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Gesamte Ausgabe runterladen - Zentralverband der Ärzte für ...

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senkrecht nach unten auf die Fußsohlen wirkt, woraus sichalle statisch bedingten Haltungsschäden ableiten lassen.Es entstehen dadurch menscheneigentümliche Krankheitenwie Spondylosis deformans und Coxarthrose, außerdem dieGicht, falls sich zu <strong>der</strong> statischen Belastung <strong>der</strong> Gelenkenoch eine exogene alimentäre Metaboliestörung gesellt.Neben den körperlichen Verän<strong>der</strong>ungen ermöglichten diedurch die Aufrichtung <strong>der</strong> Wirbelsäule frei gewordenenHände den Werkzeuggebrauch und bewirkten so reziprokeine verstärkte cerebrale Induktion. Aus dem „Begreifen"wurde ein „Verstehen". Es sei in diesem Zusammenhangnur an die unverhältnismäßig große Repräsentation <strong>der</strong>Hand und speziell des Daumens in <strong>der</strong> sensorischen Projektion<strong>der</strong> Hirnrinde entsprechend dem Schema nach Penfiel<strong>der</strong>innert. Daher nimmt es auch nicht wun<strong>der</strong>, daßkörperliche Haltung und inneres Sich-Verhalten — alsopsychische Phänomene - einan<strong>der</strong> entsprechen, ja dieHaltung eines Menschen gilt geradezu als Ausdruck seinerPerson.Wir kennen beispielweise die Demutshaltung des Unterworfenenals die Demutskyphose, sprechen an<strong>der</strong>erseitsvon <strong>der</strong> ArroganzSordose bei <strong>der</strong> Haltung des Siegers. Nichtumsonst ist ja auch die Wirbelsäule ein bevorzugter Somatisierungsortbei larvierten Depressionen und <strong>der</strong> Patient istim eigentlichen Sinne deprimiert.Die Entstehung von Haltungsschäden beginnt, sieht manvon den schweren kongenitalen und frühkindlichen Deformitätenab, meist in <strong>der</strong> Schule, wobei angespanntes Sitzenin zu engen Bänken, wenig Ausgleichssport, statt Schulranzenfrühzeitiges Tragen von Schultaschen, als physischeUrsachen bei <strong>der</strong> Entstehung jugendlicher Kyphosen gelten.Diese Entwicklung setzt sich fort im Beruf und am Arbeitsplatz,in Großraumbüros und an Fließbän<strong>der</strong>n. Als einweiterer, aus dem mo<strong>der</strong>nen Leben nicht mehr wegzudenken<strong>der</strong>Faktor ist das Auto zu nennen, dessen scheinbarerLuxus zum Fluch wird, wenn dadurch die Gehwerkzeugeverkümmern. In einem circulus vitiosus setzt <strong>der</strong> bequemgewordene Körper Gewicht an, da die alten Eßgewohnheitenauch nach <strong>der</strong> Vollmotorisierung beibehalten werden. Esist zwar eine Banalität, wenn in Autofahrersendungenimmer wie<strong>der</strong> die For<strong>der</strong>ung gestellt wird, nach längererFahrt anzuhalten, Lockerungsübungen zu machen und auszuspannen,trotzdem wird dieser Rat nur selten befolgt.Einen weiteren Mißstand stellt das völlig unsinnige modischeSchuhwerk dar, weil dadurch <strong>der</strong> normale physiologischeAbrollmechanismus nicht erfolgen kann, so daß <strong>der</strong>üblicherweise harte Fußboden zu einer reflektorischen Abwehrhaltungführt, wobei die momentane Anspannung inForm von myogelotischen Dauerverhärtungen <strong>der</strong> SchulterundRückenmuskulatur fixiert wird. Die Boulevardpresse hatsich unseren Bestrebungen nach mehr Freizeit- und Ausgleichssportbereits angenommen und auch das Therapierezeptin Form von „Trimm-Dich"-Aktionen geliefert, wasjedoch eher im Interesse einer inzwischen recht bedeutendeneigenen Konsumgüterindustrie geschieht, da meist teureGeräte dazu nötig sind. — Einfache gymnastische Übungendienen <strong>der</strong> Gesundheit jedoch weit mehr, werden sie richtigund regelmäßig ausgeführt, als das im Hobbyraum stehendeteure Trimm-Dich-Gerät,In <strong>der</strong> täglichen Praixs sind die Wirbelsäulenleiden deshalbheute recht zahlreich geworden, wobei jedoch keineswegsdie Wirbeisäule selbst immer ursächlich für Schmerzen indiesem Bereich verantwortlich ist. Man hat deshalb denAusdruck <strong>der</strong> „Funktionellen Syndrome" geprägt, <strong>der</strong> zwarkeine exakte diagnostische Aussage darstellt, jedoch alsAusgangsbasis für unsere Therapie ausreicht.So sprechen wir im Halsbereich vom HWS-Syndrom undverstehen darunter alle in diesen Bereich fallenden Störungenwie cervicale Kopfschmerzen, Schiefhals, Wurzelirritationsphänomene<strong>der</strong> oberen Extremität, die oft fälchlicherweise— zumal bei nächtlicher Exazerbation — als „Durchblutungsstörungen"aufgefaßt werden. Eine wirksameBehandlungsform dafür stellt das von Huneke entdecktePrinzip <strong>der</strong> Neuraltherapie dar, welches wir bei uns imHaus in Form von Impletol-Injektion paravertebral im entsprechendenWirbelsäulenbereich häufig anwenden. Ohneins Detail zu gehen sei auf eine grundsätzliche Ähnlichkeitmit an<strong>der</strong>en jetzt als wie<strong>der</strong>entdeckt geltenden Therapieformenwie die fernöstliche Akupunktur und die Nervenpunktmassagevon Alfons Cornelius hingewiesen. Desweiteren hat sich hier das von Stiegele in die Homöopathieeingeführte Ferrum oxydatum nigrum bewährt, wenn wirein homöopathisches Mittel geben wollen. Dazu kommennatürlich noch die bekannten physikalischen Maßnahmenwie warme Packungen, Heublumensack und vorsichtigeExtension in <strong>der</strong> Glissonschlinge. Das Grundprinzip bestehtja immer wie<strong>der</strong> entwe<strong>der</strong> in hyperämisierenden o<strong>der</strong>Lockerungsmaßnahmen zu denen wir auch die sehr wirksameHalswirbelsäulengymnastik zählen.Caudalwärts kommen wir dann als nächstes zum BWS-Syndrom, wobei alle in diesem Bereich topographisch befindlichenOrgane — direkt o<strong>der</strong> indirekt — infolge einesschlaffen Aufhängemechanismus — Beschwerden in Formvon meist als recht vage bezeichneten „Rückenschmerzen"verursachen können. So müssen wir beispielsweise an dieEntstehung einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheitbei einer Kyphose, von BWS-Verspannungszuständen beiAsthma denken und entsprechend atemtherapeutisch behandeln.Ferner sollte man bei funktionellen gastrischenBeschwerden an das Vorliegen einer Magenachsendrehungals Folge eines insuffizienten Aufhängeapparates denkenebenso wie beim Auftreten hartnäckiger Obstipationen.Außerdem kann <strong>der</strong> gestörte Aufhängemechanismus nichtnur zu den Beschwerdebil<strong>der</strong>n von Senk- und Wan<strong>der</strong>niereführen, son<strong>der</strong>n darüber hinaus auch noch die Entstehungeiner Pyelonephritis begünstigen. Sogar das Auftreten vonColondivertikeln scheint in einem Zusammenhang mitHemmungsmißbildungen im Sakralbereich zu stehen.Zuletzt kommen wir zum LWS-Syndrom, welches die Cruxjedes Praktikers darstellt, da sich hierbei sowohl gynäkologischeLeiden, neurologische Phänomene und Bandscheibenleiden,als auch die urologischen Krankheitenhinter <strong>der</strong> anamnestischen Angabe von „Kreuzschmerzen"verbergen können. Auch ist, wie bereits anfangs erwähnt,die Übergangsstelle vom beweglichen zum starren Segmentin <strong>der</strong> LWS-Sacralgegend <strong>der</strong> stärksten statischen Belastungausgesetzt, so daß Haltungsschäden hier am ehesten auftreten.Als homöopathisches Mittel für den LWS-Bereich istGnaphalium zu nennen, bei <strong>der</strong> gynäkologisch verursachtenBeckenplethora geben wir Aesculus.Als physikalische Maßnahmen zur Behandlung des LWS-Syndroms sind hier thermische und mechanische Reize wieKantharidenpflaster in <strong>der</strong> Bewegungsmitte durchaus angebracht,neben den bewährten Bindegewebsmassagen.Schließlich ist noch — sozusagen als Appendix — die Coccygodyniezu erwähnen, hinter <strong>der</strong> sich ja eine phylogenetischsehr entscheidende Tatsache, nämlich <strong>der</strong> Verlust desAffenschwanzes oft recht schmerzlich bei den darunterleidenden Patienten in Erinnerung bringt. Bezeichnen<strong>der</strong>weisehilft hier auch ein gleicherweise „altes" Mittel, nämlichCastor equi, ein aus rudimentären Auswüchsen vonPferdefüßen gewonnener hormonartiger Duftstoff.Ist die gesamte Wirbelsäule, wie es bei den meisten unsereradiposen Patienten <strong>der</strong> Fall ist, statisch in Form einesHohlkreuzes belastet, so hilft dagegen natürlich nur einePhys. Med. u. Reh. Heft 8, 1974

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