Bergische Blätter - Bergische Universität Wuppertal
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Die 25<br />
Sehr gerne sonnt die 25<br />
im Silberjubiläums-Glanz sich!<br />
Doch theologisch ist die Zahl<br />
recht farblos, blass und ganz neutral.<br />
Nicht heilig ist sie, voll und rund,<br />
und darum bietet sie kaum Grund<br />
symbolischer Bedeutungssuche:<br />
Das zeigt sich schon im Bibelbuche.<br />
Mit 25 fing man an,<br />
Levit zu werden, diente dann<br />
noch einmal soviel Zeit, und schon<br />
ging man befriedigt in Pension.<br />
Sodann gibt biblische Geschichte<br />
uns auch von Königen Berichte,<br />
die 25 Jahre führten<br />
ihr Amt – mal gut, mal schlecht regierten,<br />
bevor der Tod im jähen Flug<br />
vom Thron sie in die Grube trug.<br />
25 ist das Alter,<br />
mit dem Mann seit dem Mittelalter<br />
empfangen kann die Priesterweihe.<br />
Zwar ist man vorher auch nicht Laie,<br />
doch welche Aussicht bietet schon<br />
der Rang als bloßer Diakon?<br />
Die 25, das fällt auf,<br />
markiert in einem Lebenslauf<br />
ein abgeschloss’nes Teilstück:<br />
Am Ende geht der Blick zurück,<br />
und man greift nun, wenn man es kann,<br />
noch einmal etwas neues an.<br />
Die 25 zeigt sodann<br />
in Rom die Heil’gen Jahre an.<br />
Den Anfang machte 300<br />
Papst Bonifaz, man war verwundert,<br />
als dieser angekündigt hat:<br />
„In Rom gibt’s dies Jahr ‚Ablass satt’,<br />
denn meinen treuen Kirchenschafen<br />
erlass’ ich alle Sündenstrafen,<br />
wenn sie die Mühe auf sich nehmen,<br />
hierher nach Rom sich zu bequemen!“<br />
Das Angebot war populär,<br />
das fromme Volk schrie gleich nach mehr.<br />
Der Papst sprach: „Halt! Ich sehe schon,<br />
es droht die Ablass-Inflation,<br />
ich setze drum als feste Frist,<br />
dass erst in 100 Jahren ist,<br />
das nächste heil’ge Ablassjahr<br />
mit seinen Gnaden wunderbar!“<br />
Der Restriktion, wie es so geht,<br />
fehlt doch Praktikabilität:<br />
Der Rhythmus wird akzeleriert,<br />
die Zahl der Jahre flugs halbiert.<br />
Ein andrer Papst, der zweite Paul,<br />
geht weiter noch, bestimmt, nicht faul,<br />
dass alle 25 Jahre,<br />
in Rom zu haben ist der wahre<br />
Ablass, welchen alle finden,<br />
die reuig beichten ihre Sünden.<br />
So ist’s seitdem, und zwar obschon<br />
es gab die Reformation:<br />
Der Papst schreibt, jeden Skrupels bar,<br />
wenn’s dran ist, aus ein Heilig’s Jahr,<br />
zu jedem Viertel vom Jahrhundert.<br />
Man sieht belustigt, staunt verwundert,<br />
dass mitten in der Gegenwart<br />
doch Mittelalter noch verharrt!<br />
Die 25 zeigt hier an,<br />
wie alt doch etwas werden kann.<br />
Das Regelmaß erzeugt Konstanz<br />
im stets bewegten Reigentanz<br />
der ewig wechselnden Gestalten,<br />
die schnell entstehen, schnell veralten.<br />
25 Jahre alt,<br />
wer das ist, ist noch lang nicht kalt.<br />
Er steht noch in der Jugend Flor,<br />
macht Halt, holt Atem, nimmt sich vor,<br />
was neues nun mit frohen Sinnen<br />
und frischen Kräften zu beginnen,<br />
das sich an das Erreichte fügt,<br />
worin dann auch die Hoffnung liegt,<br />
dass nach noch mal so langer Zeit<br />
was dasteht, das das Herz erfreut.<br />
BRUDER NORBERT IMMERLEIN<br />
AUS DER ÖKUMENISCHEN ST. NESSUNO-<br />
BRUDERSCHAFT IN DER NUSQUAM-ABTEI AUF<br />
HALBEM WEGE ZWISCHEN AACHEN UND AIX LA<br />
CHAPELLEAN DER ALTEN HEERSTRASSE<br />
(ALIAS MARTIN OHST)<br />
Prof Dr. Martin Ohst, Fach Evangelische Theologie<br />
(unter anderem Kirchengeschichte)<br />
06.2011 <strong>Bergische</strong> <strong>Blätter</strong> 9