Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ard Radiofestival 2012<br />
Anlage seit Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts ein Ort erzieherischer<br />
Gewalt. Zunächst „Arbeitshaus“, später „Besserungsanstalt“<br />
für Bettler und Landstreicher, unter <strong>de</strong>n<br />
Nationalsozialisten schließlich eines <strong>de</strong>r ersten Konzentrationslager.<br />
Von Anfang <strong>de</strong>r 1950er- bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1960er-<br />
Jahre hat ein geschlossenes „Mädchenerziehungsheim“ die<br />
Geschichte <strong>de</strong>r Internierung fortgesetzt. Lívia Páldi hat das<br />
Material zur Geschichte <strong>de</strong>s Ortes befragt und die<br />
übereinan<strong>de</strong>r liegen<strong>de</strong>n Schichten <strong>de</strong>r Reglementierungen,<br />
<strong>de</strong>r Ausgrenzung und <strong>de</strong>r Verachtung freigelegt.<br />
Agentur für geistige Gastarbeit<br />
Porträt <strong>de</strong>s Ausstellungsmachers<br />
Harald Szeemann<br />
Feature von Peter Moritz<br />
Pickshaus<br />
Regie: Nikolai von Koslowski<br />
Produktion: wdr/ndr 2007/54’<br />
29. Juli So 22:05 wdr 3 (und alle<br />
an<strong>de</strong>ren Kulturradios <strong>de</strong>r ard)<br />
58 wdr hörspielprograrmm<br />
Die documenta ist<br />
zeitgenössische Kunst<br />
als Großevent,<br />
lizensiert auf 100 Tage.<br />
Damit jährt sich auch<br />
die legendäre Inszenierung<br />
<strong>de</strong>r documenta 5<br />
vor 40 Jahren durch<br />
<strong>de</strong>n Schweizer<br />
Ausstellungsmacher<br />
Harald Szeemann<br />
(1933-2005). Damals präsentierte Szeemann die<br />
künstlerische Ernte <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Aufbruchs.<br />
Die Künstler wur<strong>de</strong>n eingela<strong>de</strong>n, im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
documenta frei zu produzieren. Mit seinem Ein-Mann-<br />
Unternehmen, <strong>de</strong>r „Agentur für geistige Gastarbeit“,<br />
erfand Harald Szeemann <strong>de</strong>n Ausstellungskurator als<br />
Autor und die Ausstellung als Kunstwerk – und steht<br />
damit für die Ablösung <strong>de</strong>s Kunsthistorikers und<br />
Museumskurators als maßgebliche Autorität. Seine<br />
documenta ist bis heute Vorbild geblieben.<br />
„Nur das Subjektive kann eines Tages objektiv wer<strong>de</strong>n.“<br />
Mit dieser radikal individualistischen Haltung steht<br />
Szeemann im vehementen Wi<strong>de</strong>rspruch zu einem<br />
Kunstbetrieb <strong>de</strong>r Trends und Ten<strong>de</strong>nzen.<br />
documenta und Politik<br />
Feature und Gespräch<br />
Der redliche Querkopf<br />
o<strong>de</strong>r Die Demokratie <strong>de</strong>s<br />
Joseph Beuys<br />
Feature von Christoph Derschau<br />
Produktion: wdr 1973/40’<br />
5. August So 22:05 wdr 3 (und alle<br />
an<strong>de</strong>ren Kulturradios <strong>de</strong>r ard)<br />
1972 auf <strong>de</strong>r documenta<br />
5 stellte Joseph<br />
Beuys ein Büro seiner<br />
„Organisation für<br />
direkte Demokratie<br />
durch Volksabstimmung“<br />
aus. Hier<br />
diskutierte er täglich<br />
mit <strong>de</strong>n Besuchern<br />
und entwickelte im<br />
Folgen<strong>de</strong>n seine I<strong>de</strong>e<br />
<strong>de</strong>r „sozialen Plastik“.<br />
Christoph Derschau sammelte und montierte Originaltonmaterial<br />
von <strong>de</strong>r documenta, aus persönlichen<br />
Gesprächen mit Beuys und seinen Kritikern wie auch<br />
aus <strong>de</strong>r Zeit von Beuys Rechtsstreit mit <strong>de</strong>m Land NRW.<br />
Als Professor an <strong>de</strong>r Kunstaka<strong>de</strong>mie Düsseldorf hatte<br />
Beuys mit abgewiesenen Bewerbern das Sekretariat<br />
besetzt. Noch am gleichen Tag schickte ihm Wissenschaftsminister<br />
Johannes Rau die fristlose Kündigung.<br />
Beuys klagte gegen das Land – mit Erfolg.<br />
Christoph Derschaus Feature ist ein Zeitdokument, das<br />
Einblick gibt in das Denken und Han<strong>de</strong>ln eines<br />
Künstlers, <strong>de</strong>r einen radikal erweiterten Kunstbegriff<br />
propagierte. „Das ist die For<strong>de</strong>rung nach <strong>de</strong>m totalen<br />
Theater. Der Mensch muss sich auch erkennen als<br />
dieser Künstler, <strong>de</strong>r dieses totale Theater leben muss,<br />
wenn er sich überhaupt als Mensch erleben will. Und es<br />
hat keiner ein Recht, dieses Kunstwerk zu zerstören.“<br />
(Joseph Beuys im Gespräch mit Christoph Derschau)<br />
anschließend:<br />
Anlässlich <strong>de</strong>r documenta<br />
12 im Jahr 2007<br />
Gespräch mit Ai WeiWei<br />
sprach <strong>de</strong>r chinesische<br />
Produktion: ndr 2007/26’ Künstler Ai WeiWei mit<br />
Martina Kothe über<br />
sein künstlerisches und politisches Engagement in Amerika<br />
und China. Er berichtet über seine Projekte auf <strong>de</strong>r<br />
documenta 12: „Fairytale“, für das er 1001 Chinesen nach<br />
Kassel einfliegen ließ, und seine Skulptur „Template“, die<br />
während <strong>de</strong>r Ausstellung durch ein Unwetter zerstört<br />
und damit für ihn zu einem neuen Kunstwerk wur<strong>de</strong>.<br />
Seine damalige Aussage, er fühle sich als Künstler in China<br />
nicht eingeschränkt, wur<strong>de</strong> mit seiner Inhaftierung<br />
durch die chinesischen Behör<strong>de</strong>n im Jahr 2011 wi<strong>de</strong>rlegt.<br />
Radiosonate Nr. 1<br />
Hörspiel von Dieter Roth<br />
Musik und Realisation:<br />
<strong>de</strong>r Autor<br />
Produktion: sdr 1976/43’<br />
12. August So 22:05 wdr 3 (und alle<br />
an<strong>de</strong>ren Kulturradios <strong>de</strong>r ard)<br />
Dieter Roth (1930-1998),<br />
gilt als bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Künstler, <strong>de</strong>r in keine<br />
Kategorie zu zwängen<br />
ist. Sein Werk wäre –<br />
wenn es unbedingt sein<br />
sollte – irgendwo<br />
zwischen Fluxus,<br />
konkreter und<br />
kinetischer Kunst o<strong>de</strong>r Pop Art anzusie<strong>de</strong>ln, steckt <strong>de</strong>n<br />
Rahmen vom Happening ab bis hin zum Gedicht.<br />
Dieter Roth nahm 1968 und 1977 an <strong>de</strong>r documenta teil<br />
und posthum mit <strong>de</strong>r Großinstallation „Die große<br />
Tischruine“ an <strong>de</strong>r documenta 11 im Jahr 2002, wo sein<br />
Hörstück „Radiosonate Nr. 1“ als Teil <strong>de</strong>r Installation<br />
platziert war. Ausgangspunkt ist eine Aufnahmesituation:<br />
Der Künstler spielt Klavier und trinkt dabei eine Flasche<br />
Whiskey leer. Das Mikrofon nimmt ungefiltert alles auf:<br />
die Musik, die Wie<strong>de</strong>rholungen, Roths humorige<br />
Anmerkungen, sein Trinken und nicht zuletzt die<br />
Verständigung mit <strong>de</strong>m Toningenieur.<br />
„Die Diskussionen, die herausfin<strong>de</strong>n sollen, was gut ist<br />
und was schlecht, sind überflüssig, ja belastend. Es gibt<br />
keine Sätze und keine Meisterschaft und keine Moral. Auf<br />
<strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Kunst auf keinen Fall. Ich glaube, dass die<br />
Begriffe, die einen Unterschied setzen, nicht nötig sind.“<br />
(Dieter Roth)