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Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh

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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 2/08 – März 2008 – Seite 4<br />

Zugriff oder Übergriff<br />

Aufgaben des Staates im Gesundheitswesen<br />

Von Herbert Rebscher<br />

Die Diskussion um Wettbewerb im Gesundheitswesen<br />

reicht bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts<br />

zurück. Es ist eine Diskussion, die weitgehend<br />

von Parolen lebt und nicht vom konkretisierten Sachargument.<br />

Um ihren Reformmaßnahmen eine höhere Weihe zu<br />

geben, hat insbesondere die Politik den Begriff des<br />

„Wettbewerbs“ politisch und ökonomisch dermaßen<br />

verunstaltet, dass die gesetzlichen Krankenkassen<br />

(GKV) jetzt tatsächlich eher gehindert sind, sinnvolle<br />

Wettbewerbsstrategien zu entwerfen.<br />

Mit dem inhaltlichen bzw. mit dem instrumentellen<br />

Charakter des Wettbewerbskonzepts und des Gesundheitsmarktes<br />

hat das nichts mehr zu tun.<br />

Die Kernfrage ist: Welche Rolle soll Wettbewerb in<br />

diesem System haben und was soll er instrumentell<br />

leisten können? Wo brauchen wir vielleicht auch nur<br />

verlässlichere Planungsprozesse oder einklagbare<br />

Rechte für Betroffene?<br />

Unterschiedliche Inanspruchnahme von<br />

Leistungen<br />

Zunächst ein gesundheitsökonomisches Grundfaktum:<br />

Eine schon alte, aber weiterhin gültige Faustformel<br />

besagt, dass rund 20 Prozent der Menschen<br />

80 Prozent der Leistungen benötigen. In meiner<br />

Kasse, der Deutschen Angestellten-Krankenkasse<br />

(DAK), ist dieses Verhältnis sogar noch verschärft: Da<br />

brauchen 15 Prozent der Menschen ungefähr 85 Prozent<br />

aller Leistungen.<br />

Mit diesem Grundfaktum müssen wir lernen umzugehen.<br />

Im Umkehrschluss heißt das nämlich, dass wir<br />

eine große Versichertenklientel haben, die gar keine<br />

oder kaum Leistungen in diesem System in Anspruch<br />

nimmt. Und wenn man nachforscht, wo dann überhaupt<br />

die relevanten Leistungsausgaben anfallen,<br />

dann erhält man als Ergebnis: erstens nur bei 15 bis<br />

20 Prozent der Menschen und zudem im Jahr kurz vor<br />

dem Tod. Um es zu betonen: Ausschlaggebend ist<br />

nicht das hohe Alter, sondern ausschlaggebend sind<br />

die Monate kurz vor dem Tod.<br />

Was heißt das für unseren Wettbewerbsbegriff? Zunächst<br />

existiert eine Marktspaltung in preisreagible<br />

Nichtleistungsempfänger und in leistungsreagible<br />

Versorgungsempfänger kurz vor und mitten in existenziellen<br />

Lebenskrisen. Damit müssen wir umgehen<br />

lernen und unsere Instrumente entsprechend<br />

justieren.<br />

Der soziale Charakter der<br />

Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

steht auf dem Spiel<br />

■ Zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen<br />

Krankenversicherung wird ein Leistungsverweigerungs-Wettbewerb<br />

belohnt.<br />

■ Ein Qualitätswettbewerb wird ökonomisch<br />

diskriminiert.<br />

■ „Wirtschaftliche Kassen brauchen keine<br />

Prämie, unwirtschaftliche Kassen brauchen<br />

eine Prämie“ – so die gefährlich falsche <strong>politische</strong><br />

Botschaft. Das Gegenteil ist richtig!<br />

■ Zusatzprämie als alleiniger Wettbewerbsparameter<br />

– gegen jede gesundheitsökonomische<br />

Logik.<br />

Fataler Kurzschluss<br />

In diesem Punkt ist dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz<br />

(GKV-WSG) ein fataler Kurzschluss unterlaufen.<br />

Dieses Gesetz setzt nämlich durchgängig auf<br />

Preisreagibilität und vernachlässigt damit in eklatanter<br />

Weise die notwendige Orientierung an Leistungsinhalten.

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