Bibel im AlltagBibel im Alltagdoch einfach unter Berufung auf dieunpassenden Umstände abtun. Nehemiahätte die Möglichkeit dazu gehabt.Das Volk der Juden in kritischerSituation? „Ich bin jetzt im Dienst, ichbin hier ein Gefangener, jeder mussselbst sehen, wie er zurechtkommt,nicht hier, nicht jetzt …“Das tut er nicht.So muss der in der Leiterschaft Stehendebereit sein, die Botschaft zu hören,wenn sie gegeben wird. Er musseinfach ein Ohr dafür haben. Er könnteWichtiges verpassen.Was wird mir heute gesagt werden?Wie werde ich reagieren? Bin ich bereit,es zu hören?3. Interesse„… da kam Hanani, einer von meinenBrüdern, er und einige Männer aus Juda“(Neh 1,2).Nicht oberflächliches Interesseoder gar Neugier war hier das Motiv.Er wollte nichts über die politische„Großwetterlage“ oder die Prognosender Händler über ein in der Ferne liegendeswestliches Land erfahren. Nehemiakannte als enger Vertrauter despersischen Königs diese Dinge ganzsicher besser, als sie die Tagespresseberichten konnte.Hanani, der Bruder Nehemias, undeinige Männer aus Jerusalem kamenzu Besuch. Nehemia nahm sich <strong>Zeit</strong>für sie. Natürlich waren Sitten und Gepflogenheitennoch nicht so termingestresstwie heute, mag man einwerfen.Richtig, aber auch persönliche Freiheitenund Dienstverhältnisse hatteneinen ganz anderen Stellenwert. Nehemiawar als Mundschenk des Königsso etwas wie Sicherheitschef undpersönlicher Berater des Herrschers.In solchen Positionen ist man auchheute fast unabkömmlich.Er nimmt sich die <strong>Zeit</strong>, nicht nur fürden Bruder und die Freunde aus Jerusalem,sondern für die Nachrichten,die sie mitgebracht haben. Nehemiafragt nach, ganz sicher nach dem einenoder anderen Namen; auf jedenFall versucht er die Dinge differenziertherauszubekommen. Das Gesprächstockt nicht bei der Frage: „Wiegeht’s?“, um dann auf die eigene Karriereoder die Misere der anderen zusprechen zu kommen. Man sprichtauch nicht über die eher belanglosenDinge wie das Wetter, die Kleidung,rauschende Feste oder die allgemeinenWeltereignisse. Auf die gezielteNachfrage Nehemias kommt dieAussage ungeschminkt und hart herüber:„Die Übriggebliebenen … lebenin großem Unglück und Schmach.Die Mauer von Jerusalem ist niedergerissenund seine Tore mit Feuer verbrannt.“Das waren die entscheidenden Mitteilungen.Das wollte Nehemia hören,die Tatsachen eben. Und das traf ihn,als hätte es sein eigenes Leben betroffen.Warum, da er doch hinter sicherenMauern und mit einer verantwortungsvollenAufgabe, die er bestensausführte, leben konnte? Ist derMensch nicht zufrieden mit seinemGlück? Braucht er seine Herausforderungenund Probleme? Was bewogNehemia, sich Menschen und ihrerSache anzunehmen, die mehr als1000 km von ihm entfernt lebten?Das ist die Aufgabe des Leiters, sichder Menschen und Dinge anzunehmen,als wären es seine eigenen. Gingees nur um Macht, Ehre, Geld, Sicherheitoder Beziehungen, es wäredieser Sache nicht wert. Nehemia hattedavon anscheinend genug.Peter Baake(wird fortgesetzt)28
Wer ist Ihr Star?„Er war längst berühmt für seinen Gesang; er war berüchtigt fürdie Sauf-Exzesse, die er seiner Leber und seinen Lieben zumuteteohne Rücksicht auf Verluste – und er hatte eine legendäre, denGroßstadtverkehr lahm legende Teenager-Hysterie verursacht,bei der 30 000 kreischende junge Menschen ein Kino belagerten,in dem er ein Konzert gab“ (Spiegel Kultur 1/2004: „Wie ausMenschen Idole werden“, S. 59). So leitete Wolfgang Höbel einenArtikel über Robbie Williams ein und ließ dann folgen: „Nein, hierist noch nicht die Rede von Robbie Williams, sondern von seinemgroßen Vorbild Frank Sinatra.“TrendsTrendsDer Weg zum Star begann für Williamsvor der Jukebox in der Kneipeseiner Mutter. Er bemerkte früh, dasssein Tanzen den Leuten gefiel, undsagt: „Damals habe ich gelernt, mitCharme eine Art von Aufmerksamkeitzu erzeugen, die süchtig machenkann. Wenn du singst, bewundern siedich. Wenn du einen Witz erzählst, lachensie. Also egal, was du tust, wenndu es nur richtig anstellst, findest duein Publikum.“Dass dieses Publikum aber auch seineSchattenseiten hat, zeigt z. B. seinKampf gegen die Verleumdungen derKlatschpresse. Es gibt viele Beispieledafür, dass sich Stars ab einem gewissen<strong>Zeit</strong>punkt von den Fans bedrängtoder sogar verfolgt fühlen. So schreibtMatthias Matussek in seinem Artikel„Preis des Erfolges“, ebenfalls in SpiegelKultur 1/2004: „Stars sind offensichtlichdazu da, gleichzeitig angebetetund missbraucht zu werden. Wirzerren an ihnen, weil sie ständig anuns herumzerren, an unseren Gefühlen,unseren Träumen, weil sie es sind,die zunächst mal diese falsche Näheherstellen im Dunkel des Kinosaals.Sie sind Freunde, Geliebte, Wunschsöhne,-väter, -partner.“„Die Aufmerksamkeit anderer Menschenist die unwiderstehlichste allerDrogen. Ihr Bezug sticht jedes andereEinkommen aus. Darum steht derRuhm über der Macht, darum verblasstder Reichtum neben der Prominenz.“Dies ist die zentrale Thesedes Buches Ökonomie der Aufmerksamkeit,verfasst von dem Wiener29