Rochlitzer Anzeiger im Internet
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<strong>Rochlitzer</strong> <strong>Anzeiger</strong> Seite 16 14. Juni 2012<br />
Der aus Annaberg stammende Realschuloberlehrer<br />
Alfred Hirt (geb. 1882) war sicher<br />
ein geschickter Mann. Er schnitzte nicht nur<br />
den 1,90 Meter großen „Wehrmann“ oder<br />
,,<strong>Rochlitzer</strong> Ritter“ und einen <strong>im</strong> Museum<br />
befindlichen Bergmannsleuchter, er malte<br />
auch über 70 st<strong>im</strong>mungsvolle Landschaftsbilder.<br />
Einige verwahrt das Museum.<br />
Auch Federzeichnungen und Ansichtskarten<br />
entstanden unter seiner Hand, die vielleicht<br />
noch in manchen <strong>Rochlitzer</strong> Familien zu<br />
finden sind. Auf Anregung eines 1915<br />
gegründeten Bürgerausschusses entwarf und<br />
schnitzte Hirt noch <strong>im</strong> gleichen Jahr den<br />
„Wehrmann“, der auch als „<strong>Rochlitzer</strong> Ritter“<br />
in die Geschichte einging.<br />
Die Holzplastik sollte mit verschiedenen<br />
Nägeln beschlagen werden, wobei man einen<br />
Nagel auf 5 Mark veranschlagte. Der Spendenaufruf<br />
stand in besonderer Beziehung zur<br />
Realschule. Im 1. Weltkrieg sind 169 Schüler<br />
und 3 Lehrer dieser Schule gefallen. Der<br />
„Ritter“ sollte an die <strong>im</strong> 1. Weltkrieg Gefallenen<br />
erinnern, Spenden für das Deutsche Rote<br />
Kreuz werben und die Kriegsnot in der Stadt<br />
Rochlitz lindern helfen.<br />
Um den „Ritter“ vor den Unbilden der Witterung<br />
zu schützen, entstand auf dem Markt ein<br />
luftiger Pavillon. Mit einem Festakt wurde die<br />
Einweihung vollzogen und mit einer Ansichtskarte<br />
festgehalten. Die Schulen <strong>im</strong> Ort beteiligten<br />
sich, indem sie die Malerarbeiten am<br />
Pavillon übernahmen.<br />
Durch die Benagelung der Holzfigur mit<br />
16000 Nägeln konnte ein Betrag von 2269,06<br />
Mk. gesammelt werden.<br />
Nach einer Aufstellung der infrage kommenden<br />
Nägel wurde wie folgt verfahren. Im Kopfbereich<br />
wurden 179 Stiftungsnägel eingeschlagen.<br />
Allgemeine Gedenknägel, die für<br />
ehemalige Seminaristen <strong>im</strong> Brustbereich Platz<br />
fanden, werden mit 77 Stück angegeben.<br />
Ebenso ist von 1268 Wappennägeln die Rede<br />
(<strong>Rochlitzer</strong> Wappen <strong>im</strong> hüfthohen Schild).<br />
3000 Nägel waren für den Hauptpanzer sowie<br />
155 Silbernägel mit eingestanzten Namen für<br />
ein best<strong>im</strong>mtes Feld in der Holzfigur vorgesehen.<br />
Die Nägel erhielten verschiedene Funktionen<br />
und Bezeichnungen.<br />
Es gab Familien, die für jedes Familienglied<br />
einen Erinnerungsnagel stifteten. Auch bei<br />
Festlichkeiten, wie Taufe, Verlobungen und<br />
Hochzeiten, wurde der „Wehrmann“ mit<br />
Spenden bedacht. Silberne Namensnägel<br />
spendeten Vereine für jedes aus ihren Reihen<br />
gefallene Mitglied.<br />
Der <strong>Rochlitzer</strong> Geschichtsverein informiert<br />
Ein Ritter mit 16 000 Nägeln<br />
Links unter dem Pavillon der „<strong>Rochlitzer</strong> Ritter „ von Alfred Hirt.<br />
(Ansichtskarte vor 1919) Nach erfolgter Kriegsspende wurde<br />
die 1,90 m hohe Holzfigur mit Nägeln beschlagen, welche die<br />
Namen von Spendern trugen. Ein Nagel kostete 5 Mark.<br />
Belgische Beutekanonen von 1914 vor dem Rathaus.<br />
Rechtes Bild: eine Ansichtskarte mit dem <strong>Rochlitzer</strong><br />
„Wehrmann“ wie er auch genannt wurde.<br />
Nach Kriegsende sollte der „<strong>Rochlitzer</strong> Ritter“ nach Meinung des Bürgerausschusses <strong>im</strong><br />
Rathaus Aufstellung finden, doch der Rat glaubte, das ablehnen zu müssen. Einem Antrag an<br />
den Kirchenvorstand, den Wehrmann in die Kunigundenkirche zu stellen, wurde stattgegeben.<br />
Seit Oktober 1919 stand der <strong>Rochlitzer</strong> Ritter unter der Empore am nördlichen Seitengang des<br />
Schiffes. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten dürfte er ins Rathaus gelangt sein,<br />
wo er bis 1945 <strong>im</strong> Erdgeschoss neben der Tür zur Stadtkasse stand. Seine letzte Erwähnung<br />
findet sich <strong>im</strong> amerikanisch lizensierten „Benachrichtigungsblatt für Rochlitz und Umgebung“<br />
In einer Notiz über die Ratssitzung von 14. Juni 1945:<br />
„Da der <strong>im</strong> Rathaus stehende Wehrmann einen historischen Wert besitzt, soll er <strong>im</strong> Museum<br />
untergestellt werden.“(Ein blauäugiger Ratsbeschluss, denn das Schloss war bis Mai 1947 nicht<br />
zugänglich). Seitdem steht der verschollene Wehrmann <strong>im</strong> dringenden Verdacht, am 1. Juli<br />
1945 als Souvenir mit den Amerikanern ausgerückt zu sein.<br />
Doch ist nicht gänzlich auszuschließen, dass er unter der nächsten Besatzung - das Rathaus<br />
war bis 1947 sowjetische Stadt - und Kreiskommandantur - <strong>im</strong> Feuerholz gelandet ist. Wer kann<br />
Angaben machen, wo der „Ritter“ verblieben ist?<br />
Quelle: Sammlung Kö.<br />
Mitteilung, U. Baumbach, Hans-Jürgen Köttnitz<br />
<strong>Rochlitzer</strong> <strong>Anzeiger</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>: www.rochlitz.de<br />
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