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-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

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Erinnerungen<br />

Wie wirksam diese Lehr- und Lernmethoden waren, zeigt sich daran, dass mir noch heute dieser „Liedmüll”<br />

durch den Kopf geht. ]<br />

1943 wurden zwei Arten von Luftschutzbunkern in <strong>Koblenz</strong> fertiggestellt: Hoch- und Tiefbunker. <strong>Die</strong><br />

<strong>Koblenz</strong>er Krankenhäuser erhielten ihre eigenen Bunker, in denen dann die Schwerstkranken und wohl auch<br />

die Operationssäle untergebracht waren. Wie problematisch die Evakuierung eines Krankenhauses bei Alarm<br />

war, hatte ich am eigenen Leib nach meinem Unfall erlebt. Ich wollte an der Rheinlache kleine Fischchen für<br />

ein „Aquarium” fangen, fiel mit einem Glas in der linken Hand hin und zerschnitt mir an den Scherben die<br />

Beugesehne des kleinen Fingers, der anschließend gekrümmt versteift blieb. <strong>Die</strong> Wunde wurde im „Rizzaheim”<br />

genäht und kostete mich ein paar Tage Krankenhausaufenthalt inklusive Luftalarme.<br />

<strong>Die</strong> Schwestern aller Krankenhäuser leisteten damals oft unter Lebensgefahr Unsagbares. Wer laufen<br />

konnte, musste die Treppen hinunterrennen. Aber es gab genug Patienten, die mit ihrem Bett per Aufzug in den<br />

Schutzraum befördert werden mussten. <strong>Die</strong>sem Elend machten nun die Krankenhausbunker ein Ende. In den<br />

Krankensälen lagen nur noch die Gehfähigen.<br />

Tagsüber nahmen die Fliegeralarme weiter zu. Nachts kam die RAF, bei Tag waren es die amerikanischen<br />

Bomber. Allmählich überlegten wir, wie wir rechtzeitig zum nächsten Luftschutzbunker kommen könnten. Es<br />

war der Hochbunker in der Nagelsgasse, dennoch für uns schon zu weit entfernt.<br />

Außer den Bunkern wurden in der Stadt auch Löschteiche angelegt, tiefe oberirdische Wasserbecken auf<br />

fast allen freien Plätzen der Innenstadt als Wasserreservoire für die Feuerwehr. Auf ihnen ließen wir gern<br />

unsere Schiffchen schwimmen, wenn gerade kein Alarm war. Im Winter wagten wir uns gelegentlich trotz<br />

strenger Verbote auf die mehr oder minder dicke Eisdecke, was einige Kinder das Leben kostete. Der für uns<br />

nächste Löschteich befand sich auf dem Göbenplatz. Seinetwegen hatte man das Göbendenkmal ganz an den<br />

Rand zur Rheinstraße hin versetzt. <strong>Die</strong>se Schutzmaßnahmen machten uns mehr als Worte den Ernst der Lage<br />

deutlich. Allerdings wurde <strong>Koblenz</strong> 1943 noch von Großangriffen verschont.<br />

Gerüchte gingen um, <strong>Koblenz</strong> würde deshalb von den alliierten Bombern verschont, weil der Chef der<br />

amerikanischen Luftflotte nach dem (ersten) Weltkrieg als Besatzungssoldat in <strong>Koblenz</strong> gelebt und an der Stadt<br />

am „Deutschen Eck” großen Gefallen gefunden haben sollte. Ähnliches erzählte man übrigens auch im Blick<br />

auf Heidelberg.<br />

Ein Hauch von Abenteuer lag für uns Jungens in der Luft, gepaart mit Furcht und der Hoffnung, dass auch<br />

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wir uns in der „Stunde der Not bewähren” würden. <strong>Die</strong>se Heldenträume wurden durch viele Filme gefördert.<br />

Sie sollten uns deutlich machen, dass man selbst in aussichtsloser Lage die Hoffnung auf den Sieg niemals<br />

aufgeben dürfe, und dass auch Jugendliche und Kinder ihren Teil zum Kampf gegen den Feind beitragen und<br />

für den „Führer” notfalls sterben können und müssen.<br />

2<br />

Unser Bruder war schon längst nicht mehr zu Hause. Er war erst in einem WE-Lager , dann in Frankfurt-<br />

3<br />

Hoechst bei den IG-Farben-Werken als „Luftwaffenhelfer” eingesetzt. Irgendwann 1944 machte er mit seinen<br />

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Altersgenossen das „Notabitur” und kam zum RAD in Wiesbaden-Erbenheim. <strong>Die</strong> Bergungs- und Aufräumungseinsätze<br />

von dort aus im brennenden Frankfurt müssen furchtbar gewesen sein. Er sprach nur wenig<br />

darüber, drängte aber darauf, bei Alarm den Keller, am besten aber einen Bunker aufzusuchen.<br />

5<br />

Eines Tages erwähnten meine Eltern bedrückt bei Tisch, Frau H. von der Karthause sei „abgeholt” worden.<br />

Winterbergs hatten ihnen das erzählt. Sie gehörte auch zur „Bekenntnisgemeinde”. Was aus ihren Kindern<br />

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geworden sei, wisse man noch nicht. Ihr Mann war als „Arbeitsführer” des RAD irgendwo im Ausland. So viel<br />

wurde noch bekannt: eine „Kameradenfrau” soll sie bei der GESTAPO wegen unvorsichtiger Äußerungen über<br />

die - aussichtslose - Kriegslage denunziert haben.<br />

1) Vor allem durch den Film „Kadetten”: Preußische Kindersoldaten kämpften tapfer gegen den russischen Feind.<br />

2) WE = „Wehrertüchtigung”.<br />

3) Abgekürzt: „LH”; der Volksmund machte daraus: „Letzte Hoffnung”!<br />

4) Reichsarbeitsdienst.<br />

5) Meine spätere Schwiegermutter.<br />

6) RAD = Reichsarbeitsdienst<br />

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