01.12.2012 Aufrufe

-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erinnerungen<br />

verschone unsre Häuser, zünd’ andre dafür an ...” Auch andere „nichtgeistliche” Lieder u.a. aus der „Maultrommel”<br />

, wurden gesungen<br />

1<br />

Für Pfarrer Rott war bald die Arbeit allein nicht mehr zu schaffen, weil immer mehr Rückkehrer den Weg<br />

nach <strong>Koblenz</strong> fanden. Pfarrer Gladischefski war nach Pfaffendorf versetzt worden. Pfarrer Hennes ging nach<br />

der Konfirmation 1947 nach Engers(?). So kam Pfarrer Gerlach als zweiter Pfarrer ins Nachkriegs- <strong>Koblenz</strong>. Er<br />

war zunächst auch für die Jugendarbeit zuständig.<br />

In der „Quäkerbaracke” brachte er uns u.a. das Lied bei:<br />

„Kommt her, des Königs Aufgebot, die seine Fahne fassen, dass freudig wir in Drang und Not sein Lob<br />

erschallen lassen. Er hat uns seiner Wahrheit Schatz zu wahren anvertrauet. Für ihn wir treten auf den<br />

Platz, und wo’s dem Herzen grauet, zum König aufgeschauet!”<br />

(EKG 224, fehlt im EG; Text von Philipp Spitta, Melodie von Heinrich Schütz)<br />

Gerlach war, wenn ich mich recht besinne, der „Ästhet” unter den <strong>Koblenz</strong>er Pfarrern. Seine anspruchsvollen<br />

Predigten fanden ihre Liebhaber. Für uns Kinder waren sie meist zu hoch. Oft brachte er als Gebet -<br />

selbstgemachte(?) - Gedichte. Ein Vers ist mir in Erinnerung geblieben, er gehörte wohl zum Sündenbekenntnis:<br />

„Ob ich dich suchte, weiß ich nicht.<br />

Ich kam zu dir wie hingeweht,<br />

wie einer, der im Schatten steht<br />

und aus dem Dunkel tritt ans Licht.”<br />

Im Sommer 1947 - oder vielleicht schon 1946 - sprach Pastor Martin Niemöller in St. Florin über das Thema<br />

„Kollektivschuld”. In der „Stuttgarter Erklärung” vom 19. Oktober 1945 hatte der Rat der <strong>Evangelische</strong>n Kirche<br />

in Deutschland gegenüber Vertretern des „Ökumenischen Rates der Kirchen” die sogenannte „Stuttgarter<br />

Erklärung” abgegeben. Darin heißt es u.a.:<br />

„Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder<br />

gebracht worden. Was wir unseren Gemeinde oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der<br />

ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist<br />

gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat;<br />

aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt<br />

und nicht brennender geliebt haben. Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden.<br />

Gegründet auf die Heilige Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf den alleinigen Herrn der Kirche,<br />

gehen sie daran, sich von glaubensfremden Einflüssen zu reinigen und sich selber zu ordnen. Wir<br />

hoffen zu dem Gott der Gnade und Barmherzigkeit, dass er unsere Kirchen als sein Werkzeug brauchen<br />

und ihnen Vollmacht geben wir, sein Wort zu verkünden und seinem Willen Gehorsam zu schaffen bei<br />

uns selbst und bei unserem ganzen Volk.” 2<br />

Dass Niemöller in diesem Sinne von „Kollektivschuld” sprach, wurde von vielen Menschen auch in <strong>Koblenz</strong><br />

weder verstanden noch akzeptiert. Niemand wollte mehr „angeklagt” werden. <strong>Die</strong> Spruchkammerverfahren<br />

waren doch so gut wie beendet. Schließlich glaubten auch die „Flüchtlinge” (Vertriebenen) aus dem deutschen<br />

Osten, genug gebüßt zu haben für etwas, das sie nicht verschuldet hatten. Was also sollte das „Wühlen in der<br />

Vergangenheit”? Auch die RHEINZEITUNG ging meiner Erinnerung nach in ihrem Bericht über diesen Abend<br />

nicht gerade freundlich mit Niemöller um.<br />

Weithin unbekannt ist übrigens, dass sich der Rat der EKiD im Frühjahr 1946 nach der „Stuttgarter<br />

Erklärung” und der Wiederaufnahme der deutschen <strong>Evangelische</strong>n Kirche in die ökumenische Gemeinschaft an<br />

den „Alliierten Kontrollrat” und die UNO wandte. Er verwahrte sich gegen die Vertreibung von „Millionen von<br />

Deutschen aus dem Osten und Südosten Europas in die gegenwärtigen Grenzen Deutschlands” hinein.<br />

Gleichzeitig deutete er an, „auf welche Weise der Abtransport aus dem Osten nach allen bisherigen Erfahrun-<br />

1) Jugendliederbuch, (evtl. der Pfadfinderjugend?)<br />

2)<br />

Zitiert aus „Das Wort der Kirche zu politischen Tagesfragen”, Hrsg. im Auftrag des Militärbischofs durch <strong>Evangelische</strong>s Kirchenamt für die Bundeswehr<br />

1968, S. 41<br />

-34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!