-1- I. Die Vorkriegszeit - Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte
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Erinnerungen<br />
Fallschirmjäger wurden über Kreta abgesetzt und eroberten unter schweren Verlusten diese griechische<br />
Insel. Von dort aus wäre es für britische Bomber nicht weit zu den wichtigen Ölquellen in Ploesti (Rumänien)<br />
gewesen.<br />
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Im „KOBLENZER GENERALANZEIGER” und im „NATIONALBLATT” der NSDAP mehrten sich Todesanzeigen<br />
mit dem „Eisernen Kreuz”. „In stolzer Trauer” kündeten Hinterbliebene vom „Heldentod” eines Familienmitgliedes<br />
„für Führer, Volk und Vaterland”. Mutter aber zitterte um Vater, obwohl er sich eigentlich mit dem<br />
Divisionsstab im „sicheren Hinterland”, in der „Etappe” aufhielt.<br />
[ Ursprünglich wollte ich wie ja mein Großvater Lokomotivführer werden. Jetzt dehnten sich meine<br />
Berufswünsche über „Stukaflieger” und „Ubootfahrer” auf „Fallschirmjäger” aus. Mit meinem Bruder sah ich<br />
im Kino den Film „STUKAS” mit Carl Raddatz als Geschwaderkommodore in der Hauptrolle. Aufgeregt<br />
rutschte ich auf dem Klappsitz herum, wenn er an der Spitze seines Geschwaders zum Sturzangriff ansetzte.<br />
Noch heute sehe ich vor meinen Augen die Geschwaderfahne schräg am Rande des Flugfeldes im Boden<br />
stecken, rechts und links ein Posten mit Stahlhelm. ]<br />
<strong>Die</strong> „Kulturfilme” im Beiprogramm der Kinos wurden als notwendiges Übel abgehakt. Interessant wurde<br />
es, wenn die Fanfaren ertönten „DIE DEUTSCHE WOCHENSCHAU”, im Vorspann der von Scheinwerfern<br />
umspielte Reichsadler. Vor allem die Flugaufnahmen ließen mein Bubenherz höher schlagen, wenn beim<br />
Kurvenflug plötzlich der Horizont zur Seite wegkippte. Mein Bruder meinte allerdings, diese sähe in Wirklichkeit<br />
vom Flugzeug aus nicht ganz so aufregend aus. Er musste es wissen. Schließlich war er inzwischen bei der<br />
„Flieger-HJ” und lernte Segelfliegen.<br />
Im Film bekamen wir auch die „Luftschlacht um England” mit. Schaurig schön waren die Wochenschauaufnahmen<br />
vom brennenden Coventry und den Londoner Docks, aufregend die Luftkämpfe mit den Spitfires und<br />
Hurricanes. Eins der Kriegsheftchen meines Bruders war betitelt „Bomben auf Coventry”. Irgendwann mussten<br />
doch die Engländer klein beigeben; als „jüdische Plutokraten” und „perfides Albion” wurden sie von der<br />
Propaganda beschimpft!<br />
Im Radio dudelten mitreißende Marschlieder: „Hört ihr die Motoren singen: Ran an den Feind! Hört ihr's<br />
in den Ohren klingen: Ran an den Feind! Bomben, Bomben, Bomben auf Engelland!” Oder „Es blitzen die<br />
stählernen Schwingen. Es brausen und donnern im Takt die starken Motoren, sie singen das Lied, das im<br />
Herzen uns packt. Bei uns wird nicht lange gefackelt. Wir haben den Tommy versohlt. <strong>Die</strong> stolze Maschine, sie<br />
wackelt, wackelt: den Feind hat der Teu-heufel geholt.” (Ich kann diese Lieder leider teilweise noch heute!)<br />
Immer mehr Länder in Europa und schließlich in Nordafrika wurden in der Krieg hineingezogen. Nachdem<br />
die Italiener - sie waren in diesem Krieg wie auch Japan als „Achsenmächte” auf unserer Seite - in (Nord-)<br />
Afrika einen weiteren Kriegsschauplatz aufgetan hatten, erging es ihnen dort ähnlich wie auf dem Balkan. So<br />
landete General Rommel im Februar 1941 zu ihrer Unterstützung mit dem „Afrikakorps” in „Tripolitanien”.<br />
Am 22. Juni 1941 griffen die deutschen Truppen genau 129 Jahre nach Napoleons Einmarsch in Russland<br />
trotz des „Nichtangriffspaktes” die Sowjetunion an. Es sollte den „bolschewistischen Untermenschen” an den<br />
Kragen gehen. Als meine Mutter im Parterre den General traf, meinte der: „Ihnen kann ich das ja sagen, Frau<br />
Stüber, nun ist der Krieg verloren! Wir haben nichts aus der Geschichte gelernt!”<br />
Aber zunächst sah es anders aus: in vielen „Kesselschlachten” wurde die „Rote Armee” erbarmungslos<br />
zusammengeschlagen. <strong>Die</strong> Wochenschau zeigte unübersehbare Scharen von Gefangenen, die zerlumpt,<br />
verdreckt und vom Grauen gezeichnet in die Gefangenschaft zogen. Vor allem wurden die Gesichter in<br />
Großaufnahme gezeigt, die die Behauptung zu stützen schienen, bei den „Bolschewiken” handele es sich nicht<br />
um Menschen, noch nicht einmal um Tiere, um “Untermenschen” eben.<br />
Als dann Deutschland im Dezember auch noch den Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg erklärte,<br />
wurde die Stimmung gedrückt. Kommentar des Generals im Parterre: „Ein Wahnsinn, für den wir alle bezahlen<br />
1) NSDAP = „National-Sozialistische-Deutsche-Arbeiter-Partei”.<br />
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