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reine Luft der wissenschaftlichen Forschung - Max Planck Institute ...

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Verbeugungen vor Lenin als dem „genialen Führer <strong>der</strong> Revolution“ <strong>der</strong> Anwesenheit<br />

von sowjetischen Delegierten bei <strong>der</strong> Feierstunde geschuldet waren.<br />

Dennoch, in solchen Sätzen schwingt Opportunismus mit – ganz im Gegensatz<br />

zu seiner Rede vor dem Zentralkomitee, als es um den Lyssenkoismus ging.<br />

Offenbar hat Stubbe sich in die zentralen Bereiche seiner Arbeit nicht hineinreden<br />

lassen wollen, dafür aber auf an<strong>der</strong>en, ihm weniger wichtigen Gebieten,<br />

auch weniger Prinzipienfestigkeit bewiesen. Trotzdem ist bemerkenswert, daß<br />

Stubbe sich selbst hier zu den Verführten zählte. Und in <strong>der</strong> Tat hatte ihm ja <strong>der</strong><br />

Nationalsozialismus einige verlockende – vielleicht auch bestechende – Chancen<br />

geboten.<br />

Der Vergleich <strong>der</strong> beiden hier vorgestellten Wissenschaftler macht deutlich, daß<br />

Rosenstiel seine Karriere viel enger an das politische System geknüpft hatte als<br />

Stubbe – und ihm daher nach dem Ende seiner politischen Laufbahn „nur“ noch<br />

die wissenschaftliche offenstand. Stubbes Werdegang dagegen ist komplizierter.<br />

Im Berufsleben sowie bei <strong>der</strong> Beurteilung an<strong>der</strong>er Menschen und politischer<br />

Verhältnisse hatte für ihn die Wissenschaft Vorrang. So setzte er sich, wenn er<br />

sie für gute Wissenschaftler hielt, auch für ehemalige SS-Männer wie Niethammer<br />

und Brücher ein, an<strong>der</strong>nfalls scheute er sich nicht, Karrieren zu behin<strong>der</strong>n.<br />

Die gleiche apolitische Haltung kennzeichnete aber auch sein Verhalten gegenüber<br />

vertriebenen Kollegen wie <strong>Max</strong> Ufer, mit dem zusammen er in <strong>der</strong> Zeit des<br />

Müncheberger Institutsaufbaus zum kleinen Mitarbeiterkreis um Erwin Baur gehört<br />

hatte und dem Stubbe den Weg zu einer finanziellen Entschädigung durch<br />

sein Gutachten erschwerte. Stubbe glaubte an den <strong>wissenschaftlichen</strong> Fortschritt<br />

unabhängig vom politischen System. Wenn ihm gute Bedingungen für seine<br />

wissenschaftliche Arbeit geboten wurden, war er bereit, diese anzunehmen und<br />

seine Qualifikation in den Dienst des jeweiligen Regimes zu stellen – sei es nun<br />

als Kriegsverwaltungsrat, <strong>der</strong> in Armeebegleitung durchs besetzte Griechenland<br />

reiste, um Material für eine dem Postulat <strong>der</strong> „Nahrungsfreiheit“ verpflichtete<br />

Züchtungsforschung zu sammeln o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Forschung</strong> an biologischen Waffen.<br />

Die Ziele des Regimes, die politischen Begleitumstände seiner <strong>Forschung</strong><br />

(z. B. bei <strong>der</strong> Griechenlandexpedition) sowie die NS-Verbrechen hat er nicht begrüßt,<br />

aber sie haben seine <strong>Forschung</strong> auch nicht gestört – und darauf kam es<br />

ihm an. Der Krieg verschaffte ihm Zugang zu den bislang unerforschten und<br />

daher botanisch beson<strong>der</strong>s interessanten Gebirgszügen des Balkans sowie Aussichten<br />

auf den <strong>wissenschaftlichen</strong> Reichtum <strong>der</strong> <strong>Forschung</strong>seinrichtungen in<br />

<strong>der</strong> besetzten Sowjetunion. Das KWI für Kulturpflanzenforschung, dessen Leitung<br />

er noch 1943 übernahm, eröffnete als deutsches Pendant des Vavilov-Instituts<br />

und als Zentrum eines von Wettstein anvisierten Netzes von <strong>Forschung</strong>sstationen<br />

„vom Eismeer bis in das mediterrane Gebiet“ kontinentale, wenn nicht<br />

gar globale <strong>Forschung</strong>shorizonte. Das mag in <strong>der</strong> Tat verführerisch, vielleicht<br />

auch korrumpierend gewesen sein.<br />

Auch wenn Stubbe im Vergleich zu Rosenstiel viel enger bei seiner Wissenschaft<br />

geblieben ist und mehr Distanz zur NS-Politik hielt, so hat er doch spätestens<br />

mit <strong>der</strong> Verlagerung seines <strong>Forschung</strong>sschwerpunkts und dem Beginn <strong>der</strong><br />

Expeditionen 1941 den Elfenbeinturm, o<strong>der</strong> vielmehr das Gewächshaus in Berlin-Dahlem,<br />

verlassen. Nicht aufgrund von Kriegsbegeisterung o<strong>der</strong> politischer<br />

Überzeugung kam er mit <strong>der</strong> Realität <strong>der</strong> deutschen Besatzungspolitik in Südost-<br />

und Osteuropa in Berührung, son<strong>der</strong>n weil er auf das Angebot exzellenter<br />

<strong>Forschung</strong>smöglichkeiten im Krieg einging. Insofern scheint Stubbes Rede von<br />

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