Das Journal der staatsoperXhannover Nr. 1/2006 - Staatsoper ...
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Im Keller des Opernhauses befindet sich<br />
eine wahre Schatzkammer, vollgestopft<br />
mit Flaschen, Geschirr bis hin zu alten<br />
Koffern, Musikinstrumenten und vielem<br />
mehr. Was hier nicht hineinpasst, wird<br />
ausgelagert ins Magazin im Proben -<br />
zentrum Bornum. Herren über dieses<br />
Sammelsurium an alltäglichen und kuriosen<br />
Utensilien sind Chefrequisiteur<br />
Herbert Balko-Karp und sein sechsköpfiges<br />
Team. Sie sind verantwortlich dafür,<br />
dass während einer Opern- o<strong>der</strong> Ballett -<br />
aufführung all die scheinbar nebensächlichen<br />
Dinge den Bühnenkünstlern zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Einige Wochen vor <strong>der</strong> Premiere einer<br />
Neuinszenierung wird in einem Gespräch<br />
mit Regisseur und Bühnenbildner geklärt,<br />
was an Requisiten benötigt wird, und eine<br />
entsprechende Materialliste angefertigt.<br />
Anschließend prüft <strong>der</strong> Chefrequisiteur,<br />
welche Gegenstände im Fundus vorhanden<br />
sind, was zusätzlich gekauft o<strong>der</strong> angefertigt<br />
werden muss. <strong>Das</strong> Motto ist stets:<br />
„Wir machen alles möglich!“<br />
Jetzt sind Fantasie, Spürhundqualitäten,<br />
kunsthandwerkliches Geschick und auch<br />
Fachwissen in punkto Antiquitäten und<br />
Stilepochen gefragt. Außerdem müssen<br />
Requisiten leicht anzuwenden sein und<br />
dürfen nicht als Requisiten auffallen, sollten<br />
natürlich und echt wirken. Herbert<br />
Aus den Werkstätten seitenbühne | <strong>Nr</strong>. 1 | Seite 13<br />
Die Fälscher des Theaters<br />
Aus dem Alltag <strong>der</strong> Requisite<br />
Balko-Karp bringt es auf den Punkt:<br />
„Ein Requisiteur muss immer ein guter<br />
Fälscher sein!“<br />
Und die Requisiteure <strong>der</strong> <strong>Staatsoper</strong> verstehen<br />
ihr Metier, das dank neuer Technik<br />
auch erleichtert wird. Benötigten sie früher<br />
mehrere Museums besuche, um zum<br />
Beispiel eine Hochzeits urkunde aus dem<br />
16. Jahrhun<strong>der</strong>t zu kopieren, genügt heute<br />
oft ein Klick und Blick ins Internet, um<br />
etwa den hebräischen Text für Moses’<br />
Gesetzestafeln im Musical Anatevka nachbilden<br />
zu können. Ferner dürfen Requi -<br />
siten keine unliebsamen Geräusche verursachen<br />
und nicht zu Verletzungen auf <strong>der</strong><br />
Bühne führen. Eine Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />
die Requisiten abteilung war daher die<br />
Prügelszene mit Bierflaschen in <strong>der</strong> Auf -<br />
führung von Verdis „Otello“, die einen<br />
mit Scherben übersäten Boden zurückläßt.<br />
Die Lösung: Neben zahlreichen Kunst -<br />
stoffbierflaschen kommen zwei Crash -<br />
glasflaschen für die gefahrlose Prügelei<br />
zum Einsatz, und <strong>der</strong> Bühnenboden wird<br />
dank extra eingefärbter und zerschnittener<br />
Plastikbecherteile nahezu geräuschlos und<br />
ohne Verletzungsrisiko in ein Scherben -<br />
meer verwandelt. Sorgfältig gehen die<br />
Verantwortlichen ebenfalls bei den sogenannten<br />
Verbrauchsrequisiten vor, die bei<br />
je<strong>der</strong> Vor stellung ersetzt o<strong>der</strong> neu hergestellt<br />
werden: Lebensmittel, Zigaretten<br />
und frische Blumen zum Beispiel.<br />
Schon während <strong>der</strong> Bühnenproben für<br />
eine neue Produktion halten die<br />
Requisiteure Probenrequisiten bereit,<br />
erst in den letzten drei Proben stehen die<br />
Originalrequisiten zur Verfügung. Sie<br />
liegen hinter den Kulissen, angeordnet<br />
nach Bühnenseite und Reihenfolge <strong>der</strong><br />
entsprechenden Auftritte, bereit. Nach <strong>der</strong><br />
Probe o<strong>der</strong> Vorstellung muss dann auch<br />
für Pflege, Instandhaltung und Reparatur<br />
<strong>der</strong> Requisiten gesorgt werden.<br />
Obwohl kein von <strong>der</strong> Handwerkskammer<br />
anerkannter Ausbildungsberuf gehört <strong>der</strong><br />
Beruf des Requisiteurs zu den ältesten<br />
Theaterberufen im Bereich <strong>der</strong> Aus -<br />
stattung. Chefrequisiteur Herbert Balko-<br />
Karp begann seine berufliche Laufbahn als<br />
Schaufensterdekorateur, seine Kollegen<br />
sind gelernte Tischler, Dekorateure,<br />
Schlosser o<strong>der</strong> Buchbin<strong>der</strong>, bevor es sie in<br />
die Arbeitswelt des Theaters zog. Mittler -<br />
weile ist es aber möglich, nach einer einschlägigen<br />
Berufsausbildung und<br />
Praxiserfahrung einen Weiterbildungs -<br />
lehrgang mit dem Abschluss Requisiteur,<br />
Geprüfter Requisiteur o<strong>der</strong> Requisiteur<br />
IHK zu absolvieren.<br />
Malte Erhardt