Jahresbericht 2008 (PDF, 1 MB) - Integrierte Psychiatrie Winterthur ...
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«Hier beginne ich, meinen Körper und meine<br />
Gefühle zu spüren und zu begreifen. Ich fühle<br />
mich lebendiger. Ich habe wieder Teil am Leben.<br />
Bewegungstherapie: Die Bewegungs-<br />
therapie hilft durch spezifische<br />
Übungen, Körper und Gefühle besser<br />
wahrzunehmen; durch das Anerken-<br />
nen des eigenen Bewegungspotenzials<br />
steigt das Selbstwertgefühl, das in<br />
einer depressiven Phase verloren geht.<br />
Patienten lernen, Verantwortung<br />
für die eigene körperliche Befindlichkeit<br />
zu übernehmen. Bei der Bewegung<br />
ohne Leistungsdruck setzt sich der<br />
Patient mit der eigenen Befindlichkeit<br />
und den Körperreaktionen auseinander.<br />
Er lernt, im Alltag achtsam auf seine<br />
Körpersignale zu reagieren und<br />
seine Ressourcen sinnvoll zu nutzen.<br />
geistige Flexibilität und die kognitive Leistungsfähigkeit.<br />
Dieser Prozess kann durch intensives Training wieder<br />
rückgängig gemacht werden. Somit wird auch deutlich,<br />
warum eine Depression beim älteren Menschen bei zu<br />
später Diagnose und ungenügender Behandlung stär-<br />
ker zur Chronifizierung neigt als beim jüngeren.<br />
Grosses Behandlungspotenzial<br />
Antidepressiva mit weniger Nebenwirkungen und die<br />
Erkenntnis, dass Psychotherapie im höheren Lebens-<br />
alter mindestens ebenso wirksam ist wie in anderen<br />
Lebensabschnitten, machen heute die Behandlung ei-<br />
ner Depression bis ins hohe Alter möglich. Eine kom-<br />
binierte Therapie schliesst die altersgerechte Psycho-<br />
pharmakotherapie und die somatische Behandlung von<br />
Schmerz ebenso ein, wie intensive physiotherapeutische<br />
Aufbauarbeit, Gedächtnistraining und die Förderung<br />
sozialer Kompetenzen. Dies alles kann die Grundlage<br />
sein für eine tiefe psychotherapeutische Auseinander-<br />
setzung mit Fragen zum eigenen Altern, mit Trauerar-<br />
beit bei Verlusten und der Verarbeitung traumatischer<br />
Erlebnisse oder Ängste. Vorhandene Ressourcen wer-<br />
den intensiv gefördert und das Selbstwertgefühl gestei-<br />
gert: durch kreative und gestalterische Tätigkeiten, ge-<br />
zielte Entspannungsübungen und Bewegungstherapie,<br />
um mit dem Körper schöne Erlebnisse verknüpfen zu<br />
können, statt ihn nur defizitär anzusehen, sowie durch<br />
die milieutherapeutische Gestaltung des Zusammen-<br />
lebens der Patientengruppe.<br />
Bei unserer Arbeit stellen wir fest, wie sehr ältere Men-<br />
schen auch über einen reichen Schatz an psycholo-<br />
gischen Kompetenzen verfügen, die es ihnen ermögli-<br />
chen, mit vielen Lebenskrisen selber fertig zu werden<br />
und sich trotzdem eine hohe Lebenszufriedenheit zu<br />
bewahren. Dieses Phänomen wird in der Literatur als<br />
Zufriedenheitsparadoxon bezeichnet. Diese Kompe-<br />
tenzen wieder neu zu entdecken und damit depressive<br />
Krisen überwinden zu helfen, ist eine der grossen Auf-<br />
gaben, der wir uns immer wieder gerne stellen.<br />
Dr. med. Bernadette Ruhwinkel, Oberärztin,<br />
Psychotherapiestation für ältere Menschen<br />
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