Erde unter den Fingernägeln – wie schön! - landhaususedom.de

Wandern
ist mit 1548 Metern der höchste Punkt der
Tour. Wir wandern zügig. Schweigend. Mein
Blick ist auf den Boden gerichtet, ich will
nicht über eine der zahllosen Wurzeln fallen.
Es sind alte Wege, auf denen wir gehen, Wanderwege,
die es schon seit Jahrzehnten gibt.
Vor zwei Jahren wurden sie mit Schildern neu
verbunden, 15 Stationen bestimmt. Das sind
Orte, an denen Gläubige zu einer Wallfahrt
oder Prozession zusammenkommen: die Fa tima
kapelle, die Klosterkirche in Ettal. Es sind
aber auch Naturgewalten, Orte, nicht zu
Gottes Ehren von Menschenhand gemacht,
sondern aus der Natur entstanden. Die Ammerquellen.
Der Soier See. Das Hörnle.
„Die Menschen“, sagt Joachim Renz, „kommen
zu den Passionsspielen nach Oberammergau.
Oder sie rennen auf den nächsten Gipfel.
Aber bei uns gibt es viel mehr. Und vor lauter
höher und schneller sehen sie es nicht.“
Ich spüre meine Waden. Station 4. Scheibum.
Es rauscht und tost, grün ist das Wasser, rau
und wild. Die Ammer peitscht durch die
Felsenschlucht. Lange vor unserer Zeit hat sie
sich ihren Weg gebahnt: „Scheib-um“. Man
kann sich das wohl wie einen Strudel vorstellen,
eine drehende Wasserscheibe, ohne
Abfl uss. Immer tiefer grub sich das Wasser in
den Felsen hinein. Und dann: Die Ammer
reißt sich ihren Weg, jagt durch die Felsen.
Etwas abseits steht eine Informationstafel, darauf
ein Spruch des chinesischen Philosophen
Laotse: „Dass Weiches das Harte besiegt, weiß
jedermann auf Erden, aber niemand vermag
danach zu handeln.“
Wir gehen an den Fluss. Joachim Renz zeigt
mir diese Stelle, die so ruhig ist, so friedlich –
bis ich meine Regenjacke ausziehe. Meine
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Augen schließe. Und endlich mal richtig
höre. Eineinhalb Tage war ich mit Joachim
unterwegs, eineinhalb bin ich allein gegangen.
Weil ich wissen wollte, wie das ist: allein
draußen unterwegs sein. Ohne Gespräche, nur
ich und der Weg. Dass ich die 15 Stationen
nicht schaffe, war klar. In einem Gasthof haben
Joachim und ich einem älteren Mann
beim Zitherspielen zugehört. In Oberammergau
bin ich in einer Holzschnitzerei versumpft.
Und im mer wieder habe ich meine Regenjacke
ausgezogen und mich auf den Boden gelegt.
Anfangs kam ich mir dumm vor dabei, beobachtet.
Bald war es mir aber egal.
Einmal, als ich die Augen wieder aufgemacht
habe, habe ich zwei Rehe gesehen.
Auf dem Weg in die Stille
und zu sich selbst: BRIGITTE-
Redakteurin Madlen
Ottenschläger in den Ammergauer
Alpen – inklusive
Entspannungsübungen in der
Kapelle „Heiliges Blut“,
angeleitet von Coach und
Wanderführer Joachim Renz
TOUR. Meditationsweg Ammergauer Alpen. 85,2 Kilometer, 15 Stationen – von
der Wieskirche bei Wildsteig bis zum Schlosspark Linderhof. Geführte Touren für
Einzelpersonen und Gruppen bieten die Wanderführer und Entspannungscoaches
Joachim Renz (www.natur-stress.de) und Norbert Parucha (www.parucha.de) an,
buchbar über den Tourismusverband Ammergauer Alpen (siehe INFO).
ÜBERNACHTEN. „Gästehaus Hohenleitner“. Gemütliche Pension, ins Wohnhaus
ist eine ehemalige Rundkapelle integriert. Unbedingt nach einem Zimmer in
diesem Teil des Hauses fragen! DZ/F ab 58 Euro (Ammergauer Straße 35, 82488
Ettal, Tel. 088 22/47 30, www.ettal-alpen.de/haus-hohenleitner). – „Enzianhof“.
Pension, die zu den „Naturgastgebern“ gehört, einer Kooperation, die Wert legt
auf regionale Produkte. Wellness-Angebote wie Massagen oder entspannende
Kräuterbäder. DZ/F ab 52 Euro (Ettalerstraße 33, 82487 Oberammergau, Tel.
088 22/215, www.enzianhof.de).
GENIESSEN. „Wirtshaus Acheleschwaig“. Direkt am Weg, Einheimische
kommen zum Stammtisch, Wanderer wegen der guten Portionen (Acheleschwaig
1, Saulgrub, Tel. 088 45/75 73 83). – „Schaukäserei Ammergauer Alpen“. Live
dabei sein, wenn aus Milch Käse wird. Mit kleinem Laden (Mandlweg 1, Ettal,
Tel. 088 22/92 39 26, www.milch-und-kas.de).
INFO. Tourismusverband Ammergauer Alpen, Eugen-Papst-Straße 9a, 82487
Oberammergau, Tel. 088 22/92 27 40, Fax 92 27 45, www.ammergauer-alpen.de
Fotos: Tanja Kernweiß, Jahreszeiten Verlag Dieth und Schröder