reine Luft der wissenschaftlichen Forschung - Max Planck Institute ...
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zusammengetragene Material zu sichern und für die deutsche Pflanzenzüchtung<br />
auszuwerten“. 76 Das gelang nur teilweise. In dem Bericht, den er nach seiner<br />
Rückkehr anfertigte, beklagte sich Brücher, daß in manchen sowjetischen Einrichtungen,<br />
die das Sammelkommando aufgesucht hatte, die eingesetzten deutschen<br />
Leiter die Herausgabe des Materials verweigert hätten und daß sie in starker<br />
Konkurrenz zueinan<strong>der</strong> stünden. Einer <strong>der</strong> Institutsleiter habe sogar gegen<br />
Bezahlung Russen damit beauftragt, Saatgut aus benachbarten, ebenfalls von<br />
Deutschen verwalteten Betrieben zu stehlen. Ferner hätten private deutsche<br />
Saatzuchtfirmen versucht, in den Besitz <strong>der</strong> russischen Staatsbetriebe zu gelangen.<br />
77 Nach seiner Rückkehr versuchte Brücher selbst entgegen <strong>der</strong> Absprache,<br />
Stubbe das russische <strong>Forschung</strong>smaterial vorzuenthalten. 78<br />
Ob Stubbes diesbezügliche Beschwerden Erfolg hatten und er das gewünschte<br />
Material letztlich von Brücher erhalten hat, ist unklar. Gewiß ist nur, daß er sich<br />
darum bemühte und auch behauptete, er habe sich einen Teil für das Tuttenhofer<br />
Institut „gesichert“. Auch Stubbes Biographin schreibt in durchaus loben<strong>der</strong><br />
Absicht: „Während des Krieges versuchten deutsche Biologen, Hans Stubbe<br />
eingeschlossen, möglichst viel Material <strong>der</strong> pflanzengenetischen Sammlungen<br />
aus sowjetischen <strong>Institute</strong>n nach Deutschland zu schaffen“. 79 Daß Stubbe selbst<br />
in die besetzte Sowjetunion gereist wäre, um sich am Abtransport wissenschaftlicher<br />
<strong>Forschung</strong>sressourcen direkt zu beteiligen, ist nicht belegt, wohl aber, daß<br />
er auf indirektem Wege, über an<strong>der</strong>e Kollegen, versuchte, sich Material zu beschaffen.<br />
Die Tatsache, daß es sich hierbei um wertvolle Pflanzensortimente<br />
handelte, die sich schon nicht mehr in den umkämpften Gebieten befanden,<br />
wi<strong>der</strong>spricht allerdings <strong>der</strong> Lesart, er habe sie vor <strong>der</strong> Zerstörung retten wollen.<br />
Fritz von Wettstein, <strong>der</strong> in dieser Angelegenheit wahrlich kein Außenseiter war,<br />
behauptete im Oktober 1944, daß das „aus Rußland übernommene Material“ in<br />
Tuttenhof gehegt werde. 80<br />
RAUB ODER RETTUNG? – DIE PFLANZE ALS ROHSTOFF UND ALS<br />
WISSENSCHAFTLICHES OBJEKT<br />
Wettsteins Rede vom „übernommenen Material“ klingt, als seien den Deutschen<br />
beim Einmarsch in die Sowjetunion Pflanzensammlungen o<strong>der</strong> ganze <strong>Institute</strong><br />
übergeben worden. Das mag sogar in manchen Fällen zutreffen, wobei diese<br />
„Übergabe“ in den besetzten Gebieten angesichts <strong>der</strong> Präsenz deutscher Trup-<br />
76 Vgl. Brüchers „Bericht über das SS-Sammelkommando 1943 zur Sicherstellung von Saatgut<br />
<strong>der</strong> geräumten russischen Gebiete“, BA Berlin, NS 19/2583, Bl. 18-30, hier Bl. 19; vgl. auch<br />
Hoßfeld/Thornström, „Rasches Zupacken“.<br />
77 Vgl. Brüchers „Bericht über das SS-Sammelkommando 1943 zur Sicherstellung von Saatgut<br />
<strong>der</strong> geräumten russischen Gebiete“, BA Berlin, NS 19/2583, Bl. 18-30, hier Bl. 22 und 26.<br />
78 Vgl. Stubbes Brief an Ernst Schäfer, 18.2.1944, AdBBAW, Stubbe-Fonds, Korr., Nr. 184/1.<br />
Darin erwähnt Stubbe auch, daß ihm das Material aus <strong>der</strong> von Schäfer geleiteten Tibet-Expedition<br />
verweigert worden sei. Ferner beschwert er sich darüber, daß Schäfer, entgegen seiner<br />
Zusicherung, die beim SD gegen ihn, Stubbe, bestehenden politischen Bedenken nicht ausgeräumt<br />
habe und er mit diesen Vorbehalten immer noch konfrontiert werde.<br />
79 Käding, Engagement, S. 102.<br />
80 Vgl. den von Walther Forstmann (Generalverwaltung <strong>der</strong> KWG) unterschriebenen Vermerk<br />
„Betr. KWI für Kulturpflanzenforschung in Tuttenhof bei Wien“ vom 31.10.1944, MPG-Archiv,<br />
I. Abt., Rep. 1A, 2964/3.