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-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

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Erinnerungen<br />

loch des Wohnzimmers die Tätigkeiten des Christkinds. Ich aber sah nur „schwarz”, denn Vater hatte wohlweislich<br />

das Schlüsselloch von innen verhängt.<br />

Dann wieder wurde ich aufgeschreckt mit dem Hinweis, der Nikolaus sei unterwegs. Von anderen Kindern<br />

hörte ich, dass sie bei entsprechenden Besuchen des „Heiligen Mannes” angstschlotternd ein Liedchen sangen<br />

oder ein Gedicht aufsagen mussten und dann aus dem großen Sack nebst der obligaten Rute auch Leckereien<br />

bekamen. Zu mir kam der Nikolaus nie! Aber erschreckt wurde ich unfairerweise immer wieder. Wenn es<br />

draußen im Treppenhaus polterte, behaupteten meine Geschwister: „Jetzt kommt der Nikolaus! Dann kannste<br />

was erleben!”<br />

Am 4. Advent wurde in der Christuskirche immer die „Kindergottesdienstweihnachtsfeier gehalten. Als<br />

Geschenk gab es für die Größeren ein Heftchen. Wir Kleinen durften uns vom Weihnachtsbaum einen<br />

Pappstern mit einem Spruch oder Liedvers abnehmen. Nur ein Pappstern? Für uns Kinder war das etwas!<br />

Am Heiligen Abend blieb ich mit Mutters Tante „Tedda” allein in der Wohnung. Sie war nicht gut zu Fuß,<br />

konnte darum die Christvesper nicht besuchen. Statt dessen sorgte sie für das Abendbrot. <strong>Die</strong> Eltern steckten<br />

mich während dieser Zeit kurzerhand ins Bett, damit ich auf Vorrat schlafe. Das hat aber nur selten geklappt.<br />

Ich war ja viel zu aufgeregt.<br />

Wenn die Familie von der Christvesper heimkam, wurde ich aus meiner „Schutzhaft” im Bett erlöst. Nach<br />

dem Abendessen kam endlich die Erlösung: ein silberhelles Glöckchen klingelte, und die Tür zum Wohnzimmer<br />

öffnete sich wie von Geisterhand. <strong>Die</strong> Kerzen des Weihnachtsbaumes brannten. Ihr Licht spiegelte sich<br />

in den silbernen Kugeln und Ketten. <strong>Die</strong> aufsteigende Wärme ließ das Lametta leise hin und her wehen. Und<br />

„Wunderkerzen” versprühten ihre Sternenfunken.<br />

Unter dem Christbaum, da lag doch was, verheißungsvoll in „Weihnachtspapier” eingepackt! Aber vor dem<br />

Auspacken der Überraschungen kam erst das „weihnachtliche Pflichtteil”: Wir sangen „Ihr Kinderlein kommet!”<br />

Dann las Vater die Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2 vor. Später hatte ich als Konfirmand keine<br />

Probleme, sie auswendig zu lernen. Erst nach der Weihnachtsgeschichte durfte ich mich auf die „Überraschungen”<br />

stürzen.<br />

Es war auch Spielzeug dabei. In der Hauptsache aber waren es nützliche Dinge zum Anziehen usw. Nach<br />

dem Auspacken mussten wir den Eltern als Stellvertretern des Christkinds für die reichen Gaben danken.<br />

Sicher habe ich sie da oft enttäuscht, wenn die Geschenke für mich eine andere Rangfolge hatten als für sie. So<br />

fiel mein Dank nicht immer freudig aus. Später, als ich größer und älter war, belehrte mich Mutter zuweilen:<br />

„Du musst verzichten lernen!”<br />

Zu Ostern war auch immer etwas los. <strong>Die</strong> ganze Familie machte sich nachmittags auf ins Grüne. Dort spielte<br />

Vater „Osterhase” und versteckte die bunten Ostereier. Ein paar kleine Schokoladeneier gab es auch. Mein<br />

ganzer Kummer war, dass die lieben Geschwister immer alles fanden. Und wenn ich dann zu ihrem Fundort<br />

rannte, ging ich natürlich leer aus. Ganz selten stolperte ich über ein „Nest” und wurde fündig. Ich hatte einfach<br />

keine Augen dafür.<br />

Aber nach der Heimkehr zu Hause waren auch die Geschwister enttäuscht über die relativ geringe Zahl von<br />

gefundenen Eiern. Vater hatte sich nämlich einen diebischen Spaß daraus gemacht, sie immer neu zu verstecken.<br />

Vielleicht wollte er damit mir Unglückswurm die Möglichkeit einräumen, auch mal ein Gelege des<br />

Osterhasen zu finden?<br />

1938 fiel mein Geburtstag auf den ersten Ostertag. War das ein Fest! Ich bekam jede Menge Schokoladenosterhasen<br />

in allen Größen. Meine Tante Friedel (Vaters Schwester) ließ sie als „Osterhasenparade” aufmarschieren.<br />

In die beiden größten wurde je eine Stricknadel gesteckt. Daran wurde wie beim Aufmarsch zum 1.<br />

Mai ein Transparent befestigt mit der Aufschrift: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!” Dazu waren die „Osterhasen”<br />

der Größe nach „in Linie zu drei Gliedern angetreten”. Mir wollte nicht in den Kopf, dass meine Eltern<br />

nach Abschluss der familieninternen Geburtstagstagsfeier diese „Führerlästerung” stillschweigend auf<br />

Nimmerwiedersehen entfernten.<br />

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