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Heft 2/2005 - Zeit & Schrift

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AktuellesAktuellesDas sind verständliche Fragen. Abersie haben vor allem mit unserem Gefühlzu tun: dem Gefühl des Überwältigtseinsdurch die enormen Kräfteder Natur und dem Mitgefühl mitden Zahllosen, die umgekommensind, und den zahllosen Überlebenden,die so viele ihrer Lieben verlorenhaben. Je mehr wir uns mit denOpfern solidarisieren, desto stärkerwerden die genannten Fragen unsereeigenen quälenden Fragen – Fragennicht nur unseres Verstandes, sondernunseres Herzens.nicht zu sagen zynischen Fragen, diemanche „Aufklärungs“-Philosophenaufwarfen, besonders Voltaire, habenmanche Autoren daher das Jahr1755 den Beginn der „modernen<strong>Zeit</strong>“ genannt. (Das Jahr 1755 liegtnahe an 1765, dem Jahr, in dem dieDampfmaschine erfunden wurde, dieden Beginn der technischen und späterder industriellen Revolution einläutete;nur 24 Jahre später fand dieFranzösische Revolution statt. Die Uhrhatte für alle Arten von „Revolution“geschlagen!)TheodizeeDie Frage, wie angesichts des vielenLeids in der Welt Gottes Allmacht(„Gott kann alles; es geschieht nichtsohne seinen Willen“) mit seiner Liebezu vereinbaren ist („Gott will nur dasGute für den Menschen“), ist schon soalt wie die Welt nach dem Sündenfall.Einen Versuch, diese Frage zu beantworten,nennen wir eine Theodizee,wörtlich: „Rechtfertigung Gottes“.Wenn Gott sowohl in seiner Allmachtals auch in seiner Liebe vollkommenist, wie können wir sein Handeln dann„rechtfertigen“?Im Mittelalter fanden natürlich auchschreckliche Katastrophen statt; mandenke nur an die Pestepidemien, dieMillionen Menschen in Europa getötethaben. Auch damals wurden schmerzliche„Warum?“-Fragen gestellt. Aberseit dem Beginn der „modernen <strong>Zeit</strong>“werden diese Fragen mit immer größerer<strong>Heft</strong>igkeit vorgebracht. Das kamvor allem durch das Erdbeben unddie Tsunamis, die am 1. November1755 die Stadt Lissabon trafen unddort 90 000 Menschen in den Tod rissen.Die Erdstöße waren bis nach Luxemburgzu spüren und töteten z. B.auch in Marokko noch einmal 10 000Menschen. Wegen der kritischen, umGottes Handin der GeschichteAuch im Mittelalter und in der Reformationszeitwurden aus Anlass vonKatastrophen manchmal schwierigeFragen über die Allmacht und die LiebeGottes gestellt. Aber sowohl unterKatholiken als auch unter Protestantenherrschte noch stark das Bewusstseinvon der Vorsehung Gottes, der dieMenschen liebt, auch wenn der Anscheinmanchmal gegen ihn spricht.Gottes Hand ist in allen Ereignissengegenwärtig, sei es im Glück oder imUnglück; hinter allen Dingen verbirgtsich das Handeln Gottes. Man kanndarauf ergebungsvoll und passiv reagieren,mit einem stumpfen Fatalismus,aber auch mit einem großenGlauben, der zu Gott zu sagen wagt:„Ich verstehe nicht, was du tust, aberich vertraue dir.“In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertsveränderte sich jedoch fürviele Menschen im Westen das Bild.Gott wurde zwar noch toleriert, aberdann höchstens als Schöpfer „am Anfang“,nicht als Gott, der sich nochimmer konkret mit Menschen und Ereignissenbeschäftigt (Deismus). Wasdie Gegenwart betrifft, haben wir eshöchstens mit blinden Naturgesetzen22

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