neuland - Journalisten Akademie
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ANGEKOMMEN?<br />
Drum’n’Daina<br />
Schlussakkord und Auftakt zugleich: In Lettland ist Volksmusik mehr als Folklore<br />
Ricarda Otte<br />
Ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch.<br />
Die Sonne lässt die weißen Schürzen<br />
der Mädchen strahlen, Blumenkränze<br />
und Bänder in ihrem Haar wirbeln als<br />
Farbtupfer über den Marktplatz. Männer<br />
mit festlichen Westen und Halstüchern<br />
nehmen ihr Mädchen bei der Hand und<br />
tanzen einen Reigen. Ein Erntedankfest,<br />
das den Namen „Fest“ verdient. Einige<br />
Stunden später wird man die Mädchen<br />
im brodelnden Nachtleben Rigas kaum<br />
wiedererkennen: Dann tragen sie statt<br />
Leinenkleid Minirock und das Fest heißt<br />
„Party“.<br />
In Lettland gehört die Folklore nicht dem<br />
Musikantenstadl-Publikum der Generation<br />
60-plus. Auf Feiern, in der Schule<br />
oder zu Hause: Musizieren ist so wichtig<br />
und alltäglich wie Essen und Trinken<br />
– und seine Meinung sagen. Dainas, die<br />
typischen lettischen Volkslieder, wurden<br />
während der Singenden Revolution zum<br />
politischen Sprachrohr. Hunderttausende<br />
versammelten sich zu friedlichen<br />
Großdemonstrationen, die den Auftakt<br />
bildeten für die Unabhängigkeit der drei<br />
baltischen Staaten Ende der 80er Jahre.<br />
Singen für die eigene Freiheit: „Für uns<br />
Letten ist traditionelle Musik ein Identitätsträger“,<br />
erklärt Schriftstellerin Mara