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Jahresbericht 2008 (PDF, 1 MB) - Integrierte Psychiatrie Winterthur ...

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Was ist Depression?<br />

6 Depressive Erkrankungen wurden bereits im Altertum be-<br />

schrieben und sind wohl so alt wie die Menschheit selbst.<br />

Die hippokratische Medizin prägte den Begriff der Me-<br />

lancholie. 1621 veröffentlichte der englische Arzt Robert<br />

Burton sein noch heute lesenswertes Buch «Die Anato-<br />

mie der Schwermut». Laut den gültigen Diagnosekrite-<br />

rien der WHO gelten heute die depressive Verstimmung,<br />

Interesseverlust und Freudlosigkeit sowie Antriebsver-<br />

lust als die Leitsymptome einer Depression.<br />

Eine depressive Episode ist zu diagnostizieren, wenn über<br />

einen Zeitraum von zwei Wochen zwei dieser Symptome<br />

bestehen. Weitere typische Symptome einer Depression<br />

sind Schlafstörung, verminderter Appetit, Selbstmord-<br />

gedanken, gestörte Konzentration, vermindertes Selbst-<br />

wertgefühl, Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit.<br />

Die Grenze zwischen normaler Traurigkeit und Depres-<br />

sion wird wissenschaftlich diskutiert. So schliesst etwa<br />

das nordamerikanische Diagnosemanual DSM-IV entspre-<br />

chende depressive Zustände im Rahmen einer Trauerre-<br />

aktion ausdrücklich von der Diagnose einer Depression<br />

aus. In ihrem Buch «The loss of sadness» argumentie-<br />

ren die Soziologen Allan Horwitz und Jerome Wakefield,<br />

dass durch die Verwendung reiner Symptomlisten – oh-<br />

ne die aktuellen Lebensbedingungen der Betroffenen zu<br />

berücksichtigen – eine Pathologisierung normaler Trau-<br />

rigkeit und Verstimmungszustände stattfindet.<br />

Ursachen<br />

Als Ursache zur Entstehung von Depressionen wird heute<br />

allgemein ein integratives biopsychosoziales Modell an-<br />

erkannt. Dieses geht davon aus, dass Depressionen im<br />

Wechselspiel genetischer Veranlagungen mit entwick-<br />

lungspsychologischen Einflüssen und aktuellen sozialen<br />

Lebensbedingungen entstehen. Bei der biologischen De-<br />

pressionsforschung ist insbesondere die Bedeutung einer<br />

gestörten Regulation des kortisonvermittelten Stress-<br />

systems gut belegt. Diagnostisch und therapeutisch ver-<br />

wertbare Laborparameter konnten aber trotz intensiver<br />

Forschungsbemühungen bisher nicht gefunden werden.<br />

Verschiedene epidemiologische Studien konnten die Be-<br />

deutung sozialer Faktoren wie soziale Isolation, Arbeits-<br />

losigkeit und niedrige soziale Stellung als Risikofaktoren<br />

für Depressionen nachweisen. Als psychologisch bedeut-<br />

same Faktoren gelten aktuelle Verlusterlebnisse sowie<br />

der Einfluss von Traumatisierungen während der Kind-<br />

heit. Eine wichtige Rolle spielen darüber hinaus belastete<br />

Partnerschaften.<br />

Therapie<br />

Entsprechend haben sich eine Reihe biologischer und<br />

psychologischer Therapien etabliert. Neben speziellen<br />

Verfahren wie der Lichttherapie und der Elektrokrampft-<br />

herapie, sind seit den 50er-Jahren eine Reihe antidepres-<br />

siv wirksamer Medikamente entwickelt worden. Mit der<br />

Einführung einer neuen Klasse von Antidepressiva, den<br />

sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern, hat<br />

im letzten Jahrzehnt die Verschreibung antidepressiver<br />

Medikamente erheblich zugenommen, was auch zuneh-<br />

mend zu kritischen Stimmen führte. Anfang <strong>2008</strong> kamen<br />

zwei unabhängige, in renommierten Fachzeitschriften ver-<br />

öffentlichte Metaanalysen übereinstimmend zum Ergeb-<br />

nis, dass die Überlegenheit der modernen Antidepressi-<br />

va gegenüber Placebo relativ klein ist.<br />

Psychotherapeutische Ansätze spielen eine wichtige Rol-<br />

le bei der Behandlung der Depression. Die besten Wirk-<br />

samkeitsnachweise liegen vor für die kognitive Verhal-<br />

tenstherapie und für die interpersonelle Therapie, bei der<br />

es um die Beziehungen zu anderen Menschen geht. In<br />

den letzten Jahren konnte auch für paartherapeutische<br />

Behandlungen die Wirksamkeit in mehreren Studien be-<br />

legt werden. Besondere Aufmerksamkeit erhält aktuell<br />

ausserdem die unter dem Namen CBASP (Cognitive Be-<br />

havioral Analysis System of Psychotherapy) verbreite-<br />

te Behandlung. Diese Psychotherapie wurde speziell für<br />

Depressionen von mehr als zwei Jahren Dauer, die bis-<br />

lang als psychotherapeutisch schwer behandelbar gal-<br />

ten, entwickelt und hat sehr positive Resultate erbracht.<br />

In der Praxis kommt darüber hinaus eine Vielzahl ande-<br />

rer Methoden zur Anwendung.<br />

Dr. med. Thomas Heinsius, Oberarzt,<br />

Psychiatrische Poliklinik

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