Erde unter den Fingernägeln – wie schön! - landhaususedom.de

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Landküche Ellen Kleiber, Grübchenwangen, veilchenblaue Augen, die blonden Haarsträhnen um den Kopf gesteckt wie ein zauseliges Krönchen, steht in ihrer Küche und streut Calendula-Blütenblätter über den Feldsalat. „Wild und bodenständig, so wie ich es mag“, sagt die 35-jährige Gastwirtin vom angesagten Restaurant „Wacholder“ bei Heidenheim auf der Schwäbischen Alb und lacht. Seit zweieinhalb Jahren kocht und wirbelt sie in der ehemaligen „Weinstube Eberhard“, in der schon im 17. Jahrhundert Trollinger aus der Umgebung, den man „a bissle oiga“, „ein bisschen eigen“, nennt, gebechert wurde. „Weinstube Eberhard“? – „Der Name passte nicht zu mir.“ Und so nannte sie die Gaststube „Wacholder“. Nach den Schwäbische-Alb- typischen Zypressenbüschen, zwischen denen die Schafe hier auf welligen Hügeln grasen und deren Holz und Beeren als ebenso „proletarisch wie aromatisch und exzentrisch“ gelten. Neben selbst entwickelten Gerichten werden im „Wacholder“ auch schwäbische Spezialitäten wie Lamm, Wild, Maultaschen mit Bärlauch oder Spätzle mit Nüssen aufgetischt, und die Gastwirtschaft ist nach Jahren der kulinarischen Brache zu einer Top-Adresse der Region für Feinschmecker geworden. „Es ist die Alb ein birgigs, steinigs und ruches Land, aber do zeucht es viel Korn, Habern und Gersten“, heißt es in Sebastian Münsters „Cosmographia Universalis“ aus dem 16. Jahr- hundert. „Es ist ein so hart Feld, dass acht oder neun Ochsen kaum ein Pflug mögen erziehen. Sunst ein gut Land an Vieh, Weide, Schäffereien, Holtz, Wildbret und andere Dinge.“ Gelernt, sagt die „Wacholder“-Wirtin, habe sie eigentlich nichts. Ging nicht, weil sie lange einfach nicht wusste, was sie wollte. Hotelfachfrau, Dekorateurin oder doch lieber Stylistin? Als sie einmal für einen Kunsthandwerkermarkt kochte, kam ihr die Idee, ein Catering aufzumachen: mit moderner Landküche, für die sie traditionelle Rezepte neu und frech kombinierte. Deftige Ofenschlupfer mit Rouladen zum Beispiel anstatt süß mit Äpfeln, oder Spargelsuppe mit Kirschen. Ellen Kleibers Catering war bald der Renner in dem Land, wo drei Staufer-Burgen auf drei Kaiserbergen davon künden, dass es sich hier der schwäbische Adel gutgehen ließ. „Die Zeit ist reif für das Schöne“, ruft Ellen übermütig. „Deshalb knalle ich immer so viel Blüten und Pillepalle aufs Essen.“ Ob Sammeltassen vom Flohmarkt fürs Dessert oder hübsche Körbe und Flaschen aus dem letzten 34 BRIGITTE 11/2011 Urlaub für Blumen und Gemüse oder Fragen, die den Gast zum Lachen oder Nachdenken anregen – Ellen mag es gemütlich mit Pfiff. Ihr Erfolgsrezept? Gehobenes Niveau, aber nicht zu edel. Bei ihr sollen Geschäftsleute aus Hamburg – in Heidenheim werden Schiffsmotoren gebaut – ebenso gern zum Essen kommen wie das Erstkommunions-Kind aus der Nachbarschaft. Auf der Speisekarte steht zum Beispiel, dass „Sommergemüse-Spaghetti mit Zuckerschoten, Möhren, Zucchini, Kirschtomaten und Zitronenbutter um besseres Wetter kämpfen“, oder „Scholle im Weinteig versteckt, umzingelt von Kartoffel-Avocadosalat und bekleckert mit Basilikumsoße“. Ungewöhnliche Gerichte wie Tunfisch in Kohlrouladen, sagt sie, probieren sogar gestandene Schwaben. Weil sie auf den guten Geschmack ihrer Wirtin vertrauen, die regionale Produkte wie das Ostalb-Lamm mit Steck- rübengratin serviert oder das schwäbisch- hällische Landschwein mit Mirabellen. „Noch ein Schuss Himbeergeist in die Soße?“ – „Super, wie das riecht!“, spielen sich Ellen Kleiber und ihre drei Köchinnen Ideen wie Gewürze beim Abschmecken des Tagesessens zu. Und fragt die Wirtin dann, wie sie das Gericht nennen soll, und die Köchin sagt „Keine Ahnung!“, schreibt sie auf die Speisekarte: „Die Köchin hat keine Ahnung, wie wir das Gericht nennen sollen, aber es schmeckt.“ „Und wüsste ich alle Geheimnisse und hätte ich alle Erkenntnisse und hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts“, steht der Apostel- Paulus-Spruch auf einem weißen Band, das Ellen quer durch die holzvertäfelte Stube gespannt hat. „Ich gebe den Leuten etwas mit, was sie anregt und was sie genießen können.“ Erinnerung in Bewegung, täglich neu. Grießbrei mit Soße etwa, gewürzt mit einem Teelöffel Lustigem, haus- und handgemacht. Ihr Lachen schwappt hinaus in den Garten und schaukelt mit den bunten Lampions, die die „Wacholder“-Wirtin in einen Zwetschgenbaum gehängt hat, bevor es weiterzieht mit der Brenz, dem Fluss hinterm Haus. Während Ausflügler, die mit dem Boot anlegen, sich Pfannkuchen und Blaubeergelee schmecken lassen. Ein Duft, ein Biss – wie daheim. Restaurant „Wacholder“, Am Jagdschlößle 4, 89520 Heidenheim, Telefon 073 21/31 51 91, www.wacholder-hdh.de (Dienstag und Mittwoch geschlossen)
Hereinspaziert: Ein paar Stufen hoch geht’s ins Restaurant „Wacholder“. Die Küche ist Frauensache: Ellen Kleiber kocht mit Elli (links), einer ihrer drei Köchinnen, und Tochter Freya macht dazu Faxen. Holzvertäfelte Wände, blanke Tische: In der Gaststube ist es urgemütlich Lustiger Name für einen Gaumenschmeichler: Ofenschlupfer. Immer aus Brot und Ei – und hier herzhaft mit viel Petersilie zubereitet REZEPTE AUS DEM RESTAURANT „WACHOLDER“ Ofenschlupfer 6 Portionen: 6 Scheiben Weißbrot (140 g; gern vom Vortag), 1 Knoblauchzehe, 2 Schalotten, 300 ml Milch, Fett für die Förmchen, 3 Eier, Salz, 1 Bund glatte Petersilie • Das Weißbrot in Würfel schneiden. • Knoblauch und Schalotten abziehen, hacken und in der Milch in einem Topf kurz aufkochen. • 6–8 Portionsförmchen mit gut gefettetem Butterbrotpapier auslegen (es eignet sich auch gut ein Blech mit Muffinmulden oder Tassen). • Die leicht abgekühlte Milch durch ein Sieb gießen und mit den Eiern verrühren. Mit Salz würzen. • Den Backofen auf 170 Grad, Umluft 150 Grad, Gas Stufe 2–3 vorheizen. • Petersilie abspülen, trocken schütteln und fein hacken. Brotwürfel und Petersilie mischen und in die Förmchen füllen. Die Eiermilch über die Weißbrotwürfel gießen. • Die Ofenschlupfer im Backofen etwa 25 Minuten backen. FERTIG IN 40 Minuten PRO PORTION ca. 165 kcal, E 8 g, F 9 g, KH 14 g TIPPS: • Die Ofenschlupfer gelingen noch besser, wenn im Backofen ein bisschen Dampf erzeugt wird: Wenn die Förmchen auf dem Rost stehen, eine Handvoll Wasser auf den Boden des Backofens sprenkeln. • Ellen Kleiber packt in den Ofenschlupfer auch Schinkenwürfel, geriebenen Käse, gehackte Nüsse oder andere Kräuter. Das Ganze geht natürlich auch in süß: mit Beeren, Äpfeln, Birnen, mit Schokoladenstückchen oder Marzipan. • Die Ofenschlupfer gehen zuerst im Backofen schön auf, fallen danach aber etwas zusammen. Das tut dem gutem Geschmack keinen Abbruch! � Rindsrouladen (Foto Seite 33) 4 Portionen: 1 Stängel Zitronenmelisse, 1 mittelgroße Zwiebel, 2–3 EL Frischkäse, 2 Möhren, 10 Macadamianusskerne, Salz, frisch gemahlener Pfeffer, BRIGITTE 11/2011 35
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