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In den Schatten Kratas - Die Seiten des Gideon

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“Lieber Onkel, es ist lange her seit meinem letztenBrief und noch viel mehr Zeit ist vergangen, seit wir unsvon Angesicht zu Angesicht gesehen haben. Ich hoffe, zuHause sind alle wohlauf?Wie du dich gewiss erinnerst, plante ich eine Reise nachJerris, um neue Märkte für unsere Waren zu erschließen.Auf dem Weg dorthin vermochte ich meine Neugier undAbenteuerlust nicht zu zügeln und stattete der verruchtenStadt <strong>Kratas</strong> einen Besuch ab. Oh, hätte ich diese törichteSache doch unterlassen! Versteh mich nicht falsch Onkel,hält man sich an die dortigen Spielregeln (die nicht dasGeringste mit Recht und Gesetz zu tun haben, so wie wires verstehen), vermag man durchaus zurecht zu kommenund vermutlich lassen sich hier glänzende Geschäfte machen,solange man alle Traditionen unserer Sippe außerAcht lassen würde. Aber dies war nicht der eigentlicheGrund, warum ich die Stadt schon nach wenigen Tagenfluchtartig wieder verließ… <strong>In</strong> meiner Jugend sprach GroßvaterNamus immer von seinem Halbruder Kollos, der dieHeimat verließ, um Abenteuer zu erleben. Nun Onkel, ichhabe ihn gefun<strong>den</strong>, auch wenn mir lieber gewesen wäredieser Zweig der Familie bliebe auf ewig verschollen. Wieich ihn gefun<strong>den</strong> habe, würde <strong>den</strong> Rahmen dieses Briefessprengen. Manches vertraut man dazu besser nicht einemSchreiben an, sondern ich werde es dir bei unseren Wiedersehenberichten. Und manches bleibt besser für immerungesagt. Fest steht: Großonkel Kollos lebt.Allerdings kennt man ihn und seine Sippe in <strong>Kratas</strong>(glücklicherweise) nicht unter unserem Familiennamen,<strong>den</strong>n Kollos hat <strong>den</strong> Namen „Steinbrecher“ angenommen.Er und seine ebenfalls hochbetagte Frau Emilia sind diePatriarchen eines gut 40köpfigen Familienclans. Ihr Geldverdienen die Steinbrechers - oder die „Äxte“, wie mansie nach ihrem Wappen allgemein nennt - aber nicht mitUpandal gefälligem Handwerk oder Chorrolis gefälligemHandel; nicht wie es für einen Zwerg und unsere Familieguter Brauch war, ist und immer sein wird. Sondern alsVerbrecher. So hart dies klingen mag, es ist die Wahrheit.Ich selber habe gesehen, wie sie Geld von La<strong>den</strong>besitzern,Händlern und Kneipen in ihrem Viertel erpressten. Sienannten es „Versicherung“. Außerdem handeln sie mitallem, was Gewinn verspricht, in erster Linie Rauschkräuterund gestohlene Waren, solange diese teuer, seltenund leicht zu transportieren sind. Nach außen immer höflichund scheinbar ehrenhaft, scheuen sie sich keinesfallsmassiv Gewalt einzusetzen, falls sie es für nötig erachten.Loyalität gegenüber dem eigenen Volk oder Throal gibt esentgegen allen zwergischen Traditionen für sie nicht mehr,dafür ist die Familie umso wichtiger. Was Kollos – vonseiner Sippe und im ganzen Viertel nur als „Der Patron“bezeichnet - sagt, ist Gesetz und wird bedingungslos ausgeführt.Seine Frau hingegen kümmert sich nur selten umdas alltägliche Geschäft, sondern ist gleichsam die Mutter<strong>des</strong> Viertels, in der sie Armenspeisungen veranstaltetund sogar eine Art Schule für die Kinder eingerichtet hat.„Man muss für seine Leute sorgen. An erster Stelle dieFamilie, aber die Nachbarn kommen gleich dahinter“, soihre Antwort auf meine diesbezügliche Frage. Trotzdembin ich mir nicht sicher, ob sie, wenn es darauf ankäme,nicht die gefährlichere von bei<strong>den</strong> wäre. Du fragst dichjetzt gewiss, warum sich die Geschäftsleute im Viertel nichteinfach zusammentun, einige Adepten anheuern und sichdieser Blutsauger entledigen. Nun, zum einen besitzt dieFamilie durchaus einige eigene Adepten in ihren Reihen.Kollos soll einst ein mächtiger Krieger gewesen sein undseine bei<strong>den</strong> Söhne folgen ihm angeblich auf diesem Pfad.Auch sah ich selbst eine Enkelin <strong>des</strong> Kollos einen Feuerballauf feindliche Kämpfer werfen. Bei Bedarf kommt es sogarzu zeitweiligen Bündnissen mit anderen Ban<strong>den</strong>. Vor allemaber steht der Großteil <strong>des</strong> Viertel – so unglaubliches klingen mag – auf ihrer Seite. Denn solange alle ihreSpielregeln befolgen, schützen die Äxte die Bewohner voranderen Ban<strong>den</strong> (in dem sie ihrerseits das eigene Gebietverteidigen) und sorgen sich um soziale Bedürfnisse. Anscheinendist <strong>den</strong> Namensgebern dort der Wolf, <strong>den</strong> siekennen, allemal lieber als ein unbekannter Feind.Natürlich sind die „Äxte“ keine Konkurrenz für GarlthiksBande oder Brochers Brut. Vielleicht wer<strong>den</strong> siegerade <strong>des</strong>halb toleriert. Dennoch ist die Familie eine dergrößeren Ban<strong>den</strong> der Stadt. Ihre unverbrüchliche Treueuntereinander, vom Großvater bis hinab zum jüngstenUrenkel, sowie ihre Kampfkraft machen sie zu gefährlichenGegnern. Oder ganz besonderen Freun<strong>den</strong>. Gerüchten zuFolge ist Kollos gar mit Garlthik, dem „Magistraten“ derStadt, befreundet. Als ich mich danach erkundigte, stritter es allerdings ab. So falsch oder verdreht diese auch sind,ihr unbedingtes Eintreten für die Familie und ihre Wertenötigt selbst mir Respekt ab, Onkel. Ich selber wurde immermit großer Herzlichkeit und als lange verschollenerCousin behandelt, ja man nahm mich sogar mit „um mir50

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