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recher che-stipendium - Otto Brenner Shop

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doch etwas zur deuts<strong>che</strong>n Demokratie<br />

zu sagen: Sie ist ja nicht, wie die<br />

schweizeris<strong>che</strong>, Resultat einer bürgerli<strong>che</strong>n<br />

Revolution. 1848 s<strong>che</strong>iterte das<br />

deuts<strong>che</strong> Bürgertum in der Paulskir<strong>che</strong>.<br />

Im selben Jahr, am 12. September, eroberten<br />

die Schweizer Freisinnigen die<br />

Macht. Sie stellten dem restaurativen<br />

Europa einen modernen und für damalige<br />

Verhältnisse sensationell demokratis<strong>che</strong>n<br />

Bundesstaat entgegen.<br />

Die Schweiz war die demokratis<strong>che</strong><br />

Avantgarde; Deutschland dagegen<br />

blieb, über Generationen hinweg, die<br />

Arrièregarde: eine verspätete Nation<br />

mit einem ges<strong>che</strong>iterten Bürgertum,<br />

das zwar unter der wilhelminis<strong>che</strong>n<br />

Monarchie die wirtschaftli<strong>che</strong>, wissenschaftli<strong>che</strong><br />

und kulturelle Vorherrschaft<br />

errang, jedoch auf die politis<strong>che</strong><br />

Macht verzichten musste.<br />

Ja, das deuts<strong>che</strong> Bürgertum war ein<br />

schwer gedemütigtes Bürgertum. Und<br />

weil es unter dieser Demütigung litt,<br />

log es sich eine ästhetisierte Kultur<br />

zurecht, die für die Demokratie nur<br />

Verachtung übrig hatte.<br />

Thomas Manns „Betrachtungen eines<br />

Unpolitis<strong>che</strong>n“, geschrieben in der Zeit<br />

des Ersten Weltkriegs, ist das Manifest<br />

dieses ges<strong>che</strong>iterten deuts<strong>che</strong>n Bürgertums:<br />

Eine Streitschrift gegen die<br />

wels<strong>che</strong> und deshalb verachtenswerte<br />

Zivilisation, womit alles Republikanis<strong>che</strong><br />

und Demokratis<strong>che</strong> des französis<strong>che</strong>n<br />

Erzfeindes gemeint war. Gleichzeitig<br />

überhöhte Thomas Mann die<br />

deuts<strong>che</strong> Kultur zur Gegenwelt der – in<br />

seinen Augen – wertearmen westli<strong>che</strong>n<br />

Gesellschaften von Paris über<br />

London bis Washington.<br />

Mann selbst wandelte sich zwar zum<br />

entschlossenen und mutigen, weil<br />

öffentli<strong>che</strong>n Verteidiger der Weimarer<br />

Republik. Doch das dünkelhaft Unpolitis<strong>che</strong><br />

als Ausdruck der Demokratie-<br />

Verachtung blieb typisch für das deuts<strong>che</strong><br />

Bürgertum.<br />

Nur so ist zu erklären, dass es die<br />

Weimarer Demokratie nicht als seine<br />

Chance begriff. Nur so ist zu erklären,<br />

dass die bürgerli<strong>che</strong>n Parteien geschlossen<br />

für die Ermächtigungsgesetze<br />

und dadurch für Hitler stimmten.<br />

Erlauben Sie mir eine kurze Anmerkung<br />

zu dieser dramatischsten Stunde<br />

in der unglückli<strong>che</strong>n Geschichte der<br />

deuts<strong>che</strong>n Demokratie: Die Rede des<br />

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