Gottlob Frege - Hochschule Wismar
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Gottfried Gabriel<br />
<strong>Gottlob</strong> <strong>Frege</strong> – Der Mathematiker als Philosoph<br />
6<br />
Einen Vortrag über den Philosophen <strong>Frege</strong> zu halten, ist immer noch etwas<br />
anderes als einen Vortrag über Philosophen wie Platon, Kant, Hegel oder<br />
Marx anzubieten. 1 Die Namen der letzteren hat fast jeder schon einmal gehört,<br />
während der Name ‘<strong>Frege</strong>’ nicht einmal allen philosophisch Interessierten<br />
bekannt sein dürfte. Innerhalb der akademischen Philosophie, also derjenigen<br />
Philosophie, die an Universitäten gelehrt wird, ist dies freilich anders. Ob<br />
Ihnen, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, das Denken <strong>Frege</strong>s bekannt ist,<br />
weiß ich nicht; aber immerhin dürfte Ihnen sein Name schon begegnet sein.<br />
Hat die Stadt <strong>Wismar</strong> <strong>Frege</strong> doch dadurch geehrt, dass sie eine Straße nach<br />
ihm benannt hat. Vielleicht sitzen unter Ihnen sogar Bewohner dieser Straße,<br />
die wissen wollen, wer dieser <strong>Frege</strong> war und warum er einer der ganz Großen<br />
der Stadt ist (vgl. Kreiser 2001).<br />
Die Namensgebung hat eine Vorgeschichte, an die ich zur Einstimmung<br />
erinnern möchte. Im Jahre 1984, also noch in den Zeiten der DDR, fand in<br />
Schwerin (vom 10.-14. September) eine internationale <strong>Frege</strong>-Tagung statt.<br />
<strong>Wismar</strong> selbst bot damals noch nicht genügend viele<br />
Übernachtungsmöglichkeiten. Anlass der Tagung war die 100-jährige<br />
Wiederkehr des Erscheinens von <strong>Gottlob</strong> <strong>Frege</strong>s Buch Die Grundlagen der<br />
Arithmetik. Die Situation des Grenzübertritts (weit im Norden) ist mir als<br />
gespenstige Dokumentation der Teilung Deutschlands unvergesslich<br />
geblieben, vor allem der strenge Kieferbiss der Grenzbeamtinnen, der sich in<br />
ein aufgesetztes Lächeln verwandelte, als sie mich auf Grund meines Visums<br />
als „Staatsgast der DDR“ identifizierten. Vor Ort in Schwerin war ich dagegen<br />
erfreut über die freien Gespräche mit den Kollegen aus der DDR. Das<br />
Bemühen um Annäherung im Zeichen der „Entspannungspolitik“ schuf eine<br />
angenehme Atmosphäre.<br />
Zum Programm der Schweriner Tagung gehörte ein Ausflug nach <strong>Wismar</strong><br />
mit einem Besuch von <strong>Frege</strong>s Grab und der Umbenennung des „Turnplatzes“<br />
in „<strong>Gottlob</strong>-<strong>Frege</strong>-Platz“. Ich erinnere mich an einen unfreundlichen Tag mit<br />
Nieselregen. Vielleicht war dies der Grund, warum außer den<br />
Tagungsteilnehmern kaum ein Mensch zu sehen war, der diesem Ereignis<br />
beiwohnen wollte. Professor Christian Thiel aus Erlangen hielt die Ansprache.<br />
Währenddessen passierte ein älteres Paar die Versammlung. Die Frau fragte<br />
den Mann: „<strong>Gottlob</strong> <strong>Frege</strong>, wer ist das denn?“ Er antwortete ziemlich<br />
missmutig: „Wahrscheinlich wieder so ein verdienter Antifaschist!“ Nach der<br />
1 Der Text ist gegenüber der Vortragsfassung erweitert worden. Vor allem hat <strong>Frege</strong>s<br />
logische Analyse des Zusammenhangs zwischen Existenz- und Zahlaussagen ausführlich<br />
Berücksichtigung gefunden.