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Ausgabe 2/2012 - Kreisseniorenrat Enzkreis - Stadt Pforzheim eV

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62<br />

von A. L. Szalay<br />

Es war einmal … es wurde wieder<br />

„Ein Unternehmer sollte wissen, was er will und was er nicht will.“<br />

So dachte damals, um 1930 herum, mein Vater, der Sohn eines reichen<br />

Bauern. Er wollte nicht als Landwirt arbeiten, sondern, einen<br />

Schritt voran, die Produkte der Landwirtschaft weiterverarbeiten.<br />

So erlernte er den Beruf eines Müllers. Er begann sein Kapital aus<br />

der Landwirtschaft herauszuziehen und investierte in die Verarbeitung.<br />

Vorerst kaufte er die Hälfte einer Mühle, dann die zweite<br />

Hälfte und schließlich eine zweite Mühle. Er errichtete ein Sägewerk<br />

und eine Obstplantage.<br />

Meine Mutter wollte nicht von dem<br />

unternehmerischen Geist ihres Mannes<br />

abgehängt werden und dachte,<br />

dass aus dem Abfall der Mühlen man<br />

eine Schweinezucht im Großen aufziehen<br />

könnte. Die Dame, die im Dezember<br />

2011 Ihr 100. Lebensjahr in<br />

guter Gesundheit feierte, folgte ihrer<br />

Idee und ging zu dem Monatsmarkt<br />

und kaufte gleich 70 Jungschweine.<br />

Heute erinnere ich mich an Ihr stolzes<br />

Gesicht, auf ihrem Kopf ein Hut, der<br />

etwas Majestätisches ihrem Gesicht<br />

verlieh. Der Hut hieß „Storchennest“<br />

wegen der Ähnlichkeit, natürlich in<br />

Miniaturform. So marschierte sie stolz,<br />

gefolgt von der Rotte Ferkel in den<br />

Hof hinein. Es fehlten nur die Töne<br />

des Triumphmarsches aus Aida. Nach<br />

einigen Jahren lieferten meine Eltern<br />

jährlich an die großen Metzgereien,<br />

insbesondere Richtung Wien, 400 –<br />

500 fertig gemästete Schweine.<br />

Die Müller allgemein gehörten zu der<br />

reicheren Sorte des Mittelstandes.<br />

Demzufolge hatten sie auch soziale<br />

Verpflichtungen. In den Büchern der<br />

Dorfgeschichte kann man lesen, dass<br />

meine Eltern großzügig waren.<br />

Auch unser Sozialverhalten sollte in<br />

richtige Bahnen gelenkt werden. „Machen<br />

wir es dem Papst nach“, meinte<br />

meine Mutter, die resolute Christin.<br />

„Laden wir zu Ostern die besonders<br />

Armen zum Mittagessen ein. Unsere<br />

Kinder müssen sie bedienen.“ Gott<br />

sei Dank, das Fußwaschen und Küssen<br />

konnte mein Vater ihr ausreden.<br />

So verlief unser Leben, mal abgesehen<br />

von dem Störungsbereich des<br />

2. Weltkrieges. Es wurde fleißig gearbeitet,<br />

organisiert, gespart, investiert,<br />

Eigenkapital gebildet und Arbeitsplätze<br />

geschaffen, bis...<br />

...bis eine andere Gesellschafts- und<br />

Wirtschaftsordnung oder Unordnung<br />

das Ungarnland überlappt hatte und<br />

zwar „in Folge der Vereinbarungen<br />

von Jalta insbesondere durch die Vereinigten<br />

Staaten und der Sowjetunion,<br />

in der sich die beiden Großen<br />

über das zukünftige Leben oder Sterben<br />

fast aller Völker einigten, ohne<br />

diese auch nur im geringsten um ihre<br />

Meinung zu fragen.“<br />

Die bis dahin geltenden Leistungen in<br />

Ungarn wurde verurteilt, die Betriebe<br />

enteignet und die Unternehmer verteufelt,<br />

ihre Menschenwürde verletzt.<br />

Damit ging die unternehmerische Phase<br />

meiner Eltern zu Ende.<br />

Bei mir begann die unternehmerische<br />

Denkart viel zu frühzeitig zur Blüte zu<br />

streben. Etwa mit 8 – 9 Jahren habe<br />

ich mich entschieden, dass ich nicht<br />

gehen werde, 2 km hin und 2 km zurück,<br />

um meinen Onkeln Zigaretten<br />

zu kaufen. Wenn sie mich aufgefordert<br />

haben, natürlich immer dann,<br />

wenn sie keine mehr hatten, da habe<br />

ich ihnen angeboten, aus meinem<br />

wohl überlegt aufgebauten „Lager“<br />

zu kaufen. Ich hatte Staffelpreise.<br />

Wenn sie nur 1 Stück kaufen wollten,<br />

um mal schnell eine zu rauchen, mussten<br />

sie den doppelten Preis zahlen.<br />

Für eine ganze Packung habe ich nur<br />

20 % aufgeschlagen. Neben dem<br />

Profit hatte ich den Vorteil, Prozentrechnen<br />

zu lernen.<br />

Im Zusammenhang mit meinen Onkeln<br />

habe ich noch eine weitere<br />

Marktlücke entdeckt. Nach der Arbeit<br />

pflegten die Herrschaften in Zweisamkeit<br />

mit ihren Liebchen entlang<br />

des Flussufers – denn wo eine Wassermühle<br />

ist, ist auch ein Fluss – sich<br />

immer mehr aus der Wohngegend zu<br />

entfernen. Nun, dachte ich, ein Gesundheitsspaziergang<br />

würde mir<br />

auch nicht schaden und so folgte ich<br />

dem jeweiligen Pärchen, sicherheitshalber<br />

in etwa 100 m Entfernung.<br />

Dies blieb dem Pärchen nicht verborgen,<br />

und damit begann der Geschäftskampf.<br />

Mein Onkel versuchte<br />

mich mit Rückwärtsgang zu erwischen,<br />

um mich mit Gewalt zum Verschwinden<br />

zu bewegen. Nun, ich<br />

war im Laufen nicht schlecht. Am Ende<br />

blieb ihm die einzige Möglichkeit,<br />

sein weißes Taschen tuch zu ziehen,<br />

um friedlich die „Wegegebühr“ zu<br />

vereinbaren. Danach, als ich meinen<br />

unternehmerischen Pflichten nachgekommen<br />

war, kehrte ich mit liebenswürdigem<br />

Gesicht zu meiner Mutter<br />

zurück.<br />

Die Onkel haben dann eingesehen,<br />

dass es ihnen günstiger ist, jeweils für<br />

eine Woche im Voraus zu zahlen. An<br />

so einem Zahltag erkundigte sich meine<br />

Mutter nach den Gründen der Zahlung.<br />

„Oh Gott“, meinte meine Mutter,<br />

„das Kind hat zu lernen, Profit aus<br />

ehrbaren Wegen zu erwirtschaften.“<br />

Meine diesbezügliche unternehmerische<br />

Tätigkeit wurde für die Zukunft<br />

sofort unterbunden. Als Strafe musste<br />

ich die Hälfte meiner Einnahme in die<br />

Kirchenkollekte einlegen.<br />

Mit diesem Geschäftssinn übersiedelte<br />

ich im Jahre 1956 aus der sozialistischen<br />

in die kapitalistische Welt<br />

über und heiratete eine Preußin. Damit<br />

wurde mein Geschäftssinn nach<br />

preußischen Richtlinien, Zucht und<br />

Ordnung, geordnet.

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