ABI 2011 - Nordkurier
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Seite 12 Abitur Kurier<br />
Sonnabend/Sonntag, 9./10.Juli <strong>2011</strong><br />
Als Schüler<br />
bei Vorlesungen<br />
NEUBRANDENBURG. Ole Reinsdorf<br />
hat sein zehntes Schuljahr am Albert-Einstein-GymnasiumNeubrandenburg<br />
hinter sich. Zusätzlich<br />
kann er auch den Nachweis über<br />
das abgeschlossene Modul „Physikalische<br />
Grundlagen“ des<br />
Bachelor-Studienganges Geodäsie<br />
und Messtechnik an der Neubrandenburger<br />
Hochschule mit der Note<br />
„Gut“ vorzeigen. Nun will er in<br />
einer weiteren Prüfung beweisen,<br />
dass er in den Lehrveranstaltungen<br />
im˘ Fach Geophysik des Master-Studiengangs<br />
Geoinformatik und Geodäsie<br />
alles verstanden hat.<br />
Zur ersten Klausur in Physik<br />
meint Ole: „Es ging.“ Professor Werner<br />
Melle ist beeindruckt von Ole.<br />
„Das, was er bisher bei uns geleistet<br />
hat, geht weit über das Niveau<br />
eines Schülers dieser Klassenstufe<br />
hinaus. Das packt so mancher Student<br />
nicht.“<br />
Im Vergleich zur Schule, meint<br />
Ole, müsse er hier mehr mitschreiben<br />
und auf die Feinheiten im Vortrag<br />
des Dozenten achten. Die<br />
Anwendungen in der Praxis<br />
haben ihm gefallen. „Ich finde<br />
die Idee des Juniorstudiums<br />
gut, vor allem die<br />
Betreuung an der Hochschule“,<br />
sagt er. Ole hat<br />
noch lange nicht genug<br />
von der Physik und<br />
VON RAINER SINOWZIK<br />
NEUBRANDENBURG. Seit dem 1. Juli<br />
diesen Jahres gibt es den Bundesfreiwilligendienst,<br />
kurz: BFD. Er ersetzt<br />
den Zivildienst. Hintergrund<br />
dafür ist die Aufhebung der Wehrpflicht,<br />
denn damit einher geht<br />
auch der Wegfall des Zivildienstes.<br />
Ein ersatzloser Wegfall der bisherigen<br />
90 000 Zivildienststellen würde,<br />
so die Bundesfamilienministerin,<br />
zu einer sozialen Katastrophe<br />
deren Anwendung. Gitte Zeipelt,<br />
Koordinatorin Hochschule-Schulen<br />
an der Hochschule, hat ihm dank<br />
einer Spende der Telekom-Stiftung<br />
ein dickes Bücherpaket im Wert<br />
von 180 Euro zum Physik-Selbststudium<br />
übergeben. Ole weiß, dass er<br />
sich die bisherigen Studienleistungen<br />
für sein zukünftiges Studium<br />
anrechnen lassen kann.<br />
Er empfiehlt es leistungsstarken<br />
Mitschülern auf jeden Fall, die eigenen<br />
Stärken in einem Juniorstudium<br />
auszutesten. „Es muss natürlich<br />
mit der Schule vereinbar sein,<br />
aber in meinem Gymnasium ist die<br />
Abstimmung kein Problem“, meint<br />
Ole.<br />
Gitte Zeipelt wirbt derzeit in<br />
9. Klassen der Region für dieses Angebot.<br />
„Die Hochschule Neubrandenburg<br />
fördert mit dem Juniorstudium<br />
besonders begabte Schüler.<br />
Wenn sie nach dem Urteil der Lehrer<br />
besondere Begabungen aufweisen,<br />
können sie während der Schulzeit<br />
schon als Juniorstudierende an<br />
der Hochschule Neubrandenburg<br />
eingeschrieben werden.<br />
Damit erhalten sie<br />
das Recht, an regulären<br />
Lehrveranstaltungen<br />
teilzunehmen und einzelne<br />
Studienmodule<br />
zu absolvieren“, erklärt<br />
sie.<br />
Juniorstudent und Zehntklässler Ole Reinsdorf wird sich intensiv mit den<br />
neuen Physik-Fachbüchern beschäftigen. FOTO: HOCHSCHULE/CHRISTINE MANTHE<br />
führen. Doch die Bewerbungen für<br />
viele der ca. 35 000 geplanten neuen<br />
Stellen bleiben (noch) aus.<br />
Einer, der frewillig sozial aktiv<br />
war, ein Freiwilliges Soziales Jahr<br />
absolviert hat, ist Sven Westphal,<br />
ein Abiturient des Jahrgangs 2010<br />
von der Integrierten<br />
Gesamtschule „Vier Tore“<br />
in Neubrandenburg.<br />
Im Gespräch<br />
schildert er seine Motivation<br />
und Erfahrungen<br />
mit dem sozialen<br />
Engagement und erklärt,<br />
warum der Bundesfreiwilligendienst<br />
auch künftig so wichtig<br />
ist.<br />
„Nein“, sagt Sven<br />
Westphal, ein freundlicher Bursche<br />
aus dem Neubrandenburger<br />
Umland, „geplant war das so nicht.<br />
Es hat sich einfach ergeben, dass<br />
ich das Freiwillige Soziale Jahr ge-<br />
Junge Zivildienstleistende in der Universitätsmedizin wird es nicht mehr geben. Neue Konzepte und das Überbrückungsjahr für Abiturienten knüpfen daran<br />
an. FOTO: ARCHIV<br />
Überbrückungsjahr in der Klinik möglich<br />
ANGEBOT Die Greifswalder<br />
Universitätsmedizin<br />
bietet Abiturienten an,<br />
Einblicke in den Arbeitsalltag<br />
zu gewinnen.<br />
GREIFSWALD (NK). Zum Wintersemester<br />
startet die Universitätsmedizin<br />
Greifswald mit einem neuen<br />
Ausbildungsprojekt. Abiturienten<br />
mit einem medizinischen Berufswunsch<br />
können ein bezahltes Überbrückungsjahr<br />
(ÜfA) in den Universitätsfachkliniken<br />
absolvieren,<br />
teilt die Universität mit.<br />
Das sei kein Ersatz für den Zivildienst,<br />
sagte Pflegevorstand Peter<br />
Hingst. „Vielmehr verstehen wir<br />
wählt habe.“ Anfangs habe er nur<br />
den Autoführerschein machen wollen.<br />
Doch dazu brauchte er den<br />
Nachweis über einen bestandenen<br />
Unfallhilfekurs. Die Schule bot zufällig<br />
einen kostenlosen Schulsanitätskurs<br />
an. Den habe er absolviert.<br />
Eine Freundin habe<br />
ihn auf die Möglichkeit<br />
eines Rettungsschwimmerkursesaufmerksam<br />
gemacht.<br />
Einmal motiviert, habe<br />
er auch diesen absolviert.<br />
Dabei sei er<br />
mit dem Arbeiter-Samariter-Bund<br />
in Berührung<br />
gekommen und<br />
hätte begonnen, sich<br />
ehrenamtlich zu engagieren.<br />
„Irgendwie hat mir die Verbindung<br />
von Medizin und Hilfe für<br />
andere Menschen schon immer gefallen“,<br />
erzählt Sven Westphal.<br />
Über einen Beruf habe er aber<br />
unser Konzept als Imageoffensive<br />
für medizinische Berufe im pflegerischen<br />
und therapeutischen Bereich.<br />
Damit wollen wir auch dem<br />
zunehmenden Fachkräftemangel<br />
entgegenwirken.“<br />
Darüber hinaus<br />
könnten Abiturienten<br />
einen Einblick in die<br />
wissenschaftliche<br />
Arbeit gewinnen und<br />
vielleicht ihr Interesse<br />
für ein Medizinstudium<br />
geweckt werden,<br />
ergänzte der Studiendekan,<br />
Professor Claus-<br />
Dieter Heidecke.<br />
Absolventen mit Hochschulreife<br />
können im Überbrückungsjahr,<br />
das sich künftig unter dem Dach<br />
des geplanten Bundesfreiwilligen-<br />
nicht konkret nachgedacht. „In der<br />
10. Klasse habe ich ein Praktikum<br />
in der ,Apotheke am Wall' absolviert.<br />
Da ist mir eigentlich klar geworden,<br />
wie anspruchsvoll ein medizinischer<br />
Beruf sein kann. Irgendwie<br />
ist da auch der Gedanke geboren,<br />
mich für so eine Entwicklung<br />
zu interessieren. Dann hat mich<br />
die Bundeswehr ausgemustert,<br />
und ich habe mich für ein Freiwilliges<br />
Soziales Jahr direkt bei der Diakonie<br />
gemeldet. Die haben mich an<br />
das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum<br />
Neubrandenburg weitervermittelt.<br />
Und hier wiederum arbeite ich seit<br />
dem 1. September 2010 in der Bethesda<br />
Klinik. Das ist eine Fachklinik<br />
für geriatrische Rehabilitation,<br />
die sich hauptsächlich mit den Bedürfnissen<br />
älterer Menschen nach<br />
akuten Erkrankungen beschäftigt.<br />
Zum Beispiel die Reha nach Hüftoperationen.“<br />
Ob man sich in der Schule zum<br />
Thema Zivildienst und Soziales<br />
Jahr unterhalten habe? „Eher wenig“,<br />
überlegt Sven Westphal. „Aus<br />
heutiger Sicht denke ich schon,<br />
dass es wichtig wäre, in der Schule<br />
viel deutlicher auf die Notwendigkeit<br />
ökologischer und sozialer<br />
Dienste aufmerksam zu machen.<br />
Und auf die medizinischen Berufe.“<br />
Er selber habe bereits in der<br />
Schule beschlossen, einen medizinischen<br />
Weg einzuschlagen. „Medizinstudium?<br />
Da ist der Numerus<br />
clausus noch immer sehr eng, und<br />
ich kenne meine Grenzen. Rettungssanitäter<br />
war eine Option.<br />
Die gibt es aber auch in größerer<br />
Anzahl. Ich habe mich für eine Ausbildung<br />
zum Gesundheits- und<br />
Krankenpfleger entschieden. Damit<br />
habe ich dann einen gefragten<br />
Beruf, von dem ich leben kann.<br />
Und falls ich doch studieren möchte,<br />
habe ich ja mein Abitur.“<br />
Ja, der Klinikdienst habe ihn reifen<br />
lassen, schätzt Sven Westphal<br />
ein. „Zum einen die Integration in<br />
den Stationsbetrieb, so mit Pünktlichkeit,<br />
Schichtdienst und der<br />
Übernahme zahlreicher Pflichten.<br />
Immerhin betreut das medizinische<br />
Team meiner Station im<br />
„Damit<br />
wollen wir dem<br />
Fachkräftemangelentgegenwirken.“<br />
dienstes einordnen soll, ihren Studien-<br />
oder Berufsausbildungswunsch<br />
wahlweise neun oder<br />
zwölf Monate in der klinischen Praxis<br />
prüfen, hieß es aus der Universitätsklinik.<br />
Der Einsatz erfolge<br />
auf einer Station oder<br />
einer Intensivstation.<br />
Das Überbrückungsjahr<br />
beginnt im September<br />
<strong>2011</strong> und startet<br />
mit einem Schulungsprogramm<br />
in<br />
Greifswald. „Während<br />
der Tätigkeit an der<br />
Universitätsmedizin steht den jungen<br />
Frauen und Männern zudem je<br />
nach persönlicher Interessenlage<br />
ausreichend Zeit für Hospitationen<br />
in spannenden Tätigkeitsfeldern<br />
Aus dem Engagement wird ein Beruf<br />
NACHWUCHSSORGE Freiwillige<br />
wie Sven Westphal<br />
werden in sozialen Einrichtungen<br />
gebraucht.<br />
Der Neubrandenburger<br />
hat „nebenbei“ sein<br />
Berufsziel gefunden.<br />
Der Weg zur Ausbildung!<br />
Berufsberatung<br />
„Irgendwie hat<br />
mir die Verbindung<br />
von Medizin<br />
und Hilfe<br />
für andere<br />
schon immer<br />
gefallen.“<br />
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Schnitt 25 Patienten. Ein anderer<br />
Aspekt sind der reine Stationsbetrieb,<br />
die Dienstorganisation und<br />
die medizinische Abläufe“, beschreibt<br />
der junge Mann mit<br />
einem Schmunzeln. „Krankenhausalltag<br />
eben.“ Noch wichtiger aber<br />
sei die soziale Kompo-<br />
nente. „Auch wenn die<br />
,Freiwilligen' mehr<br />
eine verbindende<br />
Funktion haben und<br />
mehr Handreichungen<br />
leisten, als medizinische<br />
Hilfe – für meine,<br />
im Wesentlichen<br />
viel älteren, Patienten,<br />
bin ich auch Bezugsperson.<br />
Ich erledige<br />
viele Wege für sie oder<br />
mit ihnen gemeinsam und leiste<br />
praktische Hilfe. Das verbindet.“<br />
Ob es ihn Überwindung gekostet<br />
habe, sich mit kranken Menschen<br />
zu beschäftigen? „Nein!“, betont<br />
der junge Mann. „Aber ich habe<br />
eins gelernt. Wie wichtig es ist,<br />
dem Patienten seine menschliche<br />
Würde zu lassen. Zum Beispiel bei<br />
den Waschungen. Die Grenze zwischen<br />
Notwendigkeit und Selbstständigkeit<br />
sind fließend. Ich achte<br />
sehr darauf, den Patienten ihre<br />
Selbstständigkeit zu lassen!“ Hilfe<br />
sei da notwendig, wo sie auch angebracht<br />
sei.<br />
Es müsse ja nicht in jedem Fall<br />
ein medizinischer Dienst sein. Be-<br />
Sozialdienst<br />
als Notwendigkeit?„Unbedingt.<br />
Der ist<br />
notwendig. Für<br />
den Umgang<br />
miteinander.“<br />
der Krankenversorgung, Forschung<br />
und Lehre zur Verfügung“,<br />
wird in einer Mitteilung informiert.<br />
Die Teilnehmer erhalten<br />
nach Angaben der Hochschule eine<br />
monatliche Vergütung von etwa<br />
600 Euro.<br />
Etwa 30 bis 50 Plätze, vorrangig<br />
für Bewerber aus Mecklenburg-Vorpommern,<br />
werden im ersten Überbrückungsjahr<br />
vergeben. Das Überbrückungsjahr<br />
gilt gleichzeitig als<br />
anerkanntes Pflegepraktikum. Zusätzlich<br />
zu dieser Sonderform ausschließlich<br />
für Abiturienten gibt es<br />
in der Universitätsmedizin nach<br />
wie vor das Freiwillige Soziale Jahr<br />
(FSJ) und künftig auch den Bundesfreiwilligendienst.<br />
@!www.medizin.uni-greifswald.de<br />
Zentrale Dienste - Pflegevorstand<br />
hindertenwerkstätten,Kindereinrichtungen, Altenpflegeheime –<br />
Möglichkeiten zu helfen gäbe es<br />
doch viele. „Das Personal im Klinikum<br />
ist jedenfalls sehr freundlich<br />
zu uns, weil die Anforderungen an<br />
die Stationen ohne freiwillige Helfer<br />
viel höher wären.“<br />
Bedauerlich sei, dass<br />
die Helfer so wenig medizinischeVerantwortung<br />
hätten. Blutzuckermessungen<br />
und<br />
dergleichen könne<br />
man lernen. Die Stationen<br />
würden noch<br />
mehr entlastet.<br />
Sven Westphal wird<br />
nun drei Jahre lang<br />
den Beruf des Gesundheits-<br />
und Krankenpflegers in<br />
Schwerin erlernen. Daher könne er<br />
seinen frewilligen Dienst nicht verlängern.<br />
Seine berufliche Entwicklung<br />
sieht er in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
„Irgendwas mit Chirurgie,<br />
das interessiert mich besonders“,<br />
lächelt er freundlich.<br />
Sozialdienst als Notwendigkeit?<br />
„Ja, unbedingt!“, betont er. „Der ist<br />
notwendig. Für das Verständnis füreinander.<br />
Für den sozialen Umgang<br />
miteinander. Für die Entlastung<br />
des Personals in den medizinischen<br />
und Pflegeeinrichtungen.<br />
Und manchmal eben auch für die<br />
Berufsfindung oder Berufsvorbereitung.“<br />
Sven Westphal hat ein freiwilliges Jahr absolviert. FOTO: RAINER SINOWZIK