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-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

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Erinnerungen<br />

nicht. Allmählich erst gewöhnten sich die Händler an, beim Einkauf die Marken abzuschneiden und auf große<br />

Papierbögen zu kleben. Später kamen „Bezugsscheine” für Kleidungsstücke, Schuhe usw. hinzu.<br />

Nach dem Ende des „Polenfeldzuges” war es relativ ruhig. Im Osten drohte keine Gefahr mehr. Alles<br />

konzentrierte sich mit gemischten Gefühlen auf die „Westfront”. Der erste Weltkrieg und die grausamen<br />

Blutopfer von Verdun waren noch nicht vergessen. Zunächst aber kam es im Westen nur zu gelegentlicher<br />

„Stoßtrupp- oder Spähtrupptätigkeit”. <strong>Die</strong> Franzosen sprachen im Blick auf diesen „Sitzkrieg” vom „Drôle de<br />

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guerre!”, vom „drolligen Krieg”. Im OKW-Bericht des Reichsrundfunks war viel die Rede von den Heldentaten<br />

der „Ubootwaffe”.<br />

„Sondermeldungen” wurden eingeleitet mit der Fanfare aus den „Préludes“ von Franz Liszt und den Worten<br />

„Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt....” und so in laufende Rundfunksendungen „eingeblendet”.<br />

In der Wochenschau wurden die Helden und ihre Boote gezeigt, geschmückt mit Wimpeln in der Zahl der<br />

versenkten Schiffe. Anschließend kam das „Englandlied” von Hermann Löns: „Denn wir fahren, denn wir<br />

fahren, denn wir fahren gegen Engelland, Engelland!”<br />

Mindestens ebenso aufregend fand ich, dass in diesem ersten Kriegswinter am Himmel der „Weihnachtsstern”<br />

sichtbar war: Jupiter und Saturn standen wie im Jahr von Christi Geburt dicht neben einander und sahen<br />

aus wie ein einziger, sehr heller Stern, der Stern von Bethlehem eben.<br />

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Heiß begehrt als Sammelstücke und Spielzeug waren damals übrigens die „WHW-Abzeichen” , Holzfigür-<br />

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chen aus dem Erzgebirge, Schiffs- und Flugzeugmodelle aus Bakelit , bei uns Kindern begehrte Tauschobjekte.<br />

Man bekam sie, wenn man bei der Frühjahrs- oder Herbststraßensammlung Geld in die Sammelbüchse steckte.<br />

Am Palmsonntag 1940 wurde mein Bruder in der Schloßkirche durch Pfarrer Winterberg konfirmiert. Meine<br />

Mutter meinte an diesem Tag erleichtert: „Gott sei Dank, dass er noch so jung ist! Da muss er wenigstens nicht<br />

auch in den Krieg!” Was mein Bruder von diesem Stoßseufzer hielt, weiß ich nicht. Für mich kleinen Kerl war<br />

ohnehin amtlich, dass der Krieg bald vorbei ist. Wie bitterböse wir uns alle irrten!<br />

Im Frühjahr ging es dann Schlag auf Schlag: Noch vor dem „Frankreichfeldzug” war am 9. April eine<br />

weitere Front errichtet worden: deutsche Truppen marschierten in Dänemark und Norwegen ein. Sie kamen<br />

damit den Engländern um wenige Stunden zuvor (so wurde jedenfalls behauptet). Zerstörer der Kriegsmarine<br />

brachten zusammen mit Transportschiffen Gebirgsjäger unter General <strong>Die</strong>tl nach Norwegen. Sie gingen nach<br />

der Anlandung der Truppen mit den zehn Geleit-Zerstörern unter der Führung von Kommodore Bonte bei<br />

Narvik „in heldenhaftem Kampf gegen die feindliche Übermacht” unter. Im Oslofjord sank unter dem Feuer<br />

norwegischer Küstenbatterien der schwere Kreuzer „Blücher”.<br />

[ Fortan kämpften die überlebenden Marinesoldaten („reitende Gebirgsmarine zu Fuß”) zusammen mit den<br />

Gebirgsjägern gegen eine Übermacht von Norwegern, Engländern, Franzosen und Polen um die „Erzbahn”, die<br />

wertvollstes Eisenerz von Kiruna in Schweden zum eisfreien Erzhafen Narvik transportierte. <strong>Die</strong>ses Erz wollte<br />

und musste die deutsche Führung haben. Zunächst aber wurden die Fjorde und die norwegischen Küstengewässer<br />

von britischen Kriegsschiffen beherrscht. Doch auch hier war schließlich die „Großdeutsche Wehrmacht” -<br />

zunächst - siegreich. ]<br />

Am 10. Mai 1940 überschritt sie die „Westgrenzen des Reiches”. <strong>Die</strong> neutralen Länder Luxemburg, Belgien<br />

und Holland wurden völkerrechtswidrig überrannt. Offenbar waren sie auf diesen Angriff nicht vorbereitet. <strong>Die</strong><br />

neuartige Fallschirmjägertruppe der Luftwaffe „eroberte im Handstreich” das zur belgischen Festung Lüttich<br />

gehörende Fort Eben-Emaël über den Steilufern des „Albert-Kanals” und machte so den Weg frei für eine<br />

„Sichelbewegung” nach Frankreich hinein.<br />

Damit wurde die gefürchtete „Maginotlinie” der Franzosen zunächst einfach umgangen, später auch<br />

durchbrochen. Ihre berühmt-berüchtigten Bunker mit den versenkbaren Panzerkuppeln waren den Stuka-<br />

1) OKW = „Oberkommando der Wehrmacht”. Der „OKW-Bericht” kam immer in den Rundfunknachrichten.<br />

2) „WHW” = „Winterhilfswerk des deutschen Volkes für bedürftige Volksgenossen.”<br />

3) Der erste mir bekannte „Kunststoff”.<br />

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