Ausgabe 2/2012 - Kreisseniorenrat Enzkreis - Stadt Pforzheim eV
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von A. L. Szalay<br />
Es war einmal … es wurde wieder<br />
„Ein Unternehmer sollte wissen, was er will und was er nicht will.“<br />
So dachte damals, um 1930 herum, mein Vater, der Sohn eines reichen<br />
Bauern. Er wollte nicht als Landwirt arbeiten, sondern, einen<br />
Schritt voran, die Produkte der Landwirtschaft weiterverarbeiten.<br />
So erlernte er den Beruf eines Müllers. Er begann sein Kapital aus<br />
der Landwirtschaft herauszuziehen und investierte in die Verarbeitung.<br />
Vorerst kaufte er die Hälfte einer Mühle, dann die zweite<br />
Hälfte und schließlich eine zweite Mühle. Er errichtete ein Sägewerk<br />
und eine Obstplantage.<br />
Meine Mutter wollte nicht von dem<br />
unternehmerischen Geist ihres Mannes<br />
abgehängt werden und dachte,<br />
dass aus dem Abfall der Mühlen man<br />
eine Schweinezucht im Großen aufziehen<br />
könnte. Die Dame, die im Dezember<br />
2011 Ihr 100. Lebensjahr in<br />
guter Gesundheit feierte, folgte ihrer<br />
Idee und ging zu dem Monatsmarkt<br />
und kaufte gleich 70 Jungschweine.<br />
Heute erinnere ich mich an Ihr stolzes<br />
Gesicht, auf ihrem Kopf ein Hut, der<br />
etwas Majestätisches ihrem Gesicht<br />
verlieh. Der Hut hieß „Storchennest“<br />
wegen der Ähnlichkeit, natürlich in<br />
Miniaturform. So marschierte sie stolz,<br />
gefolgt von der Rotte Ferkel in den<br />
Hof hinein. Es fehlten nur die Töne<br />
des Triumphmarsches aus Aida. Nach<br />
einigen Jahren lieferten meine Eltern<br />
jährlich an die großen Metzgereien,<br />
insbesondere Richtung Wien, 400 –<br />
500 fertig gemästete Schweine.<br />
Die Müller allgemein gehörten zu der<br />
reicheren Sorte des Mittelstandes.<br />
Demzufolge hatten sie auch soziale<br />
Verpflichtungen. In den Büchern der<br />
Dorfgeschichte kann man lesen, dass<br />
meine Eltern großzügig waren.<br />
Auch unser Sozialverhalten sollte in<br />
richtige Bahnen gelenkt werden. „Machen<br />
wir es dem Papst nach“, meinte<br />
meine Mutter, die resolute Christin.<br />
„Laden wir zu Ostern die besonders<br />
Armen zum Mittagessen ein. Unsere<br />
Kinder müssen sie bedienen.“ Gott<br />
sei Dank, das Fußwaschen und Küssen<br />
konnte mein Vater ihr ausreden.<br />
So verlief unser Leben, mal abgesehen<br />
von dem Störungsbereich des<br />
2. Weltkrieges. Es wurde fleißig gearbeitet,<br />
organisiert, gespart, investiert,<br />
Eigenkapital gebildet und Arbeitsplätze<br />
geschaffen, bis...<br />
...bis eine andere Gesellschafts- und<br />
Wirtschaftsordnung oder Unordnung<br />
das Ungarnland überlappt hatte und<br />
zwar „in Folge der Vereinbarungen<br />
von Jalta insbesondere durch die Vereinigten<br />
Staaten und der Sowjetunion,<br />
in der sich die beiden Großen<br />
über das zukünftige Leben oder Sterben<br />
fast aller Völker einigten, ohne<br />
diese auch nur im geringsten um ihre<br />
Meinung zu fragen.“<br />
Die bis dahin geltenden Leistungen in<br />
Ungarn wurde verurteilt, die Betriebe<br />
enteignet und die Unternehmer verteufelt,<br />
ihre Menschenwürde verletzt.<br />
Damit ging die unternehmerische Phase<br />
meiner Eltern zu Ende.<br />
Bei mir begann die unternehmerische<br />
Denkart viel zu frühzeitig zur Blüte zu<br />
streben. Etwa mit 8 – 9 Jahren habe<br />
ich mich entschieden, dass ich nicht<br />
gehen werde, 2 km hin und 2 km zurück,<br />
um meinen Onkeln Zigaretten<br />
zu kaufen. Wenn sie mich aufgefordert<br />
haben, natürlich immer dann,<br />
wenn sie keine mehr hatten, da habe<br />
ich ihnen angeboten, aus meinem<br />
wohl überlegt aufgebauten „Lager“<br />
zu kaufen. Ich hatte Staffelpreise.<br />
Wenn sie nur 1 Stück kaufen wollten,<br />
um mal schnell eine zu rauchen, mussten<br />
sie den doppelten Preis zahlen.<br />
Für eine ganze Packung habe ich nur<br />
20 % aufgeschlagen. Neben dem<br />
Profit hatte ich den Vorteil, Prozentrechnen<br />
zu lernen.<br />
Im Zusammenhang mit meinen Onkeln<br />
habe ich noch eine weitere<br />
Marktlücke entdeckt. Nach der Arbeit<br />
pflegten die Herrschaften in Zweisamkeit<br />
mit ihren Liebchen entlang<br />
des Flussufers – denn wo eine Wassermühle<br />
ist, ist auch ein Fluss – sich<br />
immer mehr aus der Wohngegend zu<br />
entfernen. Nun, dachte ich, ein Gesundheitsspaziergang<br />
würde mir<br />
auch nicht schaden und so folgte ich<br />
dem jeweiligen Pärchen, sicherheitshalber<br />
in etwa 100 m Entfernung.<br />
Dies blieb dem Pärchen nicht verborgen,<br />
und damit begann der Geschäftskampf.<br />
Mein Onkel versuchte<br />
mich mit Rückwärtsgang zu erwischen,<br />
um mich mit Gewalt zum Verschwinden<br />
zu bewegen. Nun, ich<br />
war im Laufen nicht schlecht. Am Ende<br />
blieb ihm die einzige Möglichkeit,<br />
sein weißes Taschen tuch zu ziehen,<br />
um friedlich die „Wegegebühr“ zu<br />
vereinbaren. Danach, als ich meinen<br />
unternehmerischen Pflichten nachgekommen<br />
war, kehrte ich mit liebenswürdigem<br />
Gesicht zu meiner Mutter<br />
zurück.<br />
Die Onkel haben dann eingesehen,<br />
dass es ihnen günstiger ist, jeweils für<br />
eine Woche im Voraus zu zahlen. An<br />
so einem Zahltag erkundigte sich meine<br />
Mutter nach den Gründen der Zahlung.<br />
„Oh Gott“, meinte meine Mutter,<br />
„das Kind hat zu lernen, Profit aus<br />
ehrbaren Wegen zu erwirtschaften.“<br />
Meine diesbezügliche unternehmerische<br />
Tätigkeit wurde für die Zukunft<br />
sofort unterbunden. Als Strafe musste<br />
ich die Hälfte meiner Einnahme in die<br />
Kirchenkollekte einlegen.<br />
Mit diesem Geschäftssinn übersiedelte<br />
ich im Jahre 1956 aus der sozialistischen<br />
in die kapitalistische Welt<br />
über und heiratete eine Preußin. Damit<br />
wurde mein Geschäftssinn nach<br />
preußischen Richtlinien, Zucht und<br />
Ordnung, geordnet.