Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh
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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 2/08 – März 2008 – Seite 22<br />
Grenzen der Ökonomisierung<br />
Schleichende Rationierung im GKV-System muss offen und ehrlich thematisiert werden<br />
Von Ekkehard Ruebsam-Simon<br />
Die folgenden Ausführungen gliedern sich in drei Teile:<br />
Im ersten Teil gehe ich auf die Grundfragen ein, im<br />
zweiten beschreibe ich den Istzustand, im dritten Teil<br />
zeichne ich die Perspektiven auf.<br />
Die Grundfragen<br />
Da ist zunächst die Rolle des Arztes, die wir mitbedenken<br />
sollten, wenn wir über ökonomische Themen<br />
sprechen. Wir müssen sie im Hinterkopf haben, sonst<br />
wird die Diskussion zu flach. Sind Ärzte Treuhänder<br />
oder letztes Glied der Wertschöpfungskette im Gesundheitsmarkt?<br />
Befragt man die rechtlichen Grundlagen der ärztlichen<br />
Tätigkeit, so lesen wir in der Bundesärzteordnung<br />
Paragraph 1: „1., der Arzt dient der Gesundheit<br />
des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.<br />
2., der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe, er ist seiner<br />
Natur nach ein freier Beruf.“<br />
Damit könnte man eigentlich schließen. Denn nach<br />
den Worten dieser Grundlegung haben Ärzte mit so<br />
etwas Degoutantem wie einem Gewerbe nichts zu<br />
tun. Die Wirklichkeit ist anders, das wissen wir alle.<br />
Ohne Ökonomie, das heißt, ohne wirtschaftliche und<br />
betriebswirtschaftliche Basierung können wir uns die<br />
Ethik zunehmend nicht mehr leisten.<br />
Einige weitere kursorische Bemerkungen zur Rolle<br />
des Arztes und der besonderen Beziehung zum Patienten:<br />
Neben dem Priester ist der Arzt der älteste<br />
Beruf. Es gibt praktisch keine menschliche Gemeinschaft<br />
ohne Heilkundige. Zu Ärzten werden Heilkundige<br />
aber erst in Hochkulturen, also in Gesellschaften,<br />
in denen Geld vorhanden ist, eine „Kaste“ zu<br />
bezahlen.<br />
Unabhängig von der jeweiligen gesellschaftlichen<br />
Prägung und Umgebung handeln Ärzte mit endgültigen<br />
Dingen. Darin beruht ihre besondere Position und<br />
ihre Macht in den verschiedenen Gesellschaften, unabhängig<br />
davon, ob sie theologisch aufgeladen sind<br />
oder nicht.<br />
Ein Arzt wird wie der Priester mit existenziellen Problemen<br />
befasst. Biologische Radikale, Krankheit, Antizipation<br />
des eigenen Todes, Tod des anderen sind<br />
Grenzerfahrungen, die man aushalten muss und die<br />
erfahren werden. Das sind die Dinge, mit denen wir zu<br />
tun haben, und das beschreibt den sozialen und psychologischen<br />
Unterbau, auf dem Ärzte stehen.<br />
Jeder Arzt steht in der Folge oder einer Nachfolge<br />
unzähliger Ärztegenerationen und darin hat die Arzt-<br />
Patienten-Beziehung ihre emotionale archaische<br />
Wurzel. Der Arzt ist sozusagen qua Behandlungsauftrag<br />
selbstverständlich der Treuhänder des Patienten.<br />
Er ist gebunden zu helfen und zu heilen.<br />
In diesem Zusammenhang ist die Verschwiegenheit<br />
in der Arzt-Patienten-Beziehung, also die ärztliche<br />
Schweigepflicht, der Kitt, der diese Elemente zusammenhält.<br />
Ein Angriff auf sie zerstört etwas Grundlegendes.<br />
Das ist einer der Gründe, warum die Ärzte bei<br />
der E-Card und all diesen Themen, die damit verbundenen<br />
sind, wie Internettechnologie, so sensibel reagieren.<br />
Hier wird etwas ganz Entscheidendes in Frage<br />
gestellt.<br />
Der Istzustand<br />
1. Trotz der Überzeugung von vielen, das deutsche<br />
Gesundheitssystem könnte wettbewerblich organisiert<br />
werden, bezweifele ich das grundsätzlich. Ein<br />
System, das Sachleistungen verkauft und darüber<br />
noch soziale Ausgleichsfunktionen betreibt, ist im eigentlichen<br />
Sinne nicht ökonomisierbar. Weder der<br />
EBM 2000 plus noch der nächste 2008 können betriebswirtschaftliche<br />
Vernunft hineinbringen.<br />
2. Die Preise ärztlicher Dienstleistungen entsprangen<br />
bisher eher einer philosophischen Schätzometrie<br />
als einer durchgerechneten Vollkostenkalkulation, in<br />
der ärztliche Arbeitszeit und unternehmerisches Risiko<br />
adäquat abgebildet werden. Hier hatten und haben<br />
wir <strong>politische</strong> Preise, die dem Diktat der Beitragssatzstabilität<br />
gehorchen. Es darf alles geleistet werden,