27. Echo Mitte 2010 - BBS Köllitsch eV
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Kurze Wege für kurze Beine - Arzberg kämpft um seine Grundschule<br />
Der Ruf nach Bildung, Erziehung und Qualifikation bedarf keiner<br />
weiteren Begründung, die Wichtigkeit ist gesellschaftlich<br />
und politisch anerkannt. Da Bildung jedoch auch Geld kostet,<br />
muss ihre Verfügbarkeit zuweilen erkämpft werden. Ein solcher<br />
Kampf wurde <strong>2010</strong> auch in Arzberg ausgetragen.<br />
Gabriele Hinkelmann zählte zu den vehementesten Streiterinnen<br />
und wurde im Auftrag des <strong>Köllitsch</strong>er <strong>Echo</strong>s befragt.<br />
Gabi mit Tochter Franziska (Foto: TZ/C. Wendt)<br />
Gabriele Hinkelmann (geb. Stamm)<br />
Gabriele wurde 1969 in Torgau geboren und hat ein Jahr<br />
in Packisch gelebt, bis Familie Stamm nach Arzberg umzog.<br />
Nach der 6.Klasse zog die Familie nach Ludwigsfelde.<br />
Im Jahr 2006 erfüllte sich Gabriele den lange gehegten<br />
Traum, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Sie wohnt nun<br />
mit Ehemann Peter, den Töchtern Katja (13) und Franziska<br />
(4), den Söhnen Sascha (16) und Matthias (11) in <strong>Köllitsch</strong>.<br />
Seit 2009 sitzt Gabriele für die BIKO (Bürgerinitiative gegen<br />
unsoziale Kommunalabgaben Ostelbien) im Arzberger Gemeinderat.<br />
Im Förderverein der Grundschule Arzberg engagiert sie sich<br />
seit November 2008, seit Mai <strong>2010</strong> fungiert sie dort als stellvertretende<br />
Vereinsvorsitzende.<br />
ECHO: Wann war zum ersten Mal die Rede davon, die Grundschule<br />
in Arzberg zu schließen?<br />
Am Abend des 9. April <strong>2010</strong> erhielt die Gemeinde ein Fax<br />
des sächsischen Kultusministeriums. Darin ging es zunächst nur<br />
um eine Anhörung zum geplanten Mitwirkungsentzug. Der<br />
Mitwirkungsentzug hätte bedeutet, dass es mit Beginn des<br />
Schuljahres <strong>2010</strong>/2011 keine erste Klasse gegeben hätte. Erst<br />
im Mai stellte sich heraus, dass die Schule komplett geschlossen<br />
werden sollte.<br />
ECHO: Was würde es für die Kinder bedeuten, wenn die Schule<br />
geschlossen werden würde?<br />
Die Kinder würden die Grundschule in Beilrode besuchen. Natürlich<br />
gibt es einen Schulbus, aber durch die Streckenführung<br />
hätte zum Beispiel ein Kind aus Kaucklitz bereits um 6.20 Uhr<br />
einsteigen müssen. Hinzu kommt, dass Beilrode keine Hortkapazität<br />
hat und die Kinder nach Schulschluss wieder nach<br />
Arzberg in den Hort gebracht werden müssten.<br />
Aus diesem Grund trugen im Verlauf der Auseinandersetzungen<br />
die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung die Fakten über<br />
die Grundschule Beilrode zusammen (Lagepläne, Raumgröße,<br />
sanitäre Ausstattung), um notfalls per Gerichtsbeschluss zu beweisen,<br />
dass dort gar kein Platz für unsere Kinder ist. Parallel<br />
habe ich die Schulwege der 56 Grundschüler dokumentiert.<br />
Bericht aus dem <strong>Köllitsch</strong>land<br />
Etwa ein Sechstel der Familien hatte ich bis zum 28.5. besucht,<br />
den Weg beschrieben, fotografiert und vermessen. Auch die<br />
Alternativen zur Schulbusfahrt wurden analysiert, also die<br />
Möglichkeit, ob der Transport zur und von der Schule durch<br />
Familienmitglieder übernommen werden kann oder nicht.<br />
ECHO: Kam der Mitwirkungsentzug bzw. die Schließung für<br />
die Arzberger eigentlich überraschend?<br />
Es gibt einen Richtwert von 15 Kindern, die für die Zulassung<br />
einer Klasse notwendig sind. Wird diese Zahl unterschritten, ist<br />
damit zu rechnen, dass keine Klasse zu Stande kommt. Für das<br />
Schuljahr <strong>2010</strong>/2011 wurde der Grenzwert erreicht: 15 Kinder<br />
wären im Normalfall eingeschult worden. Allerdings stellten<br />
die Eltern eines der Kinder im November 2009 den Antrag<br />
auf Wechsel in einen anderen Schulbezirk. Der Antrag wurde<br />
sowohl von der Direktorin als auch von der Regionalstelle der<br />
sächsischen Bildungsagentur in Leipzig genehmigt. Etwa zeitgleich<br />
wurde für ein Mädchen, das wegen der Arbeitssituation<br />
der Eltern vorwiegend in <strong>Köllitsch</strong> bei seinen Großeltern<br />
aufwächst, ein Antrag auf Beschulung in Arzberg gestellt. Diesem<br />
Antrag wurde jedoch nicht stattgegeben, die Entscheidung<br />
blieb bis Mai <strong>2010</strong> offen, letztendlich wurde der Antrag mit<br />
Die Arzberger Grundschule<br />
Die Grundschule ist für Arzberg mit seinen 18 Ortsteilen zuständig.<br />
In diesem Jahr werden nun 15 Kinder eingeschult,<br />
im Jahr 2011 nach derzeitigem Stand 17. Im Jahr 2012, in<br />
dem auch Gabrieles Tochter Franziska eingeschult werden<br />
soll, sind es bisher nur 11 Kinder. Berücksichtigt man die Kinder,<br />
die bis heute in der Gemeinde Arzberg geboren wurden,<br />
wird die kritische Anzahl von 15 in den Jahren von<br />
2013 bis 2016 erreicht.<br />
<strong>Köllitsch</strong> selber hat ein Kind, welches <strong>2010</strong> in die erste Klasse<br />
kommt. 2013 folgt Till Jarosch, für 2014 gibt es auch noch<br />
ein Schulkind.<br />
Packisch hat momentan ein Grundschulkind, aber eine Großfamilie<br />
signalisierte die Übersiedlung mit fünf Kindern.<br />
der Begründung abgelehnt, dass es in Arzberg keine erste Klasse<br />
geben werde.<br />
ECHO: Das klingt, als sei die Schließung schon länger geplant<br />
gewesen. Ihr konntet aber nichts unternehmen, so lange die<br />
Entscheidung nicht offiziell war?<br />
Zumindest waren wir bereits frühzeitig sensibilisiert und hatten<br />
unsere Ideen für den Tag X immer schon im Kopf. Und ab<br />
April <strong>2010</strong> versuchten wir, gegen den per Fax angekündigten<br />
Mitwirkungsentzug vorzugehen.<br />
ECHO: Wie muss man sich ein Vorgehen gegen eine solche<br />
behördliche Entscheidung vorstellen?<br />
Zum Fax des Kultusministeriums nahm unser Bürgermeister<br />
Hartmut Krieg Stellung. Unterstützt wurde er dabei von<br />
Stefan Keil, ebenfalls Gemeinderat und Chef vom Förderverein<br />
Grundschule Arzberg. Am 12. April gab es eine Versammlung<br />
der Mitglieder des Fördervereins und der interessierten<br />
Eltern. Dort stellten wir unsere geplanten Aktionen vor. Diese<br />
bestanden unter anderem aus einer Protestbriefaktion an<br />
den Kultusminister Wöller, gekoppelt mit den Aufklebern<br />
„Kurze Wege für kurze Beine“. Parallel dazu spannten wir<br />
an der B 183 Neusorge Abzweig Prausitz das große Banner<br />
„Kurze Wege für kurze Beine“ (Erstes Foto nächste Seite).<br />
<strong>BBS</strong>@koellitschverein.de www.koellitschverein.de