Gottlob Frege - Hochschule Wismar
Gottlob Frege - Hochschule Wismar
Gottlob Frege - Hochschule Wismar
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
10<br />
die Universität erworben hat. Zu seinen bekannten Verdiensten dürfen wir nun<br />
noch hinzufügen, dass Abbes Stiftung dem bedeutendsten Logiker seit<br />
Aristoteles das Überleben gesichert hat. Dabei darf man getrost einräumen,<br />
dass selbst Abbe den Weg seines Zöglings von der Mathematik in die Logik<br />
und damit in die Philosophie zumindest anfangs nicht nachvollziehen konnte.<br />
In seinen Lehrveranstaltungen vermittelte <strong>Frege</strong> durchaus den üblichen<br />
Stoff für die Ausbildung der Studierenden in Mathematik (und auch Physik).<br />
In seinen Veröffentlichungen ging er aber andere Wege. Hier bemühte er sich<br />
um eine logische Grundlegung der Arithmetik, indem er den Begriff der Zahl<br />
auf den logischen Begriff des Begriffsumfangs (der Klasse) und die<br />
arithmetischen Gesetze auf rein logische Gesetze zurückzuführen und damit<br />
als reine Vernunftwissenschaft zu begründen versuchte. Diesen Ansatz nennt<br />
man Logizismus. In seinem Logizismusprogramm ging <strong>Frege</strong> von<br />
Überlegungen Leibnizens zur Entwicklung einer logisch idealen<br />
Universalsprache aus und entwickelte selbständig und auf sich allein gestellt<br />
die bis heute maßgebliche Gestalt der modernen formalen Logik. Das<br />
Bemühen um präzise Begriffsbildungen und eine philosophische Grundlegung<br />
der Wissenschaften, insbesondere der Mathematik, ließ <strong>Frege</strong> zu einem<br />
Kritiker der philosophischen Strömungen im Ausgang des 19. Jahrhunderts<br />
werden. In Weiterentwicklung der Platonischen und Kantischen Philosophie<br />
widersprach er vor allem dem Empirismus und dem naturwissenschaftlichen<br />
Materialismus seiner Zeit, indem er die Möglichkeit einer von Erfahrung<br />
unabhängigen (apriorischen) Erkenntnis am Beispiel der Mathematik<br />
begründete.<br />
Wie kann es, so werden Philosophen häufig gefragt, überhaupt apriorische<br />
Erkenntnisse geben, Erkenntnisse, zu denen keine Erfahrung notwendig ist?<br />
Hierauf hat <strong>Frege</strong> – in der Tradition des Neukantianismus stehend – eine<br />
bündige Antwort gegeben. Dabei macht er zunächst darauf aufmerksam, dass<br />
die Frage doppeldeutig ist. Worauf erstreckt sich die Rede von der<br />
Notwendigkeit der Erfahrung, auf die Herkunft (Genese) oder auf die<br />
Begründung (Geltung) der Erkenntnis?<br />
Betrachten wir als Beispiel eine arithmetische Gleichung. Es ist nicht<br />
möglich zu erkennen, dass die Summe von 7 und 5 gleich 12 ist, ohne an<br />
Klötzen, Fingern oder Strichen das Zählen gelernt zu haben. Um das Zählen<br />
zu lernen, muss unsere sinnliche Wahrnehmung ausgebildet sein, ohne die wir<br />
zwischen den einzelnen Klötzen, Fingern und Strichen gar nicht unterscheiden<br />
könnten. Genauer gesagt: Ohne Erfahrungen gemacht zu haben, wären wir<br />
nicht in der Lage, arithmetische Gleichungen danach beurteilen zu können, ob<br />
sie gültig sind. Bedeutet dies aber, dass die Gleichungen aus empirischen<br />
Gründen gültig sind (oder nicht gültig sind)? Auf die Frage, warum sie gültig<br />
sind, wäre die Antwort jedenfalls unangemessen, dass wir dies durch<br />
Erfahrung gelernt haben. Dabei ist nicht zu bestreiten, dass wir in solchen