neuland - Journalisten Akademie

4
Der Industriehafen von Ventspils ist der größte Ölhafen der Ostee: Öl und Kohle werden in die ganze Welt verschifft.
Nafta“, sagt der Busfahrer. Ehrfurcht
schwingt in der Stimme mit. „Nafta heißt
auf Lettisch Öl“. Auf der anderen Seite
des Flusses vereinigt sich Ventspils’ Kapital.
Lembergs‘ Geld. Ihm gehören Großteile
der Anlagen.
„Lembergs ist der Mann für die kleinen
Leute“, sagt der Busfahrer. „Die Politiker,
die mögen ihn nicht, wollen ihn nicht. Sie
wollen nicht, dass er Gutes tut. Deshalb
sagen sie Sachen von Korruption und
Kriminalität, und dass er angeblich ein
Diktator sein soll. Das haben sie sich ausgedacht.
Aber Lembergs – er tut was für
die kleinen Leute. Mag sein, dass er Geld
hat. Hat seine Millionen. Aber er gibt
etwas ab.“ Woher er das Geld hat, dazu
sagt der Busfahrer nichts. Zurzeit laufen
mehrere Verfahren gegen Lembergs wegen
massiver Bestechung. Journalisten,
die eine Biografie über ihn geschrieben
haben, mussten wegen Morddrohungen
noch vor der Veröffentlichung das Land
verlassen. Lembergs gehören mehrere
lettische Tageszeitungen sowie ein Radio-
und ein Fernsehsender. Wie weit
seine Macht reicht, das weiß keiner so
genau. Der „Berlusconi Lettlands“, sagte
mal einer. Ventspils, das Herz eines
Machtmenschen?
Auf der breiten Promenade am Kai gibt
es keine Menschen. Auch später kaum.
Nur breite, riesig breite Straßen, Sowjetstraßen.
Neu gepflastert, aufwändig
in Buntsandstein, in allen Mustern und
Farben. „Sehen Sie!“ Der Busfahrer dreht
sich um die eigene Achse. „Alles neu. Das
ist Lembergs.“
Eine Kehrmaschine rattert vorbei. Zwei
Kinder plantschen an einem Springbrunnen.
Der zweite Brunnen schon, innerhalb
einer Viertelstunde. Kein Müll auf
den Wegen. Keine Kaugummireste. Keine
Tauben. Autos brausen über breite Kreuzungen.
Die Straßen sind mehrspurig.