
ihren Aufenthaltsraum als Bleibe an. Das<br />
hörte Kb Rony Hermans (Pfarrer in St.Albertus<br />
Magnus) gern, fühlte er doch, dass seine belgischen<br />
Landsleute bei uns gut aufgehoben wären.<br />
Also ward es beschlossen, und so fanden sich<br />
nicht nur 750 Belgier, sondern auch die Aktiven<br />
Martin Bücker, Dirk Lennartz und Christian Sandkuhle<br />
am „Krieler Dom“ ein, um die Gäste für die<br />
kommende Woche willkommen zu heißen. Zehn<br />
nach langer Busfahrt todmüde, aber trotzdem gut<br />
gelaunte und auf Köln gespannte Belgier ließen<br />
sich erst einmal von Herrn Bohse, unserem Hausmeister,<br />
mit frisch gekochtem Kaffee wiederbeleben,<br />
bevor sie bei uns ihr Quartier für die kommende<br />
Woche bezogen. Das harte Programm der<br />
folgenden Tage nötigte uns ehrlichen Respekt ab<br />
– doch die gute Betreuung der Aktiven, die unsere<br />
Gäste morgens mit frischen Brötchen versorgten<br />
und Herrn Bohse, der den Kaffee beisteuerte,<br />
sorgte stets für einen guten Start in den Tag.<br />
Nachdem sich die Belgier und Winfriden zunächst<br />
sehr freundlich, aber vorsichtig beschnuppert hatten,<br />
erwies sich das Abschiedsgrillen von Moritz<br />
Pöllath, der sich für neun Monate nach Hawaii<br />
verabschiedete, als ideale Gelegenheit, um sich<br />
bei Kölsch und Bratwürstchen besser kennen zu<br />
lernen. Schnell wurde noch ein Kasten Bier in die<br />
Kühlung gestellt, wurden im Supermarkt Hähnchenschenkel,<br />
Koteletts und Würstchen besorgt –<br />
und schon bald saßen Belgier und Winfriden in<br />
fröhlicher Runde im Garten beisammen. Mit jedem<br />
Bier fiel die Kommunikation leichter – und<br />
die Frage, wer eigentlich das bessere Bier braut,<br />
fand eine wahrhaft salomonische Lösung: Wir<br />
waren uns schnell einig, dass französische Biere<br />
untrinkbar seien. Dass der Kicker fröhlich bis spät<br />
in die Nacht bei wechselndem Erfolg klackerte,<br />
störte niemanden. Stattdessen bedauerten alle,<br />
dass die Woche nicht nur mit der Papstmesse auf<br />
dem Marienfeld, sondern insgesamt ihrem Ende<br />
entgegenging. Gäste und Gastgeber hatten sich<br />
jedenfalls ins Herz geschlossen, die begeisternde<br />
Atmosphäre des Weltjugendtages war auch in der<br />
Winfridia lebendig. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen<br />
in Belgien.<br />
Christian Sandkuhle (Winfridia-Köln)<br />
75 Jahre Salzburger Hochschulwochen –<br />
in der Mozartstadt ist „Gott im Kommen“<br />
AGV lädt katholische Studenten ein<br />
Vom 31. Juli bis 6. August finden die Salzburger Hochschulwochen 2006 statt. Die Sommerakademie<br />
kann in diesem Jahr auf ihr 75jähriges Bestehen zurückblicken. Für das Jubiläumsjahr wurde ein<br />
gerade für junge Menschen aktuelles und kirchlich wie auch gesellschaftlich sehr relevantes Thema<br />
gewählt: „Gott im Kommen“. In Vorlesungen, Seminaren und Workshops soll die Thematik aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln behandelt werden.<br />
Neben den Vorträgen und Seminaren mit kompetenten und prominenten Referenten, einem glanzvollen<br />
Pontifikalamt mit dem Salzburger Erzbischof im Dom und einer Festakademie mit dem bekannten<br />
Regisseur Wim Wenders als Redner am Abschlusstag gibt es ein interessantes kulturelles und<br />
liturgisches Rahmenprogramm.<br />
Studierende erhalten einen Freiplatz, also ein „Stipendium“, bei dem die Teilnehmer lediglich die<br />
Kosten für An- und Abreise selbst tragen müssen. Unterkunft und Verpflegung werden von den Trägern<br />
der Hochschulwochen finanziert, die Teilnehmergebühren in Höhe von 55,- € pro Person für die ersten<br />
20 Anmeldungen aus ihren Mitgliedsverbänden übernimmt die AGV.<br />
Interessierte Studierende aus den Mitgliedsverbänden der AGV wenden sich bitte an ihren Vorort oder<br />
direkt an die AGV (eMail: info@agvnet.de). Weitere Informationen über die Salzburger Hochschulwochen<br />
auch direkt aus dem Internet: www.salzburger-hochschulwochen.at.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 15<br />
<strong>KV</strong>-AKADEMIE<br />
AM 15
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 16<br />
AKTIVITAS<br />
Bb Alvaro Parra mit dem Abraxas<br />
Rheinpreussen Farbenkrug.<br />
16 AM<br />
Getrennt marschieren, vereint ankommen. Diese – hier etwas<br />
abgewandelte – Devise von Feldmarschall Moltke machten wir<br />
uns auf unserer Aktivenfahrt nach Barcelona zu AH Alvaro Parra<br />
zu eigen. Denn während mich von Frankfurt aus eine Maschine<br />
der Air Berlin über Palma de Mallorca nach Barcelona brachte,<br />
machten sich die meisten Aktiven und AHAH mit Easyjet von<br />
Berlin aus auf die Reise. Und einen Tag später stieß noch AH<br />
Jürgen Valhaus zu uns: Er kam von London aus angereist.<br />
Katalonien genießt im spanischen Staatsverband innere Autonomie,<br />
die Katalanen sind stolz auf ihre Kultur. Wie sich<br />
Katalanisch und Kastilisch, die spanische Hochsprache, von<br />
einander unterscheiden, darüber konnte ich mich in der Stunde<br />
Wartezeit am Ankunftstor des Flughafens von Barcelona<br />
überzeugen. Doch allzu lange ließen die Aktiven Thomas Engelhardt,<br />
Konstantin Greipelt, Ralph Adner und Ingolf Ruthard sowie<br />
die AHAHs Dominik Gronarz und Dirk Ferse nicht auf sich<br />
warten und schließlich erschien auch Bb und AH Alvaro Parra<br />
und holte uns am Flughafen ab. Die Fahrt ging nach Castelldefels,<br />
einem Vorort von Barcelona, wo Bb Alvaro für uns ein<br />
Hotel gebucht hatte. Zum Dank für seine Organisation überreichten<br />
wir Alvaro einen Krug mit unserem Wappen, füllten<br />
ihn mit deutschem Bier und stießen sogleich an.<br />
Im dezemberfrostigen Deutschland wäre man sicherlich froh<br />
über den Sonnenschein und die frühlingshaften 15 Grad gewesen,<br />
die Barcelona an diesem Tag erwärmten. Kein Wunder,<br />
dass wir uns auf die Terrasse eines Restaurants setzten, um Erzeugnisse<br />
der spanischen Küche – Paella mit Meeresfrüchten,<br />
Schellfisch und Gemüsesuppe – zu kosten. Landesbewohner<br />
dagegen schienen sich bei diesen Temperaturen nicht mehr ins<br />
Freie zu trauen, anders konnten wir uns die ungläubigen Blicke<br />
nicht erklären, die uns entgegenschlugen. Offenbar wunderten<br />
sich die Leute, dass wir nicht foren.<br />
Grillen im<br />
Dezember<br />
Aktivenfahrt zu AH Alvaro<br />
Parra nach Barcelona<br />
9. bis 12. Dezember 2005<br />
Ähnlich ungewohnt dürfte jenseits der Pyrenäen wohl auch der<br />
studentische Brauch des Bierzipfels sein. Am Abend, als die<br />
Eltern Alvaros zu uns stießen, konnten wir dieses Kulturgut in<br />
einem Gasthaus erklären. Der Vater Alvaros sprach ein wenig<br />
Deutsch und fließend Englisch. Da gelang die Unterhaltung<br />
auch jenen von uns, die über keine spanischen oder katalanischen<br />
Sprachkenntnisse verfügten. Gut gestärkt mit Bier,<br />
Tintenfisch, sowie Frankfurter und katalanischer Wurst sanken<br />
die meisten von uns gegen 1 Uhr müde in die Betten.<br />
Mit Bocadillos mit Jambons (Baguettes mit Schinken) am<br />
nächsten Morgen gestärkt, machten wir uns an die Besichtigung<br />
Barcelonas. In einem Touristenbus ging es kreuz und quer<br />
durch die katalanische Metropole. Während der Fahrt werden<br />
in solch einem Touristenbus die Sehenswürdigkeiten der Stadt<br />
erklärt. Wem die Erklärungen aus dem Bus nicht genügen, der<br />
kann an einer der vielen Haltestellen aussteigen, die Sehenswürdigkeit<br />
näher in Augenschein nehmen und beim nächsten<br />
Touristenbus wieder zusteigen. Denn die Busse verkehren im<br />
Pendelverkehr.<br />
Der Weg führte an der Placa de Espana und dem Olympiastadion<br />
vorbei und endete am Nationalmuseum oberhalb der<br />
Stadt, neben dem sich auch das Miro-Museum erhebt. Vom<br />
Nationalmuseum aus hat man einen herrlichen Blick über ganz<br />
Barcelona. Die Rückfahrt führte über den Hafen zur – leider eingerüsteten<br />
– Kathedrale. Überraschend: Auch in Katalanien<br />
gibt es Weihnachtsmärkte, rund um die Kathedrale von Barcelona<br />
gruppierten sich Stände mit Weihnachtsschmuck, Krippen<br />
und Krippenschmuck – gerade wie in Deutschland. Bloß die<br />
Stände mit Glühwein, die suchte man vergebens. Doch Glühwein<br />
bei fünfzehn Grad, wie an diesem Tag in Barcelona,<br />
schmeckt wahrscheinlich auch nicht wirklich gut.<br />
Die „Sagrada Familia“, die Kirche zur Heiligen Familie, das<br />
Lebenswerk des Architekten Antonio Gaudi, war nächster Besichtungspunkt.<br />
1889 begonnen, ist das Bauwerk bis heute<br />
noch nicht vollendet und mancher fürchtet, dass es dazu auch<br />
niemals kommen wird. Der Weiterbau wird, wie der Wiederaufbau<br />
der Dresdner Frauenkirche, komplett aus Spenden finanziert.<br />
Antonio Gaudi baute die Kirche wohl auch deshalb nicht
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 17<br />
fertig, weil er es der kommenden Generation überlassen wollte,<br />
die Kirche in ihrem Stil zu vollenden. So formen Baumeister und<br />
Architekten weiter an der „Sagrada Familia“, die, weithin sichtbar,<br />
eines der Wahrzeichen Barcelonas ist. Die Fahrt ging an<br />
weiteren Bauwerken Gaudis vorbei: der Casa Battlo und der<br />
Casa Mila. Schließlich stiegen wir am Park Güell ab, eine Anlage,<br />
die ein Freund und Mäzen Antonio Gaudis in Auftrag gegeben<br />
hatte – herrlich, die Atmosphäre dieses Parks auf sich<br />
wirken zu lassen.<br />
Für Gäste aus Deutschland, wo 2006 die Fußballweltmeisterschaft<br />
stattfindet, war der nächste Besichtigungspunkt mehr<br />
oder weniger obligatorisch. Denn es handelte sich um den<br />
Barcelona Futbol Club und das Stadion Comp Nou, mit einem<br />
Fassungsvermögen für 98 000 Zuschauer immerhin das größte<br />
Fußballstadion Europas.<br />
Inzwischen war es dunkel, wir fuhren zum Hauptbahnhof, bestiegen<br />
die Bahn nach Castelldels und stärkten uns in einem<br />
Lokal, um für den Abend gerüstet zu sein. Mehrere Lokalitäten<br />
suchten wir heim und schwangen heftig das Tanzbein. Die letzten<br />
von uns, das sei an dieser Stelle verraten, kehrten erst um<br />
fünf Uhr im Hotel an. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen,<br />
im Mittelmehr ein Bad zu nehmen.<br />
hinten: (v. L..): Ralph Adner, Konstantin Greipl, Jürgen Valhaus, Dirk Ferse<br />
vorne: Ingolf Rudat, Thomas Engelhardt, Dominik Gronarz, Alvaro Parra, Rudolf Fiedler<br />
AKTIVITAS<br />
Die iberische Halbinsel ist ein Land des Weines – zumal Katalonien.<br />
Was Wunder, dass es am nächsten Tag in die Wein- und<br />
Sektkellerei Codorniu ging. Das Unternehmen besitzt zwar insgesamt<br />
24 Weingüter in aller Welt. Doch dieser Weinkeller<br />
dürfte die Attraktion der Firma Codorniu sein, handelte es sich<br />
doch nach Angaben des Unternehmens um den größten Weinkeller<br />
der Welt: Vier Stockwerke tief haben die Architekten<br />
Puig und Cadafalch den Keller angelegt. Aneinandergereiht ist<br />
er fast dreißig Kilometer lang, bis zu 25 Millionen Flaschen<br />
können darin gelagert werden. Bei solchen Ausmaßen liegt es<br />
auf der Hand, dass wir die Anlage nicht zu Fuß durchstreiften,<br />
sondern uns mit einer Bahn durch ein Kellergeschoss fahren<br />
ließen. Da mundete der Sekt aus der Kellerei, den wir uns am<br />
Ende der Besichtigung schmecken ließen, besonders köstlich.<br />
Grillen im Dezember – für uns ein seltenes Vergnügen. Hier, im<br />
sonnenerwärmten Barcelona, war das möglich. Der Grillplatz<br />
war dafür bestens ausgerüstet: Tische und Stühle, eine Feuerstelle<br />
und das nötige Holz, sogar eine Toilette standen bereit,<br />
bloß eine Gebühr musste man entrichten, um die Infrastruktur<br />
zu nutzen. Essen und Trinken musste man natürlich auch mitbringen,<br />
was Silvia, die Freundin von Alvaro, freundlicherweise<br />
erledigt hatte. Bis das Essen fertig war, genossen wir die<br />
AM 17
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 18<br />
AKTIVITAS<br />
18 AM<br />
Neuer Bauteil der Sagrada Familia<br />
Abendsonne und gaben durch Absingen der Farbenstrophe dem<br />
Augenblick die nötige feierliche Note. Nach dem Essen verabschiedeten<br />
wir uns noch von Bb Jürgen Valhaus, der nach<br />
London zurückkehrte, da er am Montag arbeiten musste. Wir<br />
dagegen gingen bowlen und nahmen danach noch einen<br />
Schlummertrunk zu uns.<br />
Leider neigte sich am nächsten Morgen unser Besuch in Barcelona<br />
seinem Ende zu. Alvaro brachte uns noch zum Flughafen<br />
und bekräftigte, was für eine schöne Zeit sein Studium in<br />
Deutschland gewesen sei – zumal in Dresden. Dauerhaft in<br />
Deutschland zu leben könne er sich allerdings nicht vorstellen –<br />
die Sonne scheine einfach zu wenig. Davon konnten wir uns<br />
überzeugen, als der Flieger in Deutschland landete: Trübes,<br />
nasskaltes Winterwetter erwartete uns.<br />
Schöne, unvergessliche Stunden haben uns Kb Alvaro Parra<br />
und seine Freundin Silvia in Barcelona bereitet. Dies war ein<br />
Beweis gelebter Bundesbrüderlichkeit. Dafür ein herzliches<br />
„Dankeschön!“ Wir hoffen auf einen Besuch von ihm und Silvia<br />
in Dresden zum Stiftungsfest im Mai.<br />
Ex oriente lux!<br />
Rudolf Fiedler (Abx, Rh-F, Ta)<br />
Stand der Dinge<br />
Die Liste der <strong>KV</strong>-Korporationen (Stand: Sommersemester 2005) ist ab sofort im Internet<br />
abrufbar. Unter www.kartellverband.de findet Ihr alle Infos über Neuzugänge, Abgänge und<br />
die Gründe in einer übersichtlichen Tabelle.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 19<br />
Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) und der <strong>KV</strong> planen für<br />
das Sommersemester 2006 den Start einer gemeinsamen Praktikumsbörse.<br />
Teilnehmen können Studenten mit dem Ziel, in ihrem<br />
späteren Berufsleben unternehmerische Führungsverantwortung zu<br />
übernehmen. Die Praktikumsplätze werden Ende des Wintersemesters<br />
ausgeschrieben. Genauere Informationen hierzu werden<br />
rechtzeitig an alle <strong>KV</strong>-Vereine versendet. Bewerbungen werden erst<br />
danach entgegengenommen.<br />
BKU und <strong>KV</strong> wollen mit ihrer gemeinsamen Initiative einen Beitrag<br />
dazu leisten, eine neue Generation von Unternehmern heranzubilden,<br />
die risikofreudig und ethisch verantwortlich zugleich handeln.<br />
Dazu ist es wichtig, junge Menschen, die die Übernahme von<br />
unternehmerischer Verantwortung anstreben, bereits während ihrer<br />
Ausbildungsphase zu begleiten.<br />
Die Praktikumsplätze sollen für sechs bis zwölf Wochen von<br />
Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, in denen Mitglieder<br />
des BKU verantwortlich tätig sind, die für die Praktikanten eine Art<br />
„Paten-Rolle“ übernehmen. Praktikanten werden nach strengen<br />
Kriterien ausgewählt. „Katholischen Klüngel“ wird es nicht geben.<br />
Gleiches gilt für die Praktikumsplätze und die Paten. Die Praktikan-<br />
AKTIVITAS<br />
Durchstarten mit den besten<br />
Praktika BKU und <strong>KV</strong> vermitteln 20 Stellen –<br />
ab 20. März im Internet<br />
Ab 20. März im Internet – die Praktikumsbörse von<br />
BKU und <strong>KV</strong>:<br />
www.bku.de und www.kartellverband.de<br />
ten sollen echt gefordert und gefördert werden. Es gibt keine „billigen<br />
Ferienjobs“ mit langen „Kopier- und Kaffeeleerlaufzeiten“. Die<br />
Paten verpflichten sich zu einer intensiven Betreuung.<br />
Teil des Praktikumprogramms sind ein Wochenendseminar und<br />
wöchentliche Gruppentreffen jeweils in Frankfurt und Düsseldorf<br />
mit einem der BKU-Paten. Dies soll den Praktikanten die Chance<br />
geben, sich untereinander kennenzulernen, mit möglichst vielen<br />
Führungspersönlichkeiten in ein persönliches Gespräch zu kommen<br />
und über Themen wie Unternehmensethik, Katholische Soziallehre<br />
und Soziale Marktwirtschaft dazuzulernen.<br />
Wer aus den Reihen der <strong>KV</strong>-Altherren ebenfalls einen Praktikumsplatz<br />
im Raum Frankfurt oder Düsseldorf zur Verfügung stellen kann,<br />
ist herzlich eingeladen, sich an der Praktikumsbörse zu beteiligen.<br />
Ansprechpartner sind:<br />
Für den <strong>KV</strong>: Für den BKU:<br />
Michael Kotulla (Gm, Gm-Ho, Bor) Martin J. Wilde (Arm)<br />
Mitglied des <strong>KV</strong>-Rates, BKU-Geschäftsführer<br />
michael.kotulla@kartellverband.de wilde@bku.de<br />
AM 19
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 20<br />
AGV<br />
Deutschland braucht Studenten<br />
– keine Studiengebühren Bericht: Timo Hirte (Cb)<br />
Die Umstellung vieler Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse<br />
ist nur eines der auffälligsten Merkmale des Bologna-<br />
Hochschulreformprozesses. Die zweite gemeinsame Hochschulpolitische<br />
Tagung von CV, <strong>KV</strong> und UV setzte sich im Oktober unter Federführung<br />
des UV im Franz-Hitze-Haus in Münster mit den Auswirkungen<br />
des Bologna-Prozesses auf das deutsche Hochschulsystem<br />
auseinander. In einem Einführungsvortrag zu den „Reformen im<br />
deutschen Hochschulwesen“ legte Prof. Dr. Hubert Braun (UV) die<br />
Grundlage für die anschließende Podiumsdiskussion, in der Vertreter<br />
aus der Politik, der Wissenschaft und der Studentenschaft unter<br />
der Leitung des Geschäftsführers des Forums Hochschule und Kirche<br />
der Deutschen Bischofskonferenz (FHuK), Dr. Lukas Rölli, die<br />
Chancen und Risiken des Bologna-Prozesses diskutierten. Für die<br />
Studentenschaft nahm der stellvertretende AGV-Vorsitzende<br />
Matthias Belafi (<strong>KV</strong>) auf dem Podium Stellung zu dem Reformprozess.<br />
Braun stellte den Bologna-Prozess als Fortsetzung und Wiederbelebung<br />
von Reformbestrebungen im deutschen Hochschulwesen dar.<br />
Er nannte drei maßgebliche Gründe für die Reformbedürftigkeit der<br />
Hochschulen: die weiter steigenden Studierendenzahlenden, die<br />
knappen Finanzen und die Sicherung des Wirtschaftsstandorts<br />
Deutschland durch optimale Erschließung der Ressource Wissen<br />
und Bildung. Gleichzeitig stellte Braun einige verbreitete Vorurteile<br />
20 AM<br />
AGV diskutiert Bologna-Prozess<br />
über das deutsche Hochschulwesen in Frage: Zunächst seien die<br />
Studienabbrecherzahlen in Deutschland als eine normale Entwicklung<br />
bei Lebensentscheidungen einzustufen und keineswegs ein<br />
Alarmzeichen. Weiterhin wandte er sich gegen das Vorurteil, die<br />
Hochschulen bildeten für die Arbeitslosigkeit aus. Vielmehr bewahre<br />
ein Hochschulstudium vor Arbeitslosigkeit, wie die mit vier Prozent<br />
vergleichsweise geringe Akademikerarbeitslosigkeit zeige.<br />
Ganz im Gegenteil benötige der Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
10 Prozent mehr Hochschulabsolventen als derzeit. Schließlich<br />
lehnte Braun auch Studiengebühren als „Akademikersteuer“ ab.<br />
Als gravierende Mängel im deutschen Hochschulwesen nannte<br />
Braun die zu langen Studienzeiten und eine Überlastung des Lehrkörpers.<br />
So sei bei gleichbleibender Zahl der Lehrenden die Zahl<br />
der Studierenden seit den 70er Jahren geradezu explodiert. Mitverantwortlich<br />
für schlechte Ergebnisse der Absolventen machte<br />
Braun eine mangelnde Qualität der Lehre an den deutschen Hochschulen.<br />
Für die Zukunft des Hochschulwesens stellte Braun drei entscheidende<br />
Reformstrategien in den Vordergrund: das binäre deutsche<br />
Hochschulsystem aus Universitäten und Fachhochschulen, die Einführung<br />
von Marktelementen in das Hochschulwesen und schließlich<br />
die formale und inhaltliche Erneuerung des Hochschulwesens<br />
durch den so genannten „Bologna-Prozess“. Er bezeichnete die<br />
Fachhochschulen als unverzichtbar für die erfolgreiche Entwicklung<br />
des deutschen Hochschulwesens und forderte eine Steigerung des<br />
Anteils der dort Studierenden auf 40 Prozent und mehr.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 21<br />
Der „Bologna-Prozess“ bedeute eine komplette Hochschulstrukturreform,<br />
erläuterte Braun. Die Kernpunkte der Bologna-Erklärung<br />
von 1999 seien die Einführung eines Systems vergleichbarer Abschlüsse<br />
und eines Leistungspunktesystems in allen 45 Mitgliedsstaaten<br />
bis 2010. Dadurch soll die Mobilität von Studierenden und<br />
Lehrern ebenso gefördert werden, wie die Qualitätssicherung und<br />
die Zusammenarbeit der europäischen Hochschulen. Darüber<br />
hinaus ist eine weltweite Steigerung der Attraktivität der europäischen<br />
Hochschulen für Studierende Ziel des „Bologna-Prozesses“.<br />
In Deutschland haben die 16 zuständigen Minister auf dieses<br />
Programm alle deutschen Reformwünsche, zum Beispiel eine stärkere<br />
Berufsbezogenheit des Studiums und eine Verkürzung der Studienzeiten,<br />
aufgesattelt.<br />
Für Braun lassen der „Bologna-Prozess“ und seine Umsetzung viele<br />
Fragen offen. So verschleierten die „Bologna-Euphorie“ und die Betriebsamkeit<br />
in Deutschland die tatsächliche Komplexität der Probleme<br />
im Hochschulwesen. Jedoch sei das angestrebte Ziel, die<br />
Europäisierung der Hochschulausbildung, die damit verbundene<br />
Mobilität der Studierenden und die Vertiefung der sprachlichen und<br />
kulturellen Zusammengehörigkeit zu begrüßen. Dennoch sieht<br />
Braun in Deutschland ernst zu nehmende Widerstände gegen die<br />
radikale Beseitigung des Diploms oder auch die angestrebte „Berufsfertigkeit“<br />
durch den Bachelor, die eines offenen Diskurses bedürften.<br />
Für die Studierenden eröffnete Matthias Belafi seine Stellungnahme<br />
mit der Feststellung, dass die Universitäten im Rahmen des<br />
„Bologna-Prozesses“ Wunder vollbringen müssten, und dass dieses<br />
Wunder der Student sei, der all die Anforderungen erfülle und die<br />
Veränderungen durch „Bologna“ mitmache. Die größten Risiken<br />
des Prozesses sah Belafi in der Zweistufigkeit der Abschlüsse. Er<br />
kritisierte, dass ohne Not bewährte Abschlüsse wie der Diplomingenieur<br />
abgeschafft würden. Eine tiefere und breitere Diskussion<br />
hätte hier zu mehr Akzeptanz geführt. Auch eine Verkürzung der<br />
Studienzeit sehe er nicht. Belafi warnte weiter vor einer Gefahr der<br />
Verwässerung der Hochschularten durch die einheitlichen Bachelorund<br />
Masterabschlüsse. „Die jeweils eigenen Profile von FH und Uni<br />
müssen erhalten bleiben!“, forderte der stellvertretende AGV-Vorsitzende.<br />
Er kritisierte, dass die Studierenden mit dem Bachelor zu<br />
einem Abschluss verpflichtet würden, für den es keinen Arbeitsmarkt<br />
gebe.<br />
Klaus Oidtmann (CV) vom sächsischen Wissenschaftsministerium<br />
forderte, den Bologna-Prozess in seinem europäischen Kontext zu<br />
betrachten. Dort biete „Bologna“ erhebliche Chancen. Diese sieht<br />
Oidtmann auch in der „Bologna-bedingten“ Neustrukturierung der<br />
Hochschulen. Allerdings warnte auch er davor, sich ganz vom bewährten<br />
Diplom zu verabschieden.<br />
„Was ich bisher höre, führt zu weniger Flexibilität, weil international<br />
und innerdeutsch die Bachelor-Abschlüsse nicht anerkannt werden“,<br />
stellte auch Prof. DDr. Sternberg die Frage nach dem Arbeitsmarkt<br />
für Bachelor-Abschlüsse. Für Sternberg liegt das Hauptproblem<br />
des deutschen Hochschulwesens in der Finanzausgestaltung<br />
der Universitäten und den gravierenden Mängeln in der Lehre. Aufgrund<br />
der dramatischen Unterfinanzierung befürwortete Prof. DDr.<br />
Sternberg die Einführung von nachgelagerten Studiengebühren.<br />
Andrea Frank von der Hochschulrektorenkonferenz bedauerte die<br />
Verkürzung der Debatte auf die Zweistufigkeit der Abschlüsse und<br />
stellte die Chancen mit Blick auf die nationale Diskussion in den<br />
Vordergrund ihrer Stellungnahme. Sie sieht in erster Linie die Chance<br />
einer starken Aufwertung und Auseinandersetzung mit der Lehre.<br />
Die geplante Ergebnisorientierung werde zu einer stärkeren<br />
Auseinandersetzung mit der Qualifizierung führen, die ein Studiengang<br />
bietet, äußerte Frau Frank sich hoffnungsvoll. Einen weiteren<br />
großen Vorteil sah Frau Frank in der Durchlässigkeit sowohl zwischen<br />
den Hochschultypen und Bildungsbereichen als auch zwischen<br />
dem Arbeitsmarkt und der Hochschule. Kritik übte Frau Frank<br />
an der Art und Weise, wie der Bologna-Prozess in Deutschland diskutiert<br />
und umgesetzt wird. So seien nicht alle Beteiligten von Anfang<br />
an mitgenommen worden. Insbesondere die Studierenden seien<br />
viel zu spät in die Diskussion einbezogen worden.<br />
Der vollständige Text des AGV-Positionspapiers ist zu finden<br />
im Internet unter www.agvnet.de oder kann bei der AGV-Geschäftsstelle<br />
(Luisenstr. 36, 53129 Bonn) angefordert werden.<br />
AGV<br />
AM 21
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 22<br />
AGV<br />
Klausurtagung in Helmstadt:<br />
AGV bestätigt Vorsitzenden<br />
im Amt und zieht positive<br />
Jahresbilanz<br />
22 AM<br />
Helmstadt. Anlässlich ihrer jährlichen<br />
Mitgliederversammlung tagte die<br />
Arbeitsgemeinschaft katholischer<br />
Studentenverbände (AGV) vom 9. bis<br />
11. Dezember 2005 in Helmstadt bei<br />
Würzburg. Seit langem nahmen in<br />
diesem Jahr mit CV, <strong>KV</strong>, TCV, UV und<br />
RKDB wieder Vertreter aller fünf<br />
verbindungsstudentischen Dachver-<br />
bände an der Tagung teil.<br />
Auf der Tagungsordnung der Mitgliederversammlung<br />
standen unter anderem auch Neuwahlen zum Vorstand.<br />
Turnusgemäß standen der Vorsitzende und<br />
ein stellvertretender zur Wahl. Die Mitgliederversammlung<br />
bestätigte den bisherigen AGV-Vorsitzenden<br />
Andreas Kraus (CV) für weitere zwei Jahre im<br />
Amt. Zum Nachfolger des stellvertretenden Vorsitzenden<br />
Mark Campbell (UV) wählten die Vororte den<br />
Trierer Rainer Derichs von der Unitas-Rheinfranken<br />
zu Düsseldorf. Andreas Kraus dankte dem scheidenden<br />
Mark Campbell für sein Engagement und seine<br />
Mitarbeit während der vergangenen drei Jahre.<br />
Rückblickend zog der alte und neue Vorsitzende<br />
Kraus eine positive Bilanz über das vergangene Jahr.<br />
Er hob insbesondere die gute Zusammenarbeit mit<br />
dem Forum Hochschule und Kirche der Deutschen<br />
Bischofskonferenz hervor. Darüber hinaus sei es gelungen,<br />
die Medienpräsenz der AGV zu verstärken.<br />
Besonders verwies Kraus auf die neu gestaltete Internetpräsenz<br />
www.agvnet.de.<br />
Nachdem das vergangene Jahr inhaltlich ganz unter<br />
dem Eindruck der Hochschul- und Bildungspolitik gestanden<br />
hatte, soll der thematische Schwerpunkt<br />
des nächsten Jahres auf dem Lebensschutz und der<br />
Sterbehilfe liegen. Der AGV-Vorstand diskutierte mit<br />
den Vororten Eckpunkte eines Positionspapiers mit<br />
dem Titel „In Würde sterben – Lebensschutz am Lebensende“.<br />
Kontakt:<br />
Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände<br />
(AGV) e.V.<br />
AGV Geschäftsstelle, Luisenstraße 36, 53129 Bonn<br />
www.agvnet.de<br />
Referent für Presse und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Timo Hirte<br />
Konradstr. 8, 48145 Münster<br />
Tel.: +49.251.2 00 70 75, Fax: +49.1212.5 69 21 69 81<br />
E-Mail: hirte@agvnet.de
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 23<br />
AUS DEM <strong>KV</strong><br />
Neues Ehrenmitglied<br />
Grotenburg-Lusatia nimmt P. Maximilian Segener SDS auf<br />
Wegen seiner Verdienste um die geistliche und menschliche<br />
Betreuung der Aktivitas des KStV Grotenburg-Lusatia in Aachen<br />
hat der Verein P. Maximilian zu seinem Ehrenmitglied ernannt.<br />
Aufgenommen wurde er auf der Kneipe im Dezember 2004. Im<br />
Rahmen einer kleinen Feierstunde mit Alten Herren und Aktiven<br />
im Kloster Steinfeld im September 2005 überreichte Philistersenior<br />
Heinrich Schürmann Pater Maximilian die Urkunde. Sie<br />
nennt, auf Pergament geschrieben und in lateinischer Sprache<br />
verfasst, die Verdienste von P. Maximilian.<br />
Über seinen Werdegang sagt das neue Ehrenmitglied:<br />
„Jeder Lebenslauf beginnt mit der Geburt der betreffenden<br />
Person, daher freut es mich, darauf verweisen zu können, dass<br />
meine Existenz letztlich in dem Wunsch meiner Eltern nach<br />
einem zweiten Kind begründet liegt. Im Jahr der großen Flut,<br />
1962, erblickte ich in Bremerhaven das Licht der Welt, wo ich in<br />
unmittelbarer Nähe des Hafens aufgewachsen bin. Eine Prägung,<br />
die ich seitdem nicht verloren habe. Nach dem Besuch<br />
der Realschule wechselte ich aufs Gymnasium. Rückblickend<br />
muss ich sagen, dass sich die Jahre der gymnasialen Oberstufe<br />
durch die teils sehr politischen Diskussionen im und neben dem<br />
Unterricht auszeichneten. Mein Hauptinteresse galt dabei geschichtlichen<br />
Fragestellungen. Die Auseinandersetzung mit dem<br />
Mittelalter weckte mein Interesse an der katholischen Kirche.<br />
Die klare Stellungnahme des damals neuen Papstes Johannes<br />
Paul II. gegen Krieg, Gewalt und Unrecht und seine konsequente<br />
Forderung nach Einhaltung und Beachtung der Menschenrechte<br />
haben mich gerade deshalb sehr fasziniert, weil<br />
sie in einem sehr angenehmen Gegensatz zu jenem Bild von<br />
Kirche standen, welches sich zwangsläufig aus dem sehr<br />
triumphalistisch anmutenden Selbstverständnis der mittelalterlichen<br />
Kirche ableitet. Die daraus sich ergebenden Fragen<br />
brachten mich dazu, bei einem Gemeindepfarrer eine Art Glaubensgespräch<br />
zu beginnen, was im Nachhinein durchaus als<br />
eine Art Religionsunterricht gewertet werden kann.<br />
(Laut Landesverfassung ist in Bremen Religionsunterricht an<br />
öffentlichen Schulen nicht vorgesehen.)<br />
Zur selben Zeit fiel mir ein Text über die Ordensgemeinschaft<br />
der Salvatorianer in die Hände, woraus wenig später ein erster<br />
Kontakt entstand. 1982 habe ich dann im Kloster Steinfeld in<br />
der Eifel meine Kandidatur begonnen, an die sich 1984 das<br />
Noviziat in Passau und 1985 der Beginn des Theologiestudiums,<br />
ebenfalls in Passau, anschloss. Aus den katholisch-ländlichen<br />
Regionen Niederbayerns kam ich nach dem Studium als Diakon<br />
nach Berlin. Nach der 1993 im Kloster Steinfeld empfangenen<br />
Priesterweihe war ich kurzzeitig als Kaplan in Mistelbach in<br />
Niederösterreich tätig, bevor ich schon im Sommer 1995 ins<br />
Kloster Steinfeld zurückkehrte, um die Aufgabe eines Schulseelsorgers<br />
an dem von den Salvatorianern geführten Gymnasium<br />
mit 775 Schülern zu übernehmen.<br />
Seit 1988 kommen jedes Jahr im Advent mehrere Aktive und<br />
Alte Herren der Grotenburg-Lusatia aus dem nicht weit entfernten<br />
Aachen zu einem Exerzitienwochenende ins Kloster<br />
Steinfeld.<br />
Meine erste Begegnung mit der Grotenburg-Lusatia fällt in das<br />
Jahr 1993, als ich für einen verhinderten Mitbruder die Gestaltung<br />
des Exerzitienwochenendes übernahm. Da die Chemie zwischen<br />
uns stimmte, habe ich diese Aufgabe fortan beibehalten<br />
und auch während meiner Zeit in Österreich nicht unterbrochen.<br />
Durch zahlreiche persönliche Gespräche und Begegnungen ist<br />
ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis entstanden.“<br />
Die Grotenburg-Lusatia freut sich, mit P. Maximilian ein theologisch<br />
kompetentes und menschlich warmherziges Ehrenmitglied<br />
in ihrer Korporation zu haben.<br />
Heinrich Schürmann (Ph-X Gro-Lu)<br />
Korrektur<br />
In den AM vom November 2005 ist<br />
uns ein Fehler in der Zusammensetzung<br />
des Kartellgerichts unterlaufen:<br />
Ralf Besmehn ist als Mitglied ausgeschieden,<br />
sein Nachfolger ist Stefan<br />
Einecke (Gm).<br />
AM 23
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 24<br />
AUS DEM <strong>KV</strong><br />
24 AM<br />
„Mehr Freiheit wagen“<br />
Daniel Bahr (FDP) auf dem<br />
Markomannenhaus<br />
Daniel Bahr, gesundheitpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im<br />
Deutschen Bundestag, sprach im Januar auf dem Markomannenhaus.<br />
Unter der Überschrift „Mehr Freiheit wagen? – Freiheit, wie<br />
ein junger Abgeordneter sie versteht“ ermutigte er seine Zuhörer.<br />
Eine „Entmündigung des Bürgers“ zeigte der Redner beispielhaft im<br />
Bereich der Sozialversicherungen auf. „Die Folge einer verfehlten<br />
Sozialpolitik ist, dass wir immer mehr vom Staat verlangen („Vater<br />
Staat“) und der einzelne Bürger nicht zuletzt mit einer erhöhten<br />
Abgabenlast immer mehr Freiheit abgibt. Gerade die, denen die<br />
Gesellschaft solidarisch beistehen sollte, haben darunter zu leiden.“<br />
Der Sozialstaat alten Stils, so Bahr, zerstöre seine eigenen<br />
Grundlagen.<br />
Mehr Freiheit zu wagen, gab bereits Abraham Lincoln als politische<br />
Devise vor: „Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die<br />
Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt ver-<br />
dienen müssen, nicht helfen, indem<br />
ihr die ruiniert, die sie bezahlen.<br />
Ihr werdet keine<br />
Brüderlichkeit schaffen, wenn<br />
ihr Klassenhass schürt. Ihr werdet<br />
den Armen nicht helfen,<br />
wenn ihr die Reichen ausmerzt.<br />
Ihr werdet mit Sicherheit in<br />
Schwierigkeiten kommen, wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient.<br />
Ihr werdet kein Interesse an öffentlichen Angelegenheiten und<br />
keinen Enthusiasmus wecken, wenn ihr dem einzelnen seine Initiative<br />
und seine Freiheit nehmt. Ihr könnt Menschen nie auf Dauer<br />
helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selbst für sich tun sollten und<br />
können.“<br />
P. Ridder (MK)<br />
„Schwammig, mehrdeutig, unehrlich“<br />
Claus Jäger zur Abtreibungsfrage<br />
Kb Regierungsdirektor a. D. Claus Jäger (Al), geboren 1932, war<br />
CDU--Bundestagsabgeordneter von 1972 bis 1987 und erneut von<br />
1988 bis 1994. Ab 1971 war er Stellvertretender Bezirksvorsitzender<br />
der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft<br />
Württemberg-Hohenzollern. Der Vater von fünf Söhnen<br />
übte jüngst scharfe Kritik an den Aussagen zum Abtreibungsrecht<br />
im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.<br />
In einem Brief an die „Tagespost" schrieb er, das „winzige Abschnittchen"<br />
zu Spätabtreibungen sei „schwammig, mehrdeutig<br />
und unehrlich". Auch werde in dem Papier der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts<br />
missachtet, das Abtreibungsrecht zu überprü-<br />
fen und gegebenenfalls zu verbessern. Die Aussage im Koalitionspapier,<br />
dass Deutschland ohne Kinder keine Zukunft habe, sei<br />
nichtssagend, „wenn nicht gegen die massenhafte Abtreibung, vor<br />
allem durch die Fristen-Tötung, vorgegangen wird". Es sei zynisch,<br />
wenn die Koalitionäre feststellten, dass sie sich besonders um jene<br />
kümmern wollten, die nicht in der Lage seien, sich selbst zu helfen.<br />
„Wer sind denn die, (...) wenn nicht die ungeborenen Babys?", fragt<br />
Kb Jäger. – Bei rückläufiger Geburtenrate werden dem Statistischen<br />
Bundesamt jährlich ca. 130.000. Abtreibungen gemeldet.<br />
Die Dunkelziffer könnte etwa ebenso hoch sein. - K<br />
Wachtwechsel<br />
in Kiel<br />
Neuer Philistersenior der KAV Baltia Kiel<br />
ist Dr. Guido Pannier. Er tritt die Nachfolge<br />
von Dr. Martin Grütters (links) an, der<br />
nach vielen Jahren nicht mehr kandidierte.<br />
Als Schriftführer bleibt er aber auf<br />
der Brücke.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 25<br />
AUS DEM <strong>KV</strong><br />
Schwacher Sieg nach Punkten<br />
Radiodiskusion zu Studentenverbindungen<br />
Am 26. November hatte der WDR in der Rathausgasse in Bonn-<br />
Beuel einen Über tragungswagen aufgestellt, von wo aus die<br />
Redakteurin Julitta Münch von 11.05 Uhr an zwei Stunden lang<br />
in der Sendung „Hallo Ü-Wagen“ einige Passanten nach Studentenverbindungen<br />
befragte und mit einer Runde von sechs Personen<br />
zum Thema diskutierte: einem Burschenschafter, einem<br />
CVer, dem Referenten für Hochschulpolitik des Bonner AStAs,<br />
der Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth und den<br />
Journalisten Edwin A. Biedermann und Jörg Kronauer, der wie<br />
Frau Kurth durch scharfe Angriffe auf die Korporationen nicht<br />
ganz unbekannt ist. Frau Kurth hat dem <strong>KV</strong> vor einigen Jahren<br />
fälschlicherweise eine Zusammenarbeit mit den schlagenden<br />
Korporationen vorgeworfen und hat dies trotz Aufforderung nie<br />
richtig gestellt, so viel zur Objektivität. Warum nur zwei Korporierte<br />
eingeladen worden waren, die schon zahlenmäßig unterlegen<br />
sein mussten und nicht das breite Spektrum der Korporationen<br />
abdecken konnten, ist nicht bekannt. Aber für eine besondere<br />
journalistische Sorgfalt spricht das nicht.<br />
Die Redaktion der „Akademischen Monatsblätter“ hat die zwei<br />
Stunden der Sendung mitgeschnitten, um einen Eindruck gewinnen<br />
zu können. Wie Edwin A. Biedermann, der 2004 ein unvoreingenommes<br />
Buch über „Logen, Clubs und Bruderschaften“<br />
beim Drosteverlag in Düsseldorf veröffentlicht hat, in einem Interview<br />
im „Studentenkurier“ (Nummer 4 aus dem Jahr 2005)<br />
dem Redakteur dieser Zeitschrift, Detlef Frische, und uns bestätigte,<br />
konzentrierten sich die Fragen auf die Themen Männerbund<br />
und Alkoholkonsum. Es wurde weder ausreichend auf<br />
den Wert der Freundschaft noch auf die basisdemokratischen<br />
Einrichtungen der Korporationen eingegangen. „Jede Differen-<br />
„Ich bin kein Redner, wie es Brutus ist, nur, wie ihr<br />
alle wisst, ein schlichter Mann“ (Shakespeare –<br />
„Caesar“). So oder ähnlich werden sich wohl die<br />
Teilnehmer des Rhetorikseminars, das im November<br />
im Dresdener Hilton-Hotel stattfand, anfangs gefühlt<br />
haben. Viele hatten noch nie an einem Rhetorikseminar<br />
teilgenommen, viele kannten sich gegenseitig<br />
gar nicht; so ist es natürlich verständlich, dass<br />
anfangs eine etwas zurückhaltende Stimmung im<br />
Raum herrschte. Aber das Eis wurde durch die sympathische<br />
und witzige Art des Trainers Kb. Michael<br />
Kramer schnell gebrochen. Der Diplompädagoge ließ<br />
Hemmungen, sich vor so vielen Leuten zu profilieren,<br />
schnell verfliegen. Zugrunde lag dem Rhetorikseminar<br />
vor allem Martin Luthers bekannter Leitsatz:<br />
„Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“.<br />
Schwerpunkt des Trainings waren die „vier Säulen<br />
der guten Rede“: Kurze, einfache und verständliche<br />
Sprache, Struktur und Gliederung und Zusätzliche<br />
Anregung. Neben diesen Grundregeln gab Kramer<br />
noch viele andere wichtige und hilfreiche Ratschlä-<br />
zierung des facettenreichen, heterogen zusammengesetzten<br />
Korporationsmosaiks“ sei „strikt vormieden“ worden, meint Biedermann<br />
in dem Interview. Alle beliebten Vorurteile feierten<br />
fröhliche Urständ: „Old boys Network“, Rechtslastigkeit, Frauenfeindlichkeit,<br />
Trinkgelage.<br />
Die Bemerkung Biedermanns, dass die traditionsreichen Bonner<br />
Korporationen die Chance zu wenig genutzt hätten, „um den<br />
zahlreichen Zuhörern ihre Ideale und ihre Werte näher zu bringen<br />
und die PR-Arbeit „sträflich vernachlässigt“ hätten, muss<br />
uns nachdenklich stimmen. Diskussionserfahrene PR-Profis waren<br />
nach Meinung Biedermanns nicht anwesend.<br />
Dennoch spricht er von einem „schwacher Sieg nach Punkten“.<br />
Immerhin sei die unsachliche Kritik von Frau Kurth, dem Journalisten<br />
Kronauer und dem AStA-Vertreter „stark relativiert, teilweise<br />
deutlich zurückgewiesen und zum Abschluss von niemandem<br />
aus dem Publikum gestützt“ worden. Immerhin seien drei<br />
Korporationsvertreter, kein <strong>KV</strong>er darunter, mit positiven Statements<br />
zu Wort gekommen. Ein Nichtkorporierter hat den Nagel<br />
auf den Kopf getroffen: Man solle nicht über vergangene Zeiten<br />
sprechen und sich bei der Arbeitslosigkeit mancher Hochschulabsolventen<br />
über jeden Job freuen, den ein Alter Herr einem<br />
Bundesbruder beschaffe.<br />
Übrigens: Wenn wir in der Lage wären, allen unseren Kartellbrüdern<br />
den Start in den Beruf zu erleichtern, dann müssten wir<br />
uns eigentlich vor Füchsen nicht mehr retten können.<br />
W. L.<br />
ge, zum Beispiel<br />
zum Anfang<br />
und<br />
Schluss einer<br />
Rede, dem<br />
Blickkontakt<br />
zum Publikum,<br />
der Erstellung eines Redekonzeptes und anderem.<br />
Die Tipps durfte dann natürlich auch jeder vor<br />
achtundzwanzig kritischen Augen ausprobieren, was<br />
in der ganzen Runde hin und wieder für allgemeine<br />
Heiterkeit sorgte. Nach acht kurzweiligen Stundenwaren<br />
sich die Teilnehmer einig: Es hat viel gebracht,<br />
es hat Spaß gemacht und es hätte ruhig etwas<br />
länger dauern können! So ein Rhetorikseminar<br />
ist nicht nur für künftige Bewerbungsgespräche zu<br />
empfehlen, sondern könnte dem einen oder anderen<br />
Korporierten auch durchaus für die Leitung von Veranstaltungen<br />
dienlich sein.<br />
Konstantin Greipl (AR)<br />
Rhetorikseminar<br />
des KStV Abraxas-<br />
Rheinpreußen im<br />
<strong>KV</strong> zu Dresden<br />
AM 25
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 26<br />
AUS DEM <strong>KV</strong><br />
26 AM<br />
Unter der Überschrift „Männerbündchen“ erschien in der<br />
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 21. Dezember 2005 eine<br />
Bericht von Andreas Rosenfelder über einen Besuch der Kölner<br />
Burschenschaft „Germania“. Anlass war der Antrag des Juso-<br />
Unterbezirksvorstands Göttingen an den SPD-Parteitag vom<br />
November 2005, in dem es hieß: „Die Sozialdemokratische<br />
Partei Deutschlands erklärt die Mitgliedschaft in einer studentischen<br />
Burschenschaft oder Corporation unvereinbar mit der<br />
Mitgliedschaft in der SPD.“ In der Begründung war von „Eliteförderung<br />
und Seilschaften“, von der „Ungleichbehandlung“<br />
von Frauen und Männern, vom „Untertanenprinzip“ und „Geschichtsrevisionismus“<br />
sowie von einem „Brauchtum“ die Rede,<br />
mit dessen Hilfe „die Individualität des/der Einzelnen untergraben“<br />
würden. Was der Journalist bei der Kölner Korporation, an<br />
deren Weihnachtskneipe er teilnahm, vorfand, war nichts mehr<br />
als harmlose Folklore. Deshalb die ironische Headline. Er warnte<br />
vor einer Verschwörungstheorie, „die Burschenschaft als<br />
rechte Geheimlogen mit weitreichenden Einflüssen“ zu verdammen.<br />
Er würde das Gefühl nicht los, dass Jusos versuchten, mit<br />
ihren „Lieblingsfeinden aus alten Asta-Tagen“ abzurechnen.<br />
Doch stände „deren Bedeutung in keinem Verhältnis zum nun<br />
angestrengten Schauprozeß.“ Andreas Rosenfelder riet schließlich<br />
der SPD, in einer freien Gesellschaft mit Gemeinschaften,<br />
„die eigenartige Werte kultivieren, anders umzugehen … als<br />
durch Verbannung.“<br />
Dabei ist es geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, dass der<br />
Vater des Kommunismus, Karl Marx, Mitglied der schlagenden<br />
„Der Herr Professor<br />
aus Heidelberg“<br />
Als der verflossene Bundeskanzler im vergangenen Sommer vergeblich<br />
nach einem Wahlkampfschlager gesucht habe, hätte ihm<br />
Angela Merkel Kb Paul Kirchhof (Rh-P, Sx, Arm) beschert, meinte<br />
kürzlich die „Welt“. Da habe sich die Möglichkeit geboten, ihn als<br />
„Pseudo-Visionär“ und „weltfremden Theoretiker“ darzustellen.<br />
Zum Jahresende hat nun Paul Kirchof mit der Politik abgerechnet.<br />
Er habe im Wahlkampf „menschliche Niedertracht erlebt“, sagte er<br />
dem „Stern“. Das sei für ihn „ein erdrückendes Erlebnis“ gewesen.<br />
Schröders Behauptung, er, Kirchhof, wolle die Deutschen zu Versuchkaninchen<br />
machen, habe ihn tief verletzt. „Das schlimmste<br />
Wort war das von den Menschenversuchen.“ Aber nicht nur mit<br />
dem ehemaligen Kanzler ging Kirchhof scharf ins Gericht. Medien<br />
hätten seine Konzepte nicht geprüft und die unsachliche Kritik „einfach<br />
so nachgeplappert“. Er sei außerdem erstaunt gewesen, wie<br />
einige Politiker aus der Union zu ihm auf Distanz gegangen seien.<br />
Viele Sozialdemokraten hätten sich übrigens bei ihm entschuldigt<br />
(vermutlich nach der Wahl).<br />
PS. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Februar hat sich<br />
Kb Kirchhof noch einmal ausführlich zum Thema geäußert.<br />
Männerbündchen<br />
Parteien und Studentenverbindungen<br />
Landsmannschaft der Trierer in Bonn gewesen ist und der Mitgründer<br />
der SPD, Ferdinand Lassalle, einer Bonner Burschenschaft<br />
angehört hat. Korporiert waren auch, um nur zwei Sozialdemokraten<br />
aus der Zeit der Bundesrepublik zu nennen, der<br />
Regierende Bürgermeister Berlins Ernst Reuter und der niedersächsische<br />
Ministerpräsident Georg Diederichs. Schließlich ist<br />
der der SPD angehörende Präsident des Europäischen Parlaments<br />
von 1994 bis 1997, Klaus Hänsch, ein „bekennender“<br />
Corpsier (Corps Silingia Breslau zu Köln). Auf weitere Namen<br />
kann man hier verzichten. Als der Sturm der entrüsteten Korporierten<br />
losbrach – der CV wies u.a. auf seine Mitglieder Thomas<br />
Gottschalk, von der FAZ als „Ulknudel“ bezeichnet, Claus Kleber,<br />
Chef des „Heute-Journals“, den Bundestagsabgeordneten<br />
Friedrich Merz und den Papst hin, der zwar nur Ehrenbandträger<br />
ist – beeilte sich die SPD zurückzurudern. Ihr neuer Generalsekretär<br />
Hubertus Heil versicherte gegenüber der Katholischen<br />
Nachrichtenagentur, sein Partei wolle „weiter die Parteizugehörigkeit<br />
für Mitglieder katholischer deutscher Studentenverbindungen<br />
nicht untersagen.“ Es dürfe aber kein Mitglied einer<br />
rechtsextremistischen Burschenschaft Mitglied der SPD sein.<br />
Sie grenze sich mit aller Entschiedenheit von deren menschenverachtenden<br />
Gedankengut ab. Das hat der <strong>KV</strong> übrigens schon<br />
2001 getan. Inzwischen hat der Parteivorstand beschlossen,<br />
im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Burschenschafter Mitglied<br />
werden kann. Die Antragsteller sind enttäuscht.<br />
W. L.<br />
Konkurrenz für<br />
Konrad Adenauer<br />
Zu den bekanntesten Deutschen, die zugleich <strong>KV</strong>er sind, zählt neben<br />
Konrad Adenauer seit kurzem Papst Benedikt XV!. (Li, E d Is,<br />
Ale). „Als er gewählt wurde,“ schreibt dazu Gustav Seibt in der<br />
„Süddeutschen Zeitung“, „gab es einen markanten Rülpser der<br />
Bild-Zeitung („Wir sind Papst“) – und danach? Besorgte Fragen, ob<br />
dieser Papst auch „liberal“ und „ökumenisch“ sei. Dabei ist schon<br />
seine äußere Erscheinung – der huschende Gang, die elegante verschliffene,<br />
syntaktisch nie beirrte Sprache, das süddeutsch eingefärbte<br />
Kirchenitalienisch, die eichenhörnchenhafte Geschwindigkeit<br />
der Reaktionen – von größtem Reiz. Dazu ist er ein zeitgenössischer<br />
Intellektueller von umfassender Informiertheit, dessen Stellungnahmen<br />
zu Habermas und Derrida gewiss nicht den Rückhalt<br />
des kirchlichen Lehramts brauchen. Und er verkörpert einen alten<br />
historischen Typus: den katholischen Weltmann mit den weichen<br />
Umgangsformen und der durch untrüglichen Scharfsinn gestählten<br />
geistigen Härte.“ Kb Winfried Hartmann (Ra, Bsg) machte die Redaktion<br />
darauf aufmerksam, dass schon die erste deutsche Gemeinde<br />
einen Platz nach unserem Kartellbruder benannt hat. Das<br />
zeige, „geradezu exemplarisch auf, dass sich auch auf anderer und<br />
von manchem <strong>KV</strong>er vielleicht nicht vermuteter Stelle Landsleute<br />
über unseren neuen Papst“ freuten und „sogar stolz“ auf ihn seien.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 27<br />
Die Staatsverschuldung<br />
und die<br />
Ältere Generation<br />
Stellungnahme zu einer Äußerung des JU-<br />
Bundesvorsitzenden Philipp Missfelder<br />
Brief: Edgar K. Beitzen (Rhein)<br />
Der JU-Bundesvorsitzende Philipp Missfelder ist<br />
bisher schon aufgefallen durch ungewöhnliche<br />
Äußerungen mit einer abfälligen Denkweise u.a. insbesondere<br />
über die sog. Ältere Generation („Keine<br />
Hüftgelenke mehr für Ältere“, Forderung weiterer<br />
„Nullrunden für Rentner“). Ein Jungpolitiker einer<br />
anderen Partei wurde wegen einer ähnlichen, angeblich<br />
missverständlichen Äußerung („Sollen früher<br />
den Löffel abgeben“) von eigener Seite aus zum<br />
Rücktritt veranlasst.<br />
Folgende Äußerung fand sich vor geraumer Zeit in<br />
der Verbandszeitschrift „Akademische Monatsblätter“<br />
AM unseres Kartellverbandes katholischer<br />
deutscher Studentenvereine <strong>KV</strong> in der Ausgabe<br />
Nr. 3/2005 S.15. Dort heißt es: „Übereinstimmung<br />
zwischen JU und AGV herrschte auch zum Thema<br />
Finanzpolitik. Es sei unverantwortlich, dass die<br />
ältere Generation viel Geld zu Lasten der jüngeren<br />
Generation verprasse, unterstrich Missfelder ...“.<br />
Gemeint ist offensichtlich die Altersklasse der Rentner<br />
und Pensionäre. Anm.: Die AGV ist die Arbeitsgemeinschaft<br />
katholischer Studentenver-bände CV,<br />
<strong>KV</strong> und UV. Insofern ist auch die Aussage einer<br />
„Übereinstimmung“ als ärgerlich zu werten. Die <strong>KV</strong>-<br />
Verbandsführung und die AM-Redaktion haben sich<br />
distanziert.<br />
In einer Stellungnahme v. 7.9.05, die in Kopie vorliegt,<br />
versucht Missfelder die Äußerung abzuschwächen<br />
mit der Formulierung „Meine darin zitierten<br />
Worte sind so nicht gefallen – Ich bin falsch<br />
zitiert worden. Was ich jedoch erwähnt habe, war<br />
die überbordende Belastung der jungen Generation,<br />
insbesondere durch die Staatsverschuldung“. Das<br />
angebliche Falschzitieren wurde seitens des Verfasser<br />
des Berichts, Kb Timo Hirte, bis heute nicht<br />
verifiziert.<br />
Dabei übersieht und übergeht er völlig, daß die<br />
Verantwortung für die seiner Äußerung zugrundeliegende<br />
„Staatsverschuldung“ (i. H. v. derzeit rd.<br />
FORUM<br />
7,1 Bill. € insgesamt, davon rd. 1,456 Bill. € sog.<br />
Explizite (Haushalt-)Schulden und rd. 5,7 Bill. € sog.<br />
Implizite Staatsschulden) nicht bei der „Älteren Generation“<br />
liegt oder überhaupt irgendeiner einzelnen<br />
Bevölkerungsgruppe, sondern über die Jahre hinweg<br />
vielmehr bei den für die Finanzpolitik Verantwortlichen:<br />
Die inzwischen gigantisch hohe Staatsverschuldung<br />
liegt nämlich begründet in der betriebswirtschaftlich<br />
mangelhaften „Buchführung des Kameralistischen<br />
Rechnungswesens“, die traditionsverhaftet<br />
(mit den Art. 110 bis 115 Grundgesetz) beibehalten<br />
wurde und immer noch wird (ohne Buchen von Rückstellungen<br />
und Abschreibungen und ohne Bilden von<br />
aktiven Vermögensposten wie u.a. Pensionsfonds<br />
als Rücklagen). Ferner im System der Haushalt- und<br />
Finanzpolitik, das vornehmlich (nur) auf Liquidität<br />
ausgerichtet ist und (ohne eine betriebswirtschaftlich<br />
notwendige „Bilanzierung nach Handelsrecht“)<br />
betrieben wird (s. auch FAZ v.3.4.03 „Unterschlagene<br />
Rückstellungen“).<br />
Hinzu kommt, dass das durch das Umlageverfahren<br />
kapitalmässig ungedeckte Rentensystem (mit jetzt<br />
zunehmend notwendigen Ergänzungszuweisungen<br />
an die Rentenkassen) und ständig (auch sozial)<br />
masslose und nicht tragbare, unverantwortbare<br />
haushaltpolitische Ausgabeentscheidungen nach<br />
Interessenlagen und Wunschvorstellungen bei Bund,<br />
Ländern und Gemeinden das gigantische Anwachsen<br />
zusätzlich verstärkt haben.<br />
Völlig offen ist die konkrete Frage, wie die Staatsverschuldung<br />
in den Griff zu bekommen sein könnte.<br />
Solange keine „Bilanzpolitik“ betrieben und kein<br />
Amt eines „Bundesbilanzministers“ eingerichtet<br />
wird, ist kein neuer Denkansatz zu erkennen. Mit der<br />
traditionellen „Finanzpolitik“ nur als „Haushaltpolitik“<br />
(nur mit „Kassendefiziten“ und deren Ausgleichen<br />
durch „Neuverschuldungen“ und Aufstocken<br />
bei den „Haushaltschulden“) allein ist das Problem<br />
jedenfalls nicht zu schaffen. Die Frau Bundeskanzlerin<br />
und die neue Bundesregierung müssen sich des<br />
Themas annehmen. Auch die traditionelle Finanzwissen-schaft<br />
muß sich nolens volens anschicken,<br />
ans Umdenken heranzugehen, und sich mit Buchführung<br />
und Bilanzierung befassen.<br />
AM 27
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 28<br />
FORUM / MELDUNGEN<br />
28 AM<br />
Briefmarken für den<br />
Missio-Narr<br />
Brief:<br />
Hermann Bickel (Zauberpater und Thuringia-Ehrenmitglied)<br />
Schon zu Lebzeiten ein<br />
Denkmal<br />
Erstmals ein Platz nach Papst Benedikt<br />
benannt - in protestantischem Ort<br />
BUCHVORSTELLUNG<br />
Brief: Winfried Hartmann (Ra, BSG)<br />
Im Nachgang zur Berichterstattung in den AM über Herkunft<br />
und Heimat unseres Papstes fand ich in der Neuen<br />
Osnabrücker Zeitung folgenden Artikel (Auszüge):<br />
„Beethovenstraße, Adenauerallee, Schillerplatz - bedeutende<br />
Persönlichkeiten werden in Deutschland erst<br />
nach ihrem Tod mit einem Straßenschild gewürdigt.<br />
Das ist ungeschriebenes Gesetz. Doch nach der Wahl<br />
von Joseph Ratzinger zum Papst ist alles anders. Seit<br />
kurzem gibt es den vermutlich ersten Papst-Benedikt-<br />
XVI.-Platz in Deutschland. Das Erstaunliche: Nicht in<br />
In der Dezember-Ausgabe der AM gab es einen Hinweis<br />
darauf, Briefmarkensammeln könne eine Hilfe<br />
sein für die Steyler Missionare. In der Hitze der vorweihnachtlichen<br />
Zeit mit vielen Aushilfen und viel Post<br />
habe ich das gar nicht bemerkt, aber einige Kartellbrüder<br />
schickten mir tatsächlich daraufhin Briefmarken,<br />
die ich weiterleite zur Verkaufsstelle, und mit dem Erlös<br />
werden Projekte meiner Mitbrüder in Asien und Afrika<br />
unterstützt. Tolle Sache. Danke!<br />
seiner bayerischen Heimat oder in katholischen Hochburgen<br />
ist man auf die Idee gekommen, sondern in der<br />
tiefsten protestantischen Provinz. In der 6.300 Einwohner<br />
zählenden Gemeinde Wathlingen (Landkreis Celle)<br />
hat die mit absoluter Mehrheit regierende CDU den<br />
Platz vor der katholischen Kirche, der bisher „Am Bahnhof“<br />
hieß, umgetauft. Im bayerischen Erzbistum München<br />
und Freising sowie im Bistum Regensburg, wo Joseph<br />
Ratzinger lange lebte, gibt es nach Auskunft der<br />
Bistums-Pressestellen keine Straße zu Ehren es römischen<br />
Oberhirten.“ – Dieser Artikel zeigt, so meine ich,<br />
doch geradezu exemplarisch auf, dass sich auch auf anderer<br />
und von manchem <strong>KV</strong>er vielleicht nicht vermuteter<br />
Seite Landsleute über unseren Papst freuen, sogar<br />
stolz auf ihn sind und sein Beispiel für gewichtig genug<br />
halten, schon zu Lebzeiten an ihn zu erinnern. Mich hat<br />
diese Entscheidung der Gemeinde Wathlingen menschlich<br />
beeindruckt.<br />
Christliche Frauen in der DDR<br />
Alltagsdokumente einer Diktatur in Interviews<br />
Christliche Frauen – herausragende Einzelgestalten wie Persönlichkeiten des Alltags sind in den letzten Jahren immer<br />
mehr ins Interesse der historischen Forschung gerückt. Studien, die sich mit der Situation von christlichen Frauen in der<br />
DDR auseinandersetzen, gibt es allerdings bisher kaum. Das mehr als 350 Seiten umfassende Buch schließt hier eine<br />
Lücke.<br />
Die Autorin Dr. Sonja Ackermann hat die 97 Interviews mit christlichen Frauen und Mädchen verschiedener Altersstufen<br />
zusammengefasst und der BkdA hat diese Studie bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig herausgegeben.<br />
Hier kommt bei aller Subjektivität in den Erinnerungen der Zeitzeuginnen auf teils beklemmende Weise zum Ausdruck,<br />
mit welchen Belastungen sie im Alltag manchmal zu kämpfen hatten. Gleichermaßen wird deutlich, wie sie sich mit Zivilcourage<br />
und Humor Freiräume erkämpfen konnten.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 29<br />
Unternehmen Universität<br />
– Universität<br />
unternehmen<br />
Festvortrag im Internet abrufbar<br />
Der Festvortrag „Unternehmen Universität - Universität unternehmen<br />
- Deutschland im Paradigmenwechsel des Hochschulsystems“<br />
Industriepreis für evangelikalen Unternehmer<br />
Kirchenleitung gratuliert Knoblauch:<br />
Christliches Menschenbild<br />
prägt Unternehmen<br />
Giengen (idea) – Der evangelikale Unternehmer<br />
Prof. Jörg Knoblauch (Giengen bei Ulm) hat einen<br />
der wichtigsten Industriepreise in Deutschland erhalten.<br />
Der zum ersten Mal in Deutschland vergebene<br />
Preis MX Award 2005 zeichnet Firmen aus, die<br />
neue Ideen auf hervorragende Weise umsetzen. Der<br />
Jury gehören Vorstände großer Unternehmen und<br />
Wirtschaftswissenschaftler an. Im Glückwunschschreiben<br />
des Medienreferenten der württembergi-<br />
100 Worte<br />
Gerechtigkeit<br />
Aufruf zum Katholikentag<br />
Saarbrücken<br />
Unter der Frage „Was ist Gerechtigkeit?“ rufen die Organisatoren<br />
des Deutschen Katholikentages Saarbrücken 2006<br />
auf, persönliche Antworten und Ansichten einzusenden.<br />
MELDUNGEN<br />
von Wolfgang A. Herrmann ist unter www.kartellverband.de im<br />
Internet abrufbar. Kb Herrmann hielt die Rede am 22. Oktober<br />
beim festlichen Übergabekommers im Augustinerkeller. Er geht<br />
darin auf wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche<br />
Zukunftsfragen deutscher Universitäten ein und stellt in pointierten<br />
Thesen neue Lösungen für die aktuellen Probleme der Hochschulen<br />
vor. Da wir den kompletten Vortrag aus Platzgründen nicht<br />
abdrucken können, empfehlen wir dessen Lektüre im Internet.<br />
Wer keinen Zugang zum Internet hat, kann sich den Vortrag auch<br />
als Fotokopie vom <strong>KV</strong>-Sekretariat zuschicken lassen.<br />
schen Kirchenleitung, Kirchenrat Dan Peter<br />
(Stuttgart), heißt es, in der Art, wie<br />
Knoblauch Mitarbeiter in die Informationskreisläufe<br />
der Firma einbinde und damit<br />
kreative Kräfte und eigenverantwortliches<br />
Handeln wecke, spiegele sich das<br />
christliche Menschenbild. Dieses präge<br />
das Unternehmen bis in die Führung und<br />
die alltäglichen Entscheidungen hinein.<br />
Knoblauchs Firma „drilbox“ mit 70 Mitarbeitern bekam<br />
bereits mehrere Preise, zuletzt 2004 den „Best<br />
Factory Award“ und zwei Jahre vorher den begehrten<br />
Ludwig-Erhard-Preis. Anfang November verkaufte<br />
Knoblauch „drilbox“ an die fränkische Unternehmensgruppe<br />
Dinzl in Schillingsfürst, um sich stärker<br />
auf seine Firmen tempus-Consulting, tempus-Zeitplansysteme<br />
und DISG/persolog zu konzentrieren.<br />
Die Beiträge, die nicht länger als 100 Worte sein sollen,<br />
können unter eingestellt werden. Nach redationeller<br />
Durchsicht werden die Antworten auf selbiger Homepage<br />
veröffentlicht. Einsendungen sind außerdem möglich per<br />
E-Mail an presse@katholikentag.de, per Fax an<br />
0681/9351-444 oder per Post an „96. Deutscher Katholikentag<br />
Saarbrücken 2006“, Stichwort „100 Worte Gerechtigkeit“,<br />
Postfach 10 04 52, 66004 Saarbrücken.<br />
AM 29
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 30<br />
EUROPÄISCHER KARTELLVERBAND (E<strong>KV</strong>)<br />
Geld von EU-Kommission, Europarat<br />
oder europäischen Stiftungen?<br />
30 AM<br />
Und was die<br />
Aufnahme von<br />
Studentinnen<br />
damit zu tun hat<br />
Wer nach Zuschüssen von europäischen Institutionen für den<br />
Europäischen Kartellverband (E<strong>KV</strong>) ruft, denkt zumeist an die EU, an<br />
den Europarat oder an europäische Stiftungen als potentielle Donatoren.<br />
Zur Information der Verbandsmitglieder und Spitzenfunktionäre<br />
sowie als allgemeiner Diskussionsbeitrag sei an dieser<br />
Stelle auf folgende Zusammenhänge hingewiesen:<br />
(1.) Der Europarat stellt externen Institutionen keine Finanzmittel<br />
zur Verfügung. Er organisiert aber selber themengebundene Anlässe,<br />
Tagungen und Projekte, an denen Einzelmitglieder und Delegierte<br />
(z.B. des E<strong>KV</strong>) zu vergünstigten Konditionen oder kostenlos teilnehmen<br />
können. Die diesbezüglichen Möglichkeiten und Informationen<br />
werden vom Europaratsdelegierten ausgelotet und regelmässig<br />
kommuniziert. In manchen Fällen tritt der Europarat auch<br />
als Ko-Organisator von Anlässen und Projekten in Erscheinung.<br />
(2.) Die Europäische Union d.h. die Europäische Kommission kann<br />
externe Organisationen und Institutionen nicht direkt unterstützen.<br />
Dagegen bestehen zahlreiche Programme und Aktionen, die teilweise<br />
mit namhaften Finanzmitteln ausgestattet und immer themen-<br />
oder zweckgebunden sind (z.B. Rassismus-Bekämpfung, Förderung<br />
der Multikulturalität, Stärkung des Demokratieverständnisses,<br />
Unterstützung von Bürgerinitiativen etc.). Diese Programme<br />
werden öffentlich ausgeschrieben und haben eine mehrjährige<br />
Laufzeit. Externe Partner (auch der E<strong>KV</strong>) können sich in diesem Rahmen<br />
mit Projekten um Fördermittel bewerben, müssen aber einen<br />
Grossteil der Budgets über Eigen- oder Drittmittel finanzieren. Die<br />
Eingabe der entsprechenden Gesuche bei der Kommission, die Betreuung<br />
der eingegebenen Projekte und das Networking vor Ort<br />
sind sehr aufwändige Tätigkeiten. Weil der diesbezügliche Personalaufwand<br />
sehr hoch ist, unterhalten viele grosse NGOs in Brüssel<br />
ein permanentes Sekretariat, ein Fund-Raising-Büro oder einen directeur<br />
des relations extérieures. Der E<strong>KV</strong> kennt einen derartigen<br />
Posten (noch) nicht.<br />
(3.) Alle Eingaben für EU-Projektfinanzierungen (im NGO-Bereich,<br />
im staatlichen Sektor, in der Wissenschaft etc.) müssen ausserdem<br />
dem standardmässig evaluierten Kriterium des Gender-Mainstrea-<br />
ming genügen. Das bedeutet, dass die gerechte, proportionale oder<br />
gleichwertige Integration und Beteiligung der beiden Geschlechter<br />
auf allen Ebenen des Projekts möglichst optimal (und im Rahmen<br />
des Sinnvollen) gewährleistet sein muss. Hier liegt denn auch das<br />
ganz grosse Handicap für den E<strong>KV</strong>. Der Dachverband ist zwar selbst<br />
nicht direkt betroffen, denn er macht bei der Aufnahme keinen Unterschied<br />
zwischen Landesverbänden und Verbindungen, die sowohl<br />
Studenten als auch Studentinnen aufnehmen, und solchen,<br />
die nur männlichen oder nur weiblichen Studierenden offen stehen.<br />
Es wird aber äusserst negativ bewertet, dass die Mehrheit unserer<br />
Mitgliedsverbände (notabene die grössten und wichtigsten) noch<br />
heute nur Männer als Aktivmitglieder aufnehmen und Frauen ausdrücklich<br />
ausschliessen. Dieser Umstand wurde Vertretern des E<strong>KV</strong><br />
verschiedentlich und ganz klar bedeutet - von amtlicher Seite, wie<br />
auch beim Vorsprechen vor privaten und halb-privaten Stiftungen<br />
auf europäischer Ebene. Es wäre sehr nützlich und äusserst lobenswert,<br />
wenn sich die betroffenen Verbände in Deutschland und in<br />
Österreich in nicht allzu ferner Zukunft zu einer sanften Öffnung<br />
durchringen könnten und ihren Verbindungen/Sektionen die Aufnahme<br />
von Frauen ermöglichen würden. Selbstverständlich können<br />
der E<strong>KV</strong> und seine Organe hier nicht subsidiär eingreifen, denn die<br />
Mitgliedsverbände bleiben in dieser Frage souverän. Genauso, wie<br />
auch in einem Verband, der gemischte Sektionen zulässt, jede Verbindung<br />
souverän über die Aufnahme von Studentinnen zu befinden<br />
hätte. Das Beispiel der EU-Förderbeiträge zeigt aber, dass es<br />
gute (pragmatische und undogmatische) Gründe für diesbezügliche<br />
Reformen gibt. Doch solche Begründungen bräuchte es angesichts<br />
der viel fundamentaleren Elemente eigentlich gar nicht: Die Gleichbehandlung<br />
und Anerkennung von Studentinnen und Akademikerinnen<br />
sollte in der heutigen Zeit – insbesondere für couleurstudentische<br />
Verbände – eine Selbstverständlichkeit sein. Dass damit das<br />
gepflegte, historische Brauchtum weder Schaden nimmt noch zugrunde<br />
geht, zeigen die Verhältnisse im Schweizerischen Studentenverein,<br />
im Katholischen Flämischen Hochschulstudentenverband<br />
oder in Verbindungen wie der KaV Norica/Norica Nova in Wien.<br />
Bernhard Altermatt v/o Nemesis (E<strong>KV</strong> Europaratsdelegierter und<br />
altVizepräsident, Mitglied der GV Zähringia, AV Berchtolida, SA Sarinia)
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 31<br />
Die KSStV Alemannia, eine der derzeit stärksten Korporationen<br />
im <strong>KV</strong>, hat in den verflossenen Jahren sechs<br />
Münchner Kardinälen – darunter Papst Benedikt XVI. –<br />
die Ehrenmitgliedschaft angetragen. Sie ernannte in<br />
einer eindrucksvollen Festveranstaltung am Abend des<br />
22. Novembers 2005 im Alemannenhaus Abtprimas<br />
Prof. Dr. Notker Wolf OSB zum Ehrenmitglied und den<br />
bayerischen Staatsminister für Wissenschaft, Forschung<br />
und Kunst, Kb Dr. Thomas Goppel (Nm-W, Erw,<br />
Alb), zum Ehrenphilister. Philistersenior Bernhard<br />
Gondro hatte durch dauerhafte freundschaftliche Beziehungen<br />
das Interesse an der Korporation geweckt.<br />
Die für die neuen Kartellbrüder gemeinsame politische<br />
Gemeinde Eresing, in der auch die Erzabtei St. Ottilien<br />
liegt, hatte langjährige private Kontakte gefördert.<br />
Im Beisein von Ehrenmitglied Friedrich Kardinal Wetter,<br />
den <strong>KV</strong>-Seelsorgern Prälat Siegfried Schindele und<br />
Prof. Friedo Ricken, des Stadtpfarrers von St. Ludwig,<br />
Dr. Ulrich Babinski, begrüßte der Vorsitzende der<br />
Altherrenschaft mehr als 160 Kartellbrüder und deren<br />
Angehörige.<br />
Der Regens des Priesterseminars, Kb Dr. Franz-Joseph<br />
Baur, würdigte den Abtprimas als weltoffenen Ordensmann,<br />
der von Rom aus der gesamten Benediktinischen<br />
Konföderation vorsteht. Mit Habit und Handy betreut<br />
und berät er rund um den Globus 8.000 Mönche und<br />
doppelt so viele Nonnen und ist doch seinem Heimatkloster<br />
am Ammersee verwurzelt geblieben, „als Bayer<br />
mit Rang und Ansehen im Wertmaßstab“. Scheinbar<br />
die „stabilitas loci“ heimischer Klostermauern missachtend,<br />
sorgt der Geehrte auch im Zeitalter der Globalisierung<br />
für die Blüte eines ortsgebundenen benediktinischen<br />
Mönchtums weltweit. Die fast verbotenen<br />
Forschungsreisen in den achtziger Jahren zu liquidier-<br />
<strong>PERSONALIA</strong><br />
Ehrenmitgliedschaft der KSStV Alemannia München<br />
für Abtprimas Prof. Dr. Notker Wolf OSB<br />
und Staatsminister Kb Dr. Thomas Goppel<br />
ten Ordensniederlassungen im kommunistischen China<br />
oder das Fernost-Engagement bei der kürzlich erfolgten<br />
Einweihung eines Krankenhauses in Nordkorea sind<br />
Kabinettstücke intensiver kluger Diplomatie. Auch die<br />
respektvolle Begegnung mit anderen Menschen und<br />
unterschiedlichen Religionen beweist der seinerzeit in<br />
St. Ottilien von Erzabt Notker initiierte und heute noch<br />
lebendig gepflegte Austausch mit buddhistischen Mönchen<br />
aus Japan. Als Professor für Naturphilosophie und<br />
Wissenschaftstheorie hat der heute 65-Jährige in der<br />
römischen Benediktineruniversität S. Anselmo seinen<br />
wichtigsten Studienort und seine zweite Heimat gefunden.<br />
Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind<br />
international geschätzt. Dass er, nicht nur in seiner<br />
Band, ein begeisterter E-Gitarrist ist und auch das klassische<br />
Repertoire der Querflöte beherrscht, rundet das<br />
Bild eines „vir vere benedictinus“ ab, der mit der Wirkmacht<br />
seiner Ideen, seiner Bescheidenheit und seiner<br />
stets zugewandten Herzlichkeit auch schnell zum kartellbrüderlichen<br />
„Du“ greift.<br />
Den neuen Ehrenphilister aus der <strong>KV</strong>-engagierten<br />
Goppel-Familie würdigte Kb Prof. Dr. Werner Buchner,<br />
selbst einst Amtschef im seinerzeit von Thomas Goppel<br />
geleiteten Bayerischen Umweltministerium. Dessen<br />
Vater, der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel,<br />
hatte genau vor 30 Jahren die Ehrenphilistrierung durch<br />
Alemannia entgegengenommen. Der Laudator unterstrich<br />
das herausragende berufliche und politische Wirken<br />
in maßgeblichen Verantwortungsbereichen in Staat<br />
und Gesellschaft. Nicht unerwähnt blieben die zahlreichen<br />
aus der K.St.V. Erwinia heraus entwickelten<br />
Aktivitäten im Münchner <strong>KV</strong> als Festredner und Festball-Conferencier,<br />
die richtungsweisenden Impulse bei<br />
<strong>KV</strong>-Veranstaltungen bis hin zur Vertreterversammlung<br />
2005 in Paderborn. Religio als Handlungsprinzip gehöre<br />
dabei ebenso zur Maxime gesellschaftspolitischer Entscheidungen<br />
wie gelebte Zeugnisse des Grundwerts<br />
Amicitia. Auch der in den AM 1993 zum sogenannten<br />
Öffnungsantrag des <strong>KV</strong> erschienene Artikel mit der<br />
Überschrift „Den eigenen Standpunkt felsenfest leben“<br />
lässt Thomas Goppels Mut zur Selbstbesinnung erkennen.<br />
Wolfgang Huber (Ale)<br />
AM 31
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 32<br />
<strong>PERSONALIA</strong><br />
Minister in Rheinland-Pfalz<br />
und in Mecklenburg-Vorpommern: Rudi Geil<br />
32 AM<br />
„Eine großartige Persönlichkeit, die sich nicht nur um seine<br />
Heimatstadt; sondern auch um das Land Rheinland-Pfalz in<br />
seiner langiährigen politischen Karriere verdient gemacht<br />
hat" – so nannte der CDU-Politiker Christoph Böhr unseren<br />
Kartellbruder Rudi (Rudolf) Geil (Stf), als diesem am 21. November<br />
2005 die Ehrenbürgerwürde seiner Vaterstadt Lahnstein<br />
verliehen wurde.<br />
Das „fachliche Allroundtalent und der<br />
Allzweckprofi“, wie zwei Tage vor ihrer<br />
Wahl zur Bundeskanzlerin Angela<br />
Merkel ihn nannte, Rudi Geil, wurde<br />
geboren am 25. April 1937 in Lahnstein.<br />
Er legte 1957 die Abiturprüfung ab und<br />
studierte ab demselben Jahr in Bonn<br />
und Frankfurt Wirtschaftspädagogik. In<br />
Frankfurt wurde er Mitglied des KStV<br />
Staufia-Straßburg; die Korporation befand<br />
sich damals auf dem Höhepunkt<br />
ihrer Nachkriegsentwicklung. Das Studium<br />
beendete er 1961 als Diplom-<br />
Handelslehrer. Er trat in den rheinlandpfälzischen<br />
Schuldienst ein. Rudi Geil<br />
heiratete Inge Sarholz, und aus der Ehe<br />
gingen die Söhne Linus (1967) und<br />
Dominik (1969) hervor. 1971 schied er als Oberstudienrat<br />
aus dem Schuldienst aus, weil er in jenem Jahr zum ersten<br />
Mal ein Mandat für den Landtag in Mainz erlangt hatte.<br />
Schon als Student, 1960, war Rudi Geil Mitglied der CDU<br />
geworden, und bald begann die parteipolitische und parlamentarische<br />
„Ochsentour“, bei der sich der junge Mann<br />
Rüstzeug und Erfahrung für den späteren politischen Werdegang<br />
erwerben konnte. Sein Weg sollte exorbitante<br />
Höhen erreichen.<br />
Von 1964 bis 1978 gehörte er dem Lahnsteiner Stadtrat an,<br />
ab 1965 als Fraktionsführer. Seit 1969 war und ist er Mitglied<br />
des Kreistags Rhein-Lahn. 1971 wurde er Kreis-, 1980<br />
Bezirksvorsitzender seiner Partei. 1973, zwei Jahre nach<br />
Einzug in den Landtag, wurde er dort Stellvertretender Fraktionsvorsitzender,<br />
1976 Vorsitzender. Es konnte kaum ausbleiben,<br />
dass der erfahrene Parlamentarier von der Legislative<br />
in die Exekutive wechselte. Von 1981 bis 1985 – in<br />
der Regierungszeit von Ministerpräsident Bernhard Vogel –<br />
war Rudi Geil in Mainz Minister für Soziales, Gesundheit<br />
und Umwelt, von 1985 bis 1987 war er dort Minister für<br />
Wirtschaft und Verkehr, anschließend Minister des Innern<br />
und für Sport. Er diente dem Land Rheinland-Pfalz als<br />
Minister zehn Jahre lang. Nach der sogenannten Wende<br />
stellt er seine immense Erfahrung als Landespolitiker im<br />
äußersten Nordosten der erweiterten Bundesrepublik zur<br />
Verfügung: In Mecklenburg-Vorpommern mit seinen innen-<br />
politisch schwierigen Verhältnissen wurde Rudi Geil für vier<br />
weitere Jahre erneut Innenminister. Er wertet sie als eine<br />
„aufregende, unwiederholbare Zeit“. Die bundespolitische<br />
Ebene schließlich erreichte er gegen Ende der Ära Kohl, als<br />
Kb Geil zum Beauftragten der Bundesregierung für den Aufbau<br />
Ost ernannt wurde. Dieses Amt übte er 1997/98 aus.<br />
Rudi Geil hat seinen Wohnsitz immer in Lahnstein gehabt.<br />
Er hielt bisher auch Kontakt zum dortigen <strong>KV</strong>-Ortszirkel<br />
„Silbernes Mondlicht“. Er besuchte ihn auch in seinen<br />
Politikerjahren, wann immer er nach Lahnstein kam. Auch<br />
der eingangs zitierte Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz,<br />
Christoph Böhr, betonte in seiner Laudatio am 21. November<br />
2005, dass sich Geil seiner festen Wurzeln in Rheinland-Pfalz<br />
immer bewusst gewesen ist. Bei der Feier zur<br />
Verleihung der Ehrenbürgerwürde Lahnsteins an Rudi Geil<br />
ehrten ihn mit ihrer Anwesenheit unter vielen anderen auch<br />
die ehemaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (Rheinland-Pfalz<br />
u. Thüringen), Carl Ludwig Wagner (Rheinland-<br />
Pfalz) und Bernd Seite (Mecklenburg-Vorpommern).<br />
Auf Grund einer schweren Erkrankung hatte Rudi Geil, der<br />
Lehrer aus Lahnstein, im Sommer 2005 alle politischen Ämter<br />
niedergelegt, ein einziges jedoch behalten – das Kreistagsmandat<br />
Rhein-Lahn. Wir wünschen unserem Kartellbruder<br />
noch lange den Genuss seiner Tage.<br />
Der obige Text über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde<br />
im November 2005 wurde geschrieben im Dezember. Er<br />
war vorgesehen für die vorliegende AM-Ausgabe Januar/<br />
Februar 2006. Die Glückwünsche am Schluss des Textes erreichten<br />
Kb Geil nicht mehr. Er erlag am 11. Februar 2006<br />
seinem Krebsleiden. R.i.p.<br />
Staatstrauerakt<br />
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck<br />
(SPD) ordnete für Rudi Geil einen Staatstrauerakt an.<br />
Unser Kartellbruder habe sich „als Parlamentarier<br />
und in Regierungsämtern für die Bürger … engagiert<br />
und Anerkennung erworben.“ Der Landes- und Fraktionsvorsitzende<br />
der CDU Rheinland-Pfalz, Christoph<br />
Böhr, äußerte sich ähnlich: „Rudi Geil hat sich<br />
als Landtagsabgeordneter und … als Staatsminister<br />
große Anerkennung über alle Parteigrenzen hinweg<br />
erworben.“ Der Staatstrauerakt fand statt am 18. Februar<br />
2006 in der St. Martinskirche in Lahnstein.<br />
S. Koß
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 33<br />
Hermann Schäfer wird<br />
Ministerialdirektor<br />
Kb Prof. Dr. phil. habil. Hermann Schäfer (Gm-Ho, Wst), Jahrgang<br />
1942, übernahm am 1. Februar 2006 die Leitung der Abteilung<br />
Kultur und Medien beim Berliner Staatsminister für Kultur, Bernd<br />
Neumann (CDU). Zuvor hatte das Bundeskabinett der Ernennung<br />
Kb Prof. Schäfers zum Ministerialdirektor zugestimmt. Er verließ<br />
damit das „Haus der Geschichte“ an der Bonner Adenauer-Allee.<br />
Seit dessen Gründung 1987 war Kb Prof. Schäfer Präsident der<br />
Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.<br />
Aufgrund von dessen Konzeption und Bestand führte er das „National“-Museum<br />
schnell zu weltweitem Ruf. – K.<br />
Stefan Hans Kläsener (Arm)<br />
ist seit Januar stellvertretender Chefredakteur der „Braunschweiger<br />
Zeitung“. Dort ist er vor allem für die Regionalausgaben in<br />
Braunschweig, Gifhorn, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel<br />
und Wolfsburg zuständig. Zuvor war Kläsener nach Volontariat und<br />
Redakteurstätigkeit bei den „Lübecker Nachrichten“ elf Jahre bei<br />
der „Fuldaer Zeitung“ beschäftigt, davon knapp zehn Jahre als<br />
Redaktionsleiter der „Kinzigtal-Nachrichten“ in Schlüchtern. Der<br />
41-jährige Vater von vier Kindern hat in Bonn, Jerusalem und München<br />
Theologie, Philosophie und Germanistik studiert.<br />
„Medienbischof“ Spital<br />
80 Jahre alt<br />
Kb Hermann Josef Spital (Tsk, Mk), früherer Bischof von Trier,<br />
wurde am 31. Dezember 80 Jahre alt. Von 1989 bis 2001 war er<br />
Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen<br />
Bischofskonferenz (DBK). Unter Hermann Josef Spitals Leitung ist<br />
die „Gemeinsame Erklärung“ der Bischofskonferenz und des Rates<br />
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über „Chancen und<br />
Risiken der Mediengesellschaft“ entstanden. Auch die Publikationen<br />
zur „Positionierung der katholischen Kirche in den elektronischen<br />
Medien“ (1994) und über „Multimedia. Der Wandel der Informationsgesellschaft“<br />
(1995) hat er verantwortlich begleitet. Bei<br />
seinem Goldenen Priesterjubiläum 2002 hatte Bischof Spital betont,<br />
dass die Kirche nicht zum Selbstzweck werden dürfe. Priester<br />
seien nicht Herren des Glaubens, sondern Diener der Liebe. Mehr<br />
als früher müsse der priesterliche Dienst von der Lebens- und Glaubensbegleitung<br />
her verstanden werden. Ein derart verändertes<br />
Priesterbild könne auch junge Menschen ansprechen.<br />
Otto Brodesser<br />
verstorben<br />
<strong>PERSONALIA</strong><br />
Kb Otto Brodesser, geboren 1925 und gestorben 2005 (Lt, E d<br />
Zo, E d Lt), studierte nach dem Zweiten Weltkrieg in Karlsruhe.<br />
Er beendete das Studium als Diplom-Volkswirt und arbeitete<br />
zuletzt als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />
in einer großen Karlsruher<br />
Kanzlei. Schon ab 1954 war er<br />
tätig als Schriftftührer, dann als Philister-Senior<br />
im Altherren-Vorstand von<br />
Laetitia-Karlsruhe. Bei Zollern-Breslau<br />
zu Karlsruhe wurde er Ehrenphilister,<br />
später auch bei seiner Ur-Korporation<br />
Laetitia. Schon die ganzseitige Abbildung<br />
in der Laetiten-Festschrift von<br />
Otto Brodesser (1966) 1966 war eine Auszeichnung.<br />
Kb Otto Brodessers Verdienste lagen unter anderem im Vorsitz<br />
des Aufsichtsrats der Karlsruher Vincentius-Kliniken, im<br />
Aufsichtsrat von Badenia-Druckerei und Verlag und in der<br />
Freiburger Kirchensteuervertretung. 2005 wurde er Ehrenmitglied<br />
im St. Vincentius-Verein, des Trägers der Vincentius-<br />
Kliniken. Seine ganz persönliche Leidenschaft war der Tanzsport.<br />
1969 errang er in der Seniorenklasse den Titel des<br />
baden-württembergischen Landesmeisters. Er war Mitglied<br />
und dann Vorsitzender des Tanzsportverbandes Baden-Württemberg.<br />
1970 wurde er Schatzmeister des Deutschen Tanzsportverbands.<br />
Kb Brodesser war Träger des Bundesverdienstkreuzes und<br />
des Päpstlichen Silvester-Ordens. Zuletzt verehrte ihm die<br />
Erzdiözese Freiburg ihre höchste Auszeichnung, die Konradsplakette.<br />
R.i.p. – K.<br />
AM 33
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 34<br />
<strong>PERSONALIA</strong><br />
34 AM<br />
†<br />
Trauer um Theo Hansen<br />
Mit tiefer Erschütterung mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass unser verdienter<br />
Kartellbruder Theo Hansen (Vandalia Bonn) am 2. November 2005 im Alter von<br />
74 Jahren nach langer schwerer Krankheit verstorben ist. Jahrzehntelang war<br />
er ein treuer und engagierter Weggefährte seiner Vandalia. Er unterstützte sie mit großzügigen<br />
Spenden, besuchte regelmäßig ihre Veranstaltungen, repräsentierte den Altherrenverein mehrmals<br />
bei den Vertreterversammlungen des Verbandes und erwarb sich vor allem in fast 40 Jahren<br />
als Chronist des Vereins und seiner Mitglieder bleibende Verdienste.<br />
Im Sommersemester 1954, mitten in den turbulenten und aktiven Vandalenjahren der Nachkriegszeit, schloss sich Theo als<br />
Student der Germanistik und Geschichte dem Verein an. Später ergriff er den Beruf des Bibliothekars und war in dieser<br />
Funktion im Bistum Essen tätig.<br />
Diese berufliche Wahl und überhaupt sein Interesse an geschichtlichen Dingen, waren ein besonderer Glücksfall für die<br />
Vandalia: Jahrzehntelang betreute er das Vereinsarchiv und war ständig darum bemüht, dieses mit Fotos und Textdokumenten<br />
anzureichern. Daraus und aus unermüdlichen Recherchen in anderen Quellen gestaltete er detailreiche und interessante<br />
Berichte und Portraits.<br />
Seinen Berichten, den Geburtstagsgrüßen an einzelne Bundesbrüder und den Nachrufen auf verstorbene Vandalen in der<br />
Vereinszeitung „Vandalenblätter“ wie in den „Akademischen Monatsblättern“ merkte man an, dass ihn besonders die<br />
Menschen und ihre Schicksale mit oft überraschenden Lebenswendungen interessierten, was sie prägte und aus welchen<br />
Überzeugungen heraus sie lebten. Zu nennen sind hier beispielsweise seine Beschreibung der frühen Vandalenjahre bis<br />
1935 in der Festschrift zum 75. Stiftungsfest (1979) und sein Bericht „Auf den Spuren unserer 30 Gründer“ in der Festschrift<br />
zum 80. Stiftungsfest. Besondere Charaktere unter den „historischen“ Vandalen wie den Kunstmaler Karl Strunk<br />
(1882-1926), den Fachmann für Weinbau und Weinkultur Robert Michael Barzen (1888-1968) und den Prinzenerzieher am<br />
sächsischen Hof in Dresden und Lehrer der Prinzessinnen, Karl Neuefeind (1886-1918), brachte er uns nahe und machte uns<br />
so bewusst, welch interessante und vielfältige Mischung an Charakteren ein katholischer Studentenverein umfassen kann.<br />
Zuletzt arbeitete Theo engagiert und unermüdlich mit, um die schon zum 100. Stiftungsfest vorgesehene, aber leider noch<br />
nicht vollendete Festschrift über „100 Jahre Vandalia“ fertigzustellen. Er schrieb selber Artikel (Biographien sämtlicher<br />
Ehrenphilister und Ehrenmitglieder Vandaliae) und versorgte die anderen Autoren bereitwillig mit Material aus „seinem“<br />
Archiv.<br />
Theo Hansen gab 1984 erstmals ein Verzeichnis der verstorbenen Vandalen seit der Gründung 1904 heraus, das er später<br />
noch fortschrieb. Die Vandalia trauert darum, dieser Aufstellung nun einen großen Namen hinzufügen müssen. Am 16.<br />
November wurde Theo im engsten Familienkreis auf dem Pfarrfriedhof St. Markus in Essen-Bredeney beigesetzt. Gott, der<br />
Herr, schenke ihm seinen ewigen Frieden!<br />
Christoph Dux (Vd)<br />
Heinz Blaser erhält päpstlichen Orden<br />
Für Verdienste um die Kirche hat Kb Papst Benedikt XVI. Kb Heinz Blaser (FrS+Ebg, Arm) mit dem Gregoriusorden<br />
ausgezeichnet. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode überreichte den Orden am 19. Dezember.<br />
Kb Blaser erhielt die päpstliche Auszeichnung für vielfältige Verdienste, unter anderem gehörte er 1963 zu<br />
den Gründungsmitgliedern des Sozialdienstes katholischer Männer (SkM) in Osnabrück, den er zeitweise als<br />
Vorsitzender leitete. Er organisierte und begleitete mit dem SkM Hilfstransporte nach Polen. Bischof Bode<br />
bezeichnete diese Einsätze als „bewussten Beitrag zur Aussöhnung mit Polen“. Kb Blaser war außerdem<br />
Mitglied im Diözesanpastoralrat und im katholischen Siedlungsdienst „Stephanswerk“ und vermittelte als<br />
Dozent des Sozialen Seminars vielen jungen Menschen die Grundlagen der Katholischen Soziallehre.<br />
Der Gregoriusorden gehört zu den höchsten Auszeichnungen, die der Papst an Laien verleiht.<br />
Frank Wiesemann (Frs + Ebg)
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 35<br />
<strong>PERSONALIA</strong><br />
„Er hatte keine Feinde“<br />
Kb Holger Weyd (Alb) verstorben<br />
Am 30. November trug die Albingia ihren Alten Herrn und Ehrenphilister Holger Weyd auf dem Hamburger<br />
Friedhof Ohlsdorf zu Grabe. Eine heimtückische Krankheit hatte ihn viel zu früh aus ihrer Mitte gerissen.<br />
Holger Weyd wurde am 3. Januar 1943 in Hamburg geboren. Nach dem Besuch der katholischen Grundschule<br />
und des Jesuitengynasiums Hamburg machte er dort 1963 das Abitur und wurde zusammen mit zwei weiteren<br />
Klassenkameraden als einzige ihres Jahrgangs zur Bundeswehr einberufen, wo Holger Weyd bei der Raketenartillerie<br />
seine mathematischen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Gleich zu Beginn seines BWL-Studiums<br />
wurde Weyd für die Albingia gekeilt.<br />
Die Übernahme verschiedener Chargen war für ihn eine Selbstverständlichkeit.<br />
Als Leiter der Abteilung „EDV-Organisation“ war er bei drei großen Industriebetrieben in Hmburg tätig. Trotz starker beruflicher<br />
Auslastung und neben seinen vielfältigen sportlichen Aktivitäten widmete er als Alter Herr einen großen Teil seiner<br />
Freizeit dem <strong>KV</strong>: Von 1987 bis 1991 war er Vorsitzender des Albingenheimvereins, danach bis 2001 Philistersenior des<br />
AHV Albingiae und Vorsitzender des Ortszirkels „Seemöve“ im <strong>KV</strong> zu Hamburg. Er vertrat den AHV bei den Würzburger<br />
<strong>KV</strong>-Tagen, bei Vertreterversammlungen und Hauptausschusssitzungen. Die Albingia dankt seiner lieben Frau Marlies und<br />
seinen drei Kindern, die Holger Weyd großes Engagement ermöglichten und geduldig mittrugen.<br />
Durch seine fröhliche Art, sein freundliches Wesen und seine Lust am Scherz hat er seine Bundes- und Kartellbrüder<br />
immer wieder mitgerissen. Ein Kernsatz der Predigt beim Requiem in der überaus vollen Kirche: „Holger Weyd hatte keine<br />
Feinde“. Und dies war eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften: Alle mochten ihn gern.<br />
Die Albingia verliert einen ihrer engagiertesten Bundesbrüder. Keine Feier, kein Kommers, keine festliche Veranstaltung,<br />
an der er nicht teilgenommen hätte und die er nicht mit launigen Beiträgen zur Freude aller gewürzt hätte. Holger Weyd<br />
wird für immer einen Platz im Herzen seiner Bundes- und Kartellbrüder haben. Ihm zu Ehren schlug die Albingia eine<br />
Trauerkneipe am 10. Februar.<br />
Hans Heinrich Wienemann (Albi, Al)<br />
Anton Beck feierte 100. Geburtstag<br />
In der 135-jährigen Geschichte der Alamannia ist<br />
Dr. Anton Beck, der in Ravensburg hoch über dem<br />
Schussental lebt, der erste, der, soweit es bekannt<br />
ist, seinen 100. Geburtstag feiern konnte.<br />
Am 28. Oktober beging der Jubilar mit seiner Familie<br />
und Verwandten den Festtag im nahen Weingarten.<br />
Freude und Dankbarkeit prägten den Tag bis<br />
zum Abend, an dem die Musikkapelle seiner Heimatgemeinde<br />
Goppertsweiler bei Tettnang dem früheren<br />
Mitbürger ein Ständchen darbot. Die Freude über<br />
das Fest war dem Jubilar auch anderntags noch ins<br />
Gesicht geschrieben, als der Vorsitzende des <strong>KV</strong>-<br />
Zirkels Mehlsack und der Chronist dem „Alterssenior"<br />
der Alamannia und des Ravensburger <strong>KV</strong><br />
herzlich gratulierten.<br />
Beck hatte als promovierter Naturwissenschaftler<br />
nach der Heimkehr aus dem Krieg Biologie und Chemie<br />
in Ravensburg gelehrt, bis er Anfang der 60er<br />
Jahre zum Oberstudiendirektor am Gymnasium in<br />
Ehingen berufen wurde, 1970 in den Ruhestand trat<br />
und sich in sein geliebtes Ravensburg zurückzog.<br />
Auch wenn sein Aktionsradius sich inzwischen auf<br />
das Haus beschränkt, so kann er doch zusammen mit<br />
seiner rüstigen Ehefrau den Alltag noch sichtlich gut<br />
bewältigen. Das Ehepaar Beck wird in seinem hohen<br />
Alter auch getragen von der berechtigten Freude und<br />
großer Dankbarkeit über die beruflich erfolgreichen<br />
Kinder – eine Tochter und zwei Söhne – sowie die<br />
sehr begabten Enkel.<br />
Möge unserem lieben Kartellbruder weiter die Gnade<br />
eines so gesegneten Alters geschenkt bleiben.<br />
Max Gögler (Al, Ale)<br />
AM 35
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 36<br />
AUS DEN ORTSZIRKELN<br />
Von staatskirchlicher Privilegierung<br />
zu pluralistischer Nivellierung?<br />
Vortrag: Felix Hammer<br />
36 AM<br />
I. „Die Autoritäten der Römisch-Katholischen Apostolischen<br />
Kirche haben die Pflicht und das Recht zu<br />
lehren, welche Grundsätze richtig und welche falsch<br />
sind“, dieser Satz findet sich nicht im Katechismus<br />
der Katholischen Kirche, sondern in der Staatsverfassung<br />
Maltas, die zuvor bereits feststellt, dass die<br />
Religion Maltas die Römisch-Katholische Apostolische<br />
Religion ist. Zwar garantiert diese Verfassung<br />
im folgenden umfassende Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit,<br />
so dass sie kein Staatskirchentum<br />
im hergebrachten Sinne konstituiert, das eine<br />
Religion privilegiert und alle übrigen in ihrem Wirken<br />
behindert und ihnen bestenfalls einen geminderten<br />
Rechtsstatus gewährt, sie enthält mit den zitierten<br />
Aussagen aber doch deutliche staatskirchliche<br />
Anklänge. Damit steht sie in Europa jedoch keineswegs<br />
allein: „Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen<br />
und Unteilbaren Dreifaltigkeit“ beginnt die Verfassung<br />
Griechenlands, die sodann feststellt „Vorherrschende<br />
Religion in Griechenland ist die der<br />
Östlich Or-thodoxen Kirche Christi“ und die Verfassung<br />
Norwegens bestimmt „Die evangelisch-lutherische<br />
Konfession verbleibt öffentliche Religion des<br />
Staates. Die Einwohner, die sich zu ihr bekennen,<br />
sind verpflichtet, ihre Kinder in derselben zu erziehen“.<br />
Reste von Staatskirchensystemen finden sich<br />
aber auch im Vereinigten Königreich in England und<br />
Schottland sowie in Dänemark, in Island, im Fürstentum<br />
Liechtenstein sowie in verschiedenen Kantonen<br />
der Schweiz.<br />
Damit gehören enge Verbundverhältnisse von Staat<br />
und Kirche keineswegs der Vergangenheit an, sondern<br />
sind durchaus in Verfassungen der Gegenwart<br />
vorgesehen. Dabei handelt es sich bei den genannten<br />
Staaten durchweg um freiheitliche Demokratien<br />
oder parlamentarische Monarchien, jedenfalls nicht<br />
um Diktaturen, die sich der Religion oder Weltanschauung<br />
als Unterdrückungsinstrument bedienen.<br />
Dementsprechend ist in ihnen stets die Freiheit des<br />
Glaubens, der Religionsausübung und der Weltanschauung<br />
grundrechtlich gewährleistet, so dass sich<br />
Glaubens- und Gewissensfreiheit einerseits, die traditionelle<br />
Bindung eines Staates an eine Religion<br />
oder Konfession andererseits nicht ausschließen,<br />
Überlegungen zum Verhältnis<br />
von Staat und Kirchen in Europa<br />
II. Die Mehrzahl der Staaten Europas sieht in ihren<br />
Verfassungen freilich eine Trennung oder doch eine<br />
rechtliche Selbst- und Eigenständigkeit von Staat<br />
und Kirchen vor. Dabei reicht das Spektrum von<br />
weitgehender Trennung bis hin zu rechtlicher Verselbständigung<br />
unter Beibehaltung einer Vielzahl<br />
verfassungsrechtlich oder – mit Billigung der Verfassung<br />
– durch die Gesetze näher definierter Verbindungen<br />
zwischen beiden. Sehr konsequent ausgebildet<br />
ist die Trennung in Frankreich, den Niederlanden<br />
und in Slowenien. Die meisten Staatsverfassungen<br />
Europas enthalten zwar Normen, die – mit im einzelnen<br />
unterschiedlichem Wortlaut – bestimmen, dass<br />
Staat und Kirche getrennt sind, dass keine Staatskirche<br />
besteht oder dass die Religionsgemeinschaften<br />
oder die religiösen Kulte dem Staat gegenüber unabhängig<br />
oder selbständig sind, sie lassen aber eine<br />
Reihe, manchmal sogar eine Fülle von rechtlich geordneten<br />
oder schon von der Verfassung vorgesehenen<br />
Verbindungen zwischen Staat und Kirche zu, die<br />
Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften<br />
ein umfangreiches Wirken im öffentlichen,<br />
caritativen und kulturellen Bereich sichern und es<br />
dem Staat ermöglichen, sie in ihrer Tätigkeit zu unterstützen.<br />
Diese Brücken zwischen Staat und Kirche<br />
haben – vor allem auch als Ergebnis sehr unterschiedlicher<br />
nationaler geschichtlicher Entwicklungen<br />
– in den verschiedenen europäischen Staaten<br />
ganz verschiedene Ausprägungen gefunden.<br />
Im Kultur-, Sozialfürsorge- und Leistungsstaat der<br />
Gegenwart, der mit einer kaum mehr überschaubaren<br />
Zahl von Finanzhilfen weiteste Bereiche der Kultur,<br />
des Sozialen und der Gesellschaft fördert, sie<br />
aber auch regelnd erfasst, ist es kaum mehr möglich,<br />
dass die Staatstätigkeit kirchliches Wirken vollkommen<br />
ignoriert. Würde der Staat es von seiner<br />
Unterstützung ausnehmen, würde er diejenigen, die<br />
aus religiöser Motivation handeln, diskriminieren<br />
gegenüber denen, die aus anderen Gründen tätig<br />
werden. Zudem ließe er wichtige Teile der Kultur<br />
oder sozialer Betätigung ohne seinen rechtlichen<br />
Schutz und seine Hilfe, obwohl die religiöse Kultur<br />
weit in den Bereich des Weltlichen hineinstrahlt.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 37<br />
So bilden sakrale Denkmale wichtige historische<br />
und künstlerische Zeugnisse und tragen zur kulturellen<br />
Identität des gesamten Staates bei, so dass dieser<br />
seinen Denkmal- und Kulturgutschutz auch auf<br />
sie erstrecken muss. Deshalb sind selbst in Staaten,<br />
deren Verfassung weitgehende Trennungssysteme<br />
vorsehen, inzwischen nicht wenige rechtliche Verbindungslinien<br />
zwischen Staat und Kirche zu finden.<br />
Damit gehört das strenge Trennungssystem jedenfalls<br />
in der Lebenswirklichkeit der freiheitlichen Kultur-<br />
und Sozialstaaten Europas der Geschichte an<br />
und zwar noch stärker als enge Verbundverhältnisse<br />
von Staat und Kirche.<br />
III. Unverkennbar ist in der europäischen und nordamerikanischen<br />
Geschichte eine Entwicklungstendenz,<br />
die ausgehend von der mittelalterlichen Vorstellung,<br />
dass kirchliche und weltliche Gewalt gleichermaßen<br />
von Gott stammten und der Schutz der<br />
einen und wahren Kirche vornehmste Pflicht des<br />
weltlichen Herrschers sei, über das Staatskirchentum<br />
der frühen Neuzeit im Wege einer Säkularisierung<br />
von Staat und Recht zu einer Trennung oder<br />
Verselbständigung von Staat und Kirche, Recht und<br />
Religion führt. Von größter Bedeutung war die Garantie<br />
religiöser Freiheit, wie sie seit den Revolutionen<br />
in Nordamerika und Frankreich zunehmend als<br />
Grund- und Menschenrecht in den Verfassungen erscheint.<br />
Gewährt ein Staat Glaubensfreiheit, kann er<br />
sich nicht mit einer Religion als der allein wahren<br />
AUS DEN ORTSZIRKELN<br />
identifizieren, vielmehr muss zwischen beiden eine<br />
gewisse Distanz entstehen. Über die Gewährung<br />
von Religionsfreiheit hinaus kam es in Europa und<br />
Amerika seit dem späten 18. Jahrhundert in den<br />
meisten Staaten – in einer Entwicklung, die lange<br />
währte und oft unterschiedlich verlief – zu Entstaatlichungsprozessen,<br />
die eine mehr oder weniger<br />
weitreichende Trennung von Staat und Kirche, von<br />
Recht und Religion bewirkten.<br />
Sind in der Geschichte Lösungsprozesse einstiger<br />
staatskirchlicher Verbundverhältnisse vielfältig<br />
nachweisbar, finden sich entgegengesetzte Tendenzen<br />
erst in der jüngsten Geschichte. Nach dem Zusammenbruch<br />
der kommunistischen Weltanschauungsdiktaturen<br />
im östlichen Europa und in Asien ist<br />
zwar nirgends ein ausgeprägtes Staatskirchentum<br />
neu erstanden, wohl aber wurde die einst strikte,<br />
religionsfeindliche Trennung von Staat und Kirche<br />
oftmals zugunsten einer Selbständigkeit beider bei<br />
Ausbildung rechtlich und verfassungsrechtlich definierter<br />
Verbindungen zwischen ihnen aufgegeben,<br />
ja manchmal konnten sich sogar einzelne staatskirchliche<br />
Elemente wieder ausbilden. So stellt die<br />
bulgarische Verfassung fest: „Die traditionelle Religion<br />
in der Republik Bulgarien ist der orthodoxe Kultus“.<br />
Dies lässt entsprechend dem Sinn und Zweck<br />
einer Verfassung, der nicht nur deskriptive, sondern<br />
auch normative Bedeutung zukommt, eine gewisse<br />
Präferenz für die orthodoxe Kirche im öffentlichen<br />
Leben erkennen.<br />
AM 37
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 38<br />
AUS DEN ORTSZIRKELN<br />
38 AM<br />
Diese Entwicklungen können im freiheitlichen Verfassungsstaat<br />
nicht mehr zu einem konsequent ausgebildeten<br />
Staatskirchentum, das nur einer Konfession<br />
uneingeschränkte Entfaltung im Staatsleben<br />
erlaubt, führen. Sie zeigen aber, dass eine zunehmende<br />
Trennung von Staat und Kirche weder eine<br />
zwangsläufige Konsequenz der Ausbildung eines<br />
freiheitlichen, pluralistischen und demokratischen<br />
Staates noch die an der Wende vom 20. zum 21.<br />
Jahrhundert allein mögliche verfassungshistorische<br />
Tendenz bildet. Damit kann man – mit aller Vorsicht<br />
– für die Gegenwart wohl eine Entwicklung zur<br />
rechtlichen Selbständigkeit oder grundsätzlichen<br />
Trennung von Staat und Kirche bei Aufrechterhaltung<br />
oder Ausbildung verschiedener verfassungsrechtlich<br />
definierter oder rechtlich geordneter Verbindungslinien<br />
zwischen beiden feststellen und zwar<br />
sowohl seitens einstiger enger Verbundverhältnisse<br />
von Staat und Kirche als auch seitens früher konsequenter<br />
Trennungssysteme.<br />
IV. In einem zunehmend nicht mehr nur wirtschaftlich,<br />
sondern auch sonst vielfältig rechtlich zusammenwachsenden<br />
Europa sind die Konsequenzen, die<br />
das europäische Recht für die bunte Vielfalt der in<br />
den verschiedenen Ländern überlieferten Staatskirchenrechte<br />
entfaltet, von großer Bedeutung. Zwar<br />
beschränken sich die Rechtsetzungskompetenzen<br />
der EU nach wie vor primär auf den Bereich der<br />
Wirtschaft, doch gehen vom europäischen Recht oft<br />
Ausstrahlungswirkungen aus, die auch Kirchen- und<br />
Religionsgemeinschaften intensiv betreffen (so beim<br />
Antidiskriminierungsrecht, dem Datenschutz und bei<br />
der sozialen Betätigung in der Gesellschaft). Damit<br />
entfaltet das Europarecht erhebliche Bedeutung für<br />
die hergebrachten Staatskirchenrechte und so stellt<br />
sich die Frage, ob sie deshalb tiefgreifender Überformung<br />
bedürfen. Aus diesem Grund erhielt der<br />
Vertrag über eine Verfassung für Europa von 2004<br />
verschiedene Normen, die sowohl den in den EU-<br />
Mitgliedstaaten bestehenden Status von Kirchen-,<br />
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften absicherten<br />
als auch den Bürgern wie deren religiösen<br />
Gemeinschaften Glaubens- und religiöse Betätigungsfreiheit<br />
garantierten. Um sicherzustellen, dass<br />
dies in die Arbeit der EU-Organe angemessen einfließt,<br />
wurde der EU auferlegt, mit Kirchen und weltanschaulichen<br />
Gemeinschaften in Anerkennung ihrer<br />
Identität einen offenen, transparenten und regelmäßigen<br />
Dialog zu pflegen. Nachdem die europäische<br />
Verfassung allenfalls mit Modifikationen in<br />
Kraft treten wird, ist fraglich, wie weit ihre religionsrechtlichen<br />
Normen jemals realisiert werden.<br />
Zu einem guten Teil bedeuten sie aber gar keine<br />
Neuerung, sondern entsprechen Regelungen in bereits<br />
vorhandenen wichtigen Rechtsdokumenten,<br />
allerdings unterschiedlicher und teilweise nicht völlig<br />
eindeutiger Rechtsqualität.<br />
So wurde dem Vertrag von Amsterdam zur Neufassung<br />
des Vertrags über die Europäische Union eine<br />
Erklärung zum Status der Kirchen, religiösen und<br />
weltanschaulichen Gemeinschaften beigefügt, nach<br />
der die EU den Status, den diese in den verschiedenen<br />
Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften<br />
genießen, achtet und nicht beeinträchtigt. Die Charta<br />
der Grundrechte der EU gewährt religiöse und<br />
weltanschauliche individuelle, kollektive und weitgehend<br />
auch korporative Freiheit und ergänzt dies<br />
noch dadurch, dass Diskriminierungen aufgrund der<br />
Religion und Weltanschauung untersagt sind und<br />
dass die EU die Vielfalt der Kulturen, Religionen und<br />
Sprachen achtet. Ihre Regelungen sind zumindest<br />
teilweise auch im EU-Vertrag angelegt. So bestimmt<br />
sein Art. 6, dass die Union die Grundrechte, wie sie<br />
die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet,<br />
achtet. Damit wird ihre Religionsfreiheitsgarantie<br />
Bestandteil des EU-Vertrages.<br />
V. Das Recht der EU akzeptiert mithin eine große<br />
Bandbreite staatskirchenrechtlicher Systeme und<br />
tastet selbst Restbestände staatskirchlicher Privilegierung<br />
nicht an, solange nur umfassende Religionsfreiheit<br />
gewährleistet ist und Diskriminierungen<br />
aus religiösen Gründen ausgeschlossen sind. Andererseits<br />
behindert es nationale Entwicklungen nicht,<br />
die zu einer stärkeren Distanzierung des Staates<br />
gegenüber den Kirchen und einer weitgehenden<br />
rechtlichen Trennung führen, sondern überlässt dies<br />
der einzelstaatlichen Gesetzgebung. Weil alle europäischen<br />
Staaten durch freiheitliche, pluralistische<br />
Ordnungen geprägt sind, können einzelne staatskirchenartige<br />
Sonderrechte jedoch nur dann –<br />
rechtspolitisch – für kommende Jahrzehnte bewahrt<br />
werden, wenn die berechtigten Kirchen das gesellschaftliche,<br />
kulturelle und soziale Leben eines Staates<br />
so stark prägen, etwa indem sie den Bürgern<br />
historische und kulturelle Identität vermitteln, die<br />
über die Kirche selbst hinaus ausstrahlt, dass die<br />
Aufrechterhaltung ihrer Sonderstellung vom Konsens<br />
der Staatsbürger getragen wird. Nur dann kann<br />
ein demokratischer, freiheitlicher Staat ohne Diskriminierung<br />
im Recht einer Kirche eine hervorgehobene<br />
Position im Staatsleben einräumen.
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:54 Uhr Seite 39<br />
Die Glaubens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit<br />
muss nicht deshalb zu einer Nivellierung der<br />
rechtlichen Position aller Bekenntnisse und Weltanschauungen<br />
führen, weil der pluralistische Staat<br />
diese exakt gleich behandeln müsste. Insoweit ist zu<br />
unterscheiden zwischen Freiheit zur Entfaltung, die<br />
allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften<br />
in genau derselben Weise zu gewähren ist, und<br />
der Förderung der Religion wegen der von ihr ausgehenden<br />
geistigen, kulturellen und sozialen Leistungen,<br />
die zum einen die kulturelle und historische<br />
Identität des Staates prägen und zum anderen dem<br />
Staat die Werte vermitteln, die er als kulturelle Voraussetzungen<br />
seiner freiheitlichen Verfassungsordnung<br />
benötigt, die er selbst aber nicht schaffen<br />
kann, weil er nur freiheitsverpflichtet, nicht jedoch<br />
freiheitsberechtigt ist. Die staatliche Förderung<br />
kann nach der Bedeutung der Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
für das Leben von Staat und Gesellschaft<br />
differenzieren. Denn Ansatzpunkt der Förderung<br />
ist ihre geistige, kulturelle und soziale Wirksamkeit,<br />
die sehr unterschiedlich ist. Nivellierungen<br />
würden hier sogar Diskriminierungen aus religiösen<br />
Gründen und Verstöße gegen die Religionsfreiheit<br />
bedeuten, weil nur deshalb, weil eine religiöse Prägung<br />
vorliegt, keine sachangemessene Förderung<br />
kultureller oder sozialer Tätigkeit erfolgte. Gebietet<br />
dies zwar nicht besondere rechtliche Beziehungen<br />
zwischen dem Staat und einer Kirche, so erlaubt<br />
dies aber – liegen die entsprechenden Voraussetzungen<br />
vor – deren Aufrechterhaltung.<br />
AUS DEN ORTSZIRKELN<br />
Soweit in europäischen Staaten also noch lebendige<br />
besondere Verbindungen zwischen Staat und Kirchen<br />
bestehen, verlangt weder das Wesen des freiheitlichen<br />
demokratischen Staates noch das Recht<br />
der EU, diese zu beenden, ebenso wenig wie den<br />
Status aller Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften<br />
pluralistisch zu nivellieren.<br />
Notwendig ist andererseits nicht, besondere Verbindungen<br />
zu installieren, wo sie nicht bestehen.<br />
Vielmehr bleiben die nationalen Rechtstraditionen<br />
hiervon unberührt. Das gilt auch für das deutsche<br />
System mit seiner spezifischen Kombination von<br />
Elementen der Trennung von Staat und Kirchen und<br />
einzelner rechtlich geordneter Verbindungslinien<br />
zwischen beiden. Die Entwicklung von staatskirchlicher<br />
Privilegierung zu pluralistischer Nivellierung<br />
muss aus Rechtsgründen in Europa nicht weiter fortgesetzt<br />
werden. Ob sie dem Gang der Geschichte<br />
entspricht, darf nach den neuesten historischen Entwicklungen<br />
bezweifelt werden. Was nicht nur das<br />
Recht der EU, sondern auch die Verfassungen aller<br />
europäischen Staaten aber zwingend fordern, ist<br />
Freiheit zur Entfaltung von Religion und Weltanschauung.<br />
Sie müssen sich damit immer wieder aufs<br />
Neue im öffentlichen Raum bewähren – das aber ist<br />
nach christlichem Glauben auch ihr Auftrag aus dem<br />
Evangelium.<br />
Staat und Kirche in Europa<br />
Vortrag im Internet abrufbar<br />
Der hier gekürzt wiedergegebene Vortrag von Felix Hammer (Rbg, Nm-W) zum Thema<br />
„Staat und Kirche in Europa“, den wir in den AM von Dezember angekündigt hatten, ist ab<br />
sofort unter www.kartellverband.de in ungekürzter Fassung zu finden<br />
AM 39
<strong>KV</strong>_01_2006 23.02.2006 15:53 Uhr Seite 40<br />
A<br />
Akademische Monatsblätter K 1061 E<br />
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11.04.2006 Starnberg OZ-Treffen gemeinsam mit Edmund Emberger, Sonnwendstraße 22, 82152 Krailing,<br />
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in Mitteldeutschland Tel. 02365/5729010, Fax 02365/5729051, Kartellverband-<strong>KV</strong>@t-online.de<br />
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