ABI 2011 - Nordkurier
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Sonnabend/Sonntag, 9./10.Juli <strong>2011</strong><br />
In der Löcknitzer Schule wird wie in der Partnerschule in Police gebaut, wie<br />
Schulleiter Gerhard Scherer zeigt. FOTO: UDO ZANDER<br />
„Ganz normal<br />
im Grenzland“<br />
ENTWICKLUNG Seit mehr<br />
als 15 Jahren lernen in<br />
Löcknitz deutsche und<br />
polnische Schüler gemeinsam<br />
fürs Abitur.<br />
VON MARINA SPREEMANN<br />
LÖCKNITZ. Die Prüfungen fürs Abi<br />
sind geschafft. Immer noch werden<br />
Fotos vom letzten Schultag der<br />
12. Klasse, den Feiern unter dem<br />
Motto „Stars, Sternchen, Mafia und<br />
Bauarbeiter“ oder natürlich vom<br />
Abiball getauscht. Alles eben ganz<br />
normal in Löcknitz. „Wie in anderen<br />
Gymnasien auch“, meint Schulleiter<br />
Gerhard Scherer. Na gut, ein<br />
Ball, gefeiert hundert Tage vor der<br />
ersten schriftlichen Prüfung und<br />
unbedingt mit roten Strumpfbändern<br />
als Glücksbringer<br />
für alle Abiturientinnen,<br />
ist nicht ganz so<br />
alltäglich, sondern ein<br />
polnischer Brauch.<br />
Und dass mal eben<br />
zwei Außenminister<br />
zur Zeugnisausgabe<br />
vorbeikommen, wie<br />
im Juli 2008 der damalige<br />
Minister Frank-<br />
Walter Steinmeier<br />
und sein polnischer<br />
Amtskollege Radek Sikorski, ist<br />
auch eher etwas Besonderes.<br />
Am Deutsch-Polnischen Gymnasium<br />
in Löcknitz lernen seit dem<br />
Schuljahr 1995/96 deutsche und<br />
polnische Schüler gemeinsam. „Damals<br />
kamen erstmals 28 Schüler<br />
aus unserer Partnerschule in Police<br />
täglich zum gemeinsamen Unterricht<br />
zu uns. Sie haben sich mit<br />
55 deutschen Neuntklässler auf<br />
das Abitur vorbereitet“, berichtet<br />
Scherer, der das 1991 gegründete<br />
Gymnasium leitet. Im Juli 1999 erhielten<br />
66 Abiturienten des ersten<br />
deutsch-polnischen Jahrganges<br />
ihre Zeugnisse. Heute kommen<br />
WIEN/ST. PÖLTEN (PM). Kurz nach<br />
dem Mathe-Abi hat ein Lehrer in Österreich<br />
die ausgefüllten Prüfungs-<br />
Bögen der Abiturienten auf der<br />
Straße verloren. Die zwölf Prüflinge<br />
in St. Pölten, der Landeshauptstadt<br />
von Niederösterreich, mussten<br />
dann noch einmal zur Prüfung<br />
antreten müssen – sie haben die<br />
Nerven behalten, wie österreichische<br />
Zeitungen berichtet haben.<br />
Sie mussten also über neuen Prüfungsaufgaben<br />
noch einmal schwitzen.<br />
Ob die Prüfer Milde walten ließen<br />
und wie schwierig die Fragen<br />
und Gleichungen in der zweiten<br />
Runde waren, ist unterdessen<br />
nicht bekannt worden. Alle Prüflinge<br />
hätten aber auf jeden Fall die<br />
zweite Mathe-Matura bestanden,<br />
hieß es.<br />
Entscheidung<br />
oft für<br />
„gezielte<br />
Vorbereitung<br />
auf ein Studium<br />
irgendwo<br />
in Europa“<br />
von den 350 jungen Leuten an der<br />
Schule etwa 100 täglich über die<br />
Grenze zum Unterricht. 15 bis<br />
20 junge Polen leben inzwischen<br />
mit ihren Familien in Löcknitz und<br />
besuchen ebenfalls das Deutsch-Polnische<br />
Gymnasium. „Tendenz steigend,<br />
weil viele polnische Familien<br />
hier kleine Kinder haben, die noch<br />
in die Kita oder die Grundschule gehen“,<br />
betont der Schulleiter.<br />
Idee und Konzept für das<br />
Deutsch-Polnische Gymnasium seien<br />
durch die langjährigen Kontakte,<br />
zunächst vor allem bei Kultur<br />
und Sport, entstanden. Früher sei<br />
die Schule durch die gegenseitige<br />
Neugier aufeinander für die junge<br />
Leute interessant gewesen, schätzt<br />
Scherer ein. „Das hat sich verändert,<br />
weil das Zusammenleben normal<br />
ist. In den 11. und 12. Klassen<br />
sind überhaupt keine Unterschiede<br />
mehr zu spüren“, sagt er. „Wir<br />
wollen nichts Besonde-<br />
res sein, wir sind einfach<br />
eine Schule in der<br />
Grenzregion.“<br />
Hauptgrund junger<br />
Leute, sich für die<br />
Schule zu entscheiden,<br />
sei „die gezielte<br />
Vorbereitung auf ein<br />
Studium irgendwo in<br />
Europa“. Für deutsche<br />
Schüler sei außerdem<br />
ein Argument, durch<br />
das Kennenlernen der polnischen<br />
Sprache und des polnischen Alltags,<br />
ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />
zu verbessern. Leider würden<br />
viele Absolventen wegen Studium<br />
und Job die Region verlassen,<br />
aber einige treffe er gelegentlich,<br />
weil sie hier geblieben seien. Auf<br />
Anhieb fällt ihm ein junges Paar<br />
ein: Die Frau, die aus Polen<br />
stammt, arbeitet in einem Amt in<br />
Pasewalk. Ihr Ehemann, ein ehemaliger<br />
deutscher Gymnasiast, sei<br />
heute Arzt in der Stadt, erzählt<br />
Scherer. „Kennengelernt haben<br />
sich die beiden hier bei uns.“ Eine<br />
ganz nomale Sache eben.<br />
Der Lehrer hatte die Bögen nach<br />
der Prüfung Anfang Juni im Gepäckkoffer<br />
seines Mopeds verstaut.<br />
Der Deckel sprang „wegen eines<br />
technischen Gebrechens“ auf, wie<br />
der Schulleiter den Medien daraufhin<br />
zu erklären versuchte. Als der<br />
Lehrer das Unglück bemerkte, waren<br />
die Blätter bereits weit verstreut.<br />
Zwar versuchte er gemeinsam<br />
mit Kollegen, die Arbeiten<br />
noch aufzusammeln, einige blieben<br />
aber unauffindbar. Zudem waren<br />
die Dokumente zum Teil unleserlich.<br />
Die Schulbehörde hat deshalb<br />
beschlossen, die Klasse neu<br />
zur Prüfung antreten zu lassen.<br />
Merke: Vorsicht bei Lehrern, die<br />
auf dem Moped durch die Gegend<br />
fahren! Besonders an Prüfungstagen.<br />
Und das gilt sicher nicht nur<br />
in Österreich.<br />
„Die Schüler begeistern<br />
zu können, ist toll“<br />
NEUSTRELITZ. „Ich bin Mecklenburger<br />
durch und durch“, sagt Fritz<br />
Schnepf über sich selbst. Der<br />
sympathische 28-Jährige ist in<br />
Malchin geboren und aufgewachsen.<br />
Nach dem Abitur leistete er<br />
seinen Zivildienst in der katholischen<br />
Jugendbildungsstätte in<br />
Teterow und studierte an der<br />
Ernst-Moritz-Arndt-Universität<br />
Greifswald Deutsch/Kunst und<br />
Gestaltung. Seit dem 1. April vorigen<br />
Jahres ist er Referendar am<br />
Neustrelitzer „Carolinum“. Gerlinde<br />
Bauszus kam mit dem jungen<br />
Lehrer ins Gespräch.<br />
Hatten Sie nach dem Abitur<br />
noch andere Pläne, oder ist Lehrer<br />
Ihr Traumberuf?<br />
Es ist mein Traumberuf, das<br />
kann man schon so sagen. Insbesondere<br />
in Bezug auf die Fachrichtungen.<br />
Ich habe immer schon<br />
gern gezeichnet, gemalt, Texte geschrieben<br />
– mich also sehr frühzeitig<br />
künstlerisch betätigt. Gegen Ende<br />
der Schulzeit stellte sich dann<br />
auch relativ schnell der Wunsch<br />
ein, mit Kindern und Jugendlichen<br />
arbeiten zu wollen.<br />
Was hat diesen Beruf außerdem<br />
für Sie so attraktiv gemacht?<br />
Es klingt vielleicht paradox,<br />
aber reizvoll am Lehrerberuf ist für<br />
mich vor allem, dass ich mich nie<br />
so recht auf Dinge verlassen kann.<br />
Es bleibt immer spannend, weil<br />
stets neue, unvorhergesehene Dinge<br />
passieren. Monotonie stellt sich<br />
da keine ein. Genau das lernt man<br />
schnell zu schätzen.<br />
Ein weiterer Aspekt ist, Freude<br />
erzeugen zu können. Wenn man<br />
spürt, dass diese oder jene Idee bei<br />
den Schülern ankommt, dann sind<br />
das Momente, in denen man sich<br />
sagt: Ja, das ist der richtige Job.<br />
Schüler begeistern zu können, ist<br />
eine tolle Sache.<br />
Wie kam es, dass Ihre Wahl auf<br />
das Gymnasium Carolinum in<br />
Neustrelitz fiel?<br />
Während des Studiums habe ich<br />
gemeinsam mit anderen Studenten<br />
an einem Projekt zum Thema<br />
„Ganztagsschulen in Mecklenburg-<br />
Vorpommern“ gearbeitet. Eine der<br />
ausgewählten Schulen war das Carolinum.<br />
Ich bin hergefahren und<br />
war begeistert, in welcher Weise<br />
das Ganztagsschulkonzept hier umgesetzt<br />
wird. Nach dem Studium<br />
wollte ich unbedingt im Land bleiben.<br />
Als aus Schwerin eine Zusage<br />
zum Referendariat in Neustrelitz<br />
kam, habe ich mich riesig gefreut.<br />
Wie gestaltet sich die Arbeit<br />
mit den Schülern?<br />
Da kann man nur Positives vermelden.<br />
Ich bin gern in den verschiedenen<br />
Klassenstufen, weil ich<br />
Abitur Kurier Seite 15<br />
spüre, dass ich es mit Schülern zu<br />
tun habe, die sehr freundlich, offen<br />
und bereit sind, neue Dinge zu<br />
entdecken und zu verstehen.<br />
Welche Vor- und vielleicht<br />
auch Nachteile sehen Sie in<br />
der Generationsnähe zu<br />
Ihren Schülern?<br />
Bislang sehe ich nur Vorteile.<br />
Ich denke, dass wir uns in<br />
vielen Dingen, gerade was<br />
den Umgang mit Medien<br />
oder die Popkultur betrifft,<br />
relativ nah sind. Da merkt<br />
man schon die Generationsnähe,<br />
die viel Potenzial mit sich<br />
bringt. Wobei dies natürlich kein<br />
ausschließliches Privileg jüngerer<br />
Lehrer ist.<br />
Ist es für einen jüngeren<br />
Lehrer schwieriger<br />
von seinen<br />
nur wenig<br />
jüngeren Schülern<br />
als<br />
Respektspersonwahrgenommen<br />
zu<br />
werden?<br />
Auch wenn<br />
man als Lehrer<br />
noch sehr<br />
jung ist,<br />
unterliegt<br />
ein respektvoller<br />
Umgangmiteinander<br />
keinem Ausschlussverfahren.<br />
Die Schüler<br />
merken relativ<br />
schnell, dass es<br />
bei allen Gemeinsamkeiten<br />
einen<br />
gewissen Punkt<br />
gibt, an dem das<br />
Lehrer-Schüler-<br />
Verhältnis einsetzt.<br />
Das muss<br />
keine Kluft bedeuten.<br />
Wir gehen<br />
offen miteinander<br />
um, sind im<br />
Dialog, jeder sagt seine<br />
Meinung. Aber bestimmte<br />
Grenzen werden nicht<br />
überschritten.<br />
Entspricht das, was Sie<br />
im ersten Jahr erlebt<br />
Fritz Schnepf ist Referendar am Gymnasium Carolinum in Neustrelitz.<br />
„Ich bin seit über einem Jahr hier in der Stadt“, sagt Fritz Schnepf.<br />
„Das ist noch nicht so lange, aber doch lange genug, um vieles entdeckt<br />
und gesehen zu haben.“ FOTO: GERLINDE BAUSZUS<br />
haben, denn Ihren Erwartungen?<br />
Der Unterschied zwischen Theorie<br />
und Praxis ist schon fühlbar. So<br />
war mir zum Beispiel<br />
klar, dass<br />
sich meine<br />
Lehrertätigkeit<br />
nicht<br />
nur auf<br />
den<br />
Unterrichtbeschränkt<br />
. Überrascht<br />
hat mich<br />
dann aber<br />
doch, wie<br />
viel<br />
Mathe-Test<br />
vom Winde verweht ����<br />
darüber hinaus – also quasi um<br />
den Unterricht herum – für einen<br />
Lehrer zu tun ist. In diesem Ausmaß<br />
war mir das vorher nicht bewusst.<br />
So kommt in Sachen Schulorganisation<br />
einiges zusammen.<br />
Andererseits ist es auch eine interessante<br />
Komponente und für mich<br />
eine Art Überraschung, die ich<br />
durchaus positiv bewerte.<br />
Biographisch gesehen sind Sie<br />
aber eher der bodenständige<br />
Typ und weniger auf Überraschungen<br />
aus …<br />
Das ist richtig. Nähe ist etwas,<br />
das ich in jeder Phase meines bisherigen<br />
Lebens erlebt und schätzen<br />
gelernt habe. Ob während der<br />
Schulzeit oder später beim Studium<br />
– das hatte immer alles einen<br />
privaten, fast familiären<br />
Charakter. Schon während<br />
des Zivildienstes<br />
empfand ich es als etwas<br />
Wunderbares,<br />
keine Anonymität<br />
zu spüren. Während<br />
des Studiums<br />
war es<br />
ähnlich. Jeder<br />
Professor kanntesei-<br />
neStudenten,nannte<br />
sie beim<br />
Namen,<br />
wusste, wer<br />
man ist und<br />
woher man kommt. Das<br />
hat mich geprägt. Dieses<br />
Miteinander in einer kleinen,<br />
feinen Uni, wo man<br />
das Gefühl hat, dem Professor<br />
morgens beim Bäcker<br />
zu begegnen, hat<br />
Beziehungen entstehen<br />
lassen, die ich mir<br />
in einer Großstadt so<br />
nicht vorstellen könnte.<br />
Das habe ich als etwas<br />
Positives mitgenommen.<br />
Die Uni-<br />
Kontakte bestehen<br />
nach wie vor.<br />
Wie groß ist die<br />
Wahrscheinlichkeit,<br />
dass Sie in 30<br />
Jahren vielleicht doch<br />
in Australien landen?<br />
Eher gering. Ich würde<br />
schon gern hierblieben.<br />
Natürlich bin ich auch viel<br />
unterwegs, reise sehr gern.<br />
Aber es ist eben auch immer<br />
wieder ein schönes Gefühl,<br />
hierher zurückzukommen.<br />
Hier habe ich die Ruhe,<br />
um mich auf meine<br />
Arbeit konzentrieren oder<br />
mich auch mal zurückziehen<br />
zu können.<br />
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