Die gesamte Ausgabe 4/2004 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...
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Etwas bewegen<br />
Der Sozialdemokrat Martin<br />
Berg wurde 1968 erstm<strong>als</strong> in<br />
den Römer gewählt. Als Dezernent<br />
mit einem so genannten<br />
Superdezernat für Soziales,<br />
Jugend, Wohnungswesen,<br />
Sport, Grünbereich mit<br />
Gartenamt, Palmengarten... Foto: Archiv SZ<br />
kam er 1972 in den Magistrat und wurde 1976<br />
Bürgermeister der Stadt Frankfurt. Von 1992 bis<br />
1995 war er erneut <strong>als</strong> Dezernent für Jugend und<br />
Soziales tätig. Danach hat er sich in den wohlverdienten<br />
Ruhestand zurück gezogen.<br />
Herr Berg, wie haben Sie die 70-er Jahre in Frankfurt<br />
erlebt?<br />
Es waren turbulente Zeiten. Das kann man in Kürze<br />
nicht beschreiben. Vieles war im Aufbruch. Es herrschte<br />
ein großer Diskussionsbedarf. Meine Methode<br />
bei allen Krawallen und Häuserbesetzungen war immer:<br />
den Menschen zuhören, verhandeln, diskutieren<br />
und etwas Positives daraus machen.<br />
Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?<br />
Wir haben versucht, die sozialen Probleme anzugehen<br />
und Frankfurt zu einer lebenswerteren Stadt zu<br />
machen. Beispiele hierfür sind: der <strong>Senioren</strong>beirat<br />
wurde ins Leben gerufen, zahlreiche Altenklubs eröffnet,<br />
der erste Spielbus in Betrieb genommen, eine<br />
Freizeitkarte (was, wo, wann) für Frankfurt gedruckt,<br />
lern verbal attackiert wurden, machten<br />
ihren Unmut lautstark kund und<br />
kletterten auf die Bühne, wo es auch<br />
zu Handgreiflichkeiten kam. Auch in<br />
der Leitungsstruktur wurden neue Modelle<br />
ausprobiert. So hielt Anfang der<br />
Siebzigerjahre zum ersten Mal ein Mitbestimmungskonzept<br />
Einzug ins Theater.<br />
Doch hier griff die Politik ein,<br />
ein Untersuchungsausschuss ging der<br />
Frage nach, ob marxistische Kader im<br />
TAT ausgebildet würden. 1974 leitete<br />
Rainer Werner Fassbinder für ein Jahr<br />
das TAT. Er gab seinen Einstand mit<br />
der Premiere von Karsunkes „Germinal“<br />
nach Zola. Doch die Ära Fassbinder<br />
dauerte nur ein Jahr, sie scheiterte<br />
an finanziellen und künstlerischen<br />
Querelen. Im Jahr <strong>2004</strong> musste das<br />
TAT nun endgültig schließen.<br />
Sorgen der Studenten<br />
„Studenten mit langen Haaren reihten<br />
sich gar nicht erst in die Schlange<br />
der Zimmersuchenden ein“, schreibt<br />
Monika Carbe in ihrem Buch „Was<br />
war los in Frankfurt 1950 – 2000“. Den<br />
abschätzigen Blick des Vermieters auf<br />
ihre verwaschenen Jeans und den geflicken<br />
Parka hätten sie sich gar nicht<br />
erst bieten lassen und sich eine<br />
Wohngemeinschaft (WG) gesucht.<br />
Auch „Zweierkisten“, Heiraten und<br />
die Fixiertheit auf einen Partner wurden<br />
in Frage gestellt. In den WGs<br />
die erste Mietwerttabelle, Vorläufer des Mietspiegels,<br />
herausgegeben, das Zweckentfremdungsverbot für<br />
Wohnraum ausgesprochen und das erste Frauenhaus<br />
in Deutschland eröffnet.<br />
In diesem Zusammenhang von „mehr Menschlichkeit“<br />
wird die <strong>Senioren</strong> <strong>Zeitschrift</strong> der Stadt Frankfurt „erfunden“.<br />
Wie kam das zu Stande?<br />
Für ältere Bürger gab es bis dato ein Buch mit<br />
Adressen von Klubs und Anlaufstellen. <strong>Die</strong> Erhebung<br />
und Produktion dauerte aber sehr lange. Oft waren etwa<br />
die Öffnungszeiten bestimmter Einrichtungen bereits<br />
veraltet, wenn das Werk gerade gedruckt wurde. So<br />
entstand die Idee, ein aktuelleres Informationsmedium<br />
für ältere Bürger zu schaffen mit Adressen, Geschichten,<br />
Rätseln und Wissenswertem. Als Wahrzeichen<br />
wählten wir den silbernen Umschlag für das „Silberblatt“,<br />
in Anlehnung an das silbergraue Haar der <strong>Senioren</strong>.<br />
Und wir legten die Zeitung in die Apotheken,<br />
damit sie auch jeder erreichte, der keine Ämter und<br />
Organisationen aufsucht.<br />
Welche Bedeutung hat die <strong>Senioren</strong> <strong>Zeitschrift</strong> noch<br />
heute?<br />
<strong>Die</strong> Frankfurter <strong>Senioren</strong>zeitschrift war die erste<br />
ihrer Art in der Republik – und sie fand viele Nachahmer.<br />
Daran ließ und lässt sich der enorme Bedarf für<br />
ein solch aktuelles und informatives Medium ablesen.<br />
Auch wenn man mit 60 Jahren heute nicht mehr <strong>als</strong><br />
„alt“ gilt, freut man sich doch über Tipps und Anregungen,<br />
die speziell auf die eigene Altersgruppe<br />
zugeschnitten sind.<br />
wurde heiß diskutiert. Es kam zu<br />
manchen Auseinandersetzungen –<br />
auch um die Haushaltsführung. Ein<br />
Anschlag am schwarzen Brett in der<br />
Küche einer WG tat den Diskussionsbedarf<br />
kund. Dort hieß es etwa:<br />
„Heute Abend Diskussion um sanitäre<br />
Infrastruktur! Kommt alle!“<br />
Jutta Perino<br />
Ausnahmsweise mal keine historischen Bilder: Ihren 30. Geburtstag hat die <strong>Senioren</strong><br />
<strong>Zeitschrift</strong> mit vielen Gästen und noch mehr guter Laune auf dem Römerberg gefeiert.<br />
Vielleicht waren auch Sie mit dabei? Fotos: Archiv SZ<br />
SZ 4/<strong>2004</strong> 11